Die englische Scheidung (eBook)

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2024 | 1. Auflage
400 Seiten
Schöffling & Co. (Verlag)
978-3-7317-6269-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die englische Scheidung -  Margaret Kennedy
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»Alec und ich gehen getrennte Wege. Wir lassen uns scheiden.« Nicht dass zwischen den Müttern von Betsy und Alec Canning je ein gutes Wort gefallen wäre, doch als Betsys Brief eintrifft, sind sie sich sofort einig: Die Scheidung muss um jeden Preis verhindert werden! Weder Betsys Geständnis, in der Ehe unglücklich zu sein, noch Alecs Seitensprünge ändern daran auch nur das Geringste. Ist das letzte Wort möglicherweise noch nicht gesprochen? Alec hofft, seine Frau umzustimmen, wenn er an sich arbeitet, und vielleicht bedenkt Betsy ja die Folgen einer Trennung für ihre drei Kinder. Doch die Mütter und all die anderen, die auf einmal unbedingt mitreden wollen - Hausangestellte, Nachbarn, Freunde -, machen das letzte bisschen Hoffnung auf eine Versöhnung zwischen den Eheleuten zunichte. Betsy und Alec sind den Rosenkrieg bald leid, aber da ist so mancher Fehler schon nicht mehr rückgängig zu machen ... Ein hochkomischer Scheidungsroman und ein Porträt der feinen englischen Gesellschaft.

Margaret Kennedy, geboren 1896 in London, gestorben 1967 in Adderbury, stammte aus einer großbu?rgerlichen Londoner Familie und studierte am Somerville College in Oxford. Schon ihr zweiter Roman The Constant Nymph wurde 1924 zu einem weltweiten Bestseller, der bereits drei Mal verfilmt wurde. Fu?nfzehn weitere, ebenso erfolgreiche Romane folgten, die Kennedy teils selbst fu?rs Theater adaptierte. Außerdem schrieb sie Sachbu?cher, unter anderem eine Jane-Austen-Biografie. Kennedy hatte drei Kinder, eine ihrer Töchter und eine Enkelin wurden ebenfalls Schriftstellerinnen.

Margaret Kennedy, geboren 1896 in London, gestorben 1967 in Adderbury, stammte aus einer großbürgerlichen Londoner Familie und studierte am Somerville College in Oxford. Schon ihr zweiter Roman The Constant Nymph wurde 1924 zu einem weltweiten Bestseller, der bereits drei Mal verfilmt wurde. Fünfzehn weitere, ebenso erfolgreiche Romane folgten, die Kennedy teils selbst fürs Theater adaptierte. Außerdem schrieb sie Sachbücher, unter anderem eine Jane-Austen-Biografie. Kennedy hatte drei Kinder, eine ihrer Töchter und eine Enkelin wurden ebenfalls Schriftstellerinnen.

»Margaret Kennedy schafft einen skurrilen Mikrokosmos aus Menschen, die ihre Marotten pflegen und die alle etwas zu verbergen haben. Scharfsinnig und witzig!

»Die menschlichen Abgründe, die Kennedy seziert, sind von ewiger Aktualität.«

»Zum Teil wirklich witzig, aber sehr liebevoll und auch bösartig. Also vielleicht so, wenn Agatha Christie und Jane Austen sich mal die Hand gereicht hätten.«

Zusammen

Brief von Betsy Canning an ihre Mutter

Pandy Madoc,

Nordwales,

8. August

Liebe Mutter,

es tut mir leid, dass das Engadin ein solcher Reinfall ist, aber das wundert mich nicht. Wie konntest Du es bloß den Gordons überlassen, das Hotel auszusuchen? Du hättest Dir doch denken können, dass das schiefgeht. Was macht denn Vaters Hexenschuss? Ihr solltet keine Nacht länger in klammen Betten schlafen, sonst holt Ihr beide Euch noch eine Lungenentzündung. Sucht Euch doch um Himmels willen etwas Komfortableres. Ihr seid wirklich zu alt, um in modrigen kleinen Gasthöfen abzusteigen.

Hier ist das Wetter wunderbar – sonnig und heiß. Die Kinder verbringen die Ferien mit uns. Kenneths Schulfreund Mark Hannay ist den Sommer über bei uns zu Besuch. Das Haus ist also ziemlich voll. Leider können wir nicht aufs Cottage ausweichen, weil Alec es in einer Anwandlung von Großmut den Blochs zur Verfügung gestellt hat. Du weißt schon, das ist dieser unglaublich begabte Jude, der das Bühnenbild für die deutsche Inszenierung von Caroline entworfen hat. So hat Alec ihn kennengelernt. Und jetzt sind sie aus Deutschland geflohen, mitten in der Nacht, mit nichts weiter als den Kleidern, die sie auf dem Leib trugen. Ohne einen Penny und mit einem Haufen ungezogener Gören. Er versucht hier Arbeit zu finden. Natürlich sollten sie einem leidtun. Aber ich wünschte wirklich, Alec hätte erst mit mir gesprochen, bevor er ihnen das Cottage angeboten hat; das kommt mir alles sehr ungelegen – mitten in den Sommer­ferien.

Und jetzt, liebe Mutter, muss ich Dir etwas erzählen, das Dir überhaupt nicht gefallen wird. Wahrscheinlich wirst du sogar schockiert sein und überhaupt kein Verständnis dafür haben. Aber versuch bitte, Dich an den Gedanken zu gewöhnen, und bring es Vater schonend bei.

Alec und ich werden getrennte Wege gehen. Wir lassen uns scheiden.

Bestimmt bist Du entsetzt, zumal ich – was vielleicht ein Fehler war – in den letzten Jahren alles getan habe, um unsere Misere vor Euch zu verbergen. Ich wollte natürlich nicht, dass irgendjemand davon weiß, solange noch die Chance bestand, sie irgendwie in den Griff zu bekommen. Aber Tat­sache ist, dass wir schon lange ziemlich unglücklich sind, alle beide. Wir passen einfach nicht zusammen, und deshalb kann es so nicht weitergehen. Hast Du eigentlich irgendetwas davon geahnt?

Unser Leben ist ganz anders, als wir es uns bei unserer Heirat vorgestellt haben. Alec hat sich sehr verändert. Er braucht eine andere Art Frau. Ich war nie an dem ganzen Geld und dem Erfolg interessiert. Ich habe einen sehr netten, aber ziemlich durchschnittlichen Beamten geheiratet. Mit seinem Einkommen und meinem Geld hatten wir genug, um ein angenehmes, komfortables Leben zu führen. Wir hatten unseren festen Freundeskreis, Leute wie wir, amüsant und kultiviert, nicht reich, aber gut situiert. Und jetzt sagt Alec, dass sie ihn gelangweilt hätten. Früher hat er das nicht gesagt.

Dass er so lange gebraucht hat, um herauszufinden, was er wirklich will, ist ziemlich bitter. Er meint, seine Mutter wäre schuld daran. Sie hätte ihn so gegängelt, dass er erst mit über dreißig sein wahres Ich entdeckt hätte. Vermutlich hat er recht, aber ich bin diejenige, die es ausbaden muss.

Wenn ich gewusst hätte, dass ich einen zukünftigen Librettisten heiraten würde, hätte ich mich nie auf diese Ehe ein­gelassen. Mir haben die Sachen, die er und Johnnie Graham zusammen geschrieben haben, immer gut gefallen. Ich glaube, Johnnies Musik inspiriert ihn zu seinen wunderbaren Texten. Aber ich hätte nie gedacht, dass die beiden einmal so populär wie Gilbert and Sullivan werden. Als ihre erste Operette aufgeführt wurde, war ich alles andere als begeistert. Mir wäre es viel lieber gewesen, wenn es ein Steckenpferd geblieben wäre und sie sich mit irgendwelchen Laien, ihren Freunden zum Beispiel, zusammengetan hätten. Als die Sache dann so ein großer Erfolg war, habe ich mich natürlich gefreut, auch wenn ich das Ganze damals schon ein wenig abgeschmackt fand. Aber als sie mit der zweiten Operette den Durchbruch schafften und er aus dem Staatsdienst ausschied, war ich entsetzt.

Natürlich hat er eine Menge Geld verdient und ist wohl ziemlich berühmt. Aber ich fand immer, dass Librettist für ­einen gebildeten Mann wie Alec kein angemessener Beruf ist. Es ist ja nicht so, dass er und Johnnie große Kunstwerke schaffen würden. Und das wollen sie auch gar nicht; sie sagen selbst, dass es ihnen nur um Unterhaltung geht. Ich habe nicht mehr dieselbe Achtung vor Alec wie damals, als er im Ministerium eine unauffällige, eintönige, aber sinnvolle Arbeit leistete, indem er zur Erhaltung der Zivilisation beitrug. Und er spürt das natürlich. Könnt Ihr mich verstehen, Du und ­Vater? Ich weiß, Ihr hättet mir gegenüber nie ein Wort darüber verloren, aber ich hatte immer das Gefühl, dass Ihr im Grunde Eures Herzens nicht sehr glücklich über seinen Berufswechsel wart und es bedauert habt, dass er seine Beamtenlaufbahn aufgegeben hat.

Wir haben nicht mehr dieselben Freunde. Er scheint völlig in der Theaterszene aufzugehen. Er ist äußerst beliebt. Alle mögen ihn. In unserem Haus tummeln sich Leute, mit denen ich nichts gemeinsam habe, für die ich nichts weiter als »Alecs Frau« bin, falls sie überhaupt Notiz von mir nehmen, was ­selten genug der Fall ist. Sie haben noch nie etwas von Vater gehört. Beim Wort »Professor« fällt ihnen höchstens eine Witzfigur ein: ein zerstreuter alter Mann mit Bart und Schmetterlingsnetz. Sie sind eben richtige Banausen; aber schließlich sind sie Alecs Freunde, und er kann natürlich verkehren, mit wem er will, obwohl ich nicht verstehe, wie sich ein Mann von seinem Niveau und seiner Sensibilität mit einem Haufen Ignoranten abgeben kann. Wie Du Dir sicher denken kannst, können meine Freunde überhaupt nichts mit ihnen anfangen.

Ich merke gerade, wie wehleidig dieser Brief klingt, als ob ich die Einzige wäre, die unter der ganzen Situation leidet. Aber tatsächlich ist Alec genauso unglücklich wie ich. Ich bin nicht mehr die richtige Frau für ihn, deshalb kann er mit mir nicht glücklich werden. Und damit Du mir glaubst, werde ich Dir zwei Dinge erzählen, die ich Dir nie verraten würde, wenn wir nicht beschlossen hätten, uns zu trennen. Zum ­einen trinkt er zu viel. Nicht, dass er jemals betrunken wäre, aber wenn wir in London sind, trinkt er ständig – er schwebt auf einer weichen, alkoholgeschwängerten Wolke, ist nie ganz er selbst. Deshalb bin ich jedes Mal heilfroh, wenn ich ihn dazu bringen kann, mit mir aufs Land zu fahren. Dort läuft es viel besser. Und zum anderen hat er seit einigen Jahren eine Affäre. Er hat sich nicht mal die Mühe gemacht, es vor mir zu verbergen. Sind Dir irgendwelche Gerüchte zu Ohren gekommen? Solange wir noch ein Bett teilten, habe ich natürlich mit niemandem darüber gesprochen. Ich habe es einfach ignoriert. Ich mache ihm auch gar keinen Vorwurf. Aber du verstehst jetzt sicher, dass ich nicht die Richtige für ihn bin.

Warum ich dann nicht schon früher an eine Trennung gedacht habe? Wegen der Kinder natürlich. Ich wollte, dass sie ein richtiges Zuhause haben, dass wir alle zusammenbleiben, solange Alec und ich es schaffen, wenigstens einen Anschein von Harmonie zu wahren. Aber jetzt habe ich es mir anders überlegt, gerade der Kinder wegen. Jetzt glaube ich, dass sie glücklicher wären, wenn Alec und ich diese jämmerliche Farce beenden würden. Sie sind inzwischen alt genug, um die Spannungen zwischen uns zu spüren, vor allem Kenneth, der sehr wohl merkt, dass Alec nicht immer sehr respektvoll mit mir umgeht, und ihm das ziemlich übel nimmt. Vater und Sohn können einander so viel bedeuten; es wäre schrecklich, wenn sie sich für immer entfremden würden. Ich möchte nicht, dass unsere Kinder, die täglich ihre unglücklichen Eltern vor Augen haben, mit einer falschen Vorstellung von der Ehe aufwachsen. Ich glaube, es ist an der Zeit, ganz offen mit ihnen darüber zu sprechen.

Folgendes werde ich ihnen sagen:

»Euer Vater und ich haben einen Fehler gemacht. Das ist bedauerlich, aber Menschen machen manchmal Fehler, und wenn sie aufrichtig und vernünftig sind, können sie sie korrigieren. Niemand ist schuld. Wir passen einfach nicht zueinander. Wir haben uns nicht gestritten, und keiner von uns ist wütend oder verbittert. Wir werden uns auf freundliche und zivilisierte Weise trennen. Ihr werdet eure Mutter und euren Vater genauso oft sehen wie bisher. Es wird für alle das Beste sein.«

Liebe Mutter, versuch bitte, die Sache ganz nüchtern zu betrachten. Denk nicht gleich, dass eine Scheidung eine Schande für die Familie wäre, dass bei uns so etwas noch nie vor­gekommen ist. Wer würde denn darunter leiden? Wäre das Leben nicht für uns alle leichter? Klingt das nicht vernünftig? Alec kann die Frau heiraten, die wirklich zu ihm passt, ich kann mein eigenes Leben leben, mit meinen eigenen Freunden, und die Kinder werden ohne Kummer und Groll aufwachsen. Natürlich ist es sehr traurig, dass meine Ehe gescheitert ist. Aber was nützt es, so zu tun, als ob es anders wäre? Wir haben beide versucht, eine gute, gelingende Ehe zu führen, aber es hat nicht geklappt.

Ich schreibe Dir, weil wir beschlossen haben, die Sache so schnell wie möglich hinter uns zu bringen. Alec geht am Mittwoch mit den Hamiltons auf einen Segeltörn, so wie jeden Sommer. Danach kommt er nicht mehr zurück. Er wird mir das schriftlich mitteilen und mir die nötigen Beweise schicken, damit ich mich von ihm scheiden lassen kann. (Natürlich würde ich nicht im Traum...

Erscheint lt. Verlag 23.5.2024
Übersetzer Petra Post, Andrea von Struve
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Familienroman • Gesellschaftsroman • Großbritannien • Klassiker • Liebesroman • Sittenkomödie • Trennung • Zwanzigerjahre
ISBN-10 3-7317-6269-2 / 3731762692
ISBN-13 978-3-7317-6269-0 / 9783731762690
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