Des Teufels Steg (eBook)
822 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-1289-6 (ISBN)
Geboren in Omsk. Studierte an der pädagogischen Hochschule und arbeitete anschließend als Lehrer für Deutsch und Englisch. Doch schon nach fünf Jahren beendete er seine Laufbahn als Schullehrer und wandte sich anderen Dingen zu. Von einem Schichtarbeiter in einer Ölraffinerie über einen schlichten kaufmännischen Sachbearbeiter bis zur gehobenen Stellung mit Entscheidungsvollmachten und letztendlich zum selbständigen Unternehmer - nichts war ihm fremd. Seit 2003 in Meckenheim bei Bonn zu Hause und wie das Schicksal es wollte, verspürte er im Jahre 2020 das Bedürfnis zum Schreiben.
Geboren in Omsk. Studierte an der pädagogischen Hochschule und arbeitete anschließend als Lehrer für Deutsch und Englisch. Doch schon nach fünf Jahren beendete er seine Laufbahn als Schullehrer und wandte sich anderen Dingen zu. Von einem Schichtarbeiter in einer Ölraffinerie über einen schlichten kaufmännischen Sachbearbeiter bis zur gehobenen Stellung mit Entscheidungsvollmachten und letztendlich zum selbständigen Unternehmer - nichts war ihm fremd. Seit 2003 in Meckenheim bei Bonn zu Hause und wie das Schicksal es wollte, verspürte er im Jahre 2020 das Bedürfnis zum Schreiben.
1. Kapitel
Gestrichener Urlaub
Wolfgang Breitscheid konnte es nicht ausstehen, wenn seine Pläne unerwartet durch fremde Entscheidungen zerstört wurden, auf die er selbst wenig oder gar keinen Einfluss ausüben konnte und die er im Großen und Ganzen einfach so hinnehmen musste, ohne eine wirksame Möglichkeit zu haben, in irgendeiner Weise dagegen vorzugehen. Er ärgerte sich schwarz.
»Aber das war doch so nicht …«, wollte er sich gerade vorsichtig gegen den unverschämten Versuch eines Angriffs auf seine Urlaubspläne zur Wehr setzen, als ihn der Chef unterbrach.
»Herr Breitscheid, wollten Sie nicht endlich mal richtig Umsatz machen?«, fragte er in einem Ton, der nichts Gutes verhieß. Vielmehr ließ die Frage Wolfgang erahnen, dass er noch den letzten Umsatz verlieren würde, wenn er die Dienstreise ablehnte, zu der ihn dieser Stachowski drängte.
Ja, natürlich wollte Wolfgang mal richtig Umsatz machen! Das wollte er hier in diesem Weinvertrieb schon seit drei Jahren, aber derselbe Stachowski, Leiter des Verkaufsbüros Hannover, hielt ihn schon die ganze Zeit absichtlich an der kurzen Leine und wies ihm nur tröpfchenweise Kunden zu, die schon seit Jahren nichts mehr kauften und allem Anschein nach auch keine Absichten diesbezüglich hegten. Wie sollte er überhaupt noch bis zur Rente überleben? Das fragte er sich oft, wenn er am Ende des Tages genervt den Hörer aufs Telefon knallte, weil er auch beim letzten Verkaufstelefonat keine müde Mark verdient hatte.
»Wir haben aber die kommende Woche verplant«, versuchte es Wolfgang aufs Neue. »Wir haben vor Monaten eine Unterkunft reserviert und wochenlang geträumt, an die Nordsee zu reisen. Ich habe den Urlaub doch angekündigt.«
»Nun ja, Herr Breitscheid«, erwiderte Stachowski spöttisch, »Sie können es sich ja gerne aussuchen: Entweder eine Woche an der Nordsee abkühlen, es ist ja auch wirklich ein heißer August dieses Jahr, und anschließend mit leeren Händen dastehen, oder in der Woche vernünftiges Geld verdienen, sodass Sie sich im September einen Urlaub auf Mallorca leisten können.«
»Kann es denn nicht ein anderer machen?«, entgegnete ihm Wolfgang und sah verzweifelt in die Runde.
Der Rest der Teilnehmer der Freitagsbesprechung schwieg und mied den Augenkontakt zu Wolfgang. Alex, ein junger gewiefter »Kundenabzocker«, sah untergeben Stachowski an, aber von ihm erwartete Wolfgang ohnehin keine Unterstützung, er las dem Chef jeden Wunsch von den Lippen ab und drehte mit ihm irgendwelche krummen Geschäfte auf Kosten des Weinhauses. Willhelm saß zurückgelehnt auf dem Stuhl und sah zum Fenster hinaus, als hätte ihn die Angelegenheit gar nicht interessiert, – es war auch sonst seine Art, mit Kollegen umzugehen. Er war ein seltener Gast im Büro, denn er kam aus Braunschweig, hatte dort sein angestammtes Verkaufsgebiet und war nur darauf bedacht, dass sich keiner in seine Dinge einmischte, alles andere war ihm gleich. Sodann Michael, der ein echter Kenner von französischen Weinen war. Er sah verlegen unter den Tisch. Und nicht einmal Giovanni, ein Deutschitaliener in zweiter Generation, durch den Wolfgang überhaupt zu diesem Job als Weinvertreter gekommen war und den er für einen Kumpel hielt, ergriff Partei in der Sache. Sein Blick wanderte aus einer Ecke des Büros in die andere.
»Mhm …«, gab Stachowski hämisch von sich. »Sicher, Herr Breitscheid, ich könnte auch jemand anderes fragen. Nur! Dadurch verzögert sich das Ganze und wir müssen die Gebiete in den neuen Bundesländern zügig erschließen. Das heißt, wir fangen damit kommende Woche an. Dafür habe ich zwar Sie vorgesehen, aber wenn Sie nicht wollen und ein anderer ins Gebiet fährt, werden die neu gewonnenen Kunden auch nicht zu Ihrem Stamm gehören. Überlegen Sie es sich sehr gut. … aber was rede ich da, mit Ihnen ist es ohnehin so ein Ding. Ihre Umsatzzahlen sind unter aller Sau und Sie wollen es offensichtlich auch nicht ändern! Die Firma kann sich so was nicht leisten, dass Sie keinen Umsatz machen und nur die Kunden blockieren. Sie müssen mir auf jeden Fall heute noch Ihre Kartei übergeben, wenn Sie am Montag nicht zur Verfügung stehen. Umsatz, Umsatz und noch mal Umsatz – das ist das, was wir hier erreichen wollen! … Willi! Du nimmst dann die Kundenkarten vom Breitscheid an dich. Die Gebiete in Sachsen-Anhalt am Harz, sie grenzen doch an Braunschweig?«
Willhelms Gesicht belebte sich, sobald er etwas vom zusätzlichen Verdienst gehört hatte. »So ist es, Jörg.«
»Gut, dann nimm die Kartei und verkauf mal richtig was die Woche. Sie haben dort schon ein Jahr lang fast nichts gekauft! Da kriegst du bestimmt mindestens zehntausend Mark Umsatz raus!«
Es trat genau das ein, was Wolfgang befürchtet hatte. Diese kleine, »miese Ratte« von Verkaufsleiter, zerging er innerlich in seinem Frust, wollte ihm zu allem Überfluss noch seinen Kundenstamm wegnehmen, der ihn während der letzten drei Jahre zwar nicht sonderlich reich gemacht, dennoch halbwegs für ein Auskommen gesorgt hatte. Was bildete sich dieser »Rotzbengel« überhaupt ein? Solche aufstrebenden jungen Kerle wie Stachowski hatte Wolfgang schon zuhauf erlebt, am Ende waren sie alle sehr, sehr tief gefallen. Er war schon lange Vertreter für Staubsauger gewesen, als der Typ noch die Windeln schmutzig gemacht hatte! Wolfgang wusste genau, worauf es bei dem Geschäft ankam und keiner sollte ihm weismachen, wie man Umsatz generierte, am wenigsten dieser Stachowski, der in seinem ganzen Leben vermutlich noch keine einzige Flasche Wein beim Kunden vor Ort verkauft hatte. Aber er saß am längeren Hebel.
»Wann soll ich denn jetzt überhaupt noch die Termine für die Weinproben machen, wenn es schon am Montag losgeht?«, fragte Wolfgang unzufrieden.
»Es ist schon für alles gesorgt, Herr Breitscheid«, antwortete Stachowski sichtlich zufrieden mit Wolfgangs Einlenken. »Da! Sehen Sie mal!« Er nahm ein bekritzeltes Wochenterminplaner-Formular in die Hand und wedelte damit in der Luft. »Unsere Telefonistinnen waren fleißig.«
Wenngleich es Wolfgang überhaupt nicht passte, erwog er schweren Herzens, der Reise in das Harzvorland von Sachsen-Anhalt, die ihm gerade erpresserisch aufgezwungen wurde, zuzustimmen. Wie konnte er sich dagegen wehren? Gar nicht. Stachowski hatte ihn fest in der Hand. Wolfgang war vor ein paar Monaten vierundfünfzig geworden und sein sehnlichster Wunsch war, sich bei dieser Weinkellerei noch irgendwie sechs Jahre bis zum Rentenalter durchzuschlagen, um dann nie wieder etwas von all den Leuten zu hören, die ihn sein Leben lang benutzt hatten. Diesen Plan hätte er gleich einstampfen können, wäre er jetzt seine Kundenkartei, egal wie kümmerlich sie aussah, losgeworden. Er hätte schon heute seine sieben Sachen packen können und von hier verschwinden. Und dann? Dann war »Sense«, wie Wolfgang es formulierte.
»Na ja«, erwiderte er, »ich weiß, wie diese Termine gelegt werden … Du fährst zwanzig Kilometer von einem Dorf zum anderen und in zwei Stunden wieder zurück zum nächsten Termin. Und nach Feierabend noch fünfzig Kilometer zum Hotel. Da habe ich nur Fahrkosten. Was kann ich denn am Ende noch verdienen?«
Wolfgang war auch ein alter Fuchs und wusste, dass man das Eisen schmieden sollte, solange es heiß war. Er versuchte noch zum Schluss, für sich das Maximum an Vorteilen aus der unerfreulichen Situation herauszuholen. Der unglückliche Weinhändler sah den Verkaufsleiter an in der Erwartung, dass es aus seiner Richtung gleich blitzte und donnerte, und hörte schon beinah die Stimme von Stachowski, die ihm vorwurfsvoll etwas von immensen Kosten, die auf die Firma zukamen, erzählte, von der fehlenden Leistungsbereitschaft der Vertreter und davon, dass Wolfgang schon dafür dankbar hätte sein sollen, dass das Weinhaus für ihn die Termine auf eigene Kosten hatte vereinbaren lassen. Aber zu seiner großen Verwunderung war das Gegenteil der Fall: Das Gesicht von Stachowski erhellte sich und bekam einen gutmütigen Ausdruck.
»Ja, wir müssen damit leben, Herr Breitscheid«, verkündete er mit belehrender Stimme. »Die Frauen machen doch die Termine nicht entlang einer festgelegten Route, sondern abhängig davon, wann die Kunden können und wollen! Dafür, Herr Breitscheid … dafür kommt die Firma Ihnen entgegen und beteiligt sich an den Fahrkosten! Sie müssen aber ein Fahrtenbuch führen und nachher bei mir einreichen. Ist das nicht toll?«
Toll war es allemal. Wolfgang konnte sich kaum daran erinnern, dass ihm jemals zuvor Fahrkosten erstattet worden waren. Das hatte es noch nie gegeben. Er war immer auf eigene Kosten durch die Gegend gereist, wenn er Weinproben bei den Kunden veranstalten sollte. Es war zwar nicht oft gewesen, denn den meisten Umsatz machte er am Telefon, aber trotzdem. Und vielleicht schnitten ja seine Telefonverkäufe so schlecht ab, weil er die meisten Kunden noch nie persönlich getroffen hatte, fragte er sich plötzlich und bejahte seine spontane Mutmaßung. Gewiss, um am Telefon etwas verkaufen zu können, brauchten die Kunden auch einen persönlichen Bezug zum Verkäufer. Auch eine andere Frage beschäftigte ihn: Warum ausgerechnet jetzt? Warum war Stachowski auf einmal so großzügig geworden? Giovanni beschwerte sich zwar dauernd, dass »Chefchen« wieder mal die eine oder andere Position in seiner Fahrkostenabrechnung gestrichen hatte, also bekam er auch einiges erstattet, aber Giovanni war schon viele Jahre dabei und gehörte in gewissem Maße zum näheren Kreis. Hieß es nun, dass der Chef auch Wolfgang etwas höher einstufen wollte? Möglicherweise. Das wollte er noch herausfinden.
»Das finde ich sehr gut!«, stimmte Wolfgang dem Büroleiter zu.
»Nicht wahr?«, erwiderte Stachowski. »Das kann ich mir...
Erscheint lt. Verlag | 9.5.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Dramatik • Harz • Hexe • Inquisition • Mystik • Neonazis • Teufel |
ISBN-10 | 3-7598-1289-9 / 3759812899 |
ISBN-13 | 978-3-7598-1289-6 / 9783759812896 |
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