Liebe deinen bunten Vogel (eBook)

Neapel – der Abstand zu den Bergen

Herrgottskinder fällt mir an dieser Stelle ein. Ein Spruch von meinem Onkel, dem Bruder meiner Mutter, den ich schon lange nicht mehr zu Gesicht bekam. Ein begnadeter Künstler, der allem voran mystische Formen liebt, diese in seine Kunst einfließen lässt, zum Beispiel indem er einige Totenschädel-Skulpturen erschuf. Mystisch, sakral, geheimnisvoll …unverstanden? Totenschädel aus Wachs sind symbolisch ein Zeichen des Todes, die Überreste einer Seele, die sozusagen weitergegangen ist. Manche Künstler wie mein Onkel drücken sich gerne sakral aus, somit kreieren sie wie in diesem Fall aus Wachs gegossene Menschenschädel.

Der Tod - eines der wohl spannendsten Themen, mit denen sich der Mensch auseinandersetzen darf im Leben. Die Angst vor der Unendlichkeit und zugleich die Angst vor dem Tod, die manche Menschen, den einen mehr, den anderen weniger, aber dennoch jeden irgendwann trifft. Neapel? Was das mit Tod zu tun hat? Neapel hat insofern mit dem Tod zu tun, da Reisen stets auch ein Weiterreisen ist. Wenn du so willst, ist jede Reise, wie auch eine Astralreise, immer zugleich etwas Außerirdisches, Mystisches oder einfach ein „Dem-Tod-Näherkommen“, da durch das Reisen ja Zeit vergeht und somit das biologische Alter deiner Knochen fortschreitet.

Sommer 2021. Ja, was Besseres fällt mir nicht ein, als demnächst in meinen Wagen zu steigen und in die Nähe von Neapel zu fahren. Terzinio liegt nicht weit von Neapel, der Amalfiküste - eine feurige Gegend. Ein Vulkan, der schon lange steht, der unter der Erde brodelt, aber seit einigen hundert Jahren nicht mehr ausgebrochen ist. Nicht weit von Neapel ist der Vesuv mit einer Höhe von 1281m, ein aktiver Schichtvulkan, der das Vorland der Süditalienischen Stadt schmückt, sie wohl in den Schutz nimmt. Der letzte Ausbruch war 79 n. Christus.

Schön gelassen und mit Freude sich auf Neapel vorbereiten, was willst du mehr. Ich bin schon etwas besorgt, ob mein Chevrolet das alles gut mitmacht, hat dieser Wagen doch schon knappe 300.000 km am Rad. Gepflegt gefahren, nie überdreht und gerne das Öl gewechselt, dürfte dieser Motor mich noch eine Weile weitertragen. Angenehm ist das Fahren in einem Wagen, ob alt oder jung, der innen einfach schön sauber ist. Ein feines Tüchlein, den Staub zu entfernen, habe ich natürlich immer mit dabei. Akkurat zusammengefaltet vorne an den Armaturen in der Mitte des Plastikteils befindet sich ein schönes kleines Fach, das gerade recht ist, um ein Staubtuch reinzulegen.

Mental bin ich grad vertikal sportlich und wohl in Kürze geht die Reise los. Was fühlst du, wenn du an Neapel denkst? Schon lustig das Ganze, wenn ich so denke und bedenke das… hm. Vor wenigen Tagen wurde mein drittes Kind geboren. Wie du vielleicht noch nicht weißt, bezeichne ich meine Bücher als meine Kinder. Physisch haben wir, meine Frau und ich keine Kinder, also sind das sozusagen Papierkinder meine Bücher wenn wir so möchten. Papierkinder im Taschenbuchformat, das klingt aber auch interessant interpretiert Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich doch ein Kind. Aber auch das eine ist kein Mensch, sondern eine Hundedame. Nicht für wenige Menschen sind Tiere ein Kinderersatz, so auch in unserer Familie.

Neapel, die Stadt der Mafia? Sicher wurden dort wohl einige Drehs gemacht, die über die Mafia erzählen und es werden wohl auch heute noch schaurige Geschäfte dort abgewickelt. Richtiger heißt es eigentlich Camorra, ein Begriff für kriminelle Vereinigungen, die neben Erpressungen und Schutzgeldbezahlungen wohl einiges unternehmen, um zu Geld zu kommen, welches nicht ganz korrekt verdient wurde. Ich habe schon etwas Stress, wenn ich dran denke, dass ich mit meinem Wagen dort hinfahren werde. Dass mir ja keiner den Chevrolet klaut. Wenn du bei einem Diebstahl nämlich nach Zeugen suchst in der Nähe, wo das passiert ist bzw. nachfragst, weiß einfach keiner von nix und die Carabinieri-Station anzurufen, kann man sich eigentlich auch gleich sparen. Die haben eh keine Zeit für dich oder eben keinen Bock, den Diebstahl deines Wagens aufzunehmen. Wobei der sehr vermutlich sowieso nie wieder gefunden werden wird.

Am liebsten würde ich einen Bekannten von mir anrufen, der in der Gegend eine Helikopterfirma betreibt und über die schönen Küsten dahinfliegen. Helikopter sind eine kleine Leidenschaft von mir. Später mehr dazu.

Als ich in Rimini in einem 4-Sterne-Hotel übernachtete, gab ich meine Lieblingshose in die Wäscherei- ich bekam sie nie wieder von der hoteleigenen Wäscherei. So einfach geht das. Du gehst dann zur Rezeption und niemand weiß von nix. Das schöne Stück in weiß von BOSS gefiel einem in der Wäscherei und weg war das gute Stück Kleidung. Neapel, Camorra, Vulkan - und Temperaturen wie im Pizzaofen sind das gerne schon mal im Sommer dort.

Hier aus den Bergen von Südtirol wohl über 1000 km Fahrt und bis du dort ankommst, braucht es etwas Zeit. Das schönste für mich sind die Cafépausen an den Autobahnraststätten. Alles einmal anhalten und einen Kaffee genießen - das ist wunderbar und gehört zu Bella Italia und Dolce Vita einfach dazu.

Neapel könnte wohl auch die Stadt des Allmöglichen genannt werden; so wie Indien das Land des „unmöglich Möglichen“ (und dennoch Realität). Kein Tag vergeht, wenn du durch Indien reist, an dem du dich nicht fragst, ob du richtig siehst oder gerade eine Halluzination hast. So viel Ungewöhnliches überall!

Immer wieder frisch und neu, das sich Vorbereiten auf Neues, neue Wege ausprobieren und wenn das „nur“ die Fahrt mit dem eigenen Wagen nach Neapel ist. Immerhin ist das ein dir nicht bekanntes Gebiet, in dem du ja nun erst mal ankommen darfst. Spannend auch der neapolitanische Dialekt, der klingt so richtig nach „ist mir doch egal“ und sicherlich auch etwas rumänisch, etwas nach Zigeunerartigem, denen einfach alles egal ist bzw. die keine Tragödie einbauen würden und wenn das Ding, das sie durchziehen, noch so schräg ist. Es weiß einfach keiner von nichts, eine herrliche Strategie der Transformation. Ob solche Strategien langfristig greifen, ist eine andere Frage, denn ohne klare Formen und Ehrlichkeit ist der Ofen bald aus, nehme ich an. Aus oder schwammig verschwommen im Sand der Wüste oder im Meer der Lügen.

Napoli ist doch auch ein witziges Pflaster! Als zum Beispiel die Sicherheitsgurtenpflicht für Autos aufkam, hat da nicht damals in Napoli ein Kleidungshersteller weiße T-Shirts produziert mit schwarzem Streifen quer rüber, so dass es aussah, als wärst du angegurtet. Zumindest frontal gesehen mit etwas Abstand muss das wohl wunderbar funktioniert haben. Napolis Altstadt ist UNESCO-Kulturerbe. Eine der wohl spannendsten Sehenswürdigkeiten ist die unterirdische Stadt, die als Versteck benutzt wurde. Zudem ist die beste Pizza der Welt mit flauschigem Teig in Napoli geboren und immer noch dort zu Hause.

Napoli! Dass mir keiner meinen Chevrolet CRUZE klaut! Ich kippe sonst auf der Stelle tot um und sterbe an Herzinfarkt, aber garantiert. Vielleicht noch mit dem letzten Bissen Pizza im Mund, die ich eben aß, das würde mir noch fehlen in meiner Sammlung. Dann ist aber ausgesammelt.

Heute, einen knappen Monat vor der Abreise, habe ich noch die Klimaanlage mit Gas nachfüllen lassen, damit die ja gut funktioniert, wenn wir im Süden Italiens in der Hitze unterwegs sind. Da kann es schon mal richtig heiß werden. Gerade in diesen Tagen, wir schreiben den 9. Juli, soll es auch in Spanien bis zu 48 Grad Wärme erreichen. Die Klimaanlage passt, das Öl ist gewechselt, nun darf es in Kürze losgehen. Nicht zu viel denken, rein in den Wagen und früh genug starten. In aller Ruhe, vielleicht mit einem Zwischenstopp bei der Stadt Grosseto, so wird das Ganze gemütlicher.

Aber wer weiß, es kann ja sein, dass mir es in letzter Minute einfällt, mit dem Rad direkt von Olang zu starten und als eine Etappe am Stück runterzufahren bis nach Peschiera, das im Süden des Gardasees liegt. Im schlimmsten Falle kostet mich das bloß am frühen Morgen den Schweinehund zu überwinden, in die Radklamotten zu schlüpfen und los. Dann steige ich nicht wieder runter vom Rad, außer ich muss mal kurz die Urinblase entleeren gehen oder den Kopf unter kühles Wasser stecken bei einem Brunnen, da die Wärme meinen Hitzekopf zu sehr aufwärmt. Ab 30 Grad Wärme und dann noch sportlich unterwegs kann das Schädeldach schon ganz schön aufwärmen. Darum denke ich, dass ich wohl besser ohne mein Rennrad nach Neapel fahre oder einfach ein Rad ausleihe, wenn ich dort unbedingt eines haben möchte. Mit einem Elektrorad zur Amalfiküste zu gelangen wäre vielleicht nicht schlecht oder einfach mit dem Linienbus dort hinfahren in der Hoffnung, das dieser eine Klimaanlage hat, die auch funktioniert. Du weißt ja nicht wirklich, was dich erwartet im Süden von Italien. Der Süden Italiens ist wohl am besten im Frühjahr oder im Herbst zu bereisen. Was soll‘s - für uns ist das heuer genau die höchste Saison, der Monat...