Drachenweide 2 -  Frank Nüsken

Drachenweide 2 (eBook)

Lebensfülle
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
315 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-19188-5 (ISBN)
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Die Familien-Saga begleitet die bewegten Leben von Christian, Jan und Wolff. Drachenweide ist pralles Leben in drei Bänden: Wein, Liebe, Sexualität, Engstirnigkeit und Humor. Wie gehen die Lebensgeschichten der Freunde und ihrer Familien weiter? Band II: Als Christian auf einem argentinischen Weingut unerwartet auf seine totgeglaubte Mutter Lena trifft, gerät die geordnete Welt des Finanzbeamten ins Wanken. Eine lange Fluchtgeschichte führt ins Spanien unter Franco, zu Ureinwohnern in Südamerika, aber auch zu Militärdiktaturen. Wie geht Pfarrer Dolb damit um, dass seine Tochter und Jan unverheiratet Zwillinge bekommen? Wolff hat eine magische Begegnung, die er nicht erklären kann. Was hat sein früherer Widersacher damit zu tun? Eine spektakuläre Beerdigung ruft Presse und Fernsehen auf den Plan. Erste Leser: 'Brandaktuelle Geschichte gegen Faschismus'; 'Politik fesselnd in emotionale Erlebnisse verpackt.'; 'ein Traum hat mich irritiert'; 'Geschichte hat mich emotional berührt'; 'witzig aber auch traurig'; 'Aufwühlende Erlebnisse in Südamerika'. Hauptorte: Südamerika, Saarland, Ulm, Stuttgart, Bad Buchau

Frank Nüsken wurde in Wuppertal geboren, prägende Jahre seiner Kindheit verbrachte er im Bayerischen Wald. Während seiner Jugend in Oberschwaben übernahm er die Freude für Aquarellmalerei von seinem Vater. In der mit Freunden gegründeten Musikband Sondos, trat er als Gitarrist und Sänger auf. Während seiner Jahre in Ulm war er aktives Mitglied des Ulmer-Weltladens. Impulse aus dieser Zeit prägten ihn fürs Leben. Seit vielen Jahren lebt er am südlichen Ausläufer des Hunsrücks. Als Betriebswirt schulte er Auszubildende und Außendienstmitarbeiter eines Großunternehmens. Anschließend arbeitete er als selbstständiger Seminarleiter für Kommunikation. Als Coach begleitete er Veränderungsprozesse in Unternehmen. Arbeitseinsätze in Kolumbien und in Äthiopien veränderten seine Sichtweise auf unsere Welt. Gewonnene Erkenntnisse zu Ursachen und Wirkungen beeinflussen seine Arbeit als Romanautor.

Christian Dechamps


Horst Hard ade


Greidach

 

Christian erschrak. Eine ältere Frau klopfte ans Autofenster. Sie hatte ihn schon eine Weile beobachtet.

„Ist alles in Ordnung bei Ihnen? Sie wirkten so, dass ich einfach ans Fenster klopfen musste.“

„Oh, danke, ja, nein. Ah, eh. Danke, ich war ganz in Gedanken.“ Christian geriet ins Stottern.

Der soeben erlebte Verwaltungsakt hatte ihn aufgewühlt und daran gehindert, loszufahren. Als Horst Hard betrat er das Rathaus, als Christian Dechamps kam er wieder heraus, seinen neuen Personalausweis und das amtliche Dokument seiner Namensänderung in der Hand. Nach einunddreißig Jahren trug er wieder den Namen, der in seiner Geburtsurkunde steht.

Er wollte losfahren, spürte aber jetzt erst den Autoschlüssel in seiner Hosentasche. Um ihn greifen zu können, hob er sein Gesäß an und streckte sich. So konnte er seine Hand in die Tasche schieben. Den Zündschlüssel in der Hand, versetzte ihn die Frage dieser Frau in seine Jugendzeit ins oberschwäbische Buchau zurück.

Die Pfadfindergruppe scharte sich ums Lagerfeuer, lodernde Flammen zogen alle Blicke auf sich. Hannes kam mit seiner Klampfe aus dem Zelt, setzte sich zu den anderen und stimmte ein Fahrtenlied an.

Abends treten Elche aus den Dünen, sangen die Jungen am knisternden Feuer. Sanft fiel die Nacht über Wald und See. Feuer und Dunkelheit schufen einen romantischen Zauber, der die Gruppe erfasste. Der gekräuselte See spiegelte die Flammen in gespenstischen Verzerrungen.

Christian dachte daran, wie er damals aufstand und zum Waldrand ging. Die Dunkelheit verschluckte ihn. Spontan überfiel ihn das Bedürfnis, abseits der Gruppe unter Bäumen zu stehen. Fahrtenlieder und Lagerfeuer weckten Sentimentalität und Sehnsucht in ihm. Keiner seiner Freunde wusste von seiner Adoption.

„Horst, bist du hier?“ Sein Freund Wolff suchte ihn. Er kannte seine Stimmungen in solchen Situationen. Wolff ging davon aus, dass ich die täglichen Probleme mit meinem Vater Alfred verarbeite, dachte Christian.

„Ja, hier bin ich.“

„Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte damals Wolff – genauso wie diese Frau eben.

Auch Jan kam zum Feuer zurück. Er hatte Horsts Verschwinden ebenfalls bemerkt und wollte nach ihm sehen.

Christian sah sich gedanklich mit den Freunden am Feuer sitzen. Die züngelnden Flammen zauberten tanzendes Licht und Schatten auf ihre Gesichter. Gerne wäre er länger mit seinen Freunden zusammengeblieben.

 

Seit wenigen Wochen arbeitete Christian beim Finanzamt im angrenzenden Rheinland-Pfalz. Der Wechsel von Friedrichshafen am Bodensee hierher ging überraschend reibungslos. Gewiss hatte sein Großonkel, seine Finger mit im Spiel. Der alte Luc kannte die Leiterin des Finanzamtes. Seither wohnte Horst im nördlichen Saarland in Lucs Haus in Greidach. Dessen langjährige Haushälterin Elfi würde er im nächsten Jahr heiraten. Jetzt schon wohnte er mit ihr in der Einliegerwohnung, in der sie ihn vor zehn Jahren verführte.

 

Endlich startete Christian sein Auto und fuhr nach Greidach. Während der kurzen Fahrt fiel ihm sein Auftritt vor Gericht ein. Wie viele Jahre ist das her? Damals sah er Wolff zum letzten Mal. Was ist aus ihm geworden?

Und Jan? Was weiß ich heute noch von Jan? Schade, dachte er. Das Internat hat mir meine Jugend geraubt. Jan, hm?

 

Wieder im Hier und Jetzt angekommen gratulierten ihm seine Geliebte und sein Großonkel zum Namenswechsel.

„Ich möchte gerne Chris genannt werden. So wie Lucien nur Luc genannt wird.“

Elfi und Luc stimmten zu. Seinem Großonkel Lucien Dechamps gefiel die Namensänderung besonders gut. Er war der Initiator.

 

Nichts stimmt mehr


Mendoza, Argentinien, Februar 1975

 

Christian Dechamps streifte planlos durch die Weinfelder.

Langweilig, dachte er, Reihe um Reihe, alle in die gleiche Richtung. Ohne die Kulisse der Anden würde es langweilig aussehen.

Chris achtete nicht darauf, welche Wege er nahm. Er wollte nur gehen. Vor wenigen Stunden kam er hier in der argentinischen Weinregion Mendoza an. Seine Gedanken flogen hin und her. Sein Großonkel Luc, der Weinhändler Lucien Dechamps, bat darum, ihn zu begleiten.

„Du kennst mein Interesse an internationalen Weinen. In meinem Alter möchte ich diese Reise nicht mehr allein antreten.“

 

Dieser alte Fuchs, überlegte Christian, ließ mich während des Flugs viele Seiten Text über meine Vorfahren und die Familie Saht lesen, in deren Haus ich geboren wurde.

Nach Informationen, die er weitgehend kannte, stockte ihm plötzlich der Atem. Luc schrieb über die Vertreibung von Christians Mutter Lena aus Deutschland. Er selbst wurde im Februar 1943 von einem seiner Nazikunden erpresst, Lena und den für sie fremden Ferdinand zur portugiesischen Grenze zu bringen. Das waren die ersten überraschenden Informationen in Lucs Text. Warum hat Luc das über Jahrzehnte verschwiegen?

Christian Dechamps hatte sich in den letzten Jahren nicht mehr mit seiner Mutter beschäftigt. Seine leibliche Mutter war für ihn außerhalb seiner gelebten Welt. Sie spielte keine Rolle mehr. Dieser Ordner mit Lucs Texten warf alle Fragen wieder auf. Für mich sind meine Mutter und mein Vater tot, ging es ihm beim Lesen durch den Kopf. Das war jedenfalls bisher mein Wissen. Luc muss mehr wissen. Weshalb lese ich das alles während eines Flugs nach Argentinien? Wir besuchen ein Weingut!

Entschlossen griff er erneut Lucs Ordner und blätterte voraus. Nach einigem Blättern stieß er auf einen handgeschriebenen Brief von Elena Cáliz Delcampo.

Dem Brief entnahm Christian, dass sie sich gerade auf dem Weg zu seiner leiblichen Mutter Lena und ihrem Mann Manuel befanden.

Gefühle übermannten ihn. Reise ich jetzt zu meiner Mutter Lena? Weshalb hat mir Luc das nicht früher gesagt? Wie kann ich damit umgehen? Wenige Wochen nach meiner Geburt ist sie verschwunden. Seither gilt sie als verschollen.

Das Zusammentreffen mit seiner Mutter am Flughafen verlief tränenreich und von Unsicherheiten überlagert.

 

Hier in den Weinfeldern dachte Chris erneut an diesen Brief. Alles, was ich zuvor dachte, gilt augenblicklich nicht mehr. Er war verwirrt. Meine Mutter ist eine fremde Frau für mich, wie kann ich sie kennenlernen? Sie nennt sich hier Elena Caliz Delcampo. Caliz heißt Kelch, der Mädchennamen ihrer Mutter. Delcampo steht für Dechamps.

 

Vor dem gemeinsamen Essen lernten Luc und Chris auch Lenas siebzehnjährige Tochter Sophia kennen. Christian fand seine Halbschwester ungewöhnlich hübsch. Sophia bemerkte, wie er am Wein nur nippte.

„Christian, ¿prefieres la cerveza? – Bier?“ Er benötigte einen kurzen Moment, bis er begriff.

„Ja, ja gerne Bier!“ Sophia holte ihm eine Flasche Bier und ein Glas, lächelnd stellte sie es ihm hin.

„Es argentino. Wie sagen? Prost?“ Dazu lachte sie ihren Bruder an. Chris bedankte sich freundlich und lachte ebenso. Leider sprach Sophia nur Spanisch.

 

Alles soll ich innerhalb weniger Stunden verkraften, raste es Christian durch den Kopf. Wieso hat Lena sich erst jetzt gemeldet? Sie ist hier verheiratet, hat eine fast erwachsene Tochter und lebt hier unbehelligt und scheinbar ganz gut. Weshalb hat sie sich nicht bereits vor Jahren gemeldet? Wie wichtig kann ich ihr gewesen sein?

Vor einer Rebe mit dicken Trauben blieb Chris stehen. Er wollte seine Gedanken sortieren. Sie fuhren Karussell. Was war das überhaupt für ein Bier?

Er blickte zu den gewaltigen Anden auf. Sie strahlten Ruhe und Ewigkeit aus. Wie hoch mögen die wohl sein? Einer erschien besonders mächtig. Was sagte Luc, dahinter liegt Chile?

 

Nach dem Essen besprachen sie, wie sie am besten die letzten Jahrzehnte aufarbeiten wollten. Jeder sollte sein Leben während dieser Zeit schildern.

„Ich möchte gerne anfangen“, erklärte Lena. „Ich denke, ihr wollt wissen, weshalb ihr über dreißig Jahre nichts von mir gehört habt.“

 

Chris begegnete bisher keinem Menschen. Jetzt wollte er zurück zu Lenas Bodega. Er wusste aber nicht mehr, wo er sich befand. Alles sah für ihn gleich aus.

Ein Auto kam auf ihn zu und hielt. Der Fahrer hatte das Fenster auf und sprach ihn an: „¿A dónde vas?“ Chris zuckte mit den Schultern, ahnte aber, dass er gefragt wurde, wohin er wolle.

„Elena Caliz Delcampo“, versuchte er es mal. Der Fahrer schien verstanden zu haben. Er winkte ihm, einzusteigen. Während der Fahrt sprach er viele spanische Sätze, von denen Chris nichts verstand. Er lächelte vorsichtshalber. Genau vor dem Wohnhaus seiner Mutter wurde er abgesetzt. Chris bedankte sich auf Deutsch und Englisch, soweit er das konnte. Er schämte sich, zuvor nicht die mindesten Begrüßungs- und Dankesformulierungen in Spanisch gelernt zu haben.

Im Haus fand er niemanden. Der deutsche Finanzbeamte in ihm erwachte, er sah nach, was außer dem Wohnhaus sonst noch an Gebäuden und Räumlichkeiten zum Weingut gehörte. Dabei glaubte er, den Anschaffungswert der Einrichtungen und Materialien schätzen zu können. Plötzlich stand ein Mann hinter ihm. Chris erschrak, er sah fremdartig aus, vermutlich ein Nachfahre der Ureinwohner. Dieser sprach ihn in einer Sprache an, von der Christian lediglich eines verstand: Es war kein Spanisch. Deshalb reagierte er mit seiner frisch erlernten Antwort. Er lächelte freundlich.

Kurz darauf tauchte Lenas Mann Manuel auf. Die beiden unterhielten sich in dieser fremdartigen Sprache. Manuel schien dem Mann zu erklären, wer dieser Fremde war. Er wendete sich an Chris und zeigte in...

Erscheint lt. Verlag 3.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-384-19188-9 / 3384191889
ISBN-13 978-3-384-19188-5 / 9783384191885
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