Der Griff nach den Sternen -  Michael Wallner

Der Griff nach den Sternen (eBook)

Roman
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2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60799-5 (ISBN)
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Dramatisch, bewegend, unvergesslich - die Landung auf dem Mond ist einer der großen historischen Momente, eingebrannt in das kollektive Gedächtnis der Menschheit. In »Der Griff nach den Sternen« lässt Michael Wallner dieses einmalige geschichtliche Ereignis in einem ebenso emotionalen wie packenden Roman lebendig werden.  Erfüllung eines Menschheitstraums, Triumph für die Wissenschaft, symbolischer Sieg im kalten Krieg - die Eroberung des Mondes war ein Schicksalsmoment für die ganze Welt. Aber sie prägte und veränderte auch das Leben ganz normaler Menschen - von ihren wahren Geschichten ist »Der Griff nach den Sternen« inspiriert. Nicht zuletzt von den Lebensgeschichten der Pilotinnen des Mercury 13-Programms und den Mathematikerinnen und »menschlichen Computern«, die auch den Roman »Hidden Figures« inspirierten. Gehört der Mond nur den Männern?  16. Juli 1969: Als der Countdown für den Flug zum Mond beginnt, ist Pilotin und Wissenschaftlerin Katy Bellheim die einzige Frau im Kontrollzentrum der NASA. Schon als Kind träumte sie vom Fliegen und als erwachsene Frau gar davon, selbst das All zu erobern. Doch die Vorurteile ihrer Zeit, die Frauen eher in der Küche sieht als im Weltraum, bremsten ihre Karriere immer wieder aus. Bis sie in John F. Kennedy einen wichtigen Förderer fand. Auf einmal schien der Griff nach den Sternen möglich ... »Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein riesiger Sprung für die Menschheit.« Neil Armstrong In seinem exzellent recherchierten historischen Roman erzählt Michael Wallner nicht nur von einem Schicksalsmoment der großen Geschichte, sondern auch von der persönlichen Schicksalsschlägen seiner starken weiblichen Heldin. So ist »Der Griff nach den Sternen« auch die fesselnde Geschichte einer Frau mit großen Träumen in einer Zeit, in der Frauen nicht träumen durften . Der Wettlauf zum Mond wird für eine Frau zum Kampf um Gleichberechtigung und ihren persönlichen Traum! 

Michael Wallner spielte nach seiner Ausbildung am Wiener Max Reinhardt-Seminar am Burgtheater und am Berliner Schillertheater. 1982 erhielt er den Schauspielerpreis beim Norddeutschen Theatertreffen. Seit 1987 arbeitet er als freischaffender Theater- und Opernregisseur und inszenierte unter anderem in Düsseldorf, Frankfurt, Bochum, Wien, Hamburg und Lübeck. Wallner erhielt die Kainz-Medaille der Stadt Wien für die Regie von 'Krieg'. Seit 2000 lebt er als freier Autor in Berlin. Sein Bestseller 'April in Paris' wurde in über 20 Sprachen übersetzt.

1


Wir sind auf »Go«


Houston, Texas, 16. Juli 1969


Gene Kranz rauchte die zehnte Zigarette seit Dienstbeginn. Er nahm einen Zug, legte sie in seinen rot karierten Aschenbecher, blies den Rauch aus und trank einen Schluck Kaffee aus der NASA-Tasse. Er zog das Mikrofon näher.

»Apollo 11 – an alle Flugkontrollen.«

Er wartete, bis auf den Kanälen absolute Stille eingetreten war. »Ich brauche ein Go oder No go für den Start. Antrieb?«

»Go.«

»Flugbahn?«

»Flugbahn ist bereit.«

»Leitsystem?«

»Go.«

»Gesundheitskontrolle?«

»Go.«

»Energie?«

»Go.«

»GNC?«

»Computersteuerung go.«

»Landemodul?«

»Go, Gene.«

Das Mission Control Center in Houston, Texas, war ein Raum ohne Fenster mit dreihundert Arbeitsplätzen und ebenso vielen Computern. Die Stühle waren unbequem und führten bei langen Arbeitszeiten zu Rückenproblemen. Die Tastaturpositionen waren zu hoch, weshalb die meisten über Gelenkschmerzen klagten. Die Beleuchtung kam von oben; dieses Licht spiegelte sich teilweise in den Computerbildschirmen und belastete die Augen. Die Pulte der Monitore waren in freundlichem Lindgrün gehalten, vielleicht um Beschwerden über die Missstände vorzubeugen. Wenn es trotzdem dazu kam, hatte Flugdirektor Kranz für seine Crew eine einfache Antwort: »Wir haben bei dieser Beleuchtung den Weltraum erobert. Wir werden bei dieser Beleuchtung auch zum Mond fliegen. Also haltet die Klappe, und macht eure Arbeit!«

Das Control Center war ein Palast ohne Fenster. Die Hitze stieg in Texas manchmal auf fünfundvierzig Grad Celsius; ohne Sonneneinstrahlung war es leichter, die Computer kühl zu halten. Die künstliche Beleuchtung mochte unangenehm sein, erleichterte es den Technikern aber, zu Zeiten zu schlafen, wenn sie normalerweise nicht ins Bett gingen.

Katy Bellheim war die einzige Frau in einem Raum voller Männer. Sie gehörte zum Team für die Vektorberechnung. Ihre Abteilung war für die mathematische Justierung von Erdaustritt und Mondeintritt verantwortlich.

Jeder der dreihundert Männer trug ein weißes Kurzarmhemd mit dunkler Krawatte. Katy trug Blau. Kein leuchtendes Blau, und doch wirkte ihr Kostüm innerhalb der nüchternen Gemeinschaft wie ein Signal des Aufbruchs.

Für den heutigen Anlass hatte Flugdirektor Kranz eine weiße Weste mit aufgesticktem NASA-Emblem gewählt. Dass die Kollegen ihn für diese Verkleidung aufzogen, war ihm egal. Seine Frau hatte diese Weste genäht, und er gedachte sie zu tragen, bis die Astronauten wieder sicher auf der Erde gelandet waren.

»Koordination und Kommunikation?«, setzte er die Checkliste fort.

»Go.«

»Netzwerk?«

»Bereit.«

»Bergung?«

»Go.«

»Sprachkontrolle Capcom?«

»Wir haben ein Go«, sagte der Kollege mit der sonoren Stimme. Er hatte früher einmal Werbung eingesprochen. Sein beruhigendes Organ sollte den Astronauten in jeder Lage Zuversicht vermitteln.

Gene Kranz zog an der Zigarette und beugte sich über das Mikrofon. »Launch Control, Florida, hier spricht Houston. Wir sind bereit für den Start.«

Seine Durchsage wurde in tausend Meilen Entfernung gehört und mit Genugtuung aufgenommen. Das Launch Control Center lag in Cape Kennedy, Florida, auf der anderen Seite des Golfs von Mexiko, auf der anderen Seite der USA. Dort stand die einhundertzehn Meter hohe Saturn-V-Rakete und würde sich von dort aus in den Himmel erheben.

»Startrampe, wie ist euer Status?«, fragte Kranz.

»Wir sind auf Go! Sechzig Sekunden bis zum Start!«

Das war nicht nur aus den internen Lautsprechern zu hören, sondern auch draußen auf der Besuchertribüne, wo man die Durchsage mit Applaus begrüßte. Die Zuschauer waren handverlesen und befanden sich in sicherer Entfernung, abgeschirmt durch einen grünen Hügel. Gebannt folgten sie den Startvorbereitungen, beeindruckt durch die Größe der Trägerrakete mit der Apollo-Kapsel und der eingeschlossenen Mondlandefähre.

 

In Texas zündete sich Gene Kranz die nächste Zigarette an und vergewisserte sich, dass er noch fünf Päckchen mitgebracht hatte.

»Wir empfangen ein Geräusch von den Treibstoffpumpen«, sagte der Controler aus der zweiten Reihe.

»Die Pumpen pumpen Treibstoff«, gab Kranz zurück. »Noch ein paar Pumpenstöße, und wir sind bereit, die Post für den Mond auszuliefern.«

Das Gelächter war kurz und männlich.

»T minus fünfzehn«, kam es aus Cape Kennedy. »Vierzehn, dreizehn, zwölf …«

Im gleichen Moment richtete in Houston jeder den Blick auf seinen Computer und gab sich den Anschein, als sei dies nur ein Job und weiter nichts. Das Scharren der Füße, das hektische Ziehen an Hunderten Zigaretten und der wahrnehmbare Schweißgeruch entlarvten die zur Schau gestellte Ruhe als getarnte Nervosität.

Bob Gilliam, oberster Direktor der NASA, noch von Präsident Kennedy persönlich eingesetzt, betrat erst in diesen Sekunden das Mission Control Center. Gilliam war ein freundlicher, unauffälliger Mann mit Brille und Kurzhaarschnitt. Dem Protokoll nach hätte der NASA-Chef zuerst den Flugdirektor begrüßen müssen, doch Gilliam winkte Gene Kranz nur zu, lief in die Ecke mit den Mathematikern und beugte sich über Katy Bellheim.

»Alles gut bei dir?«

»Die Berechnungen stimmen.«

Für einen Moment legte er seine Hand auf ihre Schulter.

»Elf … zehn … neun … Zündung«, kam es aus den Lautsprechern.

Katy hielt den Atem an.

Heidelberg, Westdeutschland, 16. Juli 1969


Marlies Bellheim hatte tagelang alte Brötchen gesammelt. Milch wurde mit Zucker und ausgekratzten Vanilleschoten vermischt und aufgekocht. Marlies schnitt die Brötchen in Scheiben und legte sie in die Milch, bis das Brot die Flüssigkeit aufgesaugt hatte. Sie verrührte Zucker mit Butter, Salz, Zimt und Eigelb und vermengte die Masse mit den Brötchen. Eine Hälfte kam in die Auflaufform und wurde mit abgetropften Kirschen belegt. Juli war keine Kirschenzeit, Marlies verwendete Früchte, die sie letztes Jahr eingeweckt hatte. Sie bedeckte das Ganze mit der restlichen Brötchenmasse und streute Mandelsplitter obendrauf.

Marlies Bellheim brauchte nicht auf die Uhr zu sehen, um zu wissen, dass der Kirschenmichel jetzt in den Backofen musste, damit er in fünfundzwanzig Minuten mit Puderzucker bestreut werden konnte, bevor er exakt zum Start von Apollo 11 serviert werden würde.

Kirschenmichel war keine Heidelberger Spezialität, trotzdem aber der unangefochtene Favorit der Bellheims, wenn sie zu Familienereignissen zusammenkamen.

Obwohl einer Schätzung zufolge rund fünfhundert Millionen Menschen weltweit den Mondflug an den Fernsehgeräten verfolgten, hielten die Bellheims die Sache für eine Familienangelegenheit. Katy war ihr kleines Mädchen, das die Welt erobert hatte und nun in den Weltraum aufbrach.

Als in Cape Kennedy der Countdown mit T minus 60 angesagt wurde, riefen die Neffen und Großnichten bereits nervös nach Tante Marlies. Sie durfte das Ereignis, das mit ihrer Familie schicksalhaft verknüpft war, auf keinen Fall verpassen.

»Nur die Ruhe, wir haben alle Zeit der Welt.« Mit zwei Topflappen trug Marlies die dampfende Auflaufform ins Wohnzimmer. Ohne ihren Kirschenmichel gab es keinen Flug zum Mond.

...

Erscheint lt. Verlag 31.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-492-60799-3 / 3492607993
ISBN-13 978-3-492-60799-5 / 9783492607995
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