Khassid und Redjin -  Dorte Schünecke

Khassid und Redjin (eBook)

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2024 | 3. Auflage
417 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-1616-0 (ISBN)
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Man nehme einen pflichtbewussten Wachhauptmann namens Khassid, einen freiheitsliebenden Stallsklaven namens Redjin, füge eine Prise Anziehung und einen Teelöffel Zuneigung hinzu, rühre um, bis Liebe entsteht, und lasse alles im Bett warmgestellt kräftig durchziehen. Nach Geschmack Halbgötter, Piraten und Loyalitätskonflikte hinzufügen und mit reichlich Meerwasser abschmecken. Achtung: Kann Spuren von Gestaltwandlern und anderen magischen Fähigkeiten enthalten. Weckt unter Umständen Lust auf Me(e/h)r.

Hat Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaften sowie Englische und Nordische Philologie studiert und arbeitet daher nicht ganz folgerichtig schon über 10 Jahre im Online-Marketing. Sie lebt mit zwei Katzen in einem Haus voller Winkel und Stufen in Kiel.

                    Ein Malheur


Der Herbst neigte sich dem Winter zu. Der Boden war nass und glitschig von schmelzendem Schnee, und der wolkenverschleierte Himmel versprach baldigen Nachschub. Redjin stand am Stalltor und hielt eine nervös tänzelnde Stute am Zügel, denn er wartete auf ihren Reiter. Das Tier wollte hinaus, ließ sich nur mühsam festhalten, drängelte gegen Redjin und machte sich einfach nur so unbequem, wie es einem Pferd möglich war. Und das alles nur, weil Hauptmann Khassid unbedingt in der Frühe ausreiten wollte und jetzt auf sich warten ließ.

Typisch. Einen Pferdesklaven konnte man ja warten lassen, schließlich wurden nur Sklaven in den Stall verbannt, die für den Dienst in besseren Positionen zu schwierig waren. Hauptmann Khassid war natürlich viel zu wichtig, um sich darum zu kümmern, dass dieser Pferdesklave langsam nasse Füße bekam, weil ihn der blöde Gaul ständig in die riesige Pfütze mit Schneebrocken direkt vorm Stalltor drängelte.

Endlich bewegte sich die charakteristische Gestalt auf den Stall zu: groß und kräftig, mit aschblonden Haaren, die wellig sein Gesicht umrahmten. Wie immer war er in die göttliche Wachuniform gekleidet, wahrscheinlich schlief er auch darin, oder zumindest schlief er garantiert in einem Nachthemd mit eingesticktem göttlichen Emblem.

„Guten Morgen, Hauptmann“, murmelte Redjin, als selbiger herangekommen war.

Hauptmann Khassid sah ihn kurz an, was Redjin überraschte – normalerweise war er für alle unsichtbar. Hatte er Dreck im Gesicht? Dann huschte der Blick weiter auf die Stute, zum Glück. „Morgen. Alles klar mit meinem Mädchen?“

„Frisch wie der junge Morgen, Hauptmann“, gab Redjin zurück und hörte selbst, wie pampig er klang. Er musste sich besser zusammenreißen.

Der Hauptmann ignorierte zum Glück den Tonfall, nahm die Zügel entgegen und führte die Stute in den Hof. Redjin blieb am Stalltor stehen, um vorschriftsgemäß sicherzugehen, dass Khassid keine weiteren Wünsche hatte – es war dem Hauptmann der Wache schließlich nicht zuzumuten, noch einmal abzusteigen, weil er etwas Wichtiges vergessen hatte.

Die Stute folgte ihrem Herrn willig mit gespitzten Ohren, freute sich ganz offensichtlich auf den Ritt. Khassid tätschelte ihr den Hals, kontrollierte den Sattelgurt, setzte den Fuß in den Steigbügel, stieß sich mit dem anderen vom Boden ab – und krachte gemeinsam mit dem Steigbügel zu Boden – mitten in den Schneematschtümpel vorm Stalltor.

Redjin konnte sich ein herzhaftes Lachen nicht verkneifen, als er auf den Hof sprang, um die erschrocken davonspringende Stute am Zügel zu packen, während Khassid sich aufrappelte, und brauchte einen Moment, um das trippelnde Tier unter Kontrolle zu bringen. Als er sich zu Khassid umwandte, stand der Hauptmann bereits wieder. Die aschblonden Haarwellen tropften strähnig auf die Schultern hinab. Es brauchte schon einiges, um als begossener Hund noch stattlich auszusehen, aber Khassid hatte damit kein Problem.

„Das findest du wohl auch noch witzig, Junge!“, knurrte Khassid und trat neben die Stute, griff nach dem Stumpf des Steigbügelriemens und hielt ihn anklagend Redjin entgegen. Das rissige Leder, alte Kratzer und die sichtlich ausgeleierten Löcher für die Schnallen sprachen für sich. „Was ist das denn hier, hast du etwa mit Absicht einen uralten Bügelriemen irgendwo ausgegraben?“

„Ich hab erst vor zwei Wochen das Sattelzeug gereinigt, da war alles in Ordnung!“, protestierte Redjin.

„Aber jetzt ist es das nicht!“, knurrte Khassid.

„Das war bestimmt Tiynan oder einer von den anderen, die mir eins auswischen wollten, oder –“

„Das ist mir egal!“, fuhr Khassid ihm über den Mund. „Du hast das Pferd zu satteln, dazu gehört, dass du schaust, ob alles heile ist. Der Riemen hätte dir auffallen müssen.“

Es war harte Arbeit, aber Redjin zwang sich zum Schweigen. Es brachte ja nichts.

Khassid starrte ihn wütend an. „Du könntest dich wenigstens entschuldigen.“

„Entschuldigung, Hauptmann.“

„Das nächste Mal ohne besondere Aufforderung, Junge! Herren aller Welten, wie kann man nur so verstockt sein?“

Redjin kannte viele Gründe für Verstocktheit, und umso mehr, wenn es um Hauptmann Khassid ging. Gründe, an die er lieber nicht denken wollte, weil er dem Hauptmann sonst noch Dinge an den Kopf werfen würde, die ihm mehr Ärger als die wahrscheinliche Tracht Prügel einbringen würden.

Khassid schüttelte den Kopf. „Komm mit“, knurrte er, „und wage es ja nicht. Was immer du vorhast – wage es nicht!“

Redjin zog vor, der Anweisung Folge zu leisten, und folgte Khassid zickzackenderweise – immer den Schneepfützen ausweichend – zum Wachhaus, das in der Mitte des großen Palasthofes stand. Der Stall kuschelte sich an die südliche Mauer, im Norden prangte das aberwitzig hohe Gebäude der göttlichen Herrschaft mit seinen unzähligen Fenstern. Die vordere Front hatte fünf Geschosse, die Turmgeschosse hatte Redjin nie gezählt. Das Wachhaus war ein kleiner Holzbau, nur ein Geschoss und darüber das strohgedeckte Winkeldach, unter dem sich wohl auch noch ein Raum verbarg. Redjin hatte das Wachhaus erst einmal betreten, als er vor einigen Jahren frech zu einem der Wachmänner gewesen war und sich dort seine zehn Peitschenhiebe abgeholt hatte. Seitdem ging er dem Gebäude, den Wachen und auch sonst allem möglichst weit aus dem Weg.

„Du wartest hier!“, befahl der Hauptmann und zeigte auf den Platz neben der Tür zum Wachhaus. „Und mit warten meine ich warten – bis du geholt wirst.“

Redjin stellte sich stumm auf den angezeigten Fleck und starrte auf den Boden. Er spürte, wie er einen Moment lang angestarrt wurde, dann knarrte die Tür in den Angeln, Schritte gingen von Schneematsch auf Holzdielen und die Tür wurde zugeschlagen.

 

 

In trockener Kleidung und mit einem Becher Tee in der Hand fühlte sich Khassid zwar wieder etwas mit der Welt versöhnt, doch die nächsten Wochen würden alle Sklaven über ihn lachen, das stand fest. Nie offen, aber dafür mit Ausdauer und Hingabe.

Seine Untergebenen hatten sich, soweit es ihnen möglich war, aus dem Staub gemacht. Nur die Wachhabenden waren anwesend, saßen am zweiten Tisch und schielten ihn hin und wieder verstohlen an.

Khassid füllte sich Tee nach und spürte, wie seine Stimmung mit dem Becher um die Wette dampfte.

„Nun nehmt’s Euch doch nicht so zu Herzen“, brummelte der Zweite Wachoffizier Tharvak. Khassid reagierte nicht, was Tharvak offensichtlich als positives Zeichen deutete, denn er setzte sich zu Khassid an den Tisch. Sie kannten einander schon lange, waren fast gleich alt, hatten gemeinsam Ausbildung und Kriegserfahrungen durchgemacht, ohne jedoch dabei Freunde zu werden. Aber sie respektierten einander. Daher bediente sich Tharvak ohne zu fragen an Khassids Tee und schaute den Hauptmann der Wache prüfend an. „Ich sage Euch, wie ich das machen würde: Der Junge kriegt ein paar mit der Peitsche und geht zurück in den Stall, und alles geht weiter wie bisher. Hm? Kein Grund für schlechte Laune.“

Khassid schlürfte etwas Tee. „Wie lange bin ich jetzt Hauptmann, Tharvak?“

Der Wachoffizier überlegte kurz. „Müssen jetzt fast drei Jahre sein, oder?“

„Etwas mehr als drei Jahre. Ich bin mit sechsundzwanzig Hauptmann geworden, in ein paar Wochen werde ich dreißig.“

„Stimmt wohl. Ich bin Euch altersmäßig ja immer ein Jährchen voraus.“

„Wenn es nach meinem Vater geht, übernehme ich in fünf bis zehn Jahren seinen Posten als göttlicher Haushofmeister.“

„Tja, Karriere muss man machen können“, gab Tharvak etwas verwirrt zurück, „bei mir reicht’s nicht für mehr als Wachoffizier.“

„Einige können Karriere machen, andere müssen es“, antwortete Khassid bitter und schaute auf seinen Becher. Seine Hand umfasste das Gefäß so fest, dass die Fingerknöchel weiß durch die Haut schimmerten.

Tharvak gab einen undeutbaren Laut von sich, der eigentlich nur aussagte, dass er Khassid gehört hatte, aber er konnte unmöglich verstehen, was gerade in Khassid vorging. Er hatte für die frühen Beförderungen viel erduldet, hart für das Vertrauen der göttlichen Herrschaft gearbeitet, und dennoch stieß er noch immer auf Skepsis unter den Wachleuten. Sicher dachten alle, dass Khassids Erfolg zum Großteil auf dem Einfluss seines Vaters beruhte, der als göttlicher Haushofmeister der wichtigste Mensch im Palast war. Es war zum Verrücktwerden. Langsam begannen einige, seine Qualitäten zu sehen und ihn als Anführer zu akzeptieren, und nun das, diese öffentliche Lächerlichkeit!

„Tut Eurer Karriere sicher nicht weh“, riss ihn Tharvak schließlich aus seinen Gedanken. „Klar, alle kichern ’n paar Tage drüber, aber es war halt ein dummer Zufall, weil der Junge zu blöd ist, die Riemen zu prüfen.“

„Hmpf.“...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7598-1616-9 / 3759816169
ISBN-13 978-3-7598-1616-0 / 9783759816160
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