Genau jetzt mit dir -  Tine Nell

Genau jetzt mit dir (eBook)

Roman | Teil 1 der Romance-Dilogie in Schweden.

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
384 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491811-2 (ISBN)
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Eigentlich wollte Alma nicht mehr als Hebamme arbeiten. Doch nach ihrem Umzug von Frankfurt in die schwedische Kleinstadt Nora wagt sie einen Neustart in der Praxis ihrer Tante. Ihre Arbeit bereitet ihr endlich wieder Freude, umso mehr, als sie bei einem Hausbesuch den Bruder der werdenden Mutter kennenlernt. Liam Hansen geht ihr so schnell nicht mehr aus dem Kopf. Er scheint ihre Nähe ebenso zu suchen, und die großartige Natur rund um Nora verstärkt die Anziehung. Doch Liam darf auf keinen Fall erfahren, was in Almas Vergangenheit geschehen ist.

Tine Nell lebt mit ihrem Mann, ihren drei Kindern und einem Hund in der Nähe von Siegen, wo sie Tage und Nächte mit Schreiben und Lesen verbringt. Sie liebt die Stille, das Meer und wenn aus Gedanken eine Geschichte entsteht. Die alte Holzstadt Nora in Südschweden hat sie selbst besucht für ihre Recherche.

Tine Nell lebt mit ihrem Mann, ihren drei Kindern und einem Hund in der Nähe von Siegen, wo sie Tage und Nächte mit Schreiben und Lesen verbringt. Sie liebt die Stille, das Meer und wenn aus Gedanken eine Geschichte entsteht. Die alte Holzstadt Nora in Südschweden hat sie selbst besucht für ihre Recherche.

2


Nachdem ich eine lange Dusche genommen und mich in meinem Zimmer ein wenig eingerichtet hatte, lief ich die Holztreppe hinunter, deren Stufen bei jedem Schritt knarrten, um mich zu Edda auf die Terrasse zu gesellen. Ben und Jerry saßen immer noch zusammengekauert in der Transportbox, die wir mit geöffneter Klappe ins Wohnzimmer gestellt hatten. Selbst die Lockversuche mit ihren Lieblingssnacks hatten nicht geholfen.

Während ich durch das Wohnzimmer lief, vorbei an Wilma, die ein helles Plätzchen direkt am Fenster bekommen hatte, realisierte ich, dass das hier vorerst mein neues Zuhause war. Es fühlte sich vertraut an, weil sich seit meinem letzten Besuch nichts verändert hatte. Alles stand noch an seinem Platz, genauso wie ich es in Erinnerung hatte. Selbst der Geruch nach Lavendel und verkohltem Feuerholz, der das Wohnzimmer erfüllte, war unverändert. Viele Möbel oder Dekoration besaß Edda nicht. Die Schweden waren für ihr Understatement bekannt, was sich in ihrem Wohnstil abzeichnete, der auch meinen persönlichen Geschmack geprägt hatte. Diesen Lebensstil bezeichnete man als Lagom, was sinngemäß: »Nicht zu viel, nicht zu wenig, sondern gerade recht« bedeutete. Und genauso war Eddas Haus eingerichtet. Es war alles da, was man brauchte. Es gab ein beiges Sofa mit einem kleinen Holztischchen, Regale aus Kiefernholz, in denen Bücher standen, im Essbereich einen massiven Tisch mit Stühlen in unterschiedlichen Designs, als hätte Edda sie in einem Secondhandshop zusammengesucht. Die angrenzende Küche im Landhausstil war in Cremeweiß gehalten. Die wenigen, aber ausgewählten Möbel gaben den Räumen Struktur, weshalb es bei Edda immer aufgeräumt und harmonisch wirkte.

Mein Blick blieb an den Fotos hängen, die auf dem Kaminsims standen. Eins zeigte Tante Edda mit meiner Mutter. Sie sahen jung und unbeschwert aus, ahnten nicht, was auf sie zukommen würde. Auf dem daneben war ich als Kleinkind zu sehen, die hellblonden Haare zu zwei Zöpfen geflochten, die mandelförmigen blauen Augen erwartungsvoll aufgerissen, weil mir ein Eis unter die Nase gehalten wurde. Zwölf Jahre hatte ich mit meinem schwedischen Vater und meiner deutschen Mutter ein halbwegs normales Leben in Örebro geführt. Bis zu dem Zeitpunkt, als herauskam, dass mein Vater seit Jahren ein notorischer Fremdgänger war und ein Kind mit einer anderen Frau gezeugt hatte. Daraufhin war meine Mutter mit mir nach Deutschland zurückgekehrt, weil ihr die Distanz zu Andrik nicht groß genug hätte sein können.

Nachdem ich Schweden acht lange Jahre nicht mehr besucht hatte, war ich nun zurückgekehrt.

Das letzte Bild kannte ich noch nicht. Es war neu dazugekommen und zeigte Edda mit einer jungen Frau, die eine Sonnenbrille trug und Edda im Arm hielt. Es schien eine Selbstaufnahme zu sein, weil das Foto etwas schief und verwackelt wirkte. Ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Magen aus, als mir bewusstwurde, dass die hübsche Brünette Liv sein musste — meine Halbschwester, die ich noch nie kennengelernt hatte. Edda hatte seit ein paar Jahren Kontakt zu ihr, was gut war, schließlich konnte Liv nichts dafür, dass mein Vater ein heuchlerisches Arschloch war. Sie war zwei Jahre jünger als ich und lebte in Stockholm, wo sie als Reiseführerin arbeitete. Edda erzählte manchmal von ihr, weshalb ich wusste, dass sie mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater aufgewachsen war. Doch ich hatte nie darauf reagiert oder weitere Fragen gestellt, vor allem nicht, ob sie noch Kontakt zu Andrik hatte. Es war nicht so, dass mich Liv nicht interessierte, aber es überforderte mich, dass es sie gab. Selbst als erwachsene Frau wusste ich nicht, wie ich damit umgehen sollte, dass mein Vater mir das Herz gebrochen hatte.

Tante Edda saß mit einer Tasse Kaffee auf einem der Holzgartenstühle und ließ ihren Blick über die Wiese schweifen, auf der mehrere Obstbäume standen. Ein Trampelpfad führte zu dem eigenen Bootssteg, wo die Pärla, ein weißes Holzboot, friedlich auf der Wasseroberfläche schaukelte. »Nicht unsere Städte und Dörfer sind unsere Heimat, es sind der Wald und die Natur«, hatte Tante Edda mir schon als Kind beigebracht, wenn sie mit mir durch ihren Garten gelaufen war und die Namen aller Pflanzen und Blumen aufgezählt hatte, die darin wuchsen. Während für viele Menschen das Leben in der Großstadt für Individualität und Freiheit stand, war es für die Leute hier die Natur, die sie aufblühen ließ. Mehr als die Hälfte Schwedens war mit Wäldern bedeckt. Etwas, das mir erst klargeworden war, nachdem meine Mutter und ich in das graue Frankfurt gezogen waren.

»Mandeltårta?«

Auf dem Gartentisch standen Brötchen, Einmachgläser mit Eddas selbstgemachten Marmeladen und eine Torte, die ich auf Anhieb identifizierte.

Meine Tante wandte sich mir zu und lächelte.

»Ich dachte, wir ziehen die Fika etwas vor, weil ich weiß, wie sehr du die Torte liebst.«

Mein Herz wurde vor Rührung butterweich. Wie sehr ich die Fika in Deutschland vermisst hatte — diese kleinen Kaffeepausen, die man mit Kollegen, Freunden oder der Familie verbrachte. Man trank starken Kaffee und aß dazu etwas Süßes. Meine Mutter und ich hatten versucht, die geliebte schwedische Tradition weiterhin zu zelebrieren, doch bei unserem neuen Alltag in Deutschland und ihren Arbeitszeiten als Köchin im Restaurant war das nicht möglich gewesen.

Mit knurrendem Magen setzte ich mich auf den Stuhl neben ihr, weil ich die Aussicht auf den See genießen wollte.

»Das ist lieb, danke, Edda. Einmal bin ich extra zu Ikea gefahren, nur um mir die tiefgekühlte Mandeltorte zu kaufen. Du weißt, ich habe kein Talent fürs Backen. Aber ich hatte solche Sehnsucht danach.«

»Dafür hast du das Kochtalent deiner Mutter geerbt.« Edda lud mir ein Stück Torte auf, während ich mir Kaffee eingoss.

Er war tiefschwarz und roch köstlich würzig. Ich schloss die Augen, als ich mir eine Gabel voll Torte in den Mund schob. Ich schmeckte Buttercreme, geröstete Mandeln und viele Erinnerungen.

»Allein dafür hat sich die Fahrt gelohnt«, murmelte ich und lächelte meine Tante an.

»Ich bin froh, dass du mein Angebot angenommen hast. Valentina ist schon ganz gespannt auf dich. Astrid kennst du ja bereits von deinen Besuchen.«

»Ich werde heute Nacht vor Aufregung bestimmt kein Auge zumachen.«

»Es gibt keinen Grund, nervös zu sein.« Edda legte eine Hand auf mein Bein. »Du schaffst das. Du bist doch keine Anfängerin mehr und wirst sehen, wie schnell du dich eingearbeitet hast. Wir machen es wie besprochen. Du begleitest uns drei im Wechsel bei den Hausbesuchen, und nach ein paar Tagen wirst du dann deine erste eigene Schwangere betreuen.«

»Weißt du schon, zu wem ich fahren werde?«

»Das erfährst du alles morgen früh bei der Teambesprechung.«

Nervös drehte ich meine Kuchengabel zwischen den Fingern. »Ich habe drei Jahre nicht mehr als Hebamme gearbeitet. Das ist eine lange Zeit.«

»Nicht, wenn es eine Berufung ist. Und das ist es in deinem Fall, Alma. Ich werde nie vergessen, wie du mich schon als Kleinkind über meine Arbeit ausgefragt hast. Du wolltest alles über die Geburt wissen, hast dir hochkonzentriert Bilder in Büchern dazu angeschaut. Dich hat nichts abgeschreckt, du warst nur fasziniert.« Sie musterte mich voller Stolz, was mich wegsehen ließ. Es fühlte sich furchtbar an, meiner Tante nicht die Wahrheit zu sagen. Doch ich brachte es nicht über mich.

»Du bist so ernst.« Edda musterte mich und neigte den Kopf zur Seite. »Was beschäftigt dich?«

»Es geht mir gut, es ist nur …«, ich stockte und atmete durch, »es war alles sehr aufregend in den letzten Tagen.«

Edda nickte, den Blick voller Verständnis.

»Der Abschied fiel dir sicher schwer, besonders von deinen Freundinnen und Freunden.«

»Ehrlich gesagt musste ich mich von niemandem verabschieden. In letzter Zeit habe ich mich von allen zurückgezogen.«

Falten bildeten sich auf Eddas Stirn. »Wieso hast du mir nie davon erzählt, wenn wir telefoniert haben? Ich hatte den Eindruck, dir geht es ganz gut. Auch wenn dir die Arbeit in der Augenarztpraxis keinen Spaß gemacht hat.«

»Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst«, gestand ich kleinlaut. »Ich dachte, dass es mit dem neuen Job bergauf geht, aber es wurde eher schlimmer.«

Edda presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. »Kein Wunder. Die Arbeit hat dich nicht erfüllt.«

In meinem Magen zwickte es, und plötzlich lag mir der leckere Kuchen wie ein Stein im Magen. Als ich Edda von meiner Kündigung im Krankenhaus berichtet hatte, war sie zu Recht überrascht gewesen. Ich hatte die wechselnden Schichten und die Unterbesetzung als Begründung vorgeschoben, und Edda hatte es mir abgenommen.

»Du wirst sehen, dass es dir bald besser geht. Wie kann es einem in Schweden inmitten der Natur nicht gutgehen?«

Ihr überzeugtes Lächeln ließ keinerlei Zweifel zu, und ich wünschte mir von Herzen, dass sie recht behielt.

***

Pünktlich um acht Uhr am nächsten Morgen saß ich mit meinen zukünftigen Kolleginnen in einem der Praxisräume. Edda hatte mich kurz herumgeführt, aber es hatte sich seit meinem letzten Besuch auch hier nichts verändert. Es gab ein Büro, in dem wir uns jetzt befanden, dazu zwei weitere Räume, die für die Geburtsvorbereitungskurse genutzt wurden. Das waren dreitägige Crashkurse, die kurz vor dem errechneten Termin stattfanden.

Durch Edda wusste ich, wie stark sich die Begleitung einer Schwangerschaft in Schweden von der üblichen Vorgehensweise in Deutschland unterschied. Hier gab es nur zwei Untersuchungen, die den Schwangeren zugeteilte Hebammen im Krankenhaus durchführten — zu Beginn der Schwangerschaft und um die zwanzigste...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2024
Reihe/Serie Northern Kiss
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte dark secret • Emmy Buckley • emotional scars • gestalteter Farbschnitt • Im Norden zu Hause • Kira Mohn • Maren Vivien Haase • New Adult • Northern Love • Outdoor • Romane Bestseller Frauen 2024 • Schweden • Schwedenliebe • Skandi • slowburn romance • Smalltown Romance
ISBN-10 3-10-491811-2 / 3104918112
ISBN-13 978-3-10-491811-2 / 9783104918112
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