SCHEITERHAUFEN (eBook)

Drei Erzählungen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
232 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-08560-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

SCHEITERHAUFEN -  Janus
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Dies ist ein kleines, aber gewichtiges Büchlein. Es besteht aus drei kurzen Erzählungen, die mit ihrem langen Sinn vielleicht die Kraft haben, einige Lebensgeister zu erschrecken, von denen die Menschen vormals und heute befallen sind. Der erste Lebensgeist ist die Kunst. Der zweite Lebensgeist ist die Liebe. Der dritte Lebensgeist ist der Fortschritt. Wovon bist du besessen, lieber Leser? Wohin geht dein Glaube? Was bringt dir Ordnung und Sinn ins Leben? Denn das ist es, was all diesen Lebensgeistern am Ende ja gemein ist - sie gaukeln uns Sinn und Bedeutung vor. Das ist ihre Macht, deshalb beschwören wir sie herauf, davon zehren sie und wir gleichermaßen und halten uns im Leben. Was aber, wenn der Betrug auffliegt? Was, wenn der Geist zurück in die Flasche verschwindet? Die folgenden drei Erzählungen handeln von den so Zurückgelassenen, von den entgeisterten Menschen, von ihren tragischen Fällen des Scheiterns. Ihr Beispiel soll uns gute Lehren bringen und uns rüstig machen gegen schädliche Heimsuchungen und schlechte Luft. Dieses Büchlein ist kein Ergebnis lustiger Stunden. Es soll daher auch nicht schnell und nebensächlich gelesen werden. Vielmehr möchte man sich dafür die nötige Zeit geben - und es ist ja auch wirklich nicht allzulang. Wer aber trotzdem nur unachtsam darüber wegfliegt, wird viele Schleier vor den Augen haben und Rätselraten bis dorthin, dass es - ich gebe es gerne zu - an mancher Stelle ganz unlesbar sein wird. Doch das soll uns jetzt nicht weiter hindern, denn bekanntlich ist alles Anfangen schwer. Jeder soll sein Bestes geben - Autor und Leser - im Sagen und Hören und Sich-Verstehen. Was kann schon Schlimmeres dabei herauskommen als ein Irrtum?

Universitäre Ausbildung: Philosophie. Germanistik. Betriebswirtschaft. Brotarbeit: Manager. Passion: Literatur. Menschen.

Universitäre Ausbildung: Philosophie. Germanistik. Betriebswirtschaft. Brotarbeit: Manager. Passion: Literatur. Menschen.

Die Liebe – zweite Erzählung

Einst war da ein gläubiger Mann. Am Morgen jedes Tages stand er in aller Frühe auf. Er wusch sich. Er putzte sich. Er kleidete sich. Nicht aber trank oder aß er noch. Denn vorzüglich war zu geben das Frühgebet dem Gottvater, Schöpfer und Wohltäter der Menschen. Und so ging er zuerst ins Gebetszimmer, das einzig zu diesem Zweck er bestimmt und kniete vor dem Kreuz an der Wand, kniete andächtig auf einer kleinen Holzbank, den Blick nach unten und den Geist nach oben gerichtet. Immer schmerzten ihm dabei die Knie, aber er wollte es nicht anders. Er faltete die Hände und betete leise vor sich hin. Es waren immer dieselben Gebete, die er einst in der Kindheit gelernt hatte und bis hin zum Erwachsenenalter trug. Es waren viele Wiedersagungen und Litaneien, die er sich selbst zuwarf und die gleichmäßig über seine Lippen brachen wie Wellen über einen Küstenstrand. Die Worte waren ihm weniger wichtig als das Ritual. Dieses gab ihm irgendwie festen Boden, selbst wenn er vieles von dem, was er sagte, gar nicht verstand. Er wusste natürlich, dass die Worte ausgesucht waren und wohl auch etwas Schönes bezeichneten, doch bezog er eigentlich seine ganze Festigkeit aus einer persönlichen Zuversicht. Der Zuversicht nämlich, dass die Tätigkeit selbst das Wesentliche sei und – alsfern nicht offen gegen die Lehre gesprochen – das Gesagte hinter das Gemeinte zurücktreten musste. Und so gab es keine Fehler und keinen Tadel im Beten, wenn Mensch und Gott es gleichermaßen gut miteinander meinten. Diese einfache Haltung zum Glauben genügte dem Mann für sein Leben und sein Wirken. Sie gab ihm Kraft und Ordnung. Mehr brauchte er nicht zu wissen, mehr nicht verstehen als „guter Mensch und guter Gott“. Damit war er zufrieden und damit lies sich gut leben. Und weil er ein gutes Leben hatte, war er dankbar und knauserte nicht. Er stellte sich immer hilfreich zu Freunden und Nachbarn und spendete den Bedürftigen alles, was zu entbehren ihm keine allzu großen Schwierigkeiten bereitete. Besonders die Armen und Kranken lagen ihm am Herzen, wie sie in den Seitenstraßen um kleines Geld bettelten. Die meisten Passanten gingen vorüber ohne etwas zu geben. Mehr noch nahmen diese anständigen Bürger den armen Teufeln immer auch ein Stückchen ihrer Seele ab, wenn sie vorübereilten und die Nase rümpften. Oft taten sie auch so, als wären sie sehr mit sich selbst beschäftigt. Sie kramten im Gehen in ihren Taschen und Beuteln herum, zogen umständlich ihre Kleidung zurecht oder putzen mit bestickten Taschentüchern ihre Brillen. Das fand der gläubige Mann im Grunde noch viel schlimmer als offen gezeigte Abneigung. Er wollte sie jedenfalls als Menschen behandeln und nicht als menschliches Übel. Und so gab er eigentlich immer, so gut er konnte den Armen zur Not und den Kranken zum Trost. Oft waren es auch nur freundliche Worte, ohne dass er viel geben musste, die er einem armen Menschen opferte – ein Zeitopfer sozusagen. Wie heilsam ein gutes Wort doch oft auf einsame Seelen wirken konnte. Ein Stückchen Menschsein für diese Entmenschlichten, ein wenig Anteilnahme an ihrer Existenz, ein Wort, gesprochen zu ihnen und allein für sie ausgemacht, war wertiger als ein im Vorübergehen hingeworfenes Geldstück – eine gute Gabe und nicht eben nur eine Gabe! Und also nahm er sich Zeit, wenn er auf der Straße einen solchen armen oder kranken Menschen sah, ihn in ein Alltagsgespräch zu verwickeln, das zwar von belanglosem Inhalt, jedoch von entscheidender Bedeutung sein konnte. Dem guten Mann war es immer wieder eine Freude zu sehen, welche Wirkungen er mit diesen einfachen, freundlichen Gesprächen erzielen konnte. Anfangs gaben viele sich etwas irritiert und verschlossen. Sie waren misstrauisch und sagte nicht viel. Doch schnellstens öffneten sie sich wie eine Blume zur Sonne, sobald sie merkten, dass der Schreiner nichts Böses und Hintergründiges im Sinn hatte. Wie die Worte dann über ihre Lippen brachen! Ein unerschöpflicher Schwall und Überfluss geradezu! Wie sagt man noch: Jeder Dammbruch fängt mit einem Haarriss an. Wie da die trüben grauen Augen langsam begannen, sich wieder einzufärben und zu glänzen! Ja, dem Schreiner kam es so vor, als hauchte er diesen armen, einsamen Menschen wieder Leben ein – Leben von seinem Leben.

Sein morgendliches Gebet dauerte immer bis zum Sonnenaufgang, den er durch ein ovales Fenster in Richtung Osten gut sehen konnte. Das war so, weil er die oberste Etage eines fünfstöckigen Mietshauses bewohnte, das die umstehenden Bauten und Baumkronen um einiges überragte und ihm so einen freien Ausblick in den weiten Horizont vermittelte. Nachdem also die Sonne aufgegangen war, stand der Mann auf, ging in die Küche, stellte Brot, Butter, einen Apfel und Wasser auf den Tisch, bekreuzigte sich erneut und begann, das karge Frühstück hinunterzuzwingen. Zwei Tassen starken Kaffees danach gaben ihm Erleichterung und neigten schließlich seine Zuversicht dem Tage zu, den er stets tätig und arbeitsam in seiner ererbten Werkstatt im ***viertel verbrachte.

Der gute Mann war von Beruf Schreiner. Von seinem Vater hatte er das Handwerk gelernt, aber nicht nur von diesem. Bereits sein Großvater und dessen Vorväter waren allesamt Schreiner gewesen. Und so stand er also als bislang letztes Glied in einer Reihe, deren Übertragungen alle in ihm als Familientradition zusammenliefen. Das Schreinerhandwerk war daher für ihn nicht ein Beruf im gemeinen Sinne, sondern ganz wesentlich, will sagen: Es war daran nichts Umständliches. Er musste sich nicht etwa zweiteilen in einen Berufenen und einen Rufenden, wie es viele heute tun mussten und daher nur ein halbes Leben führten. Er musste sich nicht zwingen zur Arbeit. Sein und Tun fielen bei ihm zusammen und so war er einfach. Und einfach war er glücklich. Daraus wiederum erwuchs wie von selbst ihm die höchste Meisterschaft und die Auftragsbücher waren übervoll. Er mochte vor allem die Arbeit an sakralen Kunstwerken, für die er sogar in verständigen Kreisen als ausgezeichneter Fachmann angesehen wurde. Seine Gläubigkeit gab ihm dann immer ein, dass das Herumschnitzen an einem Heiligenrelief oder einer Madonnenfigur auf seine eigene Weise Gottesdienst bedeutete. Nach einer vollendeten Arbeit kam er sich immer beseelt vor und gereinigt von allem Anfassbaren. Warum auch nicht? Schließlich hatte er all das überflüssige Holz weggeschnitzt und dadurch das Göttliche freigelegt. Aus einem Stoff hatte er Überstoffliches gemacht, aus Bedeutungslosem eine Hoffnung.

Daneben arbeitete er aber ebenso an rein Irdischem. Schließlich war er nicht in eigenem Auftrag unterwegs und wurde durch ausgesprochene Honorare, die allerdings zu erwerben er sich redlich verdient gemacht hatte, auch gerecht entschädigt. Er fühlte sich demnach als guter Diener für Gott und die Menschen gleichermaßen und fand in dieser Ansicht seinen Platz in der Welt.

Wenn er nach einem langen Tag erst am späten Abend nach Hause kam, war es heilsam, wenn er erschöpft war. Er aß dann gut und tüchtig, bevor er wieder ins Gebetszimmer ging und auf der Holzbank vor dem Kreuz an der Wand kniete, den Blick nach unten und den Geist nach oben gerichtet. Immer taten ihm dabei die Knie weh, aber er wollte es nicht anders. Zufrieden ging er danach zu Bett und schlief den Schlaf der Gerechten.

Der Schreiner schlief allein, denn er hatte keine Frau. Zwar wünschte er sich sehnlichst eine solche, doch hatte er bisher nur Gelegenheiten zu liederlichen Frauenzimmern, deren schlichter Sinn sich unter keinen Umständen mit seiner Vorstellung verbinden konnte. Der Vorstellung nämlich von einem reizenden Mädchen, deren Äußeres keine leere Versprechung war, sondern Ausdruck und Verstärkung ihrer inneren Schönheit. Der Vorstellung von einem Mädchen mit blonden Locken und hellen Augen. Der Vorstellung von einem Mädchen mit gütigem Lächeln und weichen Zügen. Nur für eine solche nämlich wollte er sündigen, nur eine solche anbeten, nur eine solche lieben. Ansonsten würde er so lange eben mit der Vorstellung alleine auskommen müssen, denn es war immerhin keine schlechte Vorstellung.

Es war ein Dienstag, als er wieder einmal zu einem Auftrag ins Kloster St.*** gerufen wurde. Eigentlich war er bereits andere Verpflichtungen eingegangen. Doch offenbar handelte es sich um einen Notfall, den aufzuschieben allein die höchstpersönliche Nachricht der Äbtissin als unschicklich hätte erscheinen lassen, sintemalen diese noch abends zuvor eigens durch einen Botenjungen zugestellt worden war. Überdies kannte der Schreiner die Äbtissin gut und respektierte sie als geistliche Autorität und allgemein guten Menschen sehr, weshalb in Glaubensund Lebensfragen er über einige Jahre hinweg sie immer wieder aufgesucht und des Öfteren schon guten Rat davongetragen hatte. Im Grunde konnte man sagen, dass er ihr fast freundschaftlich verbunden war und er respektierte sie für ihre feste Frömmigkeit als Schwester in Christi Glauben. Auch deshalb erschien es...

Erscheint lt. Verlag 18.11.2023
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte AI • Artificial Intelligence • Ästhetische Sprache • Drama • Erzählung • Fabel • Fortschritt • Griechisch • Intelligenz • Janus • Janusbooks • KI • Kunst • Künstliche Intelligenz • Kurzgeschichte • Kurzprosa • Liebe • Moderne • Mystik • Mythos • Novelle • Philosophie • progessiv • Religion • Scheiterhaufen • Short Story • Sinn • Zeus
ISBN-10 3-384-08560-4 / 3384085604
ISBN-13 978-3-384-08560-3 / 9783384085603
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