Versprich mir Morgen (eBook)
384 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44617-1 (ISBN)
Anne Lück wurde 1991 in Sachsen-Anhalt geboren. Schon im Kindergarten dachte sie sich Geschichten aus, mit dreizehn schrieb sie ihren ersten Roman. Nach einer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitete sie in einer renommierten Klinik im psychiatrischen Kinder- und Jugendbereich in Berlin als Betreuerin und Schreibtherapeutin. Mittlerweile hat es sie nach Leipzig verschlagen, wo sie die Nähe zu Familie und Freunden genießt und sich neben der Arbeit in einer Klinik endlich mehr Zeit zum Schreiben nimmt.
Anne Lück wurde 1991 in Sachsen-Anhalt geboren. Schon im Kindergarten dachte sie sich Geschichten aus, mit dreizehn schrieb sie ihren ersten Roman. Nach einer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitete sie in einer renommierten Klinik im psychiatrischen Kinder- und Jugendbereich in Berlin als Betreuerin und Schreibtherapeutin. Mittlerweile hat es sie nach Leipzig verschlagen, wo sie die Nähe zu Familie und Freunden genießt und sich neben der Arbeit in einer Klinik endlich mehr Zeit zum Schreiben nimmt.
Kapitel 1
Alica
An einem der Balkone im vierten Stock des Wohnheims hing ein Typ, der nur mit einem Handtuch bekleidet war.
Ich war gerade auf den schmalen Gehweg getreten, der von der Straße aus zu dem kleinen Gebäude hochführte, als er mir ins Auge fiel. Es war spät am Nachmittag, kurz nach vier Uhr, aber hier in der Gegend waren trotzdem kaum Menschen unterwegs. Schon als ich mit dem Taxi durch die Straßen von Tegel immer weiter an den äußeren Rand des Viertels gefahren war, war mir das aufgefallen. Berlin war hier heute wie leer gefegt – abgesehen von mir und dem Handtuchtypen da oben.
Stirnrunzelnd blieb ich stehen und legte den Kopf in den Nacken, während ich die große Tasse mit der kleinen Erdbeerpflanze darin an mich drückte. Was zum Teufel tat er da oben?
Der Kerl hatte gerade ein Bein um die Abtrennung zwischen zwei Balkonen geschlungen, und das weiße Handtuch um seine Hüfte wehte im warmen Herbstwind. Er hatte es fest genug um sich gebunden, sodass er nicht mehr zeigte, als eh schon frei war – definierte Arme, angespannte Rückenmuskeln und schwarze Haare, die seinen Nacken umschmeichelten, als er sich etwas von der Brüstung des Balkons abstieß. Außerdem wanden sich überall über seine Haut Tattoos. Schwarze Linien, dunkle Ringe um seine Arme, kleine Figuren, die ich aus der Ferne nicht erkannte, einzelne Wörter, die von hier unten ebenfalls nicht lesbar waren.
Ein paar Momente hing er in der Luft, und ich merkte, dass ich den Atem angehalten hatte. Er fällt gleich, fuhr es mir durch den Kopf. Er fällt gleich vier Stockwerke in die Tiefe. Aber das tat er nicht. Stattdessen drehte er den Körper beinahe elegant, sein Fuß berührte die Brüstung des anderen Balkons, und dann sprang er ganz leichtfüßig in Sicherheit. Nur in ein Handtuch gekleidet hatte er es geschafft, sich wie Tarzan von einem Balkon auf den anderen zu schwingen. Eine beeindruckende Leistung, warum auch immer er das getan hatte.
Als sich der Schreck ein wenig von mir löste, bewegten sich meine Hände wie von selbst. Ich klemmte die Erdbeerpflanze zwischen Arm und Brust und klatschte, als wäre ich bei einer Zirkusvorstellung.
Bravo, du hast überlebt.
Der durchtrainierte Rücken des Typen spannte sich an, als das Geräusch zu ihm nach oben schallte, und kurz darauf fuhr er zu mir herum. Zu sehen bekam ich dadurch eine ansehnliche, braun gebrannte Brust und einen flachen Bauch, beide ebenfalls mit Tattoos verziert. Das konnte ich selbst auf die Distanz sehr gut ausmachen.
Eine Sekunde lang starrte er mich beinahe ein wenig erschrocken an, ehe seine Mundwinkel nach oben wanderten. Sein Grinsen erhellte sein ganzes Gesicht, und dann trat er an die Brüstung und hob die Arme. Wie ein Preisboxer, der sich nach seinem Sieg von der Menge feiern ließ.
Mir entfuhr ein Lachen, und ich ließ die Hände wieder sinken. Er zwinkerte mir noch einmal zu und verschwand schließlich im Inneren des Zimmers, das hinter dem Balkon lag. Erst in diesem Moment wurde mir klar, dass ich vielleicht jemandem applaudiert hatte, der gerade ein Verbrechen beging. War er in einem anderen Zimmer eingebrochen?
Unwahrscheinlich, nur mit einem Handtuch bekleidet.
Dann vielleicht aus einem Bett geflohen? Weil ein Partner unerwartet zurückgekommen war?
Ich schüttelte den Kopf und beschloss, dass das eher nicht mein Problem war. Direkt an meinem ersten Tag in Berlin wollte ich meine Nase ganz sicher nicht in Angelegenheiten stecken, die mich in Schwierigkeiten bringen konnten. Aber zumindest hatte diese skurrile Szene dazu geführt, dass ich nun mit einem Schmunzeln auf die Tür des Wohnheims zuging. Die Nervosität, die mich beim Aufwachen heute Morgen überfallen und seitdem nicht mehr losgelassen hatte, war beinahe komplett aus meinem Kopf verschwunden.
Mit etwas mehr Zuversicht, als ich sie vor ein paar Minuten noch gehabt hatte, drückte ich die Tür auf und trat in den lichtdurchfluteten Flur. Meine große Sporttasche schnitt ein wenig in meine Schulter ein, so voll hatte ich sie gestern Abend gepackt, und auch der Koffer ließ sich nur schwer über den Fliesenboden bewegen. Doch irgendwie schaffte ich es, vorbei an einem kleinen, geschlossenen Kiosk und der Reihe an Briefkästen, auf denen einige Namen den Zusatz »Dr.« davor hatten, dann stand ich endlich vor dem Aufzug.
Er ratterte nur langsam aus dem obersten Stockwerk nach unten, und das gab mir einen Augenblick, um durchzuatmen und mein Handy aus der Jeans zu ziehen. Ich rief die E-Mail auf, die ich vor zwei Wochen bekommen hatte, und scrollte bis zu dem Absatz »Einzug im Wohnheim« runter. Mein Magen kribbelte vor Aufregung, als ich die Worte überflog. Es war immer noch absurd, was hier gerade passierte. Was ich hier machte, so weit weg von zu Hause. Von meiner Familie. Von allem, was ich kannte und was mir vertraut war.
Als ich gestern mit dem Zug in Berlin angekommen war, war ich mir ein wenig wie ein Alien vorgekommen, weil es so anders war als München. Dreckiger irgendwie. Chaotischer, was vor allem an den vielen vollkommen unterschiedlich aussehenden Menschen lag. Aber irgendwie auch lebendiger. Summender. Voller Straßenmusiker und Geschrei und Lachen, voller Baustellenlärm und lauten Gesprächen in allen möglichen Sprachen. Es war schwer zu beschreiben, aber die Stadt hatte mich sofort gleichzeitig angezogen und abgestoßen. Wie ein Magnet, der beide Pole auf der gleichen Seite hatte.
Und auch jetzt pochte mein Herz laut in meiner Brust.
»Erster Stock«, wiederholte ich das, was in der Mail stand, um mich irgendwie selbst zu beruhigen. »Karl Schulz, der Hausmeister, hat den Zimmerschlüssel. Einfach dort melden.«
Die Aufzugtüren gingen auf, und ich zog den Koffer in den kleinen, beleuchteten Kasten. Von den verspiegelten Wänden blickte mir mein Gesicht entgegen, und ich versuchte, die blonden Haare etwas zu ordnen. Es war kein guter Tag für einen Bad Hair Day, aber ich hatte sie heute nicht einmal mit einem geflochtenen Zopf bändigen können. Jetzt, zwanzig Minuten nachdem ich das Hotel verlassen hatte, sprangen mir schon wieder einzelne Haare aus allen Richtungen ins Gesicht und in die Luft. Ich sah so chaotisch aus, wie Berlin sich anfühlte. Aber vielleicht passte ich damit jetzt ein bisschen besser hierher.
Ich strich mir ein paar der Strähnen aus den grünen Augen, glättete die glänzende Bluse und atmete tief durch. Alles wird gut. Du kriegst das hin.
Als die Aufzugtüren sich im ersten Stock wieder teilten und ich nach meinem Koffer griff, hallte mir eine laute Stimme aus dem Flur entgegen.
»… muss es doch einen Weg geben«, flehte jemand, dem Klang nach eine junge Frau.
Ein Mann antwortete in genervtem Tonfall: »Ich habe deinem Bruder schon dreimal gesagt, dass er den Kopf zusammennehmen soll. Er hat bereits den Zweitschlüssel, weil er den ersten irgendwo verloren hat. Und jetzt schon wieder so etwas.«
Ich zog den Koffer in den Flur und sah mich um. Das Treppenhaus war eng und dunkel, aber von der linken Seite fiel ein Sonnenstrahl auf den gefliesten Boden. Die Tür auf dieser Seite stand offen und führte zu einem weiteren Flur mit weiteren Türen. Die Stimmen kamen aus dieser Richtung.
Neugierig warf ich einen Blick um die Ecke.
Ein paar Meter entfernt stand eine junge Frau im Flur. Ich schätzte sie auf etwa mein Alter – neunzehn, höchstens zwanzig Jahre. Sie schüttelte gerade den Kopf und quetschte etwas in ihrer Hand, das vielleicht ein plüschiger Stressball war. »Karli, was glaubst du denn, wie oft ich ihm das schon gesagt habe? Ich bin am Ende meines Lateins. Und es tut mir leid, dass ich zu dir kommen muss, aber was soll ich denn sonst tun? Er hat sich ausgeschlossen und steht jetzt nur im Handtuch oben im Flur. Du musst ihm das Zimmer aufbrechen. Bitte.«
Der Mann, den ich nicht sehen konnte, weil er in einem der offenen Zimmer stand, schnaubte belustigt.
»Hat dein Bruder schwarze Haare?«, fragte ich, während ich auf sie zuging. »Und Tattoos auf dem ganzen Oberkörper?«
Verwirrt sah sie mich an. »Ja?«, sagte sie schließlich gedehnt.
»Dann hat er sein Problem schon selbst gelöst.« Grinsend deutete ich mit dem Finger nach oben. »Ich habe gerade draußen gesehen, wie er von einem Balkon auf den anderen geklettert ist.«
Innerhalb eines Herzschlages wurde das Mädchen noch blasser, als es eh schon war. »Nein«, hauchte sie.
»Doch.« Ich nickte.
»Nur im Handtuch?«
»Nur im Handtuch«, bestätigte ich.
Sie starrte mich völlig entsetzt an. Eine Mischung aus kratzigem Lachen und Raucherhusten drang aus dem Zimmer, vor dem die junge Frau stand. Nur eine Sekunde später steckte ein älterer Mann mit schulterlangen rötlichen Haaren und unordentlichem Bartwuchs den Kopf nach draußen. Er funkelte mich amüsiert an, bevor er sich wieder der Frau zuwandte. »Sieht aus, als müsste ich das Zimmer nicht aufbrechen. Sind doch gute Nachrichten, oder, Emilia?«
»Ich werde ihn umbringen«, sagte die junge Frau, Emilia, und fuhr sich durch die hellbraunen Locken, bevor sie ein Handy aus ihrer Tasche zog und wütend darauf herumhackte.
»Ist ja anscheinend alles gut gegangen«, beruhigte Karli sie. Karl Schulz, der Hausmeister, vermutete ich. Er sah mich fragend an. »Oder?«
Ich beeilte mich, zu nicken. »Er ist heil angekommen.«
»Siehst du. Kein Grund zur Panik, Emilia.« Karli lachte, es ging wieder in ein Husten über, bevor er den Blick über meine Taschen schweifen ließ. »Ah, noch eine neue Auszubildende?«
»Ja, richtig. Ich sollte mich heute hier melden und meinen Schlüssel holen.«
Seine Augenbrauen zuckten nach oben....
Erscheint lt. Verlag | 2.4.2024 |
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Reihe/Serie | Die Berlin-in-Love-Dilogie | Die Berlin-in-Love-Dilogie |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Anne Lück • Ausbildung • Berlin • Bestseller-Autorin • Erste Liebe • Erwachsenwerden • found family • Freunde • Freundschaft • knaurromance • Knaur Romance • krankenhaus liebesroman • krankenhaus romane • Krankenpfleger • Krankenpflegerin • Krankenschwester • Liebe im Krankenhaus • Liebesroman • Neue New Adult Serie Anne Lück • New Adult • new adult deutsch • New Adult Krankenhaus • new adult liebesroman • New adult Romance • Romance • Schule • St. Alex • St.-Alex-Reihe • Verlustängste • WG • Wohngemeinschaft • Wohnheim • Zeig mir Für immer |
ISBN-10 | 3-426-44617-0 / 3426446170 |
ISBN-13 | 978-3-426-44617-1 / 9783426446171 |
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