La Storia (eBook)
768 Seiten
Verlag Klaus Wagenbach
978-3-8031-4389-1 (ISBN)
Elsa Morante, 1912 in Rom geboren und 1985 dort gestorben, ist neben Natalia Ginzburg wohl die bedeutendste Schriftstellerin der italienischen Nachkriegsliteratur. Für ihren Roman »Arturos Insel« erhielt sie 1957 den begehrten Premio Strega. Sie war mit Alberto Moravia verheiratet und mit Pier Paolo Pasolini und Natalia Ginzburg befreundet. Ihr Roman »La Storia« von 1974 war ein internationaler Erfolg und wird bis heute immer wieder in neue Sprachen übersetzt. Der Roman wurde 1986 mit Claudia Cardinale verfilmt, 2023 entstand eine TV-Serie. Die Romane und Erzählungen Elsa Morantes sind bei Wagenbach lieferbar.
. . . . . 19**
»… mir einen Katalog, einen Prospekt zu beschaffen,
weil die Neuigkeiten der großen Welt, liebe Mutter,
nicht hierhinunter gelangen …«
(aus den Sibirischen Briefen)
. . . . . 1900–1905
Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Aufbau der Materie kennzeichnen den Beginn des Atomzeitalters.
1906–1913
Nicht viel Neues in der großen Welt. Wie schon alle Jahrhunderte und Jahrtausende, die ihm auf Erden vorausgegangen sind, folgt auch das neue Jahrhundert dem bekannten starren Prinzip historischer Dynamik: den einen die Macht und den anderen die Knechtschaft. Darauf beruhen übereinstimmend sowohl die interne Gesellschaftsordnung (gegenwärtig beherrscht von den sogenannten kapitalistischen »Kräften«) als auch die externe internationale Ordnung (der sogenannte Imperialismus), beherrscht von einigen als »Mächte« bezeichneten Staaten, die sich praktisch die gesamte Erdoberfläche in entsprechende Besitztümer oder Imperien aufteilen. Zuletzt hat sich Italien hinzugesellt, das den Rang einer Großmacht anstrebt. Um ihn zu verdienen, hat es sich bereits mit Waffengewalt einige fremde, weniger mächtige Länder einverleibt und sich dadurch einen kleinen kolonialen Besitz geschaffen, jedoch noch kein Imperium.
Obwohl sich die konkurrierenden Mächte stets drohend und bewaffnet gegenüberstehen, schließen sie sich von Zeit zu Zeit in Blöcken zusammen, zur gemeinsamen Verteidigung ihrer eigenen Interessen (die intern als die Interessen der kapitalistischen »Kräfte« verstanden werden. Den anderen, den der Knechtschaft Unterworfenen, die nicht am Gewinn teilhaben, aber dennoch notwendig sind, werden diese Interessen in Form ideeller Abstraktionen vermittelt, die je nach Propagandastrategie variieren. In diesen ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts ist Vaterland der bevorzugte Begriff.)
Gegenwärtig ringen in Europa zwei Blöcke um die größtmögliche Macht: die Triple Entente, bestehend aus Frankreich, England und dem zaristischen Russland; und der Dreibund zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien. (Italien wird später zur Entente wechseln.)
Im Zentrum aller sozialen und politischen Bewegungen stehen die Großindustrien, die aufgrund ihres enormen Wachstums seit einiger Zeit in die Systeme der Massenindustrien eingegangen sind (die den Arbeiter auf »ein bloßes Zubehör der Maschine« reduzieren). Für ihre Funktionen und ihren Verbrauch sind die Industrien auf die Massen angewiesen und umgekehrt. Und da die Industriearbeit immer im Dienst von Kräften und Mächten steht, nehmen die erste Stelle ihrer Produktion notwendigerweise die Waffen ein (Rüstungswettlauf), die, basierend auf der Ökonomie des Massenkonsums, im Massenkrieg münden.
1914
Ausbruch des Ersten Weltkriegs zwischen den beiden antagonistischen Machtblöcken, denen sich nach und nach andere Alliierte oder Satelliten anschließen. Die neuen (bzw. perfektionierten) Produkte der Rüstungsindustrie, darunter Panzer und Giftgas, kommen zum Einsatz.
1915–1917
Gegen die Mehrheit im Land, die den Krieg ablehnt (und daher als defätistisch bezeichnet wird), setzen sich der König, die Nationalisten und die verschiedenen Interessensmächte durch – mit dem Kriegseintritt Italiens an der Seite der Entente. Ihr schließt sich dann unter anderem die Supermacht der Vereinigten Staaten an.
In Russland wird der Krieg gegen die Mittelmächte beendet, im Anschluss an die große, von Lenin und Trotzki angeführte marxistische Revolution für den internationalen Sozialkommunismus. (»Die Arbeiter haben kein Vaterland.« »Krieg gegen den Krieg führen.« »Den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg verwandeln.«)
1918
Der Erste Weltkrieg endet mit dem Sieg der Entente und ihrer Verbündeten (27 Siegernationen, unter ihnen auch das japanische Kaiserreich). Zehn Millionen Tote.
1919–1920
Die Siegermächte und ihre Verbündeten werden bei der Friedenskonferenz von 70 Persönlichkeiten vertreten, die untereinander die neue Ordnung der Welt beschließen und die Karte Europas neu festlegen. Mit der Niederlage und Spaltung der besiegten Mittelmächte geht auch die Übertragung ihres Kolonialbesitzes an die Siegermächte einher. Auf Basis des Prinzips der Staatsangehörigkeit werden neue unabhängige europäische Nationalstaaten geschaffen. Deutschland wird unter anderem (um Polen den Zugang zum Meer zu sichern) die Abtretung des Danziger Korridors auferlegt, der Deutschlands Gebiet entzweischneidet.
Die Friedensbedingungen werden von einigen Vertragspartnern, unter ihnen Italien, als nicht befriedigend und unzureichend abgelehnt (verstümmelter Sieg); sie sind unerträglich für die Bevölkerungen der besiegten Länder, die zu Hunger und Verzweiflung verdammt sind (Straffrieden).
Bei den Friedensverhandlungen fehlt Russland, derzeit umzingelt und durch das militärische Eingreifen der Großmächte (Frankreich, England, Japan und die Vereinigten Staaten) in den Bürgerkrieg gegen die Rote Armee zu einem internationalen Schlachtfeld geworden. Diese entscheidende Phase, unter dem Eindruck von Massakern, Epidemien und Elend, führt in Moskau zur Gründung der Komintern (Kommunistische Internationale), die alle Proletarier der Welt, ohne Unterschied von Herkunft, Sprache oder Nationalität, gemeinsam zur revolutionären Einheit aufruft, für eine Internationale Republik des Proletariats.
1922
Nach Jahren des Bürgerkriegs, der mit dem Sieg der Revolutionäre endet, wird aus Russland ein neuer Staat, die UdSSR. Sie stellt für alle »Verdammten dieser Erde«, deren Elend sich durch den Krieg – gleich ob gewonnen oder verloren – nur noch verschlimmert hat, ein Zeichen der Hoffnung dar. Für die Mächte, die Großgrundbesitzer und Industriemagnaten, für die der Krieg hauptsächlich ein großartiges Geschäft bedeutet hat, verkörpert sie das berühmte Gespenst des Kommunismus, das jetzt in Europa umgeht.
Diese Mächte schließen sich in Italien (dem Sitz einer ihrer übelsten Ableger) mit ihren Lakaien und den über den verstümmelten Sieg Verdrossenen zusammen, um die eigenen Interessen bis zum Äußersten durchzusetzen. Sie finden bald ein für sie wie geschaffenes Instrument in Benito Mussolini, einem mittelmäßigen Emporkömmling und »Mischung aus all den Bruchstücken« des schlechtesten Italiens. Nachdem er seinen Aufstieg unter dem Banner des Sozialismus geprobt hat, hält er es für vorteilhafter, in das entgegengesetzte Lager der etablierten Mächte (der Industriellen, des Königs und schließlich auch des Papstes) zu wechseln. Auf der alleinigen programmatischen Grundlage eines zugesicherten, bedrohlichen und billigen Antikommunismus gründet er seine »fasci Italiani di combattimento«, Italienische Kampfbünde, kurz fasci (daher Faschismus), ein Clan von Vasallen und Meuchelmördern der bürgerlichen Revolution. Und in dieser Gesellschaft setzt er die Interessen seiner Hintermänner mit der terroristischen Gewalt armseliger gedungener, konfuser Aktionskommandos durch. Diesen Mann beruft der italienische König (der außer dem ererbten Titel nichts anderes zu bieten hat) bereitwillig an die Spitze der Regierung.
1924–1925
In Russland stirbt Lenin. Unter seinem Nachfolger, der sich den Namen Stalin (der Stählerne) gegeben hat, stellen die inneren nationalen Notwendigkeiten (Kollektivierung, Industrialisierung, Verteidigung gegen die im Antikommunismus vereinten Kräfte und so weiter) in verhängnisvoller Weise einerseits die Ideale der Komintern und andererseits die von Trotzki (permanente Revolution) zugunsten der stalinschen These (Sozialismus in einem Land) hintan. Bis die von Marx verlautbarte Diktatur des Proletariats, nachdem sie sich bereits auf die hierarchische Diktatur einer Partei reduziert hatte, zur persönlichen Diktatur Stalins verkommt.
In Italien herrscht die totalitäre Diktatur des Faschisten Mussolini, der inzwischen eine demagogische Formel zur Stärkung seiner Machtbasis erdacht hat. Sie nimmt vor allem Einfluss auf den Mittelstand, der seine eigene Mittelmäßigkeit in den falschen Idealen (durch seine klägliche Unfähigkeit zu richtigen Idealen) zu kompensieren sucht. Diese Formel besteht in der Berufung auf die glorreiche Abstammung der Italiener als legitime Erben der größten Macht der Geschichte, des imperialen Roms der Cäsaren. Dank dieser und anderer nationaler Zielsetzungen steigt Mussolini zum »Idol der Massen« auf und gibt sich den Titel Duce.
1927–1929
In China beginnt der von Mao Tse-tung angeführte Guerillakrieg der kommunistischen Revolutionäre gegen die nationalistische Zentralmacht.
In der UdSSR: Niederlage der Opposition. Trotzki wird aus der Partei ausgeschlossen und dann der Sowjetunion verwiesen.
In Rom: Lateranverträge des Heiligen Stuhls mit dem faschistischen Italien.
1933
In einer der italienischen Situation vergleichbaren Lage betrauen die etablierten Mächte in Deutschland den Begründer des deutschen Faschismus (Nationalsozialismus), Adolf Hitler, mit der Regierung, ein unseliger, von der Sucht nach Tod durchdrungener Besessener (»Ziel ist Beseitigung der lebendigen Kräfte«). Auch er wird als »Führer« zum...
Erscheint lt. Verlag | 14.3.2024 |
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Übersetzer | Maja Pflug, Claudia Ruschkowski |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
ISBN-10 | 3-8031-4389-6 / 3803143896 |
ISBN-13 | 978-3-8031-4389-1 / 9783803143891 |
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