Hast du Zeit? (eBook)

Spiegel-Bestseller
Thriller
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
416 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01829-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hast du Zeit? -  Andreas Winkelmann
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Meisterhafte Hochspannung: der neue Thriller von Nr.-1-Bestsellerautor Andreas Winkelmann. Die Zeit - sie verrinnt uns zwischen den Fingern. Sie wird uns gestohlen. Wir verschwenden sie. Was, wenn jemand bereit ist, für dieses kostbare Gut zu töten? Meine Liste wird immer länger ... Darauf stehen Menschen. Menschen wie du. Ihr alle habt mir etwas genommen. Ihr wisst es nicht, aber ich werde euch finden. Euch jagen, ohne Gnade. Du fragst dich, warum? Genau das ist das Problem. Ihr alle seid achtlos, rücksichtslos. Und dafür müsst ihr bezahlen. Mit dem Kostbarsten, was ihr habt. Auch du könntest auf dieser Liste stehen, ohne es zu wissen. Und deine Zeit läuft ab ...

In seiner Kindheit und Jugend verschlang Andreas Winkelmann die unheimlichen Geschichten von John Sinclair und Stephen King. Dabei erwachte in ihm der unbändige Wunsch, selbst zu schreiben und andere Menschen in Angst zu versetzen. Heute zählen seine Thriller zu den härtesten und meistgelesenen im deutschsprachigen Raum. In seinen Büchern gelingt es ihm, seine Leserinnen und Leser von der ersten Zeile an in die Handlung hineinzuziehen, um sie dann, gemeinsam mit seinen Figuren, in ein düsteres Labyrinth zu stürzen, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Die Geschichten sind stets nah an den Lebenswelten seines Publikums angesiedelt und werden in einer klaren, schnörkellosen Sprache erschreckend realistisch erzählt. Der Ort, an dem sie entstehen, könnte ein Schauplatz aus einem seiner Romane sein: der Dachboden eines vierhundert Jahre alten Hauses am Waldesrand in der Nähe von Bremen.

In seiner Kindheit und Jugend verschlang Andreas Winkelmann die unheimlichen Geschichten von John Sinclair und Stephen King. Dabei erwachte in ihm der unbändige Wunsch, selbst zu schreiben und andere Menschen in Angst zu versetzen. Heute zählen seine Thriller zu den härtesten und meistgelesenen im deutschsprachigen Raum. In seinen Büchern gelingt es ihm, seine Leserinnen und Leser von der ersten Zeile an in die Handlung hineinzuziehen, um sie dann, gemeinsam mit seinen Figuren, in ein düsteres Labyrinth zu stürzen, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt. Die Geschichten sind stets nah an den Lebenswelten seines Publikums angesiedelt und werden in einer klaren, schnörkellosen Sprache erschreckend realistisch erzählt. Der Ort, an dem sie entstehen, könnte ein Schauplatz aus einem seiner Romane sein: der Dachboden eines vierhundert Jahre alten Hauses am Waldesrand in der Nähe von Bremen.

Kapitel 1


1.


Januar 2020. Nachmittag. 17:45 Uhr.

«Tut mir leid. Ich habe keine Zeit.»

Mit dem Handy am Ohr stieß Maren Liefers die Hintertür des Bestattungsinstituts auf. Sie nannten sie die Tür der Toten, weil durch sie die Leichen ins Gebäude gebracht wurden.

«Und selbst wenn ich sie hätte, könnte ich Ihnen nicht weiterhelfen. So etwas unterliegt bei uns absoluter Diskretion.»

«Das verstehe ich», sagte die Anruferin. «Aber ich muss einfach wissen …»

«Hören Sie», unterbrach Maren Liefers sie, «hier wartet eine Leiche auf mich. Ich muss Schluss machen.»

«Können Leichen wirklich warten?», fragte die Anruferin.

«Wie bitte?»

«Wenn jemand Zeit hat, dann die Toten, oder nicht?»

«Wollen Sie mich verarschen?»

«Das liegt mir fern, aber ich muss …»

Maren Liefers beendete das Telefonat abrupt.

Die Frau ging ihr auf die Nerven. Bereits zum dritten Mal bedrängte sie sie, ihr bei der Suche nach einer verstorbenen Verwandten zu helfen. Maren hatte ihr gesagt, dass so etwas nicht am Telefon möglich war und sie sich an die entsprechenden Ämter wenden sollte.

Sie atmete seufzend aus, um diesen Druck auf ihrem Brustkorb loszuwerden. In letzter Zeit hatte sie häufig das Gefühl, nicht richtig durchatmen zu können, und das machte ihr Angst. Mit fünfundvierzig war sie in einem gefährdeten Alter, ein Herzinfarkt nicht ausgeschlossen, vor allem bei dem Stress, dem sie ausgesetzt war. Zudem achtete sie seit Längerem nicht mehr auf ihr Gewicht und aß zu viele Süßigkeiten.

Heute liefen vier Mahnfristen ab, und sie wusste nicht, wovon sie die Rechnungen bezahlen sollte. Zwar stimmte der alte Spruch «Gestorben wird immer», aber in schlechten Zeiten müsste es wohl heißen «immer billiger». Auch bei den Beerdigungskosten wurde gespart. Kaum jemand leistete sich noch die teuren Särge, von denen sie zu viele im Lager hatte.

Maren öffnete beide Flügel der Tür und hakte sie am Boden ein. Dann trat sie ein paar Schritte vom Gebäude weg.

Die Sonne war vor einer Stunde untergegangen, Dunkelheit lag auf den Feldern, hinter denen der Waldrand eine schwarze, undurchdringliche Wand bildete. Wehmütig betrachtete sie das flache Gebäude mit dem beleuchteten Schriftzug über dem Eingang. Bestattungen Liefers. Ein alteingesessener Betrieb, von ihrem Vater gegründet, der Tischler gewesen war und noch selbst Särge angefertigt hatte. Seit fünfzehn Jahren lagen die Geschicke des Betriebs in ihren Händen. Wie lange wohl noch?, fragte sie sich.

Ein Geräusch riss Maren aus ihren Gedanken.

Es klang wie ein brechender Ast irgendwo in dem kleinen Waldstück, das zwischen diesem und dem Nachbargrundstück lag. Sie lauschte, doch das Geräusch wiederholte sich nicht. Wahrscheinlich nur ein Reh, von denen gab es hier mehr als genug. Eine Gänsehaut bekam Maren dennoch, und ihr wurde bewusst, wie einsam es hier draußen war. Bis in den Ort fuhr man fünf Minuten mit dem Wagen. Früher hatte es nebenan eine Kneipe gegeben, doch die war längst pleite.

Plötzlich durchschnitt Scheinwerferlicht die Dunkelheit.

Das war ihr neuer Mitarbeiter Jörn, eine Aushilfskraft. Er brachte die Leiche, von der sie zu der Anruferin gesagt hatte, sie würde bereits warten. Eine kleine Lüge, um die Frau loszuwerden.

Viel zu schnell fuhr Jörn die sündhaft teure, schwarze Limousine vor das Gebäude. Maren hatte ihn mehrfach gebeten, langsam zu fahren, weil sie fand, dass sich das für einen Leichenwagen so gehörte, aber er schien sich nicht daran halten zu wollen. Früher hätte sie ihn gleich gefeuert, heute musste sie froh sein, überhaupt jemanden zu haben. Geschickt setzte Jörn den Wagen rückwärts vor die geöffnete Tür und stieg aus.

«Du sollst langsam fahren», erinnerte Maren ihn.

«Vielleicht will ich auch irgendwann Feierabend machen», erwiderte Jörn genervt.

«Wie bitte?» Maren konnte nicht glauben, was sie da hörte. Jörn hatte erst vor vier Wochen bei ihr angefangen und anfangs einen guten Eindruck gemacht, doch der hatte nicht lange angehalten. Jörn wurde zunehmend renitent und unhöflich.

«Wenn ich Heiko nicht am Bahnhof abgesetzt hätte, hätte ich schon Schluss», motzte er. In der Dunkelheit erschienen seine kleinen Augen noch kälter als sonst. Wie zwei Onyx-Steine, an denen alle Gefühle abprallten.

«Und Heiko wollte eigentlich heute freihaben, weil seine Frau Geburtstag hat, ist aber trotzdem gekommen, damit du die Leiche nicht allein holen musst. Da ist es ja wohl nur kollegial, ihn am Bahnhof abzusetzen.»

Maren sprach mit scharfer Stimme, um Jörn klarzumachen, dass er sich unfair verhielt.

«Ich habe auch keine Zeit. Aber mich fragt ja keiner», brummte Jörn in seinen Vollbart, den Maren nicht mochte, weil er so viel von seinem Gesicht verdeckte.

Schwungvoll öffnete er die Kofferraumtüren.

«Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass du flexibel sein musst», erinnerte Maren ihn.

«Jaja», erwiderte Jörn und zog unsanft die Überführungsliege heraus.

In dem grauen Spezialsack mit Reißverschluss befand sich ein dreiundneunzig Jahre alter Mann aus dem Ort, den seine Enkelin am Nachmittag tot im Lesesessel gefunden hatte. Der Arzt hatte einen Herzinfarkt diagnostiziert. Ein friedlicher Tod am Ende eines langen Lebens. Maren musste an ihr eigenes Herz denken, das schon jetzt Probleme bereitete.

«Park noch den Wagen, danach komme ich allein zurecht», sagte Maren und unterdrückte ein Seufzen.

Wortlos kam Jörn der Anweisung nach. Er stellte den Bestattungswagen in der Garage ab und brachte ihr die Schlüssel.

«Schönen Abend noch», sagte er mit einem merkwürdigen Ton in der Stimme.

«Dir auch», antwortete Maren und hatte Mühe, ihren Ärger unter Kontrolle zu halten. Sie brauchte Jörn und durfte ihn nicht vergrätzen.

Maren trat ans Kopfende der Überführungsliege und schob sie ins Gebäude. Als die Räder über eine Unebenheit rollten, schien es so, als würde sich in dem Leichensack etwas bewegen. Das kannte Maren schon, aber heute setzte es ihr zu. Ihr Nervenkostüm war gerade nicht das beste. Daher beschloss sie, sich erst morgen um den alten Mann zu kümmern, vorerst kam er in den Kühlraum. Der war leer. Leider, wie Maren fand. Ein paar Aufträge mehr wären wünschenswert – und nötig. Bevor sie die Kühlung betrat, überprüfte sie die Notöffnung. Jenen Griff an der Innenseite, der verhindern sollte, dass man sich selbst einsperrte – und der in dem höchst unwahrscheinlichen Fall eines fälschlich für tot Befundenen dem Wiederauferstandenen einen Ausgang sicherte. Das war noch nie vorgekommen, aber vor Jahren hatte Maren sich einmal eingesperrt, weil der Mechanismus versagt hatte. Grauenhaft war das gewesen, einfach nur grauenhaft, vor allem, weil die Kühlung damals voll gewesen war.

Nachdem der alte Herr untergebracht war, drückte Marens Blase – wie immer, wenn ihr kalt war.

Zwischen den rund ein Dutzend ausgestellten Särgen eilte sie durch die Halle zur Toilette.

Als sie auf der Schüssel saß, hörte sie ein Geräusch. Es klang wie das Schaben von Ledersohlen auf dem Parkett in der Ausstellungshalle.

«Jörn? Bist du das? Hast du etwas vergessen?»

Sie bekam keine Antwort, hielt den Atem an und lauschte.

Hatte sie sich getäuscht?

Offiziell war ab siebzehn Uhr geschlossen, über ihr Handy war Maren aber jederzeit erreichbar. Menschen starben schließlich nicht nur zu den Öffnungszeiten, und sie konnte es sich nicht leisten, sich irgendeinen Toten durch die Lappen gehen zu lassen. Es war unter anderem diese ständige Erreichbarkeit, die sie so stresste. Das Handy war zu einem Feind geworden, der ihr als Freund und Helfer getarnt Schlaf, Zeit und Lebensqualität raubte.

«Hallo?», rief Maren. «Ist da jemand?»

Plötzlich ging das Licht im Toilettenraum aus. Da es hier kein Fenster gab, nur eine Lüftungsanlage, war es sofort dunkel. Maren wagte kaum zu atmen und fühlte sich verletzlich in ihrer Position mit heruntergelassener Hose auf der Toilette. Sie traute sich aber nicht, sich zu bewegen, blieb still sitzen, lauschte.

Wieder leise Schrittgeräusche – und sie kamen näher. Auf die kleine Kabine zu, in der sie hockte. Die Wände, noch von ihrem Vater gebaut, bestanden aus leichtem Pressholz und taugten nicht als Schutz, dennoch wollte Maren glauben, hier drinnen sicher zu sein.

Die Schritte verharrten vor der Tür zur Toilette.

Dann pochte es dreimal an der Kabinentür. Langsam, vorsichtig, so als hätte die Person davor alle Zeit der Welt.

Maren presste sich eine Hand vor den Mund, um einen Schrei zurückzuhalten. Das war dumm, denn wer immer vor der Tür stand, wusste ja, dass sie hier drinnen war.

«Hast du Zeit?», fragte eine leise, weiche Stimme. Eine Stimme, die ihr vage bekannt vorkam, aber der Mann sprach flüsternd, sie war sich nicht sicher.

«Wer ist da?», rief Maren. Ihre Stimme klang panisch.

Eine Antwort bekam sie nicht.

«Ich habe mein Handy hier … ich rufe die Polizei, die ist in fünf Minuten hier.»

Das war gelogen, denn die nächste Dienststelle war eine halbe Stunde Autofahrt entfernt. So war das eben auf dem Land.

Plötzlich ein harter Schlag...

Erscheint lt. Verlag 25.6.2024
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
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ISBN-10 3-644-01829-4 / 3644018294
ISBN-13 978-3-644-01829-7 / 9783644018297
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