Meine Muse, meine wunderbare Geliebte -  Franziska Ammer

Meine Muse, meine wunderbare Geliebte (eBook)

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2024 | 1. Auflage
304 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-07216-0 (ISBN)
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Alles begann mit einer Orchesterprobe der Symphonie Fantastique von Berlioz. Als junge Musikstudentin in Australien hatte Isabella eine leidenschaftliche Liebesaffäre mit einem viel älteren Dirigenten, die abrupt endete. Damals träumte sie von einem schillernden Leben als Cellistin. Heute, dreissig Jahre später, leitet sie eine kleine Galerie in Zürich, die ihr kaum noch Freude bereitet. Sie flüchtet sich in ihre Erinnerungen und versucht abends den zermürbenden Alltag in Alkohol zu ertränken. Ausgelöst durch ein mysteriöses Gemälde eines befreundeten Künstlers, beginnt sie ihren Zustand zu hinterfragen und nach einem Ausweg zu suchen. Klarheit über ihre Vergangenheit zu finden wird zunehmend zur Obsession. Mit einem Stapel alter Liebesbriefe und der CD der Sinfonie im Gepäck, begibt sie sich auf eine Reise ins Ungewisse und setzt damit ihre Existenz aufs Spiel. 'Meine Muse, meine wunderbare Geliebte' ist ein fesselnder autofiktionaler Unterhaltungsroman, der sich an LeserInnen richtet, die eine Vorliebe für klassische Musik haben. In diesem tagebuchartig erzählten Roman begleiten wir die Protagonistin Isabella Thompson auf einer emotionalen Reise, die sowohl die Höhen als auch die Tiefen des Lebens umspannt. Isabellas Geschichte beginnt als junge Musikstudentin, die sich in eine leidenschaftliche Liebesaffäre mit dem charismatischen, aber verheirateten Dirigenten Leonid Winchevsky einlässt. Diese Beziehung, die während eines Jugendorchester-Projekts in Australien entsteht, wird lebhaft und authentisch vor dem Hintergrund der 'Symphonie fantastique' von H. Berlioz dargestellt. Die Affäre endet jedoch abrupt und hinterlässt bei Isabella tiefe Narben.  Dreissig Jahre später finden wir Isabella in Zürich, wo sie ein scheinbar ruhiges Leben führt, jedoch von Albträumen, Alkoholsucht und Depressionen geplagt wird. Der Roman beleuchtet Isabellas innere Kämpfe und die Komplexität ihrer Beziehung zu ihrem Ehemann Richard, einem sanftmütigen, aber oft abwesenden Oboisten, sowie die Freundschaft zu ihrer exzentrischen Geschäftspartnerin Karin Wiesler. Der Wendepunkt in Isabellas Leben kommt, als sie durch die Hilfe des esoterischen Künstlers Benjamin Amherd auf unkonventionelle Weise - durch einen therapeutischen LSD-Trip - versucht, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Dieses Erlebnis enthüllt verdrängte Erinnerungen und führt zu einer schockierenden Erkenntnis.  'Meine Muse, meine wunderbare Geliebte' ist nicht nur eine Geschichte über Liebe und Verlust, sondern auch eine Erzählung über Selbstfindung und Heilung. Dieses Buch ist eine Hommage an die Kraft der Musik. 

Die Autorin und Musikerin Franziska Ammer wurde 1967 in Karlsruhe als Tochter des Musiker-Ehepaars Angela und Stefan Ammer geboren. Aufgewachsen in der Region um Freiburg im Breisgau, war ihr Leben von der malerischen Landschaft und von Musik, Literatur und Kunst in ihrem Elternhaus geprägt. 1984 emigrierte ihre Familie nach Adelaide, Australien. Dort absolvierte Franziska ein Cello-Studium am Elder Conservatorium of Music Adelaide und erwarb ihren Bachelor. Im Anschluss kehrte sie nach Deutschland zurück, wo sie an der Hochschule für Musik in Freiburg im Breisgau ihr Orchesterdiplom abschloss. Sie war mehrfache Finalistin und Preisträgerin verschiedener Musikwettbewerbe sowie Teilnehmerin an internationalen Festspielen in Japan und Israel. Nach ihrer Rückkehr nach Australien 1992 schloss sie sich bald darauf dem Opera Australia Orchester in Sydney an. Seit 2002 lebt Franziska Ammer in Zürich, wo sie als Musikpädagogin an der Musikschule Region Dübendorf wirkt, sowie auch als freiberufliche Cellistin aktiv ist. Schon seit ihrer Kindheit war das Lesen und Schreiben von Geschichten eine große Leidenschaft Franziskas. Seit 2019 verfeinert sie ihr Handwerk in Kursen, unter anderem bei Franz und Gabriela Kasperski von der Geschichtenbäckerei in Zürich. In ihrem Debütroman 'Meine Muse, meine wunderbare Geliebte' verwebt Franziska ihre Erfahrungen in der Musikwelt mit viel Fiktion. Weitere Projekte von ihr sind bereits in Arbeit, welche ihre Leser sicherlich mit Spannung erwarten dürfen.

Erster Teil

Melbourne, 1986

Im blutroten Sonnenuntergang ging er am Strand auf seinen Händen. Ich saß nur da und sah ihm zu, die Füße im warmen Sand. Außer uns und den kreischenden Möwen war nur noch ein einsamer Fischer mit seiner Angel am Ufer. Der feuchte Wind verklebte meine Haare zu Strähnen und schmeckte salzig auf meinen Lippen. Leonids Silhouette schlug ein Rad. Es sah aus, als übte er eine Zirkusnummer. Ich musste lachen. Sonst hatte seine Erscheinung eigentlich eine einschüchternde Wirkung auf mich. Diese dunklen Augen, die schwarzen Locken und markanten Gesichtszüge lösten in mir gleichzeitig Schauer und magische Anziehung aus. Für sein Alter war er jedenfalls erstaunlich athletisch. Mit einem Purzelbaum sprang er vor mir auf, nahm meine Hand, und wir schlenderten am Meer entlang zurück zu meinem alten Ford, der geduldig an der Promenade auf uns wartete. In seinem Apartment angekommen, wusch er seine Füße, Hände und Gesicht und zog ein weißes Hemd an. Er roch nach Pinien und Moos.

»Isabella, Bella, meine Königin, komm her«, rief er mit seinem betörend herben Akzent, »komm, lass mich deine Füße waschen. Es ist ein jahrtausendealter Brauch, um Gastfreundschaft und Ergebenheit auszudrücken.«

Er brachte mir einen Hocker in die kleine Küche und kniete mit einer Plastikwanne voll lauwarmem Wasser vor mir nieder. So ließ ich seine Dirigentenhände zärtlich den Sand und Staub des Tages von meinen Füßen und Knöcheln spülen. Mir war klar: Ich war es, die diesen Händen vollkommen ergeben war.

Alles hatte vor etwa zwei Monaten damit angefangen, dass ich viel zu spät bei einer Orchesterprobe ankam. Ich musste mich mit dem ausgepackten Cello in der einen Hand, meinen Noten und dem Bogen in der anderen, durch den großen Raum zwischen den sitzenden Musikern zu meinem Platz durchkämpfen. Er stand schweigend am Pult und beobachtete mich, während die anderen das übliche strafende Zischgeräusch machten. Ich muss sicher feuerrot gewesen sein, mein Puls raste, und ich beeilte mich mit dem Einrichten der Noten, dem Ausfahren des Cellostachels und flüchtigem Stimmen. Jetzt herrschte Totenstille. Ich nahm allen Mut zusammen und erwiderte seinen Blick. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bevor ich leise ein »Sorry, Maestro« hervorbrachte.

Diese Augen waren des Teufels. Ich weiß nicht mehr, ob es ein Anflug von Trotz oder Stolz war, aber ich hielt seinem durchbohrenden Blick stand. Die Zeit schien stillzustehen.

Sizilien, 2017

Der Wind hat zugenommen und bringt etwas Erleichterung bei dieser Hitze. Heute Mittag war der Sand auf dem Weg zum Liegestuhl unter dem Schirm noch schmerzhaft heiß, jetzt ist der Weg in die Wellen erträglicher. Ausnahmsweise bin ich sogar dankbar für den Schweiß an meinem Körper, da er durch die Brise Abkühlung bringt. Die Stoffgirlanden an den Schirmen flattern aufgeregt, fast hysterisch. Schon seit einer halben Stunde beobachte ich auf der anderen Seite des Zauns, der den Privatstrand vom öffentlichen abtrennt, einen orangefarbenen Schirm, den eine Böe nach oben gebogen hat. Er scheint sich krampfhaft am Boden festzuhalten. Seine weißen Metallstangen wirken wie Knochen, an denen orangefarbene Haut hängt und jeden Moment in den Himmel gerissen werden könnte. Bangend erwarte ich, dass er davonfliegt. Endlich kommt eine rettende Hand, die den Schirm herunterbiegt und wieder fest in den Sand steckt.

Nach dieser knappen Woche Urlaub haben das Meer und der Wind meine Anspannung nach und nach fortgespült und weggeblasen. Den Körper in den Elementen zu spüren, lässt mich zu einer gewissen Bodenhaftung zurückfinden. Der Klangteppich aus dem Geschrei der italienischen Familien, wovon ich glücklicherweise kaum ein Wort verstehe, das Meeresrauschen und das in regelmäßigen Abständen aufkommende Brummen der Flugzeuge legen sich wie eine Decke über meine Gedanken. Beim Aussuchen des Strandhotels war uns offensichtlich entgangen, dass es direkt unter der Einflugschneise des Flughafens liegt. Trotzdem fühlt es sich gut an, weit weg vom Alltag zu sein. Eine angenehme Leere herrscht jetzt in meinem Kopf und lässt den Geruch von Seetang, Kokosnuss-Sonnenmilch und versengtem Plastik der Liegestühle mein Bewusstsein durchdringen. Erinnerungen tauchen langsam auf wie eine Perlenkette aus Bildern vergangener Sommer. Das Chaos auf Kreta mit Richard vor ein paar Jahren, als wir durch Zufall in einem verlassenen Luxushotel gelandet waren. Die irrwitzige Fahrt mit Karin nach Kroatien, wo wir uns ständig gestritten hatten. Die verhängnisvolle Tournee mit Henry in Spanien und eben die Geschichte mit Leonid, meiner Jugendliebe, in Melbourne. Sie alle verbinden die Hitze, das Meer und das Gefühl, auf einer endlosen Reise zu sein.

Das Knirschen des Liegestuhls neben mir reißt mich aus den Tagträumen. Richard lässt sich mit einem breiten Grinsen und erschöpftem Stöhnen in den Stuhl sinken. Mit einem Stich in meiner Brust erinnere ich mich wieder daran, dass wir schon in ein paar Tagen abreisen müssen. Zu Hause wartet nur die zermürbende Alltagsroutine auf mich.

Schon springt Paolo herbei, der junge Strandbademeister mit den für einen Italiener ungewöhnlich roten Locken, und richtet einen weiteren Schirm für Richard auf. Prompt scheint er auf ein Lob zu warten wie ein Pudel, der dem Herrchen den geworfenen Stock zurückgebracht hat. Dann tänzelt er schon wieder davon. Ich finde ihn rührend, im Gegensatz zu seinem älteren Kollegen, der seine Arbeit mit stolzem Ernst und ohne je zu lächeln verrichtet.

»Wie gehts deinem Fuß?« Richard zündet sich eine Zigarette an und zieht den Styroporbecher, der mit Sand gefüllt als Aschenbecher dient, zu sich herüber.

»Schon besser, danke, wird schon.«

Gestern beim Besteigen des Ätna habe ich mir wohl den Knöchel verstaucht und bin seitdem leicht am Humpeln. Den schnellen Aufstieg vom Meeresspiegel auf 2800 Meter Höhe mit Auto und Gondel hatte mein Kreislauf nicht gut vertragen, und ich war mit taumelndem Schritt falsch aufgetreten. Dort oben sah es aus, wie ich mir die Hölle vorstellen könnte, wenn ich denn an ihre Existenz glauben würde. Schwarzgraue Gesteinsmassen und staubiger Wind in geisterhaften Böen umgaben uns. Die Luft war dünn und kalt, aber unter den Füßen war der Grund warm. Würde man ein paar Zentimeter in den Boden graben, wäre er sogar kochend heiß. Mir wurde schwindelig und ich stolperte. Ein stechender Schmerz ließ mich aufschreien. Richard drehte sich erschrocken zu mir um und streckte mir seine Hand entgegen.

»Alles okay?«

»Ja, nein, aua, Mist!« Ich umklammerte meinen linken Knöchel mit der Hand. »Nicht so schlimm, geht schon.«

»Willst du zurück?«

»Nein, bleiben wir lieber beim Bergführer und bei den anderen.«

Ich konnte sehen, dass es bald wieder bergab gehen würde. Der erste Schmerz hatte nachgelassen, und ich fürchtete mehr, hier oben den Anschluss an die Gruppe und somit den sicheren Weg zurück zu verlieren. Ein bisschen war ich neidisch auf Richards gute Kondition, die er vielleicht durch sein häufiges Skifahren und seine trotz des Rauchens kräftige Lunge hat. Die Aussicht war jedenfalls atemberaubend, und ich konnte nicht aufhören mit dem Fotografieren. Ich kenne die Berge aus der Schweiz und liebe sie für ihre majestätische Imposanz, aber das hier war viel bedrohlicher, infernalischer. Ist das vielleicht der Grund, warum die Sizilianer am Fuße des Vulkans so viele Kirchen gebaut haben? Die Furcht vor einem weiteren großen Ausbruch, der alles zerstören und begraben würde? Benehmen sie sich deshalb im Straßenverkehr so lebensmüde? Es scheint mir manchmal, als ob es für die Sizilianer kein Morgen gäbe.

Am Abend, zurück im Hotel, war mein Knöchel geschwollen. Doch Richards Sportsalbe hat über Nacht Wirkung gezeigt, und das Baden im Meerwasser hat sicher auch geholfen.

»Was essen wir heute?«, Richards übliche Frage.

»Was wir finden. Willst du in die Stadt, oder bleiben wir im Hotel?«

»Lieber Stadt, wenn es etwas abgekühlt hat.«

»Okay. Ich geh noch mal kurz ins Wasser.«

Die paar Meter bis in die weiß schäumenden Wellen muss man immer noch eilig zurücklegen, sonst brennen die Fußsohlen. Das Wasser belohnt mit köstlicher Erfrischung und ist gleichzeitig nicht zu kalt, aber leider etwas trüb. Es ist wohl nicht die sauberste Stelle Strand, denn wir sind zu nah an Catania und dessen Hafen, wo immer wieder riesige Kreuzfahrtschiffe anlegen. Im Wasser treiben oft Plastiktüten und ähnlicher Müll, welchen ich, wenn möglich, herausfische und jeweils mit den Fingerspitzen demonstrativ zum Abfalleimer trage. Trotzdem fühlt sich das Eintauchen ins Meer wunderbar an. Der Körper, umspielt von wärmeren und kühleren...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-384-07216-2 / 3384072162
ISBN-13 978-3-384-07216-0 / 9783384072160
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