Die Kräutersammlerin und der zweifache Tod (eBook)

Historischer Schwarzwaldkrimi
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
Emons Verlag
978-3-98707-183-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kräutersammlerin und der zweifache Tod -  Heidrun Hurst
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Ein mysteriöser Fall zwischen Familiengeheimnissen und Kräutermedizin. Schwarzwald, 1347. Das beschauliche Örtchen Schiltach wird von mehreren Verbrechen erschüttert: Stallbesitzer Merckel liegt ermordet in der Schweinesuhle, Heilerin Johannas junge Freundin Ida wird entführt, und in einer verborgenen Hütte im Wald wird eine tote Frau gefunden. Wie hängen all diese Ereignisse zusammen? Johanna und Flößer Lukas setzen alles daran, die Fälle aufzuklären - doch je tiefer sie graben, desto verworrener wird das Geflecht aus Missgunst und Geheimnissen, auf das sie stoßen ...

Heidrun Hurst, geboren 1966 in Kehl am Rhein, ging schon als Kind gerne mit Hilfe von Büchern auf Reisen in fremde Welten. Ihr Verlangen nach geschriebenen Abenteuern wurde schließlich so groß, dass sie sich selbst dem Schreiben widmete. Seitdem veröffentlicht sie historische Romane. Sie ist Mitglied bei »HOMER«, »DELIA« und dem »AutorenNetzwerk Ortenau-Elsass«. www.heidrunhurst.de

Heidrun Hurst, geboren 1966 in Kehl am Rhein, hat sich auf das Schreiben historischer Krimis und Romane konzentriert. Zu ihrer Spezialität gehören gut recherchierte Geschichten, die unter die Haut gehen und sich einfühlsam mit dem Schicksal der einfachen Leute beschäftigen. Dabei verbindet sie fiktive Charaktere mit historischen Tatsachen. Von Rezensenten werden ihre Romane als ergreifend, atemberaubend und abseits des Klischees beschrieben. Sie ist Mitglied bei »HOMER« und dem »AutorenNetzwerk Ortenau-Elsass«. www.heidrunhurst.de

PROLOG

Isbert stieß gähnend die Fensterläden auf, sog frische Morgenluft in seine Lungen und lugte hinaus. Ein rosiger Schimmer vertrieb die Dunkelheit über den Berggipfeln im Osten. Der liebliche Farbton erinnerte ihn an die Blüten der Hundsrosen, deren Hecken seinen Garten begrenzten. Kein Wölkchen trübte das Rot. »Scheint ein schöner Tag zu werden«, bemerkte er gut gelaunt.

»Das will ich doch meinen. Schließlich haben wir Sommer«, erwiderte Lene in seinem Rücken.

Dass die Jahreszeit kein Versprechen für gutes Wetter war, hatte Isbert in der Kindheit erfahren. In seinem sechsten Sommer hatte es zur Zeit der Heuernte so ausdauernd geregnet, dass Mensch und Vieh von Kälte und Nässe krank wurden und das Korn auf den Feldern verdarb. Wochenlang hingen bleierne Wolken am Himmel, die außer einer Unmenge an Wasser nur selten etwas Sonne durchließen. Im darauffolgenden Winter war der Tod wie ein Schnitter durch die Häuser gefahren. Zwei seiner Schwestern hatte er durch ein Fieber geraubt, dem die entkräfteten Mädchen nicht trotzen konnten. Doch er widersprach Lene nicht. Sie war zu jung, um davon zu wissen, und er wollte sie nicht unnötig ängstigen.

Lene kniete vor der Feuerstelle in der Mitte des Raumes, wo sie frisches Holz auflegte. Flammen fraßen sich knisternd durch die Scheite, als er zu ihr trat. Darüber hing ein Kessel, in dem es zu köcheln begann. Er hauchte einen Kuss auf Lenes Scheitel. Sie roch nach Schlaf, trockenem Stroh und der Lust, die letzte Nacht die seine entfacht hatte.

Doch nun galt es, das Tagwerk zu vollbringen. Wie üblich hatten sie sich vor dem ersten Hahnenschrei von ihrem Lager erhoben. Lene sah lächelnd zu ihm auf. Ihre blauen Augen erfüllten sein Herz mit Wärme. Sie war ihm ein gutes Weib, zufrieden mit dem bescheidenen Leben, das er ihr bot, obwohl niemand sie gefragt hatte, ob sie die Frau eines Hirten werden wollte, der zu den unehrlichen Leuten zählte. Isbert liebte sein Amt. Mit Freuden hatte er den Hirteneid vor den Stadtoberen geleistet: »Dem Vieh getreu und wohl zu warten.« Und genau dies tat er Tag für Tag.

Ihr Hungerleider von Vater konnte seine Begeisterung über einen Esser weniger an seinem Tisch kaum verhehlen, als Isbert um sie gefreit hatte. Und so war es schnell beschlossene Sache gewesen, dass Lene die Munt des Vaters verließ, um die Mutter seiner Kinder zu werden. Sie hatten sich als Ehepaar zusammengerauft. Dass Liebe daraus entstehen würde, konnte anfangs keiner wissen.

Vielleicht war dies seiner ungebrochenen Lebensfreude zu verdanken, die Lene über seine Mängel hinwegsehen ließ, denn im Gegensatz zu ihr war er weder stattlich noch schön. Sie war mehrere Jahre jünger als er, hatte makellose Haut und ein freundliches Gesicht, das von hellen Haaren umrahmt wurde. Es floss fast bis zu ihren Hüften, wenn sie es für ihn öffnete, und umschmeichelte ihre weiblichen Rundungen, die genau so waren, wie er es mochte. Einzig der ausbleibende Nachwuchs gab ihm zu denken, obwohl sie sich redlich darum bemühten.

»Lass uns essen.« Mit einem Kuss verscheuchte Lene die kurze Sorge und drückte ihm ein Schälchen mit Haferbrei in die Hand, das sie mit Walderdbeeren verfeinert hatte.

Nach dem Frühmahl brach Isbert auf. Der Brei hinterließ ein angenehm sättigendes Gefühl in seinem Magen. Lene reichte ihm die Hirtentasche, in der sich Proviant und eine Steinschleuder befanden. Bei der Abwehr von Wölfen oder Luchsen leistete sie ihm gute Dienste. Bei Bären allerdings blieben außer wedelnden Armen und Geschrei oft nur der Hirtenstab und ein inbrünstiges Gebet, um sie in die Flucht zu schlagen.

Isbert hängte sie über die Schulter, nahm den Stab und öffnete die Tür. Mit langen Schritten, die seiner großen, hageren Gestalt entsprachen, durchmaß er die langsam zum Leben erwachende Vorstadt. Ein herzhaftes Gähnen dehnte seinen Mund derart, dass eine ganze Hühnerkeule darin Platz gefunden hätte. Leider kam er selten in deren Genuss. Mit einem Lächeln auf den Lippen grüßte er Gerber und Flößer, die sich den Anforderungen des neuen Tages stellten. Ein tiefer Atemzug glitt in seine Lungen. Jetzt war die Luft noch frisch. Doch sobald die Gerber damit anfingen, rohe Häute zu bearbeiten, und in ihren Lohgruben rührten, würde sich ein faulig bitterer Geruch über die Häuser legen, der sich in der sommerlichen Wärme zu üblem Gestank entwickelte. Wie gut, dass er nicht den ganzen Tag hier verbringen musste.

Bald darauf erreichte er die Stadtmauer Schiltachs. Die Wächter hatten das untere Tor geöffnet, durch das ihm Kühe und Kälber entgegentrotteten. Er grüßte den Kuhhirten, der mit seinem Stab eine Färse antrieb, die stehen geblieben war, um neugierig an einer Pfütze zu schnüffeln. Das Tier stob bockspringend davon. Isbert trat rasch zur Seite und passierte den steinernen Bogen, sobald der Weg frei war, um in den ummauerten Stadtkern zu gelangen. Der Austrieb der Tiere aus der Stadt geschah nach einer genau einzuhaltenden Reihenfolge. Zuerst kamen die Rinder, danach die Schweine und schließlich Schafe und Ziegen.

Ein paar Schritte vor ihm quälte sich Heintzlin den ansteigenden Weg hinauf. Schwer auf seine Krücken gestützt kämpfte er sich, das lahme Bein hinterherziehend, voran. Er war einer der wenigen Bettler im Städtle. Der Schwarzwald war eine harte Gegend, die nicht allzu viele Betuchte hervorbrachte, die in der Lage waren, reichlich Almosen zu verteilen. Entweder konnte man arbeiten, oder man starb des Hungers. Der eine früher, der andere später. Isbert beschlich ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken, dass auch ihn dieses Los ereilen könnte, sollte er mit einer Krankheit oder einem schweren Unfall geschlagen werden.

Ein krampfhaftes Schlucken bewegte seinen Kehlkopf, der sich deutlich von seinem sehnigen Hals abhob. Dann wandte er sich den Horbknechten zu, die mit ihren Reisigbesen den dreieckigen Marktplatz fegten, dessen Fläche zur Steige hin steiler wurde. Es machte keinen Sinn, über Dinge nachzugrübeln, die vielleicht niemals eintraten. Einer der Knechte fluchte laut über die Menge an dampfenden Kuhfladen, die der Austrieb der Rinder hinterlassen hatte. Isbert grinste. Es war durchaus möglich, dass sich bald weitere, noch unangenehmere Ausscheidungen hinzugesellten.

Kurz darauf erreichte er den Brunnen. Er stellte sich daneben, stützte sich auf seinen Hirtenstab und pfiff scharf durch die Zähne. Sein Blick fiel auf den »Hirschen«, eine Wirtschaft, in der vor drei Jahren ein schreckliches Verbrechen stattgefunden hatte. Der Hirte erinnerte sich mit Schaudern daran. Auch er hatte damals geglaubt, dass der Teufel und seine Dämonen ihr Unwesen im Städtle trieben. Die Täter waren längst gefasst und ihrer gerechten Strafe zugeführt worden, was man vor allem der Heilerin Johanna und ihrem Mann Lukas zu verdanken hatte, die in seiner Nachbarschaft wohnten. Er mochte die beiden und hatte schon so manches Mal um Rat gefragt, wenn ihn ein Zipperlein drückte.

Das wiederholte Pfeifen rief seine Schützlinge herbei. Mit den Sprösslingen der Städter im Gefolge trippelten sie grunzend und quiekend heran. Freude erhellte sein schmales Gesicht, in dem eine ausgeprägte Nase prangte. Er begrüßte jedes einzelne Tier und neckte mit gutmütigen Scherzen die mit Gerten bewaffneten Überbringer. Seine Zuneigung zu Schweinen teilten nur wenige. War es doch so sicher wie das Amen in der Kirche, dass sie früher oder später im Kochtopf landeten und es daher besser war, nicht allzu sehr an ihnen zu hängen. Isbert war dennoch der Meinung, dass sie sich bis zu jenem verhängnisvollen Tag sauwohl fühlen durften. Zumindest tat er alles, was hierfür in seiner Macht stand. An den strengen Geruch der rotbraunen Borstentiere hatte er sich längst gewöhnt. Oft nahm er ihn gar nicht mehr wahr.

Als er alle beisammenhatte, durchmaß er mit seiner Herde ein weiteres Mal die Vorstadt, um dort den Rest einzusammeln. Auch seine eigenen Tiere, eine Sau mit sechs prächtigen Ferkeln, entließ er aus der Dunkelheit des Stalles. Er warf Lene eine Kusshand zu, bevor er mit seiner stattlichen Herde den gerodeten Streifen rund um Schiltach passierte. Schmale Wege führten an Feldern und Wiesen vorbei. Isbert achtete in ständiger Hut darauf, dass keines der Schweine durch eine Begrenzungshecke brach und sich an Gerste, Hafer und manch anderem Grün labte, das schon beachtlich hoch stand.

Eine Gänseschar, hinter der ein Mädchen hertrottete, das noch halb zu schlafen schien, kreuzte schnatternd und fauchend ihren Weg. Isbert ließ sie vorbei und schlug den Weg zu der Suhle am Waldrand ein. Wie quirlige Kinder eilten die Schweine voraus. Ein freudiges Grunzen drang zwischen den langen Rüsseln hervor. Die klugen Tiere wussten längst, wo es hinging, und waren begierig darauf, sich im Morast zu aalen. Und er hatte begriffen, dass dies ihre Art, sich zu reinigen, war. Der trocknende Schlamm bildete eine Schutzschicht gegen das Ungeziefer auf ihrer Haut. Blutsaugende Zecken, die sich nicht daran störten, sammelte er ab.

Ein Liedchen summend überquerte er die saftige Wiese, die sich vor dem abfallenden Bachufer erstreckte. Alles um ihn herum erstrahlte in satten Farben, war grün, golden und leicht. Er erreichte als Letzter die Suhle, die zugleich als Rastplatz diente. Hier würden sie eine Weile bleiben, bevor er sich zum Wald aufmachte, damit seine Schützlinge sich dort durch die weiche Erde wühlen und sattfressen konnten. Sein Blick streifte träge über den munteren Wasserlauf bis hin zum morastigen Ufer, das bohrende Rüssel und scharrende Hufe zu einer großen Kuhle verbreitert hatten. Doch was er zwischen den gestreiften Leibern der Ferkel und den massigen Körpern ihrer Geschwister und Mütter fand, ließ seinen Atem stocken.

Dort lag ein Mensch, die...

Erscheint lt. Verlag 21.3.2024
Reihe/Serie Historischer Kriminalroman
Historischer Kriminalroman
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte düster • Einfühlsam • Familiengeheimnisse • Heilerin • historisch • historischer Gesellschaftskrimi • historischer Krimi • Kräutermedizin • Mittelalter Krimi • spannend • Verbrecherjagd
ISBN-10 3-98707-183-4 / 3987071834
ISBN-13 978-3-98707-183-6 / 9783987071836
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