Der Kreuzfahrtsüchtige (eBook)
376 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-6355-6 (ISBN)
Jörg Hinz ist seit über 50 Jahren als Allrounder im Entertainment unterwegs. Als DJ, Anfang der 70ger in der DDR gestartet, reifte er schnell zum Entertainer und erarbeitete sich den privilegierten Status, freiberuflich künstlerisch tätig zu sein. Neben seinen Programmen profilierte er sein Portfolio auch in den Genres Programmgestaltung und Regie. 1987 bestieg er das erste Mal die MS ARKONA, das Urlauberschiff der DDR. Seitdem ist er nun über 35 Jahre in als Entertainer in den verschiedensten Jobs, auf Kreuzfahrtschiffen am Start. Sich immer wieder neu den beruflichen Anforderungen an Bord zu stellen, hat ihn süchtig nach Kreuzfahrt gemacht. Er war in den Gründerjahren von AIDA und A-ROSA dabei und erlebte auch andere Cruise-Liner vom Luxus-Segment bis nahe der Seelenverkäufer-Liga. Mit Ende der Corona-Pandemie, hat er als Entertainment-Lektor, ein neues Format entwickelt. Er präsentiert in seiner unnachahmlichen Art, Live-Dokus über Music-Historie. Nicht nur damit genießt er ein Alleinstellungsmerkmal, sondern er ist auch einer wenigen Entertainer, der in zwei Gesellschaftssystemen aktiv in der Branche seine Spuren hinterlassen hat. Seine Erlebnisse hat er nun im Buch "Der Kreuzfahrtsüchtige" veröffentlicht.
2. Das erste Mal auf hoher See
2.1. Erst einmal ein Rundblick
Es war Sonntag, der 13. September 1987. Die Spätsommersonne meinte es gut. Gegen 15:00 Uhr rollte der Barkas B 1000, ein in der DDR gängiger Kleinbus vom FDGB-Feriendienst Binz, nach Warnemünde hinein. Mein Ziel konnte ich schon von weitem sehen: Die MS »ARKONA« – das Urlauberschiff der DDR lag an der Pier des Passagier Kais. Der weiße Schornstein, mit einem rot-blauen Band, war weit über die Häuser und Hafenanlagen sichtbar. Da muss ich hin! Besser: Da darf ich hin! Seit 1985 war ich als freiberuflicher Diskjockey, besser im »DDR-Deutsch«, als Schallplattenunterhalter, zwischen Rügen und Fichtelberg unterwegs. Das war etwas ganz Besonderes, denn in der DDR freiberuflich arbeiten zu dürfen, war ein Privileg auf hohem Niveau. Und jetzt wurde das Ganze noch einmal getoppt: Es war ein außergewöhnliches Privileg, die Chance zu haben, mit dem Luxusschiff der DDR auf Reisen zu gehen und dann noch im Job mit einem Vertrag der Künstleragentur der DDR in der Tasche. Das Schiff, das sich die DDR, verbunden mit einem enormen Aufwand, leistete, war vorzugsweise für sogenannte Auszeichnungsreisen für verdienstvolle DDR-Bürger vorbehalten. Zeitweise wurde es auch durch »Neckermann-Reisen« ausschließlich an den Westen verchartert, denn nur so konnte die DDR diesen Luxus finanzieren. Das Schiff war so etwas wie das Aushängeschild für den vermeintlich wachsenden Wohlstand. Dass es nicht dem Gemeinwohl zugutekam, lag schon in der Knappheit des Angebots. Mir war dies nicht suspekt. Die Crème de la Crème der DDR-Künstlergarde lief in den Abendshows auf, und für die Bar wurde ein Diskjockey gebucht – der Mann für die Nacht. Und genau das sollte für eine Reise mein Job werden. Ich war dabei, war auserwählt, diesen in dieser Zeit nicht alltäglichen Job machen zu dürfen. Das war ein Privileg. Ich nahm es an.
Wir fuhren erst gegen Mittag in Binz auf Rügen los. Harald, mein Freund & Techniker, René, mein Freund & damaliger Chef der Kulturabteilung des Feriendienstes, und ich – Jörg, der DJ & Moderator. Ja, bis dahin hatte ich es schon gebracht. Harald und ich waren noch recht müde, hatten wir doch vier Wochen lang jeden Abend in der Tanzbar »Dzintars« in Binz getingelt. Außer dass das ganze Equipment abgebaut werden musste, zog sich die obligatorische Abschiedsfeier in den Morgen hinein. Schön auch, dass uns vormittags beim Aufstehen auffiel, dass ja auch noch die Klamotten gepackt werden mussten und das Zimmer zumindest in einen vertretbaren Zustand zu bringen war. Es sah wieder aus wie eine mexikanische Würfelbude. Kurzum, es war hektisch wie immer, und gut, dass René sich sofort freiwillig bereit erklärt hatte, uns nach Rostock-Warnemünde zu fahren. Das hat er nicht uneigennützig gemacht, ergab sich doch so die Chance als »Normalsterblicher«, einmal das »Traumschiff« der DDR nicht nur von weitem, sondern auch von innen zu sehen. Der Grund unserer Anreise war also: ein Vertrag für eine Reise auf der MS »ARKONA« als Schallplattenunterhalter mit Techniker & eigenem Equipment und eigener An- und Abreise. Nicht mehr und nicht weniger. Ich benutze mit Absicht diese aufgequollene Bezeichnung dieses Jobs aus jenen Tagen immer wieder gerne. Zum ersten Mal ging es »von Binz in die Welt«, na gut, zunächst nur ins sowjetische Leningrad, aber immerhin – es ging raus! Mitnichten eine Selbstverständlichkeit in dieser Zeit. Unter normalen Umständen wurden diese Jobs entweder mit Beziehungen oder auf Weisung von »oben« vergeben. Bei mir lag es irgendwo dazwischen. René, unser Fahrer, fuhr am Passagierkai zügig vor, bis zu einem blauen Stahltor, das aussah wie der Eingang zu einer russischen Kaserne. Meine Papiere hatte ich griffbereit, reichte sie durch eine kleine Luke im Fenster der Wache und ging davon aus, dass alles seinen gewohnten Lauf nehmen würde. Das tat es auch – nur sehr, sehr langsam. Zuerst dachte ich, der Wachmann wolle mich schikanieren. Aber nein, er war ein typischer Küstenbewohner – wortkarg und mit viel Zeit für seinen Dienst. Währenddessen schaute ich immer wieder zum Schiff hinüber, während Rene und Harald das blöde blaue Tor anstarrten. Von Weitem überlegte ich bereits, wie ich das mit dem Equipment anstellen sollte. Alle packen mit an, in einer Reihe die Gangway hoch … Doch auch diesen Plan durchkreuzte der erfahrene Wachoffizier. Er hatte schon etliche Telefonate wegen mir geführt. »Wir öffnen jetzt das Tor. Ihr fahrt bis zur Ladeluke, stellt euer Zeug an den Kai und das Auto fährt sofort wieder raus. Und zügig bitte!« – Ausgerechnet er musste mir das sagen. Verflixt, ich hatte René doch mit der Aussicht auf eine Besichtigung des Schiffs zu dieser Fahrt nach Warnemünde gelockt. Es ging sehr schnell und die Matrosen an Bord ließen unser Equipment noch in unserer Anwesenheit im Bauch des Schiffes verschwinden. Wir verabschiedeten René herzlich und versprachen ihm, ihn zum Abholtermin auf das Schiff zu holen. Dann nahmen wir unsere Koffer, winkten dem Auto hinterher, während sich das blaue Tor wieder schloss, und stiegen zügig die Gangway hinauf. Was ich in diesem Moment nicht realisierte: Das war der Beginn meiner Ansteckung mit dem »Kreuzfahrt-Virus«, von dem ich mich bis heute nicht erholt habe und den ich wohl nie wieder loswerden werde. Kurz vor dem Schiffsaufgang blieb ich stehen. Ich konnte meinen Ohren kaum trauen. Aus der Ferne hörte ich über Lautsprecher eine mir sehr vertraute Stimme. Mein Vater! Ein freiberuflicher Sportreporter und legendärer Kommentator bei Radsport-Events, bekannt unter dem Spitznamen »Manolito«, abgeleitet von Manfred. »Harald, hörst du auch, was ich höre?« – »Das ist doch dein Vater«, bestätigte er, da er seine unverwechselbare Stimme ebenfalls kannte, wohl wissend, dass sie meiner sehr ähnelte. Später erfuhren wir, dass sich die Radsportelite der DDR zu einer Rundfahrt mit Ziel in Warnemünde einfand. Bei diesen Sportereignissen war Manfred Hinz als Moderator eine feste Größe. Später suchten wir ihn auf. Wir hatten uns lange nicht gesehen. Sein Sohn war ihm durch die Scheidung von meiner Mutter und die räumliche Trennung unserer Lebensmittelpunkte aus den Augen verloren gegangen. Ich begrüßte ihn kurz und teilte ihm freudig mit, was ich vorhatte. Er begriff es nicht sofort. Zu sehr war er in seinen Job und sein Umfeld vertieft und wohl auch ein wenig überrascht, seinen Sohn zu sehen, von dem er nicht viel wusste. Schließlich waren viele Jahre seit der Trennung meiner Eltern vergangen.
Die Formalitäten an Bord wurden schnell und professionell abgewickelt. Wir bezogen unsere komfortable Außenkabine und machten uns auf, unser Equipment zu suchen. Dabei erkundeten wir neugierig das Schiff. Es war leer, da die neuen Gäste erst am nächsten Tag ankommen sollten. Wir spähten durch die Fenster der verschlossenen Glastüren, grüßten die wenigen Crewmitglieder, die mit den Nacharbeiten der vorherigen Reise beschäftigt waren, und folgten der Musik, die irgendwoher zu hören war. In der Showlounge probte die Live-Band. Wir wagten uns nur wenige Meter hinein, grüßten aus der Ferne und wollten uns nun endlich den technischen Vorbereitungen widmen. In der »Warnow-Bar«, unserem Arbeitsplatz für die nächsten Tage, saß das Personal in einer Sitzecke und genoss einen Feierabendkaffee. Während späterer Reisen verbrachte ich dort, umgeben von der Crew, so manche durchzechte Nacht. Unser Equipment war ordentlich auf der Tanzfläche platziert worden. Damals war es üblich, dass jeder seine eigene Technik mitbrachte, und ich war gut ausgerüstet. Zwar standen zwei »BELL«-Boxen westlicher Produktion an der Tanzfläche, die ich jedoch bewusst ignorierte. Es war ein gutes Gefühl, die eigene Ausrüstung dabei zu haben. Alles war schnell aufgebaut, und der Sound überzeugte bereits damals. Für einen unverschämt hohen Preis hatte ich mir westliche Lautsprecher gekauft, die in Nachbauten bekannter Marken-Chassis eingebaut waren. Das Personal mochte uns sofort und verriet uns hinter vorgehaltener Hand, dass sich die Crew vor der nächsten Reise abends immer in der »Atlantik-Bar« am alten Strom in Warnemünde trifft. Dort bekamen wir einen ersten Eindruck davon, was uns mit der Crew erwartete. Die »Feierbiester« feierten ausgelassen, und die Nacht wurde lang. Kopfschmerzen am nächsten Morgen waren somit vorprogrammiert. Ich bin später noch oft von Warnemünde aus gestartet. Meistens erreichte ich am Wechseltag spät am Nachmittag das Schiff. Nach dem Aufbau und der mittlerweile üblichen ersten Reisebesprechung konnte ich mich erst spät ins »Atlantik« begeben. Dort wurde ich aber immer von einer herzlichen Wiedersehensfreude empfangen, die mich sofort wieder zum Teil der Crew machte. Hier war man nicht privilegiert, sondern einer von ihnen. Ein Gefühl, das mir bis heute geblieben ist.
2.2. Was tun gegen Seekrankheit?
Die Reise war...
Erscheint lt. Verlag | 31.5.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
ISBN-10 | 3-7597-6355-3 / 3759763553 |
ISBN-13 | 978-3-7597-6355-6 / 9783759763556 |
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