In Amerika -  Friedrich Gerstäcker

In Amerika (eBook)

Im Anschluss an Nach Amerika!
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2024 | 1. Auflage
817 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-7598-0059-6 (ISBN)
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Friedrich Gerstäcker hat sich zeitlebens für die Belange der deutschen Auswanderer eingesetzt. In dem vorliegenden Roman setzt er die Erlebnisse der Auswanderer aus dem zweibändigen Roman 'Nach Amerika!' fort und fügt einige weitere, spannende Abenteuer dazu. Mit seinen Werken wurde auf unterhaltsame Weise der auswanderungswllige Leser unterhalten und belehrt - eine Mischung, die seine Werke zu echten 'Volksbüchern' machte.

Der Weltreisende und Abenteurer wird hier in einer neuen Werkausgabe vorgelegt, die er noch 1872 selbst vorbereitet hatte. Wir folgen dem ungekürzten Orginaltext.

SECHSTES KAPITEL


 

In Donnersville.

 

Da Wolf an diesem Abend seinen festen Entschluss ausgesprochen hatte, mit seiner jungen Frau wieder nach Amerika zurückzukehren, so sollte er, ehe er diese Gegend verließ, jedenfalls das kleine Städtchen Donnersville besuchen, um sich den Platz einmal anzusehen. Hatte er sich doch noch keineswegs über seinen künftigen Wohnsitz fest bestimmt, und man kam deshalb überein, dass Georg ihn begleiten wollte. Nach einer solchen Feierlichkeit, wie sie der gestrige Tag geboten, konnte man von den Leuten doch nicht viel Arbeit verlangen. Sie hielten gewissermaßen einen blauen Montag, um sich wieder zu neuer Tätigkeit zu stärken, und Georg Donner gestattete ihnen den auch gern.

Übrigens waren ihm frische Einwanderer angemeldet worden, die Abgeordnete nach Donnersville geschickt hatten, um sich die Gegend einmal anzusehen, und es lag ihm daran, sie selber zu sprechen und ihnen die Bedingungen mitzuteilen, unter denen sie hier in der Nachbarschaft das Land, das er zum größten Teil selber angekauft, bekommen könnten. Fielen sie Zwischenhändlern in die Hände, so wurden sie gewöhnlich um eine Menge Geld geprellt.

Die beiden jungen Leute trabten munter auf ein paar vortrefflichen Rappen in die Stadt hinein, stiegen vor der Mermaid ab und ließen ihre Pferde dort einstellen.

Ezra Ludkins, der Pennsylvanier, mit seiner wunderlichen, halb deutschen, halb englischen Sprache, stand mit den Händen in den Hosentaschen – seiner Lieblingsstellung – in der Tür.

„Hallo, Mr. Donner!“ rief er seinem alten Bekannten und Gönner schon von Weitem entgegen. „Nun, wie tut’s? Walk nur herein und nimm Deinen Bittern, denn der Morgen ist ein bisschen kalt.“

„Hallo, Ludkins!“, rief Georg, aus dem Sattel springend und ihm die Hand reichend. „Immer munter?“

„Nau well“, sagte der Pennsylvanier mit den Achseln zuckend, „viel Druvel43 in dem Nest jetzt. In Grahamstown hett’ ich easiere Zeit.“

„Das glaub’ ich“, lachte Georg, „da stand das Wirtshaus zuletzt allein und keine Wohnung weiter in fünf Miles davon.“

„Oho“, bemerkte Ludkins, „der Reverend Mr. Snodgraß...“

„Der zum Mäßigkeitsverein gehörte“, lachte Georg.

„Aber powerful viel Brandy zum E i n r e i b e n juhste“44, bemerkte Ezra mit einem drolligen Zug um den Mund, „er brauchte eine Kur.“

„Na, Ludkins“, lachte Georg, „solche Kurgäste haben wir hier in Donnersville auch, aber kommen Sie hinein, Wolf – und was ich sagen wollte, Ludkins, es sollen Einwanderer heute Morgen angekommen sein. Sind sie zu Hause?“

„Ein paar, yes“, nickte der Wirt, „die übrigen hat sich der Yankee schon gelangt und gibt sich viele Mühe, sie hinunter nach dem Süden zu schicken. Dort werden sie’s ihnen schon fixen, denn da sie keine Niggers mehr kiepen dürfen, brauchen sie Dutchmen, die ihnen die Felder worken.“

„Welcher Yankee, Ludkins?“, rief Georg, aufmerksam werdend.

„Well, der Mr. Sherard glaub’ ich, heißt er, der bei mir hier vierzehn Tage gelodgt und sich jetzt bei dem deutschen Schneider einquartiert hat und alle Menschen in die Süd-Staaten directen möchte. Ein Copperhead45, wie er nur je unsere Staates zertreten hat, und wenn es von dem dependete, so hätten wir morgen schon Niggerauktionen bis an die Lakes46 hinauf.“

„Und warum schicktet Ihr die Leute nicht zu mir hinaus?“

„Dass ich ein Narr wäre“, lachte der Wirt, „so lange jemand bei mir Durst hat und seine Drinks bezahlen kann, schicke ihn wahrhaftig nicht selber aus dem Haus. Übrigens sind die Leute ihre eigenen Herren und alt genug, um zu wissen, was ihnen gut ist.“

„Alt genug, ja“, sagte Georg, langsam dazu mit dem Kopf nickend, „da habt Ihr Recht, Ludkins, aber trotzdem noch in vielen Stücken kleine Kinder. Der deutsche Bauer hat überhaupt einen ganz eigentümlichen und merkwürdigen Charakter, und man muss wissen, wie er bei uns daheim erzogen ist und seine eigenen Kinder erziehen lässt, um ihn zu begreifen.“

„Es sind manchmal artliche Kerle“, nickte der Pennsylvanier, still vor sich hinlachend, „und dickschädlig wie ein Buffalo.“

„Das sind sie“, bestätigte Georg, „und außerdem misstrauisch gegen jeden, der einen besseren Rock trägt wie sie, oder es nicht versteht, ihnen nach dem Munde zu schwatzen, dass es einen manchmal zur Verzweiflung treiben könnte. Wer es aber versteht und einen bestimmten Zweck dabei verfolgt, der kann sie um den Finger wickeln und zu den größten Dummheiten verleiten. Mit welchen albernen Vorspiegelungen werden sie manchmal daheim schon zur Auswanderung getrieben, und trotz aller Warnungen von Leuten, die es wirklich gut mit ihnen meinen, lassen sie sich von dem dümmsten Länderschacherer betrügen und kaufen daheim in Deutschland noch für ihr gutes bares Geld Grundstücke und Äcker, die entweder gar nicht existieren oder im günstigen Fall an Stellen liegen, die ein vernünftiger Mensch nicht umsonst haben möchte, in keinem Falle aber selber beziehen könnte.“

„Aber wie kommt das“, sagte Ludkins, „dass sich gerade Deine Landsleute so schrecklich imposen lassen? Die Irischen sind viel dümmer und außerdem ein rohes, rauflustiges Volk, das nichts im Kopfe hat, als Fighting und Whiskey; aber anführen lassen sie sich nicht leicht, und selbst die Franzosen wollen immer erst sehen, w a s sie kaufen, ehe sie mit dem Tschenz47 herausrücken.“

„Woher das kommt?“, sagte Georg finster. „Nur allein aus Knauserei, denn der deutsche Bauer zahlt nur das, was er muss und wozu er von dem Amtmann oder Gerichtsdiener gezwungen werden kann. An allem anderen spart er, und wenn es das Wichtigste für ihn wäre, besonders aber an der Schule, die er nicht für das Notwendigste im ganzen Leben, sondern nur für ein notwendiges Ü b e l hält und sich so leicht wie möglich damit abfindet. Seine Schullehrer, die er hegen und pflegen sollte, weil sie allein im Stande wären, aus seinen Kindern einmal Menschen zu machen, lässt er halb verhungern und auf eine Art zwar, die man in Amerika für undenkbar halten würde – er zwingt sie sogar noch sehr häufig, selbst ein niederes Gewerbe dabei zu treiben, nur um das Notwendigste für sich und die Familie anzuschaffen, und wo er auf einer Kirmes zwanzig und dreißig Taler an einem Tag hinauswirft, ist es ihm zuviel, wenn er vier oder fünf Taler das ganze Jahr für den Unterricht seiner Kinder zahlen soll. Dass ein solcher armer Teufel von Schullehrer dann für eine Summe jährlich mit seiner Familie leben soll, die der einzelne Bauer vielleicht zu Taschengeld verbraucht, kann keinen Eifer f ü r die Kinder in ihm erwecken. Er behandelt den Unterricht als eine Last – er weiß doch, dass er, wenn er einmal alt wird und keine Dienste mehr leisten kann, der größten Not preisgegeben ist – und die Folge davon? Die Bauernbengel lernen ebenso wenig, wie ihre Väter gelernt haben, und treten nachher genau in deren Fußtapfen.“48

„Wunderliches Volk“, sagte Ezra Ludkins, mit dem Kopf schüttelnd, „Ihr Deutschen seid doch noch höllisch hinter uns zurück – aber was ich Dir gleich sagen wollte, Mr. Donner – gestern Abend spät ist noch ein Doktor bei mir angekommen, der die Aufforderung in der Zeitung gelesen hat und sich bei uns niederlassen will. Es ist ein fein aussehender Bursch und muss wohl was verstehen, denn er schwatzt eine Masse Zeug durcheinander, das wohl lateinisch ist; ich habe ein paar Mal gar nicht herausgekriegt, was er wollte.“

„Hm“, sagte Donner, dem die Empfehlung nicht besonders gefiel, „und wo ist er jetzt?“

„Er wird jetzt wohl noch schlafen“, meinte der Pennsylvanier, „ich wollte just abaut hinaufgehen und ihn wecken.“

„Und wie heißt er?“

„Ja, das weiß ich nicht – er hat mir seinen Namen genannt, aber er klang so artlich, dass ich in wieder vergessen habe. Aber nun trinkt auch einmal, Ihr Leute, und dann wollen wir sehen, ob wir den neuen Doktor herausschäken können.“

Wolf hatte sich in das Gespräch, das ihn nicht besonders interessierte, gar nicht gemischt, mit desto größerer Aufmerksamkeit aber dafür die im Zimmer hängenden „Gemälde“ betrachtet, mit denen er sich auf das Prächtigste unterhielt.

Es waren das sechs sogenannte Ö l g e m ä l d e, bei uns würde man sagen „in Essig und Öl“, mit vorherrschend roter und grüner Farbe, von denen die letztere schon ordentlich giftig aussah. Neben zwei Landschaften stellten die Bilder Szenen aus dem amerikanischen Leben auf dem Lande dar, oder es schien doch wenigstens diese Absicht dabei vorgeherrscht zu haben. Ein Bild sah sogar genau so aus wie ein Schenkstand mit einer Figur darin, die, sich ein Knie haltend, auf dem Schenktisch saß. War das vielleicht der Platz, an dem sie sich gerade befanden? Wolf konnte sich nicht halten, er musste den Namen dieses „Künstlers“ erfahren, und sich an Ludkins wendend, sagte er:

„A propos, Mister, wo haben Sie eigentlich die Bilder her?“

Georg Donner kannte sie schon...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7598-0059-9 / 3759800599
ISBN-13 978-3-7598-0059-6 / 9783759800596
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