Sommerglück auf Sylt (eBook)

Roman
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2024 | 1. Auflage
480 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-30435-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sommerglück auf Sylt -  Stephanie Jana,  Ursula Kollritsch
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Drei Freundinnen, ein turbulenter Sommer auf Sylt und das pure Glück ...
Als Lou der hektische Alltag als Modedesignerin in Berlin zu viel wird, haben sie und ihre besten Freundinnen Nette und Kati die rettende Idee: eine gemeinsame Auszeit auf Sylt. Die malerische Nordseeinsel ist der perfekte Ort, um zur Ruhe zu kommen und neue Kraft zu schöpfen. Doch die charmante Unterkunft, die sie auf die Schnelle gebucht haben, entpuppt sich bei der Anreise als heruntergekommenes Kapitänshaus, das es zu renovieren gilt. Und auch in Sachen Liebe wird das Leben der drei Freundinnen gehörig durcheinandergewirbelt. Nicht nur Lou muss am Ende des Sommers eine Entscheidung treffen, die ihr Leben für immer verändern wird ...

Stephanie Jana ist selbstständige Autorin und Lektorin. Sie lebt mit ihrer Familie in Gießen und Frankfurt am Main.

Gemüse am Boxhagener Platz


Als Lou Berger an diesem verhexten Morgen einen riesigen Rotkohl auf ihren Kopf zurollen sieht, nachdem sie völlig gestresst und in Gedanken versunken am Boxhagener Platz einen Gemüsestand gerammt hat und zu Boden gegangen ist, wird ihr klar, dass sich etwas in ihrem Leben grundlegend ändern muss. So geht das auf gar keinen Fall weiter!

Der Kohl hat ein Mordstempo drauf. In letzter Sekunde versucht Lou, Schlimmeres abzuwenden – sofern das in ihrem engen Rockabella-Kleid überhaupt möglich ist –, und dreht sich reflexartig auf die andere Seite. Aber zu spät, das Ding knallt trotzdem mit voller Wucht gegen ihren Schädel. Kurz wird ihr schwindelig, die Pünktchen auf ihrem Stoff tanzen Polka, da prasselt auch von oben noch mehr Gemüse auf sie herunter. Einige Radieschen plumpsen auf ihren Bauch, andere kullern in ihren Nacken. Das Grünzeug von einem Bund Möhren hinterlässt Spuren in ihrem Mund. Spuckend befreit sie sich von den Resten, so gut es geht. Lou will gar nicht wissen, wie ihr Lippenstift jetzt aussieht. Fest kneift sie die Augen zusammen, ihr Rücken schmerzt vom Aufprall, und wie aus dem Off ertönt jetzt ein lautes Klagen der türkischen Marktfrau. Dann hört sie noch mehr Stimmen, die jetzt langsam zu ihr durchdringen und aufgeregt rufen.

»Ojemine, ojemine, aman Tanrim, aman Tanrim, du meine Güte …«, jammert die Marktfrau, die sich nun über Lou beugt und ihr prüfend auf die Stirn fasst wie eine Mutter ihrem fiebernden Kind.

»Meine Güte«, wiederholt Lou müde. Schrecklich müde fühlt sie sich vielmehr und kraftlos dazu. Aber nicht erst seit ihrem Sturz eben. Bloß hat sie das bisher einfach ignoriert. Wie eine Getriebene hastet sie durch ihr Leben. In Wahrheit verdammt lange schon. Als wäre jemand hinter ihr her. Und das Ergebnis, was bleibt unterm Strich? Ihr Vintage-Klamottenladen deckt gerade so ihre Ausgaben, und das auch nur, weil sie dafür beinahe jede freie Minute investiert. Wann hat sie eigentlich das letzte Mal eine richtige Pause gemacht? Ja, eine Pause von ihrem Leben. Jetzt zum Beispiel. Am liebsten würde sie einfach liegen bleiben. »Liegen ist Frieden«, kommt ihr ein Lied in den Sinn. Das will sie jetzt auch, mitten auf der Straße, zwischen Lauchstangen, Salat, Kartoffeln, Sellerie, Zucchini und Wirsing. Soll die Welt doch sehen, wie sie ohne Lou Berger zurechtkommt. Etwas Labbriges fällt in ihren Ausschnitt, sie ignoriert es. Lou kneift die Augen zusammen. Die Marktfrau wird lauter, versucht, zu ihr durchzudringen, aber Lou mag nicht reagieren. Wie von weither hört sie die Stimmen, während sich die Radieschen weiter in ihren Nacken pressen. Ganz kurz nur, bitte liebes Universum, ein paar Minuten Ruhe, ein bisschen hier liegen dürfen und nicht funktionieren müssen …

Jemand beugt sich über sie und zieht immer wieder am Saum ihres Kleids. Ein Mann mit türkischem Akzent fragt: »Hey du, alles gut? Du verletzt? Hallo?« Sie will sich erneut tot stellen, aber da kitzelt etwas in ihrer Nase, und sie muss niesen. Es hilft wohl nichts, wegbeamen kann sie sich nicht. Widerwillig öffnet Lou ihre Lider, aber bloß halb, und schaut sich die Misere um sich herum an. Eine kleine, aufgeregt murmelnde Menschentraube hat sich gebildet. Ein Blick zeigt ihr genervt-gelangweilte Berliner gemischt mit ein paar erschrockenen Touris. Davor hat sich die Marktfrau mit Kopftuch und gestreiftem Kittel wie eine besorgte Walküre aufgebaut, und der junge Mann von eben, der ihr übrigens wie aus dem Gesicht geschnitten ist, beugt sich fürsorglich über Lou und fragt wieder: »Du verletzt?«

»Finger weg! Die Lady gehört zu mir! Darling, ich komm schon!«, brüllt plötzlich eine ihr wohlbekannte Stimme aus dem Hintergrund und kämpft sich mit »Achtung, darf ich mal, lasst mich sofort zu ihr! Immediately!« zwischen den Neugierigen durch. Die Menge teilt sich. Lou lächelt erleichtert. Ein Glück, Jeff ist da. Ihre einzige Aushilfe im Laden und engster Vertrauter in ihrem Kiez, geboren in San Francisco und nach einem Deutschlandtrip vor mehr als fünfzehn Jahren aus Liebe in Berlin hängen geblieben. Er ist ihr Retter in sämtlichen Notlagen, sofern sein Ehemann, der den veganen Burgerladen nebenan betreibt, ihn nicht braucht. Jetzt wird alles gut. Er weiß immer, was zu tun ist, von der Reparatur ihrer Waschmaschine bis zur besten Lippenstiftfarbe zum neuen Kleid, der korrekten Ansprache von Behörden, ja sogar welcher Drink zu welcher Stimmung und Mondphase passt.

Da steht er auch schon mit roten Wangen und Schweiß auf der Stirn vor ihr: aufgeknöpftes Westernhemd, schwarze Elvis-Tolle, kugelrund und vollbärtig, riesige baumelnde Creolen an beiden Ohren.

»Was machst du denn für Sachen, Schätzchen?«, fragt Jeff kopfschüttelnd und offensichtlich besorgt. Lou weiß darauf keine Antwort, also zuckt sie nur hilflos mit den Schultern, sofern das im Liegen überhaupt geht.

»Du bist ja völlig neben der Spur!«, stellt er scharfsinnig fest, verschafft sich einen pragmatischen Überblick und hebt dann ihre Tasche auf. Die Marktfrau und ihr Sohn reden weiterhin ununterbrochen auf sie ein, reichen ihr ein Handtuch. Mittlerweile findet Lou daran richtig Gefallen. Endlich kümmert sich mal jemand um sie. Da steckt wenigstens Temperament dahinter und Mitgefühl, läuft mal was nicht im Gleichklang, sondern aus der Reihe, brennt ein Feuer in denen.

»Jetzt du, Darling! Lou, schau mich an, mithelfen bitte, hoch mit dir, los!«, unterbricht Jeff ihre Gedanken und zerrt sie auch schon am rechten Arm nach oben. »Eins, zwei, drei – hopp!«, ruft er wie zu einem Kind. Sie gibt sich einen Ruck, berappelt sich und kommt schließlich mit seiner Hilfe stöhnend in den Stand. Der ganze Körper tut weh, und Lou fühlt sich nach wie vor weggetreten. Ihr Kopf brummt. War sie am Ende kurz ohnmächtig?

»Ts-ts-ts«, murmelt Jeff kopfschüttelnd. Er klopft ihr Kleid ab, entfernt Staub und mit spitzen Fingern ein paar mittlerweile schmierige Salatblätter aus ihrem Ausschnitt. Dann wühlt er in seiner Hosentasche, holt einen Schein heraus – Lou kann nicht erkennen, ob es fünfzig oder hundert Euro sind – und drückt ihn der Marktfrau mit einem charmanten Lächeln in die Hand. »Hier für Sie, junge Dame, für die Umstände, bitte entschuldigen Sie den Fauxpas meiner Freundin. Sie ist aktuell nicht … auf der Höhe. Sie verstehen?«

Diese schaut überrascht, lächelt und prüft fachkundig die Echtheit des Scheins. Danach winkt sie Lou und Jeff mit einer wedelnden Handbewegung davon, sicher will sie die »Störung« endlich loswerden, damit sie ihren Stand wieder aufbauen kann. Vielleicht ist ja doch einiges zu retten. Ihr Sohn blickt allerdings skeptisch und ruft ihnen etwas wie »Nächste Mal besser aufpassen, Augen auf! Hörst du?« hinterher.

Jeff pariert lässig mit einem »Machen wir, Schätzchen!«, hebt freundlich die Hand zum Gruß und schleppt Lou durch die tuschelnde Menge Richtung Krossener Straße. Erst jetzt merkt sie, wie unfassbar peinlich ihr die ganze Aktion hier ist. Sie spürt, wie ihr Gesicht knallrot anläuft.

Nach einer Weile sagt er in einem Ton, der keine Widerrede zulässt: »So, ich mach dir bei uns in der Burgerbude jetzt erst mal einen richtig starken Kaffee. Wir sind alleine, mein Süßer hat Spätschicht. Und etwas essen wirst du auch, und zwar Rührei mit Toast! Du brauchst jetzt eine richtige Grundlage. Mit Joghurt und Obst fangen wir gar nicht erst an. Und dann erzählst du mir in aller Ruhe, was mit dir los ist!«

Lou stöhnt laut auf. »Ach Jeff, wenn ich das nur selbst wüsste …«, bricht es aus ihr heraus, und auf einmal spürt sie eine seltsame Wehmut in sich aufsteigen.

Der gute Jeff, obwohl wesentlich kleiner als sie, legt beschützend den Arm um sie. »Aber ich weiß es. Meine Blitzdiagnose lautet, du brauchst dringend eine Auszeit, und zwar schnell. Bevor du nicht nur deinen Kopf, sondern auch dich selbst verlierst.«

Mit einem lauten Seufzer schließt er die Eingangstür auf und drückt sie bei den Essplätzen auf den erstbesten Stuhl. »Nicht weglaufen!«, scherzt er und verschwindet hinter dem Tresen.

Lou schnieft und wischt sich heimlich die Träne weg, die ihr über die Wange gekullert war. Sie will jetzt nicht komplett die Fassung verlieren. Natürlich hat er recht. Jeff hat immer recht. Sie kennt praktisch niemanden, der so empathisch ist wie er. Sie muss hier mal weg. Ein Urlaub wird da nicht ausreichen, zu tief und zu lange steckt sie schon fest. Und wofür? Was sie braucht, ist eine echte Auszeit, genau wie er gesagt hat. Oder wie hat Lou es vorhin für sich formuliert, als sie nach ihrem Sturz auf dem Boden lag und vor sich hin sinnierte: eine Pause vom Leben …? Am liebsten am Meer, denkt sie. Den ganzen Sommer über, das könnte bestimmt helfen … Wann war sie überhaupt das letzte Mal am Meer gewesen?

Da kommt sie, die Idee. Ja, genau, warum eigentlich nicht?

Und während Jeff noch fröhlich hinter dem Tresen trällert »Kaffee ist gleich da-ha!«, weiß sie es. Da ist ihre Idee schon längst keine mehr, sondern ein fester Entschluss.

Lous Gesicht hellt sich auf, und sie lächelt. Das ist es!

Sie muss gleich nachher ihre besten Freundinnen Nette und Kati anrufen.

Zeit für Freundschaftsbändchen


Genervt legt Nette den Hörer auf. Was für ein Tag! Heute scheint wieder die ganze Welt etwas von ihr zu wollen! Gestatten, Anette Wimmer, immer da für alle und jeden. Sie lässt den Kopf auf den Schreibtisch sinken. Ihre Gedanken fühlen sich an wie eine zähe Gummimasse, die von innen gegen die Stirn drückt....

Erscheint lt. Verlag 20.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • eBooks • Frauenromane • Freundinnen • Freundschaft • Liebesromane • Nähen • Neuerscheinung • Nordsee • Renovieren • Romane für Frauen • Romanze • Sommer • Sommerbuch • Strand • Strandkorb • Sylt • Urlaubsbuch • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-641-30435-0 / 3641304350
ISBN-13 978-3-641-30435-5 / 9783641304355
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