Der Supergaul -  Helene Bockhorst

Der Supergaul (eBook)

Kein Pferderoman | Humor, Spannung, Spaß, Liebe und Pferde: ein Roman, der keine Wünsche offen lässt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
250 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3147-8 (ISBN)
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Berenice ist Tierkommunikatorin und kann mit schwierigen Pferden telepathisch Kontakt aufnehmen - behauptet sie zumindest. In Wirklichkeit schummelt sie sich durchs Leben und zieht den Leuten mit ihren Lügengeschichten das Geld aus der Tasche. Bis sich eines Tages tatsächlich ein sprechendes Pony bei ihr meldet: Berenice soll helfen, einen verschwundenen Pferdekumpel aufzuspüren. Ehe sie sich versieht, ist sie einem handfesten Skandal auf der Spur, stolpert von einer peinlichen Situation in die nächste und verknallt sich in den Tierarzt. 

Helene Bockhorst ist Stand-Up-Comedienne und Poetry Slammerin. 2018 hat sie als erste Frau den Hamburger Comedy Pokal gewonnen, und nun ist sie mit ihrem abendfüllenden Soloprogramm »NIMM MICH ernst« auf Tour.

Helene Bockhorst ist Stand-Up-Comedienne und Poetry Slammerin. 2018 hat sie als erste Frau den Hamburger Comedy Pokal gewonnen, und nun ist sie mit ihrem abendfüllenden Soloprogramm »NIMM MICH ernst« auf Tour.

»Hat er schon was gesagt?!«, fragt die Besitzerin ungeduldig. Sie hat einen ganz roten Kopf und schnauft, nachdem wir ungefähr fünfzig Meter zurücklegen mussten, um zu ihrem Pferd zu kommen. Unsportlich, denke ich, während ich ihren drallen, in die neueste Pikeur-Kollektion gezwängten Körper betrachte. Unsportlich, mit wenig Verstand und viel verfügbarem Einkommen. Also genau meine Zielgruppe.

»Moment, ich versuche, Kontakt aufzunehmen«, sage ich. Die Besitzerin nickt beeindruckt. Ich gehe um das Pferd herum, lege ihm an zufällig ausgewählten Körperstellen meine Hand aufs Fell, bleibe regungslos stehen, schließe die Augen und zähle bis fünf. Hals. Eins, zwei, drei, vier, fünf. Schulter. Eins, zwei, drei, vier, fünf.

Ich lege die Hand auf den Rücken, und das Pferd zuckt zusammen.

»Was sagt er?«, fragt die Besitzerin. Dass du aufhören sollst, ihm ständig mit deinem ganzen Gewicht in den Rücken zu plumpsen, denke ich, sage aber nichts. Kruppe. Eins, zwei, drei, vier, fünf. Schweifrübe. Eins, zwei, drei, vier, fünf.

Nachdem ich das Pferd einmal umrundet habe, stelle ich mich an seinen Kopf, schaue ihm in die Augen und zähle bis dreißig. Dann nicke ich bedeutungsschwanger.

»Es war nicht leicht, einen ersten Kontakt hinzubekommen; er ist niemand, der sich einem sofort offenbart, aber wenn man erst mal sein Vertrauen gewonnen hat, sicher ein Freund fürs Leben«, sage ich, und die Besitzerin hängt an meinen Lippen und nickt zu jedem Wort wie ein Wackeldackel. Das wollen sie alle immer hören – dass ihr Pferd es mir schwer gemacht hätte, mit ihm zu kommunizieren. Niemand will eine Pferdeschlampe, die alles sofort ausplaudert.

»Er sagt, dass er manchmal Probleme mit den Hufen hat, stimmt das?«

»Ja, ja! Wir haben hin und wieder mit Strahlfäule zu kämpfen! Das hat er gesagt, ist ja Wahnsinn!«

Ich seufze und schaue wieder das Pferd an, einen schmalbrüstigen Schimmel mit schlechter Rückenmuskulatur, dessen Hufe in einer Mischung aus Matsch, Pferdeäpfeln und Pisse versinken. Bei der mangelnden Hygiene ist es kein Wunder, dass das Pferd Strahlfäule hat. Mal abgesehen davon, dass »hatte mal Probleme mit den Hufen« heutzutage bei den meisten Pferden ein Glückstreffer ist.

Ich lege dem Pferd eine Hand auf die Stirn und schließe die Augen. Eine »Session« dauert bei mir fünfzehn Minuten. Nicht, weil ich wirklich fünfzehn Minuten brauchen würde, sondern, weil Menschen es nicht einsehen, jemandem für weniger als fünfzehn Minuten so viel Geld zu geben, wie ich gerne haben möchte.

Das heißt, man muss die Zeit irgendwie füllen. Manchmal denke ich an die Sachen, die ich mir von dem Geld kaufen möchte, oder plane den nächsten Urlaub. Manchmal denke ich an Jörp und Drusla, meine beiden Islandpferde. Und ganz manchmal vielleicht auch an Dr. Lazik, den Tierarzt …

»Was sagt er noch? Können Sie ihn fragen, ob er glücklich ist?«

Ich seufze, verziehe das Gesicht und atme scharf ein. »Sie müssen jetzt ganz stark sein …« Die Besitzerin sieht mich gebannt an. »Starlight Express hat Burn-out!«

»Was?!«

Ich nicke und lasse den Kopf hängen. »Er liebt Sie sehr. Aber mit dem Reiten ist es ihm im Moment zu viel! Er hat mich angefleht, es Ihnen nicht zu sagen. Weil er Angst hat, dass Sie ihn dann weniger mögen. Aber ich denke, Sie sollten es wissen.«

»Mein armes Babylein … Burn-out … ich hatte ja keine Ahnung!«, stammelt die Besitzerin und drückt ihr Gesicht in die schüttere Mähne ihres Schimmels. »Und was kann man da machen?«

Ich schließe wieder die Augen. Meine schauspielerischen Fähigkeiten sind nicht so ausgeprägt, wie ich sie gerne hätte, aber ich habe festgestellt, dass man das ausgleichen kann, indem man die meiste Zeit mit geschlossenen Augen herumsteht und viel raunt und flüstert.

»Oh! Er schickt mir ein Bild«, hauche ich. »Es ist frühmorgens, Sie sind zu zweit unterwegs, nur Sie und er … aber nicht zum Ausreiten, sondern Sie führen ihn am Strick, ganz locker. Und Sie joggen gemeinsam den Berg hinauf. Oben angekommen, machen Sie eine kleine Pause und blinzeln in die Morgensonne … schauen herunter auf den Hof, der ganz friedlich und verträumt daliegt. Und dann joggen Sie wieder zurück nach Hause.«

»Joggen …?«, meint die Besitzerin zweifelnd.

Ich schlage die Augen wieder auf und schaue sie direkt an. »Es ist sein ausdrücklicher Wunsch«, sage ich kühl. »Er hat mir gesagt, dass das für ihn das schönste Morgenritual und der perfekte Liebesbeweis wäre.«

Das Bergauf- und Bergab-Laufen wird ihm helfen, Muskulatur aufzubauen, und du nimmst dann hoffentlich ein bisschen ab, denke ich und lächele die Besitzerin ermunternd an.

»Machen Sie das mal die nächsten Wochen, und dann sollten wir noch mal einen Folgetermin vereinbaren und schauen, ob es ihm besser geht. Ansonsten hat er nur noch gesagt, dass er sich mit seiner neuen Abschwitzdecke total unwohl fühlt. Er möchte die nicht mehr tragen. Das macht dann zweihundertfünfzig Euro, und ich würde Ihnen gerne noch eine Spezialtinktur für die Hufe anbieten.«

»Die Abschwitzdecke, aber – die ist aus der Eskadron-Heritage-Kollektion!«

»Nicht alles, was uns Menschen gefällt, tut auch den Pferden gut. Starlight Express hat gebeten, Sie mögen ihm das Ding so bald wie möglich aus den Augen schaffen. Er sagte wortwörtlich, der Anblick ließe ihn bedauern, dass Pferde bekanntlich nicht kotzen können.«

Wenig später brettere ich über die Landstraße, zünde mir eine Zigarette an und blase den Rauch aus dem Fenster. Das hat mal wieder wunderbar geklappt. Ich habe dreihundertfünfzig Euro eingenommen: zweihundertfünfzig Euro für die »Session«, die Besitzerin hat aus lauter Dankbarkeit auf dreihundert Euro aufgerundet, und dann habe ich ihr noch für fünfzig Euro meine spezielle Tinktur für die Hufe verkauft – ein handelsübliches Mundwasser, das ich literweise in der Drogerie kaufe und zu Hause in leere Nasentropfen-Fläschchen umfülle. Die Etiketten bedrucke ich mit chinesischen Schriftzeichen, die ich im Internet gefunden habe. Alles ist mindestens zehnmal so viel wert, wenn chinesische Schriftzeichen drauf sind – Pferdemuttis lieben Dinge, die sie nicht verstehen.

Im Rückspiegel sehe ich meine neue Abschwitzdecke aus der Eskadron-Heritage-Kollektion, die auf dem Rücksitz liegt. Die Besitzerin hatte es eilig, das Teil loszuwerden. Der Schimmel hat die Decke offensichtlich nur wenige Male getragen, und die Farbe wird meiner Drusla hervorragend stehen.

Bald darauf rollt mein klappriger alter Ford auf den Hof der Mountain Ranch. Natürlich könnte ich mir ein besseres Auto leisten. Manchmal juckt es mich in den Fingern, mir für sonnige Tage ein Cabrio zu gönnen. Aber wenn ich mit dem auf den Hof gefahren komme, könnte irgendjemand auf die Idee kommen, mal nachzurechnen, wie viel ich eigentlich verdiene …

Die nächste Pferdebesitzerin kommt mir schon entgegengelaufen. Jana ist Stammkundin bei mir und träumt davon, eines Tages auch Tierkommunikatorin zu werden. Stundenlang steht sie im Auslauf und grabbelt ihr Pferd an oder starrt ihm in die Augen. Die beiden führen dann lange Gespräche, aus denen sich jedes Mal Fragen und Probleme ergeben, die Jana nur mit meiner Hilfe klären kann. Der einzige Unterschied zwischen uns beiden ist, dass Jana den ganzen Mist tatsächlich selber glaubt.

» … und ich weiß nicht, was ich ihm antworten soll«, presst sie jetzt hervor, und eine Träne rollt ihre Wange herunter. Mist, ich sollte ihr besser zuhören. »Aber er fragt immer wieder nach! Ich versuche, das Gespräch auf andere Themen zu lenken, aber er blockt alles ab. Er sagt, wenn ich ihm nicht erkläre, wo Penthesilea ist, kann er mir nie wieder vertrauen!«

Wer zum Geier ist denn Penthesilea? Leider kann ich solche Fragen nicht stellen, denn dann würde auffallen, dass ich zum einen nicht richtig zugehört habe und zum anderen nicht einfach in einem beliebigen Pferdekopf nachschauen kann, um die nötigen Informationen zu bekommen.

Wir laufen zusammen über den Paddock zur Heuraufe, wo Puck, Janas Tinkerwallach, gerade ein anderes Pferd angiftet. »So was hat er doch früher nicht gemacht, da war er ganz anders!«

Ich ziehe meine übliche Show ab und lege noch eine Schippe Dramatik drauf, extra für Jana, die mich mit hungrigen Augen beobachtet. Hier ein Zucken, da ein Aufstöhnen – dann falle ich vor Puck auf die Knie.

»Ich spüre … sehr starke Emotionen«, stoße ich hervor.

»Ja! So ging es mir auch! Ich konnte mich auch kaum auf den Beinen halten!« Jana ist stolz.

»Puck sagt … er sagt, er will dahin, wo seine Penny ist!«

Jana bricht in Tränen aus. »Oh nein … bin ich dir denn nicht genug, Puck? Kannst du nicht bitte mir zuliebe am Leben...

Erscheint lt. Verlag 27.6.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Hochstaplerin • Humor • Känguru • Lügen • lustiger Krimi • Pferde • Pferdeflüsterin • Stand-up-Comedy
ISBN-10 3-8437-3147-0 / 3843731470
ISBN-13 978-3-8437-3147-8 / 9783843731478
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