Freiheit hat ein schönes Gesicht -  Christoph Beranek

Freiheit hat ein schönes Gesicht (eBook)

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2024 | 7. Auflage
422 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-0611-6 (ISBN)
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Ein Unfall leitet einen Wendepunkt in Christians Leben ein. Nach einem Sturz vom Fahrrad, erleidet er ein Schädel-Hirn-Trauma und wird im Krankenhaus in ein künstliches Koma versetzt. Ein Alptraum, der ihn auf einen mittelalterlichen Marktplatz führt, auf dem eine Hinrichtung stattfindet, wird er von Häschern verfolgt, die ihm nach seinem Leben trachten. Bevor sie ihn hinrichten können, erwacht er. Auch der Rückblick auf seine Indienreise, voll sinnlicher und bunter Erlebnisse, auf der er Elli, seine Frau kennenlernt, veranlasst ihn zu einem vertieften Nachdenken über sein Leben. Er erkennt nach seiner Genesung, was wichtig und tragend für ihn ist. Die berufliche Situation, seine Handlungen und Einstellungen stehen zur Disposition. Sein entwickelter Freiheitssinn wird zum Kompass seiner Veränderungen. Was daraus wird und wie er mit seinen wiederkehrenden Ängsten umgeht, erzählt der Roman in verschiedenen Facetten.

Autor

Im Bann der Unfreiheit


Aus einer tiefschwarzen Dunkelheit, die wie eine Wand alles Sichtbare versperrte, zuckten grelle Blitze, die mit ihrer Kraft ein Inferno aufführten. Wie in einer Theateraufführung, die mit einem spektakulären Spiel aus Dunkelheit und Licht das Publikum auf eine Reise in eine ungewisse Welt einstimmte. Doch als die Blitze versiegten, verstummte das Licht und alles glitt in eine bewegungslose Welt ab. Einzig ein kaum hörbares Atemgeräusch, aus weiter Ferne, durchbrach das Nichts aus dunkler Masse. Die leisen Töne erinnerten an mein Ich, ich war noch da, zwar fast unmerklich, aber ich war noch da, hier, dort, wo auch immer. Und so fügte ich mich in den Rhythmus der Atmung, in den Wellengang von ein … und aus …

Aus diesem fragilen Ich-bin-noch-da entstanden Bilder, Geschichten, kurze Einblicke in mein Selbst, die mir zu einem Fixstern wurden in einer fremden und bedrohlichen Welt. Alles schien einer Gesetzmäßigkeit zu folgen, auf die ich keinen Einfluss hatte und der ich bedingungslos ausgeliefert war. Doch immer wieder wurde die Finsternis durch ein aufstrebendes Licht verdrängt und schenkte mir einen Einblick in eine Welt voller Geschichten, skurril und außerhalb jeder Norm.

Als sich die Dunkelheit wie ein schwerer Vorhang öffnete, sah ich einen strahlend blauen Himmel. Das Licht war so stark, dass meine Augen schmerzten. Ich sah eine Frau schwebend an mir vorbeiziehen. Ich wollte sie erkennen, strengte meine Augen an, konzentrierte mich, doch sie glitt nur schemenhaft in einem wallenden Umhang an mir vorbei. Wer war sie? Kannte ich sie, war sie meine Frau, eine Bekannte oder irgendjemand?

Noch einmal wollte ich mit aller Kraft eine Erkenntnis über diese Traumgestalt erhalten. Doch schon einen Wimpernschlag später stürzte mein Gedankengebäude zusammen und ich fiel zurück in ein stummes Ziffernblatt. Das Nichts hielt mich wieder fest umklammert. Eingesperrt in einem Raum, der meinen Geist fesselte. Nur Dunkelheit und Stille – alle Sinne erstickt.

Keine Sehnsucht, kein Gefühl regte sich in mir, ich war in einem Kerker aus Nichts gelandet. Und auch die Sekunden, Minuten, Stunden hatten sich verabschiedet, still und heimlich. Ich konnte sie nicht verstehen, begreifen, erleben. Zeit war mir fremd geworden, wie ein Stern, den ich sehe, aber nichts über seine Existenz, sein Wesen weiß. Das Nichts, zeitweise nur unterbrochen durch ein und aus, immer aus der Ferne kommenden, ein und aus …

Irgendwann, nach einigen Wellen, die ich nicht ermessen konnte, löste sich die Dunkelheit wie ein Wolkenschleier langsam und bedächtig auf. So, als wollte sie mich ganz behutsam an einen Strand tragen.

***

Plötzlich schwebte ich empor. Ein Aufzug hob mich aus einem feuchten, dunklen Kellergewölbe hinauf, in eine hohe Etage. Bing! Der Lift stockte, ich holte Luft. Vorsichtig trat ich aus seinem Maul. Ich machte ein paar Schritte, unter mir ein mit Steinen gepflasterter Weg. Links und rechts davon standen Häuser, die aus Bruchsteinen und hölzernem Fachwerk bestanden. Offensichtlich eine mittelalterliche Ortschaft. Es war still, kein Laut, keine Stimmen erreichten meine Ohren. Bei einer Weggabelung vor mir blieb ich stehen. Bergauf oder bergab? Ich entschied mich, den Weg nach unten zu nehmen. Dort hörte ich Stimmen, erst ein entferntes Säuseln und dann mit jedem Schritt immer deutlicher wabernde Worte.

Jetzt erreichte ich einen großen Marktplatz, auf dessen Zentrum ein hölzernes Podest stand. Eine dicht gedrängte Menschenmenge hatte sich um das Podest versammelt und johlte. Immer lauter schrien sie, bis ein Scharfrichter in einem sackartigen Mantel das Podest betrat. Mir wurde sofort klar, was das hieß: Eine Hinrichtung stand bevor. Ich wandte mich entsetzt von der Szene ab. Nur weg hier! Doch im gleichen Moment begann die Menschenmenge voller Inbrunst, meinen Namen zu skandieren: „Christian, Christian, Christian …“ Ich war erstarrt. Mein Herz klopfte, als wollte es aus dem Brustkasten springen. Warum? Warum wollten sie mich hinrichten? Was hatte ich getan? Als ich vier Männer in schwarzen Kutten mit Schweinsmasken sah, die im Gleichschritt auf mich zu rannten, löste sich meine Erstarrung. Ich setzte mich in Bewegung. Erst ein Bein, dann das andere, dann immer schneller, durch Gassen, über steinerne Treppen und immer weiter. Verzweifelt auf der Suche nach einem Ort, an dem ich mich verstecken konnte.

Aber wohin ich auch lief, ich fand keinen Platz. Immer deutlicher hörte ich das Brüllen der Häscher, die sich untereinander vor allem durch Grunzlaute verständigten. Immer näher kamen ihre Schritte, die durch die engen Gassen hallten. Vor mir erschienen schmale Stufen, die ich hektisch bestieg. Ich stockte. Fast oben angekommen, stürzte ein Schweinsmann in schwarzem Umhang auf mich zu, er zielte mit seiner Lanze auf meinen Kopf. Ohne nachzudenken, drehte ich mich um und sprang die Treppe herunter, stürzte, raffte mich wieder auf und erreichte den gepflasterten Weg, den ich schon kannte.

Als ich eine Menschenmenge sah, die sich an beiden Straßenseiten zu einem Spalier formiert hatte, holte ich Atem. Was hatten sie hier zu suchen? Waren sie gekommen, um mich zu warnen oder um mich zu verurteilen? Und warum kamen sie mir nur so bekannt vor? Ich biss mir innen auf die Wange, beschleunigte noch einmal meinen Schritt. Die Verfolger im Nacken hatte ich keine Wahl, als durch das menschliche Spalier zu rennen. Im Augenwinkel zischten Gesichter von Freunden vorbei. Ein Blitz der Hoffnung durchzuckte mich, dass sie mich retten, beschützen würden. Doch als ich sie genauer ansah, funkelten mich hassverzerrte Fratzen an. Plötzlich verstand ich auch, was sie schrien. Meinen Namen. Herr Bergmann, mein alter Deutschlehrer, Bernd, mein bester Freund aus der Schule, sie skandierten meinen Namen. Und dass ich sterben sollte.

Hinter mir hallten die Klauen der Häscher. Sie kamen immer näher, sodass ich mich zwingen musste, mich nicht umzudrehen. Bloß nicht nach hinten sehen! Nicht stehen bleiben, weiter, weiter! Ich konnte kaum mehr meine Beine fühlen, da tauchte am Ende der Straße eine Barrikade aus aufgetürmten Steinen auf. Vor meinen Augen verschwamm alles. Ich war gefangen.

Ich blickte nach oben in die Sonne und ergab mich meinem Schicksal. Allmählich entfernten sich alle Gedanken und Gefühle in langsamen Schritten von mir, die Stimmen flüsterten nur noch – bis sie schließlich vollständig verhallten. Nun wurde das Licht schwächer, bald erkannte ich nur noch Blautöne, die nach kurzer Zeit der Dunkelheit den Vorzug gaben. Ich spürte, wie ich in die Dunkelheit abglitt und mit dem Eintauchen sich alle Gedanken und Gefühle verloren. Nur noch ein leises, entferntes Atmen, ein … und aus …, durchbrach das Nichts.

***

In den nächsten Tagen erlebte ich immer wieder Episoden wie diese. Jedes noch so kurzfristige Auftauchen aus dem Nichts war mit der Angst verbunden, in eine bedrohliche Welt geworfen zu werden. Ich war nicht mehr der Regisseur meiner Gedanken und Empfindungen, wurde wie in einem reißenden Fluss hin und her geschleudert, den Launen der gewaltigen Strömungen hilflos ausgeliefert.

Nur ab und zu löste ein aufregendes Kribbeln die furchterregenden Traumbilder ab, das aber schnell wieder von der Gravitation der dunklen Mächte absorbiert wurde. Mein Geist kämpfte erfolglos dagegen an, dass sich meine Existenz immer wieder dem Tod zuwandte. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit verabschiedete sich das dunkle Verlies langsam. Lichte Farben schlichen sich in seine Ritzen und menschliche Stimmen tanzten vor mir. Erst verschwommen, doch allmählich schärften sich die Konturen.

***

Ich lag auf einer gepolsterten Pritsche, vor mir eine Kapsel mit einer geöffneten, runden Klappe. Um mich herum wimmelten Menschen in weißen Overalls und beglückwünschten mich: „Es ist uns eine große Ehre, mit dem Tombola-Gewinner zu sprechen. Sie wurden ausgewählt, um in dieser Röhre eine Reise zum Mond anzutreten.“ Ich nickte eifrig. Schon als Kind hatte ich mit meinem Freund Bernd Fluggeräte und Raumkapseln aus Karton gebaut, um mich auf eine Raumfahrt zu den Planeten unseres Universums zu begeben. „Schnallen Sie sich gut an und machen Sie ein Kreuzzeichen!“ Bevor ich mich den Erinnerungen aus meiner Kindheit hingeben konnte, wurde ich mit Instruktionen versorgt, die ich nicht verstand.

Als ich die Kapsel bestieg und die Luke sich schloss, hörte ich mein Herz kräftig schlagen. Meine Muskeln spannten sich an, ich fühlte mich lebendig – glücklich, endlich der Gravitation der Erde, allen anhaftenden Zwängen zu entfliehen und mich bis ins Tiefste meiner Existenz zu spüren, Freiheit in einer ganz neuen Dimension zu erleben. Mit der gigantischen Kraft der Triebwerke hob die Kapsel ab. In meiner gläsernen Kanzel wurde ich in meinen Sessel gedrückt und durch die Schubkraft festgehalten. Bis der Druck nachließ. Jeder Nerv in mir entspannte sich, Gedanken, Muskeln, Vergangenes, alles löste sich auf und ich gab mich den Bildern meiner Netzhaut hin. Ich schwebte. Bald glotzte mich die Erde als blaue Kugel an, als treue Gefährtin, daneben drehte der Mond mit seinem pockenartigen Antlitz seine Runde. Schwerelos flogen Bilder an mir vorbei, Sterne schienen mir zuzulächeln. Bedächtig zog ich an einem Steuerhebel, um mich in einem kontrollierten Zustand zu halten.

Nach einer Weile spürte ich einen Stoß, eine Erschütterung, die meine schwerelose Welt durchbrach. Ich landete mit sanfter Anziehung auf einem Plateau und erblickte eine Landschaft aus steinigem Geröll und Sand, soweit mein Blick reichte. Langsam steuerte...

Erscheint lt. Verlag 22.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
ISBN-10 3-7598-0611-2 / 3759806112
ISBN-13 978-3-7598-0611-6 / 9783759806116
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