Kafka kannste knicken! -  Uli Black

Kafka kannste knicken! (eBook)

Bildung war gestern - heute ist TikTok

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
298 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-2441-0 (ISBN)
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H.C. Nachtnebel, ein gescheiterter Lebenskünstler, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält, stolpert nach seinem Rauswurf bei ALDI über eine Werbekampagne von "The Länd" gegen den eklatanten Lehrermangel: "Keinen Bock auf Arbeit? Hurraaa - werde Lehrer*in". Obwohl er selbst keinen Schulabschluss hat, versucht er sein Glück und bewirbt sich beim Kultusministerium. Er rennt offene Türen ein und findet sich 2 Tage später als Fachabteilungsleiter an einem ehemaligen Elitegymnasium wieder. Mit seinem Sinn für Humor, seinen verrückten Ideen und unkonventionellen Methoden schafft Nachtnebel es sehr schnell, die Schüler für sich zu gewinnen. Doch als er das Telefon des Schulleiters anzapft und einen vermeintlichen Terroristen in die Schule einschmuggelt, ist der Bogen überspannt. Nun sind seine Tage gezählt, oder?

Im Jahre 1953 in Heidelberg geboren, ist die eigene Schulzeit des Autors geprägt durch Studentendemos gegen Numerus Clausus, Vietnamkrieg und Notstandsgesetze, an denen er aktiv teilnimmt, um sich gegen Intoleranz und staatliche Willkür aufzulehnen. Er beschließt, Lehramt zu studieren, um es als Pädagoge besser zu machen als die meisten seiner Lehrer. Sein Weg in die Schule scheint schnell zu enden, als er während seines Referendariats als Schlagzeuger der Punkband Spionageabwehr in der Öffentlichkeit gegen das bestehende Bildungssystem wettert. Er wird dennoch verbeamtet, was ihn aber nicht davon abhält, immer wieder auf Missstände im Bildungssystem hinzuweisen. Nach einem Zusatzstudium in Psychologie wird er Ausbildungslehrer und betreut und berät neben seiner Lehrertätigkeit 20 Jahre lang bis zu seiner Pensionierung zukünftige Lehrer*innen. Außer seiner beruflichen Tätigkeit als Pädagoge ist er auch als Künstler erfolgreich. 1996 bekommt er unter dem Pseudonym TAKE BLACK einen Plattenvertrag mit EMI und hat in Folge mit "There you are" und "Jurassic Park" zwei Airplayhits. 2009 erscheint sein von der Kritik gefeierter gesellschaftskritischer Roman Gassi ohne Hund.

Die Wende


»Entschuldigung. Wo finde ich denn die Bioservietten? Ich kann sie in der veganen Abteilung, wo sie sonst immer waren, nicht finden.«

»Ganz am Anfang der Reihe rechts, wenn Sie hier hereinkommen. Nach den Bananen und vor dem Blauschimmelkäse.«

»Ach so. Das macht Sinn. Danke.«

»Bitte sehr, gerne.«

Achtung! Der Marktleiter naht. Und er sieht nicht gut gelaunt aus.

»Würden Sie mir mal sagen, was Sie hier machen?«, fragt er mit gereiztem Unterton.

»Ich arbeite, Chef. Regale einräumen. So wie gestern und vorgestern. Das war Ihre Idee.«

»Ja, weil Sie an der Kasse zu langsam sind. Wo kämen wir hin, wenn wir jedem Kunden die Tür aufhalten und am Ende die Tasche noch zum Auto tragen? Wir sind doch hier nicht bei der Caritas.«

»Aber ein Mensch bleibt doch auch ein Mensch, wenn er bei Aldi ist. Ich dachte nur…«

»Fürs Denken sind Sie nicht hier, das überlassen Sie besser mal denen, die es können. Mir zum Beispiel. Und darf ich fragen, warum Sie gerade die Rindersteaks statt in die Fleischtheke, wo sie hingehören, in das Regal neben den Giottos und den Mohrrüben einsortieren?«

»Ach, Mohrrüben sind das? Ich dachte, das sind Gelbe Rüben. Dann müssen die natürlich neben die Marmelade.«

»Waaaas??!« Seine ohnehin nicht allzu gute Stimmung sinkt schlagartig in den Keller. »Wollen Sie mich verarschen, Mann?«

»Nein, Chef. Ich dachte nur, dass man das Warensortiment hier besser strukturieren könnte, damit die Kunden alles schneller finden.«

»Ist das Ihr Ernst, Nachtnebel? Sie treiben mich noch in den Wahnsinn mit Ihren idiotischen Ideen! Der Schwachsinn, mit jedem Kunden den Einkauf auf dem Kassenzettel nochmal im Kopf durchzurechnen, ob auch alles stimmt, war ja schon irre, aber was in Dreiteufelsnamen haben die Rindersteaks hier zu suchen?«

Er wird nun so laut, dass ein paar Kunden ihre Köpfe zu uns drehen.

»Na ja«, sage ich ruhig. »Wie gesagt, versuche ich, Struktur in den Laden zu bekommen. Deshalb sortiere ich die Ware nach dem Alphabet. Von A wie Aal bis Z wie Zucker. Da findet man alles in Windeseile und hat dann noch genügend Zeit, mit dem Kassierer den Kassenzettel…«

Weiter komme ich nicht.

»Alphabetisch ordnen?? Haben Sie jetzt den letzten Rest Verstand verloren? Und überhaupt, wie buchstabieren Sie eigentlich Rindersteak? Das schreibt man mit R! R wie Rotze! R wie Rattengift! R wie Rumpelstilzchen!!! Und das ist hier ist ja wohl offensichtlich nach Ihrer Logik das Regal mit den Sachen, die mit G anfangen. G wie geisteskrank. G wie gestört. G wie GAGA!! «

»Ja, schon klar, Chef. Aber haben Sie das Haltbarkeitsdatum von den Fleischflatschen hier gesehen? Letzte Woche abgelaufen. Deshalb ordne ich sie jetzt hier ein neben den Gelben Rüben. Schreibt man auch mit G. G wie Gammelfleisch.«

»Waaas?? Gammelfleisch? Sind Sie völlig meschugge, Mann? Bei Aldi gibt es nur topfrische Ware!«

»Ja, klar, Chef. Ich weiß. Aber da gibt es ein Problem. Sie haben doch am Eingang diesen Zettel hängen, dass immer alles vorrätig ist bei uns und wenn mal nicht, dass der Kunde dann zwei Stück davon kostenlos bekommt.«

»Ja, das war meine geniale Idee. Damit sind wir Lidl und den anderen Discountern weit voraus. Und was bitte hat das jetzt damit zu tun, dass Sie…«

»Na ja«, unterbreche ich ihn, »die Rindersteaks gingen gestern Abend noch aus und heute Morgen kam die angekündigte Lieferung nicht. Und dann kam dieser Kunde, der darauf bestand, zwei Packungen Rindersteaks umsonst zu bekommen, wie auf dem Aushang versprochen. Das Dumme war nur, dass ich ihm keine zwei Packungen schenken konnte, weil ja nicht mal eine einzige da war. Was hätte ich denn machen sollen? Sie wecken? Oder ihn zu Lidl schicken? Ich bin dann eben in den Container draußen gekrochen und habe die abgelaufenen Pakete wieder herausgeholt.«

»Was??? Sie haben dem Kunden abgelaufene Rindersteaks aus dem Müllcontainer gegeben???«

»Ja, das heißt nein, also jein… Ich habe in Ihrem Büro das Etikettiergerät geholt und das Haltbarkeitsdatum kurzerhand um drei Wochen verlängert…«

»Sie haben was gemacht??«

»Na ja, sonst hätten wir den Kunden sicher an die Konkurrenz verloren. Wir sollen doch jeden Kunden halten, um jeden Preis, haben Sie gesagt. Zudem hat er sie ja kostenlos bekommen, einen besseren Preis bekommt er nirgends. Und er weiß ja nicht, dass die Dinger eigentlich weit über dem Datum sind. Für ihn sind sie noch drei Wochen haltbar, hihihi. Jedenfalls ist er ganz glücklich gegangen und kommt sicher wieder.«

Wenn er den Angriff auf seine Gesundheit überlebt.

»Sie sind doch von allen guten Geistern verlassen, Mann! Jetzt reicht es endgültig. Packen Sie Ihren Kram und verziehen Sie sich. Und kommen Sie nicht auf die Idee, sich hier noch einmal blicken zu lassen!«

Ich steige langsam von der Leiter.

»Neee, ganz sicher nicht. Aldi ist ohnehin ein Schrottladen und Regaleinräumer werden überall gebraucht. Die bei Lidl würden sich die Hände reiben, wenn…«

»Lidl?? Da wurden Sie doch schon rausgeworfen, bevor Sie bei uns angefangen haben.«

»Ach ja, stimmt. Hatte ich ganz vergessen. Aber Netto würde…«

»Dann geh doch zu Netto!«

»Danke für den Tipp, Chef. War der jetzt kostenlos oder wird er von meinem Lohn abgezogen?«

»Raus hier! Und komme nicht auf die Idee, dich nochmal blicken zu lassen!«

»Da müssen Sie sich keine Sorgen machen, auf Gammelfleisch habe ich echt keinen Bock. Ich sollte mal dem Gesundheitsamt einen Tipp geben, dass…«

»Raus!«, brüllt er. »Verpiss dich, sonst vergesse ich mich

»Okay, okay, ich gehe ja schon«, sage ich und hebe beschwichtigend die Arme. Ich drücke ihm die blaue Kutte mit dem Aldi-Logo auf dem Rücken in die Hand und ziehe Leine. Er wird mir genauso wenig fehlen wie der Laden. War ohnehin ein scheiß Job. Wie all die anderen, in denen ich mich in den letzten Wochen, Monaten, Jahren probiert habe. Zeitungsausträger, Straßenmusiker, Autowäscher, Erfinder, Moderator, Müllmann, Flaschensammler und was weiß ich noch alles. Nichts hat funktioniert. Überall flog ich nach kurzer Zeit raus oder auf die Nase. Es ist immer das gleiche: In dem Augenblick, in dem man sein Hirn einschaltet und konstruktive Beträge leisten will, schießt man sich ins Abseits. Du darfst immer nur funktionieren, bloß nie reflektieren. Und wenn ich nur an die unzähligen Bewerbungen denke. Absage, Absage, Absage. Und das alles nur, weil ich keinen richtigen Schulabschluss habe. Ohne Abschluss zählst du in diesem Land nichts. Keiner fragt dich, was du kannst. Jeder will nur Papiere sehen, Zeugnisse, Befugnisse, Bescheinigungen, Bestätigungen, Bewilligungen, Zertifikate, Brief und Siegel. Habe ich alles nicht. Ich frage mich, was da falsch gelaufen ist. Zuerst sagten sie, ich sei „hochbegabt“ und ließen mich die dritte Klasse überspringen, und dann flog ich kurz vorm Abi von der Schule, weil ich zweimal die Versetzung nicht schaffte und angeblich „zu blöd“ war, dabei hatte ich einfach keinen Bock auf den langweiligen Scheiß, den sie mir mit der Holzhammermethode verklickern wollten. Was die mir erzählten, wusste ich alles schon längst. Penner haben sie mich genannt. Die größten Penner sind doch die Lehrer selbst. Flaschen vor dem Herrn! Und die wollen einem beibringen, was im Leben abgeht? Vergiss es!

Ich habe Hunger. Mein Rauswurf bei ALDI kam so plötzlich und unerwartet, dass ich nicht mal Zeit hatte, mir wie sonst in der Obstabteilung den Bauch vollzuschlagen.

Da meine Hosentaschen so leer sind wie die Zuschauerränge beim Wetthäkeln im Seniorenheim, mache ich mich auf den bekannten Weg zur Bahnhofsmission. Da gibt es immer etwas Warmes für Herz und Bauch.

Ich gehe in das Bahnhofsgebäude und sehe plötzlich dieses überdimensionale knallgelbe Plakat, auf dem in riesigen blauen Buchstaben HURRAAA! steht. Das war gestern noch nicht da.

´Aha´, denke ich, ´interessant. Hurraaa! Schreibt man das nicht hinten mit einem h? Wie war das gleich nochmal? Wir können alles außer Rechtschreibung? ´

Egal, ich werde neugierig und gehe näher an das Plakat heran. Nun kann ich auch den Rest lesen:

»Keinen Bock auf Arbeit? Mach, was dir Spaß macht, und werde Lehrer.«

Verarsche, oder?

Das hat bestimmt Amnesty International angebracht, die sind sich ja für nichts zu schade. Hauptsache, sie können irgendwo hochklettern und Plakate anbringen.

Aber sind deren Plakate nicht immer grün? Oder war das Greenpeace?

Da fällt mir etwas ein. Als ich gestern die Zeitungen einsortiert habe bei ALDI, war doch haargenau dieses Plakat auf einer Titelseite. An den Text darunter kann ich mich nicht...

Erscheint lt. Verlag 19.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7597-2441-8 / 3759724418
ISBN-13 978-3-7597-2441-0 / 9783759724410
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