Die Amato-Schwestern: Die Fäden des Schicksals -  Jo Kommer

Die Amato-Schwestern: Die Fäden des Schicksals (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
321 Seiten
beHEARTBEAT (Verlag)
978-3-7517-2937-6 (ISBN)
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Santiago de Chile, 1970er-Jahre: Amelia Amato wächst als älteste Tochter eines italienischen Einwanderers und einer Chilenin behütet in einer wohlhabenden Familie auf. Ihr Vater Giuseppe besitzt eine erfolgreiche Strumpffabrik, die Familie genießt Wohlstand und Ansehen. Doch Amelia lehnt sich gegen die Privilegien ihrer Familie auf. Sie studiert und beginnt, sich für die Rechte der armen Bauern und Landarbeiterinnen einzusetzen. Als sie Ignacio Castillo, den Sohn eines Großgrundbesitzers, kennenlernt, verändert sich ihr Leben ... Doch am Horizont ziehen Gewitterwolken auf: Der Militärputsch in Chile bringt die Strumpffabrik, die Existenz der Amatos und Amelia selbst in große Gefahr.

Der erste Band der dramatischen Trilogie um das turbulente Leben der Familie Amato und ihre Strumpffabrik.

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<p><a name="_Hlk148341994"></a>Jo Kommer wurde 1982 in Ludwigsburg geboren. Als junge Erwachsene reiste sie ein Jahr durch Neuseeland und Australien. Im Anschluss daran veröffentlichte sie einen Reisebericht sowie einen Reiseführer über Work and Travel in Neuseeland. Nach ihrer Ausbildung im Rettungsdienst verbrachte sie zehn Jahre in Spanien, wo sie in unterschiedlichen Branchen jobbte. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihrer Katze wieder in der alten Heimat in Baden-Württemberg. Sie arbeitet als Bloggerin und freie Redakteurin.</p>

Kapitel 2


Chillán, Amelias Büro, Februar 1969


»Das Gut Santa Rosa del Álamo ist so groß«, hatte Amelia bei dem Telefonat mit Ignacio als Argument vorgebracht, »dass ich mehrmals kommen muss, um alle inquilinos kennenzulernen und mir generell einen besseren Überblick zu verschaffen.« Mit angehaltenem Atem hatte sie in ihrem Büro in den Hörer gelauscht, um die Antwort des jungen Patrón abzuwarten. Schon allein seine Stimme zu hören, löste in ihr etwas aus, das sie so nicht kannte.

Amelia hatte sich bisher nie besonders für das andere Geschlecht interessiert. Dafür war sie viel zu fokussiert gewesen. Zuerst in der Schule, wo sie täglich den Stoff aufgesaugt hatte, den die Lehrer der Klasse vorgetragen hatten, dann in der Universität. Zu Hause hatte sie die dicken Lehrbücher durchgeblättert und fast alles auswendig gelernt, bis sie abends mit roten Augen und schweren Lidern ins Bett gefallen war.

Sie wollte sich später nicht auf einen Mann verlassen müssen, der für ihren Lebensunterhalt sorgte. Ihr Plan war immer, auf eigenen Beinen zu stehen, damit sie unabhängig und frei in ihren Entscheidungen sein konnte.

»So wird sich nie ein Junge für dich interessieren«, hatte María immer wieder besorgt gemahnt und die dunkelblonden Locken ihrer Tochter zurechtgezupft. Amelia wusste, dass ihre Mutter stolz auf ihre helle Haarpracht war, die in diesem Land mit Wohlstand gleichgesetzt wurde.

Amelia selbst war ihr Äußeres nicht so wichtig. Sie wusste, dass Haar- oder Augenfarbe nichts mit Geld zu tun hatten. Sie waren ein Geschenk Gottes, wobei jedes andere Aussehen genauso viel wert war wie ihres. Trotzdem bemerkte sie, dass ihr zierlicher Körper, die goldenen Haare und die großen Rehaugen die Blicke der jungen Männer auf sich zogen. Sie nahm das mit einem gewissen Wohlwollen hin, zeigte es aber nicht nach außen, denn sie war lange nicht bereit, einen ihrer Verehrer näher an sich heranzulassen.

Nachdem sie ihr Universitätsstudium abgeschlossen und Erfüllung in ihrem Beruf gefunden hatte, war das nun anders geworden. Amelias Geist und ihre Seele begannen, sich für Neues und die schönste Nebensache der Welt zu öffnen, die Liebe.

Die Begegnung mit Ignacio hatte sie in ein Gefühlschaos gestürzt. Zum einen fühlte sie sich zu ihm hingezogen, zum anderen gehörte seine Familie zu den Großgrundbesitzern, gegen die Amelia vorging.

Das war aber nicht alles, was sie verunsicherte. Der Umzug in den Süden nach Chillán hatte so einige Herausforderungen für Amelia mit sich gebracht. Sie war behütet in einer wohlhabenden Fabrikantenfamilie in der Hauptstadt aufgewachsen. Ihre erste Anstellung hatte sie hier in dieser Kleinstadt gefunden, in der sie ganz auf sich gestellt war. Sie wohnte mit Ruffi, einem jungen Siamkater, den sie vom elterlichen Anwesen mitgenommen hatte, in einer winzigen Wohnung. Angestellte, die ihr im Haushalt halfen, hatte sie nicht, und außer ihren Kollegen kannte sie niemanden. Obwohl sie nur vierhundert Kilometer von Santiago trennten, fühlte sie sich, als wäre sie in einer anderen Kultur gelandet.

Die Arbeit führte sie in die Welt der einfachen Bauern und reichen Grundbesitzer. Eine Welt, mit der sie zu Hause nicht in Berührung gekommen war. Der Kulturschock, in dieses fremde Ambiente einzutauchen, war das eine, den extremen Kontrast zwischen Arm und Reich, die Abhängigkeit und Ausbeutung hautnah zu erleben, das andere.

Ignacio stand auf der Seite der Reichen, auf der Seite derer, die die kleinen Bauern ausnutzen, und das machte ihn zu Amelias Gegenspieler. Doch gegen jeden gesunden Menschenverstand wollte sie sich auf das Abenteuer einlassen, tiefer in seine Welt einzutauchen.

* * *

Jedes Mal, wenn die junge Frau vom Landwirtschaftsministerium auf dem Gut erschien, empfing Ignacio Castillo sie geduldig. Er ließ die Pferde satteln und nahm sie mit auf einen Ausritt. Die Erklärung, dass das Anwesen so groß sei und Amelia mehrere Besuche brauchte, um einen besseren Überblick zu bekommen, schien ihm plausibel. Schon bald gewann er jedoch den Eindruck, dass sie sich nicht so sehr für die Ausmaße der Ländereien seiner Familie interessierte als vielmehr für ihn selbst.

Während sie ausritten, spürte er ihre verstohlenen Blicke auf sich. Amelia schien jedes noch so kleine Detail seines Körpers zu inspizieren und in ihrem Gedächtnis abzuspeichern. Zu gerne hätte er in ihren Kopf gesehen und ihre Gedanken gelesen. Was dachte das Mädchen aus der Stadt über ihn? Dieses zierliche Wesen, das so zerbrechlich wirkte und gleichzeitig eine Entschlossenheit an den Tag legte, die bedrohlich für seine Existenz war.

Amelia faszinierte ihn, weil er noch nie einer solchen Frau begegnet war. Sie war klug, zielstrebig und wohlerzogen. Man merkte ihr an, dass sie aus der reichen Oberschicht stammte. Und doch war sie anders. Ihr ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit hatte sie in Ignacios Welt gebracht. Mit ihrer herzlichen Art ging sie auf die inquilinos zu und erklärte ihnen geduldig, welche Rechte und Möglichkeiten sie hatten. Möglichkeiten, gegen die Castillos vorzugehen. Gegen ihn, Ignacio. Sie war der Wolf im Schafspelz, und doch war sie zart wie ein Lamm. Obwohl sein Verstand und seine Eltern ihm sagten, dass Amelia die Feindin war, hoffte er nach jedem ihrer Besuche, dass sie wiederkäme.

Als Amelia wieder einmal zur Besichtigung erschien, erklärte Ignacio: »Heute werde ich Ihnen die letzten Ländereien unseres Landguts zeigen. Dann haben Sie alles gesehen.« Er sah den überraschten Ausdruck in ihren großen Augen. Gedankenverloren starrte sie ihn an, als suche sie nach einem Argument, weshalb sie dennoch regelmäßig herkommen müsse. Der Moment erschien Ignacio wie eine Ewigkeit. Zum ersten Mal hatte er Zeit, seinen Blick in Ruhe über die feinen Züge ihres Gesichts wandern zu lassen. Die zarten Lippen, die zierliche Nase und die sanften Augen, in denen er sich verlor. Er hätte gerne einen Vorwand aus ihrem Mund gehört, weshalb sie wiederkommen musste, aber ihre Lippen blieben verschlossen.

»Kommen Sie«, forderte er sie auf und schlenderte mit ihr zu den Ställen hinüber, wo die gesattelten Pferde bereits auf sie warteten. Sie stiegen auf und ritten los. Es war fast wie bei ihrem ersten gemeinsamen Ausritt, der von Anspannung und Schweigen begleitet gewesen war und sich doch so prickelnd angefühlt hatte. Amelia, die den jungen Patrón sonst mit Fragen gelöchert und ihm von ihrem Leben in Santiago erzählt hatte, war auf einmal verstummt. Sie schien alles gefragt und gesagt zu haben, oder sie war fieberhaft auf der Suche nach dem Gesprächsstoff, der die Endgültigkeit der Situation abwenden konnte.

Sie erreichten eines der Randgebiete des Landguts. Die Äcker, die vor ihnen lagen, waren nicht bestellt. Die Pflanzen wucherten wild auf den großen Flächen, die Natur hatte sie sich zurückgeholt. Unzählige Vögel und anderes Getier hatten hier eine Heimat gefunden.

»Sehen Sie die Bäume dort hinten?«, erkundigte sich Ignacio und zeigte auf eine Reihe hochgewachsener Pappeln, die hinter den verwilderten Feldern in den Himmel ragten.

Amelia nickte.

»Bis dorthin reichen unsere Ländereien.« Er sah sie an und lächelte. »Das ist alles. Jetzt haben Sie alles gesehen.«

Er beobachtete, wie seine Begleiterin aufmerksam ihren Blick bis zum Horizont schweifen ließ. Sie sah so aus, als hätte sie alles um sich herum vergessen.

»Gibt es hier Pumas?« Amelia fand endlich wieder Worte und sah ihn mit leuchtenden Augen an.

»Vielleicht«, antwortete er. »Ich habe hier noch nie einen gesehen. Aber bestimmt kommen sie manchmal von den Bergen herunter.«

Er stieg von seiner Stute und ging auf Amelias Fuchs zu. Einladend reichte er ihr die Hand. »Kommen Sie, wir gehen ein Stück zu Fuß.«

Sie nahm seine Hand und ließ sich aus dem Sattel gleiten. Nachdem sie festen Boden unter sich hatte und sicher auf beiden Beinen stand, schlenderten sie eine Weile schweigend nebeneinanderher.

»Dann sind Sie mit Ihrer Arbeit hier jetzt fertig?«, fragte Ignacio.

Amelia antwortete nicht sofort. Sie sah sich prüfend um, als müsse sie analysieren, ob sie tatsächlich alles gesehen hatte und ihre Mission somit abgeschlossen war. Ignacio spürte einige verstohlene Blicke über sich wandern, dann blieb sie abrupt stehen und sah ihn mit ernster Miene an.

»Ich muss noch Ihre Eltern kennenlernen.«

Erstaunt hielt Ignacio inne. »Wieso?«

»Nun ja, sie sind die Besitzer dieses Guts. Ich muss mit ihnen sprechen.«

»Worüber denn?«

»Über meine Arbeit.« Ihre Antwort kam prompt, wirkte aber nicht sehr überdacht.

»Sprechen Sie mit mir darüber.«

»Das geht nicht … Sie sind ja nicht der Besitzer.« Sie sah ihn verlegen an und fügte hinzu: »Sie sind nur der Sohn.«

Ignacio sah sie überrascht an. Dann lachte er. »Ich verstehe.« Er machte eine Pause und ließ seinen Blick über das wilde Land schweifen. »Aber Sie können nicht mit ihnen sprechen.«

»Warum nicht?«

»Sie sind nicht hier.« Er zuckte mit den Schultern.

»Und wo sind sie?«, bohrte Amelia nach. Es war deutlich, dass ihre Sprachlosigkeit gewichen war und der Ehrgeiz, der Sache auf den Grund zu gehen, sie gepackt hatte.

»In ihrer Stadtvilla in Santiago«, entgegnete Ignacio trocken.

»Was tun sie denn da?«

»Sie genießen das Leben.« Er atmete tief durch. »Sie versuchen, dort die Realität hier im Süden zu verdrängen.«

»Welche Realität?«

»Die Bedrohung, durch die Agrarreform alles zu...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-7517-2937-2 / 3751729372
ISBN-13 978-3-7517-2937-6 / 9783751729376
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