Drehbuch des Todes (eBook)

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2024 | 1. Auflage
384 Seiten
Kein & Aber (Verlag)
978-3-0369-9650-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Drehbuch des Todes -  Nicola Upson
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Eine Mordserie wie aus Hitchcocks Feder versetzt Hollywood in Angst und Schrecken.

September 1939: Josephine Tey begibt sich an Bord des berühmten Passagierschiffes Queen Mary, um ihre Geliebte Marta zu besuchen. Die Reise führt die beiden nach Hollywood an das Filmset von Rebecca, dem neuesten Projekt von Alfred Hitchcock. Doch auch die schillernde Welt der Stars kann von den wachsenden Sorgen wegen des erneuten Kriegsausbruches nicht ganz ablenken. Derweil muss Inspektor Archie Penrose in England in einem neuen Fall ermitteln. Ein schockierender Mord führt ihn ausgerechnet zu dem Haus, welches einst die junge Daphne du Maurier zu ihrem berühmten Werk Rebecca inspirierte. Als dann ein Teil der Filmcrew unter Verdacht gerät, nehmen Tey und Penrose auf beiden Seiten des Atlantiks die Spur auf. Eine Spur, die geprägt ist von Rebeccas zeitlosen Themen von Besessenheit, Eifersucht und Mord...

Nicola Upson wurde 1970 in Suffolk, England, geboren und studierte Anglistik in Cambridge. Ihr Debüt Experte in Sachen Mord bildet den Auftakt der erfolgreichen, mehrbändigen Krimireihe. Bei deren Hauptfigur Josephine Tey handelt es sich um eine der bekanntesten Krimiautorinnen des Britischen Golden Age. Mit dem Schnee kommt der Tod war nominiert für den CWA Historical Dagger Prize (2021). Nicola Upson lebt in Cambridge und Cornwall.

 


Die Straße war lang und trostlos, zumindest wirkte sie so auf mein zehnjähriges Selbst. Ich war ein buntes Leben gewohnt, und die Abwesenheit von Farbe verwirrte mich: Der weite, graue Himmel, der schwer auf dem Tag lastete, der dunkle Moorboden, der sich meilenweit zu beiden Seiten erstreckte, ein Asphaltband, das kaum breit genug für unser Auto war. Ab und zu wurde die Monotonie von einem Haus mit einem bunt gestrichenen Zaun oder von grünem Dickicht unterbrochen, doch nur selten, und der Anblick betonte lediglich die Leere der Umgebung. Die Landschaft deprimierte mich, wobei ich keinen Grund dafür nennen könnte; im Haus war ich stets glücklich, doch die Anreise stimmte mich jedes Mal traurig.

»Daphne?«, sagte mein Vater scharf, so wie immer, wenn ich still oder zurückgezogen war, einer Welt nachhing, die nichts mit ihm zu tun hatte. Unsere Blicke trafen sich im Rückspiegel, und er lächelte; in diesen ersten Jahren war er noch glücklich und liebevoll gewesen. Ich saß zufrieden zwischen meinen Schwestern, Angela und Jeanne, auf der Rückbank, hörte zu, wie er und meine Mutter über die Bekannten sprachen, die wir besuchen, die Kinder, mit denen wir uns bestens verstehen, die Abenteuer, die wir in dem riesigen Haus erleben würden. Mit Letzterem sollte er recht behalten. Das gute, alte Milton, aus dem ich Manderley gewonnen hatte – ein wunderschöner Landsitz umgeben von weitläufigen Parkanlagen, der seit Generationen von derselben Familie geliebt wurde. Milton war so offen, wie Manderley verschlossen sein würde, und das Leben darin spielte sich ausschließlich in der Gegenwart ab, doch das Wesen der Räumlichkeiten fand mühelos Eingang in die Seiten von Rebecca, war mir beim Schreiben ebenso lebhaft gewärtig wie bei unserem ersten Treffen an jenem Sommertag, als sich der Krieg langsam dem Ende näherte.

Die Fahrt schien endlos, doch schließlich fuhren wir an einem einstöckigen Häuschen vorbei auf das Anwesen. Die Fenster dort standen offen, und im gepflegten, eingezäunten Garten trocknete die Familienwäsche auf der Leine. Die Auffahrt krümmte und wand sich nicht wie die Manderleys, die Vegetation war weder feindselig noch bedrohlich. Stattdessen durchschnitt der Weg auf höfliche Art und Weise das an- und abfallende Gelände und wurde dabei von dichten, strikt abgegrenzten Baumreihen gesäumt. Als wir das andere Ende des Waldstücks erreichten, hatte sich die Sonne durchgesetzt, und wir fuhren in einen anderen, wolkenlosen Tag hinein. Passend zur märchenhaften Umgebung erschien weiter vorne ein zweites Gebäude, eine Art Miniaturkapelle aus honiggelbem Stein mit kleinen Türmchen und einem runden Fenster über der Tür – gotisch, würde ich heute sagen, aber damals wirkte es zu seltsam und zu zauberhaft, um sich so einfach kategorisieren zu lassen. Das Bauwerk faszinierte mich, ließ meine Eltern jedoch kalt, und wir fuhren rasch daran vorbei. An einer Kreuzung, an der mehrere Wege aufeinandertrafen, murmelte mein Vater etwas über Piccadilly Circus, und bis heute weiß ich nicht, ob das ein Scherz war oder ob die Kreuzung wirklich so heißt.

Wir bogen schwungvoll auf die Kiesfläche vor dem Haus, und da ragte es zum ersten Mal vor mir auf – eher elegant als imposant, hübsches elisabethanisches Mauerwerk und zahllose gekuppelte Fenster, Zinnen und Dachbodenräume, die Abenteuer verhießen. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, weshalb es einen derart bleibenden Eindruck auf mich machte. Womöglich lag es nur an der berauschenden Freiheit der Kindheit und daran, dass ich noch nie zuvor ein Herrenhaus gesehen hatte, oder an dem während des Krieges so greifbaren Gefühl, die Welt stünde kurz vor einem einschneidenden Wandel. In letzter Zeit glaube ich allerdings, dass noch mehr dahintersteckte, und zwar schon damals. Eine Art Vorahnung, das Wissen, dass die Vorgänge während unseres Aufenthalts – unschuldig, illusorisch, nie ganz begreiflich – uns irgendwann einholen würden.

In der Nähe befanden sich Gewächshäuser sowie ein ummauerter Garten; Stallungen grenzten an das Haus. Als wir verschwitzt von der Fahrt ausstiegen, hörte ich Hufgeklapper, und irgendwo zur Linken plätscherte ein Brunnen. Die Beschaulichkeit hielt nicht lange an, machte anschwellendem Motorenlärm hinter den Bäumen Platz, dem Knirschen schwerer Reifen auf Kies. Hinter uns flog die Haustür auf, und fünf, sechs Menschen kamen herausgeeilt, allerdings nicht die Familie, die meine Eltern beschrieben hatte. Frauen in Schwesterntracht und Männer in kakifarbenen Uniformen, die uns verärgert ansahen, als ständen wir im Weg. Mein Vater zog mich schützend an sich, und ich spürte seine heiße Hand auf der Schulter. »Schon gut, Daphne«, sagte er. »Das Haus wurde für den Krieg in ein Lazarett umgewandelt, aber keine Angst. Sie kümmern sich hier um unsere Jungs, damit sie wieder zu Kräften kommen.«

Ich weiß noch, wie ich trotz seiner beruhigenden Worte dachte, der Krieg käme direkt zu mir, die Invasion, die wir alle zu fürchten gelernt hatten, fände endlich statt. Insgesamt waren es fünf Wagen, drei Krankenwagen und zwei offene Busse, und auf mich wirkte es, als hätte sich der Konvoi einen direkten Weg durch die dichten grünen Lorbeerbüsche gebahnt. Die Stimmung der Männer an Bord nahm dem Tag auch noch das letzte bisschen Hoffnung. Manche Soldaten ließen den Kopf hängen, sodass ich nur ihre Helme sah; andere saßen still an ihren Nebenmann gelehnt. Eine fremdländische Sonne hatte ihre Haut gebräunt und die Farbe aus ihren Kleidern gebleicht; eingetrocknete Blutflecken zeichneten sich auf weißen Verbänden ab, passten so gar nicht zur englischen Landschaft. Am meisten stach mir jedoch ins Auge, wie schmutzig sie waren, wie Tiere, die sich auf einer schlammigen Wiese gewälzt hatten. Damals ahnte ich noch nicht, wie passend der Vergleich war.

Die Verletzten, die noch laufen konnten, stiegen in einem Gewirr aus Stiefeln, Ellbogen und Geschnaufe aus, und der bis dahin dominierende Abgasgestank wurde von beißendem Schweiß- und Ledergeruch überlagert. Sie standen in einem verunsicherten Grüppchen zusammen und warteten auf Anweisungen, während ihre schwer verwundeten Kameraden umsichtig, aber rasch ins Haus gebracht wurden. Ich weiß noch, wie ich mich fragte, wieso mein Vater sie als Jungs bezeichnet hatte, obwohl sie so alt und geschlagen wirkten. Ich konnte den Blick nicht abwenden, und dann sah ich dem Mann auf der nächstgelegenen Bahre in die Augen. Sein sonnenverbranntes Gesicht stand in Kontrast zu seinem Kissen, an seinen Stiefeln hing der getrocknete Schlamm der Schützengräben. Ich spürte, wie ich rot anlief, doch der Soldat starrte mich lediglich mit leerem Blick an, als hätte er vor langer Zeit den Bezug zu der Welt verloren, der ich angehörte.

Wir wurden von einer Freundin meiner Mutter gerettet – einem liebenswürdigen, eleganten und ätherischen Geschöpf wie aus einem Stück von J. M. Barrie. Sie rauschte mit uns im Schlepptau durch das Haus in die Kriegsräumlichkeiten der Familie, ein paar bescheidene Räume zwischen der Küche und dem derzeitigen Operationssaal, und ich konnte meinen Eltern ansehen, was mit dem Verzicht auf Privatsphäre und Komfort verloren gegangen war. Auf mich und meine Schwestern jedoch wirkte das geschäftige Treiben edel und aufregend, ein Abenteuer, an dem wir schadlos teilhaben konnten. Meine frühesten Erinnerungen an das Haus sind durcheinandergeraten, und manche kommen mir heute traumartiger vor als andere: Männer in locker sitzender Genesungsuniform, die sich unter dem Blick eines Butlers an einem Ende des Esstischs zusammendrängten, eine Gruppe Soldaten, die Billard unter einem Rembrandt spielte, reihenweise unbesetzte Liegestühle auf der Südterrasse, Teller mit riesigen Kartoffelbreihaufen. Ich erinnere mich noch deutlich an das Geplauder und den Husten, das Klirren von Messern und Gabeln und das Schaben von Stühlen, die über den polierten Boden gezogen wurden. Im privaten Speisezimmer der Familie, wo die Wände rosa und weiß waren und eine massive Uhr über dem Kamin prangte, aßen wir köstliche Speisen von mit Vögeln bemalten Tellern.

Nach dem Mittagessen wurden wir zum Spielen davongeschickt, damit die Erwachsenen sich unterhalten konnten. Das Betreten des Lazarettbereichs war uns strikt untersagt, doch in den Gärten und Privaträumen durften wir uns während unseres Aufenthalts frei bewegen. Wenn wir uns daran gehalten hätten, wäre der Nachmittag wohl ohne weitere Vorkommnisse vorbeigezogen, aber unser Anführer – ein blasser kleiner Junge, dem die Invasion seines Zuhauses nichts auszumachen schien – war ebenso versessen darauf, gegen die Regeln zu verstoßen, wie wir ihn vom rechten Weg abbringen wollten. Innerhalb weniger Minuten befanden wir uns in einer langen Galerie, die in einen Krankenflügel verwandelt worden war. Ich wartete darauf, weggescheucht zu werden, doch die Schwestern lächelten den jungen Hausherrn lediglich an, waren offensichtlich an seine Anwesenheit gewöhnt, und niemand schickte uns fort. Der Raum war hell und luftig, in angenehmen Grüntönen mit weißen Stuckblättern und -bändern ausgestattet; mehrere Generationen der Familie schauten von den Wänden auf uns herab, doch ihre missbilligenden Blicke wurden von Bettgestellen und medizinischer Ausrüstung blockiert, und das feminine Wesen des Raums stand in starkem Gegensatz zu seinen jetzigen Bewohnern. Es herrschte Ruhe, und ich fragte mich, wie es sich wohl für die Männer anfühlte, die aus dem Reich von Blut und Dreck, auf welches ich draußen einen Blick erhascht hatte, in diesen Hafen des Friedens eingelaufen waren, in dem die einzige Störung darin bestand, dass eine Decke aufgeschüttelt oder der Boden geschrubbt wurde. Hin und...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2024
Reihe/Serie Josephine Tey und Archie Penrose ermitteln
Josephine Tey und Archie Penrose ermitteln
Übersetzer Anna-Christin Kramer
Sprache deutsch
Original-Titel Shot with Crimson
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Alfred Hitchcock • Britischer Krimi • Cozy Crime • Daphne du Mauriers • Eifersucht und Mord • Film Rebecca • Golden Age • golden age hollywood • historischer Krimi • Historische Spannung • Hollywood • Josephine Tey • Manderley • Marta Fox • Queen Mary • Schiff Queen Mary • Vorkriegszeit 2. Weltkrieg • Wohlfühlkrimi
ISBN-10 3-0369-9650-8 / 3036996508
ISBN-13 978-3-0369-9650-9 / 9783036996509
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