Der Himmel ist mein Meer (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
416 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-06666-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Himmel ist mein Meer -  Liis Jahn
Systemvoraussetzungen
5,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Coming-of-age einer längst erwachsenen Frau , ein Roadtrip und eine Jahrzehnte umfassende Liebe: Johanna Sandberg muss sich als Witwe Trauer und Schuldgefühlen stellen - wie oft hat sie sich ein Ende ihrer qualvollen Ehe herbeigesehnt. Beim Ausräumen des Pfarrhauses entdeckt sie jahrzehntealte Habseligkeiten einer Vorgängerin, die von der tragischen Liebe zu einem Marinesoldaten und unerfüllten Lebensträumen erzählen. Johanna beschließt, die Verfasserin zu finden, um ihr deren zweitgrößten Wunsch zu erfüllen: Mit einem Rolls-Royce nach Monaco zu reisen. Ohne zu ahnen, dass dieses Vorhaben drei Leben für immer verändern wird, stürzt Johanna sich in die Reisevorbereitungen. Unterstützt durch die Leichtigkeit eines Chats mit der Reiseleiterin des Oldtimer-Services, findet die unnahbare, weil tief verletzte Johanna, mehr und mehr zu sich selbst. Es gelingt ihr, Ruth auf deren Bauernhof zu überraschen. Gemeinsam brechen sie nach Bellinzona auf, wo sie von einem Chauffeur erwartet werden. Noah macht die Fahrt an die Côte d'Azur zu einem Roadtrip, wie ihn weder Ruth noch Johanna je erlebt haben. Erst am nächsten Morgen, als Johanna einen Abschiedsbrief vorfindet, erkennt sie, welchen Wunsch sie Ruth mit dieser Reise in Wirklichkeit erfüllt hat ... »Was für ein köstliches, berührendes Lesevergnügen! Für den ersten Teil empfehle ich eine Flasche schweren Rotwein, für den zweiten Champager. Viel Champagner!« Hugo Levi Sandman

Liis Jahn ist das Pseudonym einer deut-schen Schauspielerin. Wenn sie nicht bei Dreharbeiten ist, lebt sie zurückgezogen auf einer kleinen Mittelmeerinsel. Dort hat sie Ruhe zum Schreiben und im-mer einen Blick auf unendliches Blau. DER HIMMEL IST MEIN MEER ist ihr erster Roman.

Liis Jahn ist das Pseudonym einer deut-schen Schauspielerin. Wenn sie nicht bei Dreharbeiten ist, lebt sie zurückgezogen auf einer kleinen Mittelmeerinsel. Dort hat sie Ruhe zum Schreiben und im-mer einen Blick auf unendliches Blau. DER HIMMEL IST MEIN MEER ist ihr erster Roman.

1 VORHER

Plötzlich dieser Gedanke.

Ich könnte reinspucken …

Es macht kaum ein Geräusch, die Sahne in dicken Klecksen um die Schwarzwälder-Kirschtorte zu klatschen. Seltsam, warum geht das so lautlos?

… wie frustrierte Angestellte, die mit dem Fleisch-Patty über den Boden wischen, bevor sie den Burger damit bestücken. Mit gespitztem Mund lasse einen Tropfen Speichel herausrinnen. Langsam, einfach, um das Gefühl auszuprobieren. Die Spucke fühlt sich auf der Unterlippe überraschend warm an. Und sehr nass. Im letzten Moment ziehe ich den zähen Tropfen wieder ein. Ich tauche den Spatel erneut in die Masse. Den chemischen Geruch von Vanillin assoziiere ich mittlerweile mit Toilettenreiniger.

Seit einiger Zeit tränke ich die Biskuitböden mit so viel Kirschwasser, dass sie sich unter der Schlagsahneschicht in eine dunkelbraune Matschmasse verwandeln. Ich bemerke dunkle Ränder unter meinen Fingernägeln, als hätte ich damit die Schokoladenraspeln von der Tafel gekratzt. Herrgott nochmal, wie passiert denn sowas?

Ein Krankenwagen rast am Haus vorbei Richtung Seniorenstift. Üblicherweise haben sie es bei einem Notruf von dort nicht so dermaßen eilig … Als ich die leere Sahneschüssel in die Spülmaschine knalle, folgt der Notarzt.

Scheint was Ernstes zu sein … Mein Brustkorb zieht sich zusammen. Zu wissen, dass gerade ein Bewohner um sein Leben kämpft, macht mir jedes einzelne Mal ein dumpfes Gefühl.

Ich fasse ins Schälchen mit den karamellisierten Mandelplättchen und beginne, sie an den Tortenrand zu klatschen. Sie sind noch warm, vielleicht ein bisschen zu dunkel geröstet. Die überschüssigen fallen ab und vermengen sich mit den Sahneresten zu klebrigen Brocken, die ich, wenn ich einmal ganz drum rum bin, erneut an den Rand presse. Es ist die übliche Schweinerei, aber zum Schluss wird es gut aussehen, das weiß ich jetzt schon. Mein Magen knurrt, während ich die letzten Lücken im Sahnerand flicke. Mir ist schwummrig, aber ich esse die restlichen Mandeln trotzdem nicht, sondern fege sie von der Arbeitsplatte ins Schälchen zurück. Hungrig starre ich darauf. Die Ecke des Vanillezuckerbeutels ist mit hineingeraten und ich zupfe sie heraus. Das Röstaroma ist betörend. Aber ich kann mich beherrschen. Kontrollieren. Ich streife sogar die Mandeln von meinen Fingern in die Schale.

Ich stehe in der definitiv hässlichsten Küche des Erdballs. Furniertes Eichenholz vom Boden bis zur Decke und braungefugte, schlammbeige Kacheln überall, hineingeprügelt in einen künstlich verkleinerten Raum einer Gründerzeit-Villa, die mit den Jahrzehnten freudlos evangelisch, kaputt restauriert wurde.

Man hat dieses klassische Gebäude kastriert, ihr den Dreißigerjahre Charme abgeschält, um einen durch und durch öden, schmucklosen Kasten entstehen zu lassen, der wie ein durch Parodontose geplagter Eckzahn aus den Wohnhäusern der Straße heraussticht, nicht anders kann man das beschreiben. Im ganzen Haus liegt wirr geflecktes Linoleum, auf dem man selbst eingetretene Kaugummis nicht entdecken würde, die hohen Räume haben Zwischendecken erhalten und billige, braune Normtüren aus dem Baumarkt. Oh, und es darf von seinen Bewohnern nicht gestaltet oder verändert werden, ohne dass man einen Antrag beim Bürgerbüro einreichen muss. Ich kralle die Zehen zusammen und trete gegen die Müllschublade, dessen Öffnungsmechanismus sich schon vor Monaten verklemmt hat und werfe mit klebrigen Händen die leeren Sahnebecher in den Abfallbehälter. Flüchtig sehe ich aus dem schmalen Fenster, das kaum Licht in diese kackbraune Gruft lässt. Ich habe eine blaue Rosenkugel aus Glas so platziert, dass sich meine Augen drauf ausruhen können. Und auf dem Sims steht ein bauchiger, handgemachter Blumenkasten aus Keramik, der ist auch schön.

Die Sirene des Notarztwagens ist immer noch zu hören. Leiser jetzt, aber sie entfernt sich nicht weiter. Warum schaltet sie denn niemand aus? Ich schätze, dass es dem alten Herrn Burmester letztlich doch gelungen ist, vom Balkon zu springen. Ich verteile die gehobelte Zartbitter-Schokolade auf dem Tortendeckel, fülle den Spritzbeutel mit der vorher bereits abgeteilten Sahne und beginne routiniert, den Übergang zwischen Streuseln und Mandelplättchen mit kleinen Rosetten zu verzieren – der einzige Arbeitsschritt, der mir wirklich Spaß macht. Ich mag sogar das Geräusch, wenn die gepresste Sahne aus dem Spritzbeutel quillt.

Und jenen mikrokurzen Moment, in dem ich entscheide, genau jetzt mit einem kleinen Ruck die Tülle von der Blume zu lösen, weil sie exakt die richtige Größe hat. Als ich die zwölf großen Tupfer für die Kirschen in den Innenkreis setze, erkenne ich einen dritten Sirenentyp – die Polizei? Warum sollte man die Polizei eingeschaltet haben? Die Kirschen haben einen glitschig angedickten Saftmantel und ich drücke sie in ihr weißes Bett, bescheuert, warum macht man sich vorher die Mühe mit den hübschen Tupfen? Als letzten Akt wische ich mit einem Küchentuch die Mandel-Sahne-Reste von der Tortenplatte und kann mir endlich die Hände waschen. Das Abflusssieb ist verrutscht und ich beobachte mit Genugtuung, wie all die rohrverstopfenden Krümel und Teigreste ihren Weg in den Ausguss finden und stelle mir vor, wie sie sich an den bereits vorhandenen Belag des Rohres heften und die Öffnung immer weiter zu wachsen lassen. Was dennoch nicht abfließen will, quetsche ich mit dem Zeigefinger hinein und sehe dabei Viktors missbilligende Mine vor mir. Er hasst es, wenn man sich aus purer querulatorischer Laune heraus über irgendwelche Bestimmungen oder Gebote hinwegsetzt, die ihm unumstößlich scheinen. Sich das Leben zu nehmen zählt ganz sicher auch dazu und ich zolle Herrn Burmester den höchsten Respekt für diese Art zivilen Ungehorsams.

Viktor wird ihn trotzdem beerdigen müssen und ich weiß jetzt schon, dass ihm das die Laune für eine ganze Woche verderben wird.

Ich öffne den Kühlschrank. Warum trifft mich der käsige Geruch jedes Mal aufs Neue mit derartiger Wucht? Ich greife nach der Cola Light, würge mit Mühe einen Schluck der abgestandenen Flüssigkeit herunter und knalle die Flasche ins Seitenfach zurück. Ich stülpe den Deckel der Transportform über die Torte und klippe die Halterungen fest. Ich hasse es auch, dieses Umräumen, weil die beschissenen Scheiß-Torten nur in ein bestimmtes Fach passen. Ich räume die Spülmaschine ein und überfülle sie mit voller Absicht. Was eigentlich keinen Platz mehr hat, lege ich irgendwie kreuz und quer drüber. Ich gieße ein wenig Geschirrspülmittel in die Kammer, weil ich keine Tabs mehr finden kann.

Auch etwas, das Viktor hasst, weil dadurch angeblich die Wassertasche verstopft und ich das ganze Dorf mit Schaum ersticken könnte. Genauso wenig darf ich das kostenintensive Heiß-Programm mit Vorwäsche wählen, wenn nichts gegen den Eco-Mode spricht und das tut es seiner Meinung nach nie. Ich säubere die Arbeitsplatte aus graurotgesprenkeltem Resopal, schrubbe das Waschbecken aus und sehe wieder auf die Rosenkugel hinaus.

Totengeläut erklingt.

Allmächtiger Schöpfer, schenke ihm Geborgenheit und ewigen Frieden.

Die Fürbitte für Herrn Burmester ist ein Reflex. Dann muss ich grinsen. Frau Lehmann, in deren Familie die Aufgabe des Totenglockenläutens seit Generationen liegt, scheint in der Moderne angekommen zu sein. Zwischen Notarzt-Sirene und Kirchenglocke sind höchstens zwanzig Minuten vergangen, so rasch nach einem Todesfall wird sonst nie geläutet! Ich zerre den Gummi aus meinem straffen Pferdeschwanz, die Haarwurzeln tun schon weh und der Ton der Glocken verursacht mir Kopfschmerzen. Endlich verklingen die letzten Schläge. Wie kann man freiwillig die Totenglocken läuten, frage ich mich. Jedes Mal, wenn bei Frau Lehmann das Telefon klingelt, weht der Name eines Geistes aus dem Hörer. Ich drücke gegen meine Schläfen und sehe mich unentschlossen um. Es ist erst halb fünf! Ich werde mich den Rest des Tages aktiv zu Tode langweilen. Viktor möchte nicht, dass ich meinen Laden samstags länger als bis dreizehn Uhr aufhabe.

»Die aktive Gemeindearbeit sieht hin und wieder die Anwesenheit der Pfarrersfrau im Pfarrhaus vor«, doziert er regelmäßig mit diesem enttäuschten, verletzten Blick, der mir wehtut und ein dumpfes Ziehen in meinem wurzelbehandelten Zahn hervorruft. Hin und wieder die Anwesenheit im Pfarrhaus, das ist eine Frechheit!

Ich flechte meine Haare zu einem lockeren Zopf. Seit ich zu Hause bin, hat das Telefon zwölf Mal geklingelt und vier Leute sind wegen Kleinigkeiten vorbeigekommen. Ich bin nichts weiter als die Wochenend-Sekretärin und ich mache meinen Job seiner Ansicht nach nicht mal gut. Mein linker Ringfinger beginnt zu jucken. Ich scharre mit den Nägeln darüber, schnell und heftig und stupide, bis der Juckreiz wieder aufhört. Ich erinnere mich an die Cortison-Creme,...

Erscheint lt. Verlag 20.11.2023
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Cote d'Azur • Erotik • Frauen • Himmel • Lebensgeschichte • Lebenswünsche • Liebesgeschichte • Meer • Narzissmus • Neuanfang • Neue Liebe • Reife Frauen • Roadtrip • Rolls Royce • Romantik • Scheidung • toxische Beziehung • Trauer • Witwe
ISBN-10 3-384-06666-9 / 3384066669
ISBN-13 978-3-384-06666-4 / 9783384066664
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99