Das Kurhotel auf Norderney - Stürmische Zeiten -  Claudia Schirdewan

Das Kurhotel auf Norderney - Stürmische Zeiten (eBook)

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2024 | 1. Auflage
378 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7517-4175-0 (ISBN)
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Norderney, 1885: Jella und Elisa sind seit ihrer Kindheit enge Freundinnen, die auf der Insel Norderney aufgewachsen sind. Während Jella in der Arzt-Praxis ihres Vaters arbeitet und in einem Kinderheim aushilft, unterstützt Elisa ihre Mutter beim Betrieb der eigenen kleinen Pension, um das Familieneinkommen der Fischersleute ein wenig aufzubessern.

Doch ihre Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt, als Streitigkeiten über das Kinderheim, Diebstähle und ein mysteriöser Brand die Insel erschüttern. Denn Elisa hegt den Verdacht, dass Jellas Verlobter Carl in die Vorfälle verwickelt sein könnte. Die junge Fischerstochter setzt alles daran, die Wahrheit aufzudecken.

Währenddessen wachsen in ihr und dem jungen Kölner Baumeister Julius Berlund, der zur Kur auf Norderney ist, Träume von einem eigenen Hotel und einer gemeinsamen Zukunft. Die beiden Frauen stehen vor schweren Entscheidungen. Werden sie ihre Träume verwirklichen können?

Eine bewegende Geschichte über Freundschaft, Liebe und den Mut, für das einzustehen, woran man glaubt. Der Auftakt zu der großen »Das Kurhotel auf Norderney«-Saga.

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.



<p>Claudia Schirdewan lebt mit ihrer Familie im Münsterland. Nach dem Abitur absolvierte sie eine kaufmännische und eine fremdsprachliche Ausbildung, später studierte sie nebenberuflich Kulturmanagement. Sie schreibt Geschichten, seit sie alle Buchstaben kennt und liebt es, ihre Figuren auf abenteuerliche Reisen durch die Vergangenheit zu schicken.</p>

1. Kapitel


Auf der Nordsee, im Frühsommer 1885

Julius Berlund schirmte seine Augen mit einer Hand gegen die Morgensonne ab. Er unterdrückte ein Gähnen. Die Gezeiten hatten eine frühe Abreise erfordert, und nun befand sich der Dampfer Roland, der ihn nach Norderney bringen sollte, bereits auf hoher See. Das Festland war nicht mehr zu sehen, und er meinte, dass sich am Horizont bereits ein Strich Land abzeichnete. Eine Welle schlug gegen den Bug, sodass Julius ins Wanken geriet. Mit beiden Händen umklammerte er daraufhin die Reling. Ein älterer Herr, der neben ihm stand, wandte sich lachend an den Zwanzigjährigen.

»Sie sind wohl keinen Seegang gewohnt, junger Mann? Hier, etwas Süßes hilft immer.«

Einladend hielt er ihm eine Papiertüte hin, die mit bunten Bonbons gefüllt war. Julius lehnte dankend ab, ehe er die Frage des Herrn beantwortete.

»Nein, mit Wellen habe ich wirklich kaum Erfahrung. Ich komme aus der Nähe von Köln, der Rhein ist meistens friedlich.«

»Reisen Sie zum ersten Mal nach Norderney?« Der Ältere steckte sich ein Bonbon in den Mund, schob seinen Sonnenhut, ein steifes Modell aus Stroh, in den Nacken und musterte Julius von oben bis unten, während er die Tüte wieder in einer Tasche seines Gehrocks verstaute. Unter dem prüfenden Blick des Fremden richtete Julius sich auf. Doch noch ehe er antworten konnte, winkte der andere ab.

»Zur Kur, oder? Sie sehen hager aus. Ich komme auch vom Festland und weiß, wie hart der Winter war.«

Julius lächelte, obwohl ihm die Feststellung des Mannes unangenehm war. Machte er noch immer einen derart mitgenommenen Eindruck?

»Ich hatte die Grippe«, erläuterte er und sah dabei aufs Meer hinaus. »Über Wochen war ich bettlägerig. Der Arzt war der Ansicht, die Luft hier oben könnte mir guttun.«

»Das wird sie sicherlich. Um Ihnen das zu sagen, muss ich kein Arzt sein.« Der alte Herr lachte dröhnend. »Ich komme jeden Sommer her, und ich will nicht eingebildet klingen, aber ich strotze vor Kraft.« Er zwinkerte Julius aufmunternd zu und tippte sich an die Hutkrempe. »Einen guten Aufenthalt wünsche ich.«

»Danke, Ihnen auch.«

Julius sah dem Mann nach, der einen freien Platz auf einer der Bänke ansteuerte, und ließ den Blick dann wieder über die Nordsee schweifen. Das Wasser war tiefblau und funkelte unter den noch blassen Strahlen der Morgensonne. Über dem Dampfer drehten ein paar Möwen kreischend ihre Runden und stemmten sich mit ausgebreiteten Flügeln gegen den Wind.

»Da! Mutter, schau! Die Insel!«, drang eine aufgeregte Kinderstimme an sein Ohr. Julius beugte sich ein Stück über die Reling. Tatsächlich, da vorne lag Norderney. Schon von Weitem konnte er den beinahe weißen Strand erahnen, hinter dem sich einige Häuser abzeichneten. Die Sonne schien direkt über der Insel zu stehen und die Neuankömmlinge willkommen zu heißen. Als Julius tief Luft holte, glaubte er, Salz auf der Zunge zu schmecken. Er schloss die Augen, spürte das Schaukeln des Dampfers auf den Wellen und die Wärme auf seiner Haut. Eigentlich hatte er nicht hierherkommen wollen. All die Arbeit, die während seiner Krankheit liegen geblieben war, musste endlich erledigt werden! Julius erinnerte sich daran, wie er Doktor Sander förmlich bekniet hatte, ihn nicht auf diese Reise zu schicken. Doch der besorgte, beinahe traurige Blick des Mediziners, der Julius seit seiner Kindheit kannte, hatte ihn zutiefst erschreckt, sogar mehr als dessen Worte.

»Julius, du hattest nicht nur eine Grippe. Du hattest eine Lungenentzündung. Wenn du atmest, rasselt es in deinem Brustkorb noch immer. Du bist zwanzig Jahre alt und hast noch viele kalte Winter vor dir. Die musst du überleben. Und das, mein Junge, schaffst du nur, wenn du wieder richtig gesundest.« Doktor Sander hatte den Kopf geschüttelt. »Ich weiß nicht, ob das auf der Insel gelingt. Aber es ist die einzige Idee, die ich noch habe.«

So hatte Julius mit der Hilfe seiner in Tränen aufgelösten Mutter den Koffer gepackt und sich auf den Weg gemacht. Die einzige Idee seines Arztes – er hatte keine Wahl gehabt.

Und nun lag sie vor ihm, Julius' letzte Chance auf ein gesundes Leben: die Insel Norderney.

*

Jella hatte Mühe, mit ihrem Vater Schritt zu halten. Er bog so schnell in die Georgstraße ab, dass die lederne Arzttasche an sein Knie schlug. Die Achtzehnjährige warf ihm einen besorgten Blick zu.

»Ist es so ernst, Vater?«

»Ich weiß es nicht, Jella.«

Doktor Reik Geert atmete auf, als ihr Ziel, die Kinderpflege- und Diakonissenanstalt, Marienheim genannt, in Sicht kam. Seit der Eröffnung des Hauses vor einigen Jahren betreute der Inselarzt die kleinen und großen Bewohner des Heimes, wenn dort Krankheiten auftraten, denen die Diakonissen nicht selbst beizukommen wussten.

Jella war es von Kindesbeinen an gewohnt, mit Patienten umzugehen. Ihre Mutter war bei der Geburt eines Geschwisterchens, auf das die ganze Familie sich so sehr gefreut hatte, gestorben. Jella war gerade einmal fünf Jahre alt gewesen, als aus ihr eine Halbwaise wurde, und wenn ihre Großeltern keine Zeit gehabt hatten, auf sie achtzugeben, hatte Reik sie kurzerhand mit in die Praxis genommen, die in einem Anbau des Hauses untergebracht war. Obwohl ihr Vater nur ein paar Schritte entfernt gewesen war, war Jella als Mädchen nicht gern allein in dem Haus geblieben. Es war zu groß, die vielen Zimmer, die für eine kinderreiche Familie gedacht waren, hatten ihr Angst gemacht, so verlassen und leer, wie sie waren. Selbst heute noch überkam Jella oft ein mulmiges Gefühl, wenn sie die Flure entlangeilte, aber Reik hatte nie in ein kleineres Haus umziehen wollen.

Seit einigen Jahren schon ließ ihr Vater sie in der Praxis vielerlei Handgriffe selbst verrichten. Im Wechseln von Verbänden war Jella beinahe geschickter als er selbst, und insbesondere Kinder, die oft verängstigt waren, wenn sie Reiks Instrumente sahen, wusste sie zu beruhigen.

Wenn er ins Marienheim ging, überließ Reik es inzwischen zumeist seiner Tochter, die Praxis zu hüten, damit wartende Patienten nicht allein waren. Ein paar Mal hatte Jella jedoch schon die Gelegenheit gehabt, ihn zu begleiten.

Nun eilte Doktor Geert auf die hohe Eingangstür zu, die einen Spaltbreit offen stand.

»Das Mädchen, das nach mir geschickt hat, sagt, dass die Schwester vor Fieber regelrecht glüht. Wenn die Körpertemperatur zu schnell steigt, wird es tückisch, mein Kind.«

Von dem Korridor, den sie betraten, gingen mehrere schlichte Holztüren ab. Wie bei ihren vorherigen Besuchen kam Jella der Flur bedrückend dunkel vor. Könnte man nicht irgendwo noch ein oder zwei Fenster einbauen? Bevor sie diesen Gedanken jedoch weiterverfolgen konnte, öffnete sich eine der Türen und Schwester Margret, die Leiterin des Marienheims, auf sie zueilte. Jella kannte die Diakonisse, die sie auf Mitte vierzig schätzte, nur vom Sehen. Erst vor wenigen Wochen war Margret von ihrem Mutterhaus, dem Henriettenstift in Hannover, auf die Insel geschickt worden, nachdem ihre Vorgängerin sich auf das Altenteil, in den sogenannten Feierabend, zurückgezogen hatte. Sie trug die übliche Tracht aus einem schwarzen Kleid mit weißem Kragen und einer ebenfalls weißen, unter dem Kinn gebundenen Haube, unter der ein paar graumelierte Haare hervorlugten. Als sie Reik erblickte, stand ihr die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.

»Herr Doktor, welch ein Glück. Danke, dass Sie so schnell gekommen sind.«

Sie wandte sich an Jella.

»Sie müssen die Tochter unseres geschätzten Arztes sein.«

»Richtig. Ich bin Jella Geert. Freut mich, Sie endlich kennenzulernen.«

Sie streckte Margret die Hand entgegen. Der Händedruck der Diakonisse war fest und warm.

»Jella ist mir eine große Hilfe in der Praxis«, erläuterte Reik Geert die Anwesenheit des Mädchens. »Und auch bei Visiten.«

»Dann freue ich mich, dass Sie hier sind.« Margret lächelte freundlich.

»Wo ist denn unsere Patientin?«, kam Reik auf den Grund ihrer Anwesenheit zurück.

»Folgen Sie mir bitte.«

Margret öffnete eine Tür und führte die beiden durch das Treppenhaus in den ersten Stock. Jella sah sich um, doch Margret schien nichts verändert zu haben, seit sie hier das Ruder übernommen hatte. An den Wänden hingen die Jella schon bekannten Gemälde, die Blumen oder Strandszenen zeigten, und es roch, als hätte jemand erst kürzlich die Treppenstufen gebohnert.

»Wir haben Schwester Maria ins Isolierzimmer gebracht«, erklärte Margret. »Nicht auszudenken, wenn sich bei uns etwas ausbreitet. Das Haus ist doch voller geschwächter Kinder.«

Sie zog die Schultern hoch, als fröstelte es sie.

Am Ende des Flurs klopfte die Diakonisse an eine dunkle Holztür und drückte die Klinke herunter, ohne auf eine Antwort zu warten. Im Gegensatz zum Eingangsbereich war dieses Zimmer hell und freundlich eingerichtet. Zur Georgstraße hin gab es ein großes Fenster, das so weit geöffnet war, dass etwas frische Luft hereingelangte. Der Vorhang war zur Seite...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7517-4175-5 / 3751741755
ISBN-13 978-3-7517-4175-0 / 9783751741750
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