Freundschaft und Vergeltung -  Helmut Krausser

Freundschaft und Vergeltung (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
352 Seiten
Berlin Verlag
978-3-8270-8095-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
21,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Als über den Jahreswechsel 1965 vier Menschen an einem altehrwürdigen englischen College spurlos verschwinden, stehen nicht nur die anwesenden Lehrer und Schüler vor einem Rätsel - auch die polizeilichen Ermittlungen laufen ins Leere. Allein Anthony Brewer, ehemals Zögling des Knabeninternats und mittlerweile pensionierter Rechtsanwalt, lässt das damals Geschehene nicht los. Er hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Cold Case aufzuwärmen und das Raven-Hall-Mystery mit den Mitteln der Gegenwart zu lösen. Ein meisterhaft komponierter Roman mit originellen Twists und nachbebender Spannung. »Krausser gehört eingeladen, besprochen und mit Preisen bedacht, vor allem aber gehört er gelesen. Denn so viele Genies, dass man es sich leisten könnte, einen Helmut Krausser weiter zu ignorieren, gibt es in Deutschland nun wirklich nicht.« Daniel Kehlmann/DIE ZEIT

Helmut Krausser, geboren 1964 in Esslingen, schreibt Romane, Erzählungen, Lyrik, Tagebücher, Hörspiele, Theaterstücke, Drehbücher und komponiert Musik. Von ihm erschienen u.a. »Fette Welt« (1992), »Melodien oder Nachträge zum quecksilbernen Zeitalter« (1993), »Thanatos« (1996), »Der große Bagarozy« (1997), »UC (Ultrachronos« (2003), »Eros« (2006), »Die kleinen Gärten des Maestro Puccini« (2008), »Einsamkeit und Sex und Mitleid« (2009), »Die letzten schönen Tage« (2011), »Nicht ganz schlechte Menschen« (2012), »Gebrauchsanweisung für den FC Bayern München« (2015), »Alles ist gut« (2015), »Geschehnisse während der Weltmeisterschaft« (2018) und zuletzt der Lyrikband »Glutnester« (2021) sowie die Romane »Trennungen. Verbrennungen« (2019), »Für die Ewigkeit. Die Flucht von Cis und Jorge Jega« (2020) und »Wann das mit Jeanne begann« (2022). Mehrere seiner Bücher wurden verfilmt und seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er lebt in Berlin.

DIE PROTOKOLLE


Polizeiprotokoll 1 – 13:00 Uhr am 1.1.1966. Befragt wird Gerda Bradshaw, 55, Ehefrau des als vermisst geltenden John Bradshaw. Zugleich Mutter des am Institut befindlichen Schülers Christian Bradshaw. Das Verhör führt Chief Inspector David Perkins, Beisitzer ist Constable Ian-Seth Berry.

 

PERKINS

Mrs Bradshaw, Sie haben Ihren Gatten John als vermisst gemeldet und uns hergebeten, damit wir eine Untersuchung einleiten wegen eines möglichen Kapitalverbrechens. Was bringt Sie zu der Annahme?

 

GERDA BRADSHAW

Na, was wohl? Er ist verschwunden, hat sich nicht gemeldet, aber sein Wagen steht hier herum. Wenn er einen Herzinfarkt gehabt hätte oder sonst einen Unfall, hätte man seinen toten oder verletzten Körper gefunden. Hat man aber nicht. Demnach muss ich damit rechnen, dass er Opfer eines Verbrechens geworden ist.

 

PERKINS

Können Sie mir erläutern, in welchem Verhältnis sich Ihr Gatte zu diesem Institut befindet?

 

GERDA BRADSHAW

Er ist Vater eines der Schüler, unseres Sohnes Christian.

 

PERKINS

Darüber hinaus noch etwas?

 

GERDA BRADSHAW

Er hat dem Institut im Sommer eine beträchtliche Summe Geld gespendet, damit der Lehrbetrieb fortgesetzt werden konnte.

 

PERKINS

Um welche Summe handelte es sich?

 

GERDA BRADSHAW

Das weiß ich gar nicht genau, und wenn ich es wüsste, wüsste ich nicht, ob ich es Ihnen sagen dürfte ohne sein – Johns – Einverständnis.

 

PERKINS

Was wäre denn in Ihren Augen eine beträchtliche Summe? Wenn ich so frage, können Sie unverbindlich antworten. Es interessiert mich einfach. Und Sie möchten doch sicher, dass ich mich für Ihr Anliegen interessiere?

 

GERDA BRADSHAW

Na, hören Sie mal! Das Interesse dürfte ja wohl doch ein öffentliches sein, wenn ein angesehener Bürger dieses Königreichs vermisst wird.

 

PERKINS

Jedes Detail würde mir helfen, die Angelegenheit richtig einzuordnen.

 

GERDA BRADSHAW

Na schön, ich würde eine Summe von 80.000 Pfund als doch sehr beträchtlich einordnen.

 

PERKINS

In der Tat. Ihr Gatte ist also als Wohltäter aufgetreten. Hat er dafür ein Quid pro Quo eingefordert?

 

GERDA BRADSHAW

Ein was?

 

PERKINS

Ein Entgegenkommen, eine gewisse Gegenleistung.

 

GERDA BRADSHAW

Nicht, dass ich wüsste.

 

PERKINS

Aber Ihr Sohn, Christian, besucht seither die Abschlussklasse in diesem Institut?

 

GERDA BRADSHAW

Ja, warum nicht? Er musste irgendwohin.

 

PERKINS

Weil er zuvor von anderen Schulen verwiesen wurde?

 

GERDA BRADSHAW

Woher haben Sie das? Und tut das etwas zur Sache?

 

PERKINS

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir haben Erkundigungen eingezogen. Christian Bradshaw, Ihr Sohn, gilt danach als nicht ganz unkomplizierter Schüler.

 

GERDA BRADSHAW

Das ist nun mal das Alter. Das ist schwierig, nicht er selbst. Er ist im Herzen ein guter Junge.

 

PERKINS

Mag sein. Nehmen wir nun einmal den Fall an, jemand hätte Ihrem Gatten etwas antun wollen. Welchen Grund könnte derjenige gehabt haben?

 

GERDA BRADSHAW

Nun, ich will niemanden beschuldigen, ganz sicher nicht, aber wenn Sie schon einmal, wie Sie sagen, Erkundigungen eingezogen haben, dann wissen Sie wahrscheinlich längst, dass mein Mann – nun, reden wir nicht drum herum – eine Affäre hatte. Mit jemandem vom Lehrpersonal hier.

 

PERKINS

Mit wem genau?

 

GERDA BRADSHAW

Es war eine kurze, törichte Affäre, John hat sie mir gestanden, ich habe ihm vergeben, Ende der Geschichte.

 

PERKINS

Sie wollen sagen, dass Sie mir den Namen jener … Affäre verschweigen wollen, obwohl ich wahrscheinlich längst ins Bild gesetzt wurde?

 

GERDA BRADSHAW

Ich spreche ihren Namen ungern aus. Aber da Sie ohnehin bereits informiert sind – es war Miss Deborah Rodgers.

 

PERKINS

Sie mögen Miss Rodgers nicht besonders?

 

GERDA BRADSHAW

Das liegt doch wohl in der Natur der Dinge, darüber hinaus kenne ich sie bisher nicht persönlich und maße mir kein Urteil an. Obschon sie nun einmal eine Affäre mit einem verheirateten Mann begonnen hat. Der dazu deutlich älter ist als sie.

 

PERKINS

Was wollen Sie damit ausdrücken?

 

GERDA BRADSHAW

Ziehen Sie selbst Ihre Schlüsse. Miss Rodgers ist achtundzwanzig, außerordentlich hübsch, und mein Mann – na ja.

 

PERKINS

Sie wollen insinuieren, dass es nicht in erster Linie eine … erotische Obsession gewesen ist?

 

GERDA BRADSHAW

Ich sehe, Sie beherrschen die Grundrechenarten.

 

PERKINS

Sie müssen schon etwas deutlicher werden.

 

GERDA BRADSHAW

Ich muss leider aufpassen, was ich sage. Es war wohl so, dass Miss Rodgers meinen Mann unter Druck gesetzt hat.

 

PERKINS

Weswegen?

 

GERDA BRADSHAW

Wegen was wohl. Ich will nicht zu deutlich werden.

 

PERKINS

Einer Schwangerschaft?

 

GERDA BRADSHAW

Möglicherweise. Ob diese Schwangerschaft allerdings je bestanden hat, wer weiß das schon?

 

PERKINS

Das ist mir alles zu hypothetisch. Haben Sie irgendeinen Hinweis darauf, dass Miss Rodgers von Ihrem Mann Geld bekommen hat?

 

GERDA BRADSHAW

Nein. Geld hat nur Raven Hall bekommen.

 

PERKINS

Was genau würden Sie Miss Rodgers demnach vorwerfen?

 

GERDA BRADSHAW

Ich hätte ihr etwas vorgeworfen? Nein! Alles, was ich sagen will, sie war die einzige Person hier, mit der John eine Art von emotionaler Verbindung gehabt hat.

 

PERKINS

Mrs Bradshaw, Sie versuchen partout, den möglichen Vorwurf einer Verleumdung zu umgehen, dennoch stoßen Sie mich mit der Nase darauf, dass ich Miss Rodgers näher unter die Lupe nehmen soll, richtig?

 

GERDA BRADSHAW

Nun, es geht mir darum, anzudeuten, dass niemand hier ein Motiv gehabt haben dürfte, John etwas Böses zu wollen, außer eben Miss Rodgers. Ich will einfach nur hilfreich sein.

 

PERKINS

Sie sagen, dass es eine Schwangerschaft gegeben hat oder gegeben haben könnte. Demnach, wenn es keine Fehlgeburt gab, hätte Miss Rodgers diese Schwangerschaft … abgebrochen. In unsrem Land eine schwere Straftat.

 

GERDA BRADSHAW

Ich sage ja, ich bin überhaupt nicht sicher, ob diese Schwangerschaft je bestanden hat.

 

PERKINS

Ungeachtet dessen wissen Sie nichts davon, dass Miss Rodgers jemals Geld für sich selbst verlangt hat?

 

GERDA BRADSHAW

Das hat sie wohl nicht. Ich nehme...

Erscheint lt. Verlag 27.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-8270-8095-9 / 3827080959
ISBN-13 978-3-8270-8095-0 / 9783827080950
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 5,9 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99