Die Telefonistinnen - Stunden des Glücks (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
318 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-5614-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Telefonistinnen - Stunden des Glücks -  Nadine Schojer
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Vier Frauen zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder, Petticoats und Emanzipation

Köln, 1948. Der Wiederaufbau ist in vollem Gange. Es sind vor allem die Frauen, die für sich und ihre Familien in der zerstörten Stadt ein neues Leben aufbauen. Als Telefonistinnen sorgen Gisela, Hannelore und Julia in einer großen Versicherung für die richtigen Verbindungen zwischen innen und außen. Jede hat ihre eigene Geschichte, für jede von ihnen ist die Arbeit lebenswichtig, jede hat Geheimnisse. Auch Charlotte, die neue Kollegin, die auftritt, als gehörte ihr das Unternehmen. Während die junge Republik entsteht und in den Bars wieder getanzt wird, gehen die Frauen gemeinsam Schritt für Schritt voran in eine neue Welt, die von Umbrüchen, Sehnsüchten und Träumen geprägt ist ...

Ein bewegender Roman um Verlust und Neuanfang, um Freundschaften und neue Liebe



<p class="MsoNormal"><strong>Nadine Schojer</strong> ist Tourismus-Managerin und lebt mit Mann und Tochter in ihrer Wahlheimat Wien. Sie reist leidenschaftlich gern, liebt Köln und interessiert sich brennend für die Fünfzigerjahre, eine Zeit, »in der so viel neugestaltet werden musste, vor allem von Frauen«. Unter Pseudonym hat Nadine Schojer bereits mehrere Romane veröffentlicht, zuletzt bei Lübbe den Liebesroman <strong>WIENER MELANGE FÜR ZWEI</strong>.<br /></p>

KAPITEL EINS


»Wie viel kriegen wir, Mama?«, fragte Peter und sah Gisela mit erwartungsvollen Augen an, in denen all der Glanz lag, den sie in den letzten Jahren verloren hatten. So viel Leid, das der Krieg gebracht hatte, und nun so viel Hoffnung, die in das Herz ihres Sohnes und in ihr eigenes zurückgekehrt war.

»Erst mal achtzig Mark. Vierzig Deutsche Mark für dich, junger Mann, vierzig für mich«, antwortete sie.

»Und morgen kaufen wir den neuen Brettspielkoffer. Du hast es versprochen!«

Gisela lächelte. Endlich konnte sie ihrem Kind wieder einen Wunsch erfüllen. »Du bekommst den ganz großen! Versprochen.«

Stolz strich sie ihrem Sohn über das dunkelblonde Haar, das in der Sonne dieses Junitages 1948 wie ein Kornfeld schimmerte. Mit der Währungsreform sollte so vieles besser werden. Unzählige Verheißungen hingen in der Luft, sie waren zum Greifen nah. Ihr war, als könne sie die angepriesenen Waren, die bald wieder in den Ladenregalen liegen würden, schon riechen. Düfte, die viel zu lange aus ihrem Leben verschwunden gewesen waren.

Aus ganz Köln kamen die Leute zusammen und stellten sich erwartungsvoll in die Reihen, die sich vor den Ausgabestellen für die Deutsche Mark gebildet hatten. Es war ein angenehm warmer Sonntagmorgen. Die Sonne blinzelte an den Türmen des Doms vorbei, die sich hinter der Lebensmittelkartenstelle, in der Gisela und Peter für das »Kopfgeld« anstanden, in den Himmel reckten. Ein Vogel hob sich schwungvoll hinauf zur Spitze des Südturms, und Gisela vernahm das fröhliche Pfeifen eines jungen Mannes, der wenige Reihen hinter ihnen das Gezwitscher nachahmte und damit seine Familie unterhielt.

Die Warteschlange war lang, ebenso die Geduld der Menschen. Manche hatten sich Hocker oder Kisten mitgebracht und sich darauf niedergelassen.

»Was werden Sie mit dem neuen Geld anstellen?«, fragte ein weißbärtiger Mann mit Kappe seinen Nachbarn, der auf einem großen Karton saß und sein rechtes versehrtes Bein von sich gestreckt hatte.

»Eine Flönz. Eine richtig deftige Flönz gönn ich mir. Und dazu ein frisch gezapftes Kölsch. Gleich morgen geh ich zum Metzger Hennes. Hoffentlich hat er dann auch eine. Aber der Hennes hat immer die besten Würste in der ganzen Stadt gehabt. Den kennen Se doch, oder?«

»Ja, ja. Hab ich schon von gehört. Aber ich geh immer zum Horst Otto in der Richmodstraße. Dem seine Leberwürste sind ein Genuss … und wenn er frische Blutwurst hat, steht’s auf der Tafel vor dem Laden«, erwiderte der Mann und schob seine Kappe zurecht.

Gisela hatte Blutwurst nicht einmal zu Kriegszeiten vermisst, aber für Heinrich, ihren verschollenen Mann, hatte sie sie oft gekauft. Nur in der Metzgerei Stürmer, eine andere hatte er nicht gegessen. Scharf angebraten, mit Himmel un Ääd, Kartoffel-Apfel-Püree, so mochte er Blutwurst am liebsten. Wie wählerisch die Männer manchmal sind, dachte Gisela und schmunzelte.

Ein lautes Kinderlachen übertönte für einen Moment das Essensgespräch, in dem es sich jetzt um Sauerbraten drehte.

»Na, wenn mein Göttergatte überhaupt mal was kochen würde, wäre mir schon geholfen«, sagte die Ehefrau des weißbärtigen Mannes, die zu Gisela aufgerückt war.

»Mein Heinrich, der kann auch nur gut essen.« Gisela lachte verhalten. »Als ich schwanger war und die letzten drei Monate liegen musste, ist er mir in der Küche zur Hand gegangen. Aber hat mir immer die Kartoffeln verkocht.«

Die Ehefrau schickte ein Stoßgebet gen Himmel. »Meiner weiß noch nicht mal, dass man Kartoffeln überhaupt kochen muss.«

Einige Frauen in der Warteschlange nickten und grinsten sich zu.

»Wünsch dir was, Anne!«, rief ein lachendes Mädchen, hüpfte mit wippendem honigblondem Haar zu ihrer Freundin und hielt ihr eine Pusteblume hin. Sogleich pustete diese an den Kopf des abgeblühten Löwenzahns, und die feinen Härchen schwammen in der Luft, flogen weit davon, Richtung Dom. »Komm, wir laufen hinterher! Wer als Erstes dort ist!« Das Mädchen zeigte auf die Bischofskirche.

»Eins, zwei, dr…«, zählte Anne, aber da lief ihre Freundin bereits los. »Hey, warte auf mich!« Anne rannte ihr nach.

»Unser Dom«, bemerkte eine junge Frau, die rechts von Gisela stand und die Kinder ebenso beobachtet hatte. Vor ihr auf dem Boden spielte ihre kleine Tochter mit einem Sonnenhut. »Hätten sie den auch erwischt, stünden wir alle nicht hier. Zweihundertzweiundsechzig Mal sollen die Alliierten die Stadt bombardiert haben, hat mir mein Mann erzählt. Wussten Sie das? Und der Nordturm hat nur eine Plombe davongetragen.«

Gisela nickte. »Schon ein Wunder, ja.«

Im November 1943 hatte eine Fliegerbombe den Stützpfeiler so stark beschädigt, dass die Stabilität des Turmes gefährdet war. Doch die Kölner hatten dem Unheil getrotzt, indem sie das riesige Loch im Frühjahr 1944 mit Ziegelsteinen gestopft hatten.

»Dem Dom ist es zu verdanken, dass die Menschen wieder in die Stadt zurückgekommen sind. Hätten sie ihn auch dem Erdboden gleichgemacht, dann wäre Köln leer geblieben«, fuhr die junge Frau fort.

»Bestimmt.« Nie würde Gisela vergessen, was sich vor nicht allzu langer Zeit auf der Pattonbrücke abgespielt hatte, als Heerscharen von Menschen zu Fuß in die Stadt zurückgekehrt waren.

»Jetzt hab dich nicht so, Bärbelchen!«, sagte die Frau, die sich eben noch mit Gisela unterhalten hatte. »Setz den Hut auf, sonst wird dir wieder von der Sonne übel! Und dann musst du den ganzen Tag im Bett bleiben. Außerdem ist der doch so hübsch!« Sie beugte sich zu ihrer kleinen Tochter hinunter und setzte ihr den Hut auf. »So ist’s gut. Richtig süß, ja.«

»Aber ich mag den nicht!«, rief das Mädchen und warf den Hut auf den Boden. Sie streckte ihrer Mutter die Zunge heraus und verschränkte die Arme.

»Jetzt sei ja artig!« Ein kleiner Klaps auf den Po folgte.

Bärbelchen riss sich den Hut wieder vom Kopf.

»Schon mit vier ein Sturschädel, mein Mädchen«, seufzte die Mutter und steckte den Hut in ihre Tasche.

»Das wird bestimmt auch nicht besser«, sagte Gisela und zeigte auf Peter, der sich gerade aus seiner Weste schälte.

»Viel zu warm, Mama.« Peter drückte seiner Mutter das Kleidungsstück in die Hand und stellte sich auf seine Zehenspitzen, um besser über die Menge blicken zu können.

»Wieso dauert das eigentlich so lange?«

Mit seinen zwölf Jahren war er es gewohnt, dass alles ganz schnell gehen musste. Mehr als einmal waren er und seine Mutter vor dem Bombenhagel weggelaufen, um sich im nächstgelegenen Luftschutzkeller in Sicherheit zu bringen. Und beinahe täglich war er am Hauptbahnhof und in der Umgebung des Doms herumgeschlichen, um mit raschen, unauffälligen Handgriffen Lebensmittel zu »organisieren«, ehe die »Schmier«, die Polizei, kam und eine Razzia durchführte. Vor allem auf den Schwarzmärkten, auf denen er sich in den letzten Jahren mit seinem besten Freund Albrecht herumgetrieben hatte, galt es, schnell zu sein. Man wartete nicht, sondern organisierte, und darin war Peter gut geworden. In den zerbombten Straßen Kölns hatte er mehr fürs Leben gelernt als in der Schule.

Nicht selten hatte er den Unterricht geschwänzt und Gisela statt Hausaufgaben eine Dose Fett mit nach Hause gebracht, was auch nach dem Krieg noch absolute Mangelware war. Gisela wollte gar nicht wissen, wie ihr Junge es angestellt hatte, und hätte Peter dafür am liebsten ausgeschimpft, aber dann hatte sie seine leuchtenden Augen und sein stolzes Gesicht gesehen und geschwiegen.

Sie war dankbar für die Ausbeute gewesen und doch traurig darüber, dass Peters Kindheit einfach weggewischt worden war wie die Altstadt Kölns, Anfang 1946, als der Rhein über die Ufer getreten war und das Hochwasser ganze Straßen verschluckt hatte. Wie gern hätte sie ihrem Sohn die verlorenen Jahre zurückgegeben, sie wie glänzende Perlen auf eine Kette gefädelt, damit ihm eine schöne Erinnerung nach der anderen in den Sinn kam, wenn er auf seine Kindheit zurückblickte. Aber stattdessen klebte an ihnen der Staub der Straßen, der noch immer auf den Ruinen der Stadt lag.

Peter war inzwischen fast so groß wie seine Mutter. Sein Gesicht, vor allem die markante Kinnlinie und die hohen Wangenknochen hatten kaum noch etwas Kindliches und ähnelten immer mehr denen von Heinrich. Die Gespräche mit ihrem Sohn waren oft von einer Ernsthaftigkeit, die besser zu zwei Erwachsenen gepasst hätte. Zusammen hatten sie nicht nur den Krieg überlebt, sondern auch den Hungerwinter 1946/47 überstanden. Nach all der trostlosen Zeit lag endlich nun eine hellere Zukunft vor ihnen.

Unruhig hüpfte Peter weiter von einem Bein auf das andere und lugte immer wieder an den vielen Menschen vorbei, die artig in der Schlange ausharrten. »Wahrscheinlich ist das Geld nichts mehr wert, wenn wir dran sind.« Er zuckte mit den Schultern und schwieg einen Moment. »Aber egal, dann spazieren Brecht und ich einfach wieder zum Rheinufer und organisieren was«, sagte er dann. Es klang, als würde er mal eben zum Fußballspiel auf die Straße gehen.

»Damit ist jetzt Schluss!« Gisela zog ihn dichter an ihre Seite. Meist brachten Peter und Albrecht von ihren Streifzügen nur ihre dreckverschmierten Gesichter mit nach Hause, manchmal aber auch ein freches Grinsen und geschwärzte Hände, in denen ein Stück Kohle lag. Gisela selbst hatte viel zu oft mit der Lebensmittelkarte und einem leeren Flechtkorb in der Hand Schlange gestanden, um etwas Brot, Milch, Zucker, Mehl, Kartoffeln, ab und an auch ein zähes Stück Fleisch zu ergattern. Geduldig hatte sie...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2024
Reihe/Serie Die Telefonistinnen-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte bewegend • Emanzipation • Emotional • Feel-Good-Romane • Frauenfreundschaft • Freundschaft • Köln • Kriegsheimkehrer • Liebe • Mut • Nachkriegszeit • Rheinland • späte Vierzigerjahre • Telefonistinnen • Telefonvermittlung • Währungsreform • Wiederaufbau
ISBN-10 3-7517-5614-0 / 3751756140
ISBN-13 978-3-7517-5614-3 / 9783751756143
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