Südbahn nach Triest -  Günter Neuwirth

Südbahn nach Triest (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
384 Seiten
Gmeiner-Verlag
978-3-8392-7844-4 (ISBN)
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Eigentlich wollte Bruno Zabini seinen Urlaub in Wien genießen. Aber das Verbrechen holt den Triester Inspector selbst hier ein. Die reiche Witwe Henriette Hohenau wurde bei einem Überfall ermordet. Und da der Fall Bezüge nach Triest aufweist, zieht die Wiener Polizei Bruno hinzu. Doch kurz darauf muss er zurück an die Adria, ohne den Mörder gefasst zu haben. In der Südbahn trifft er zufällig auf die drei Verdächtigen. Bruno nimmt inkognito Ermittlungen auf. Dann wird im Gepäckwagen eine Leiche gefunden ...

Günter Neuwirth wuchs in Wien auf. Nach einer Ausbildung zum Ingenieur und dem Studium der Philosophie und Germanistik zog es ihn für mehrere Jahre nach Graz. Der Autor verdient seine Brötchen als Informationsarchitekt an der TU Graz. Er wohnt in der Weststeiermark und Wien. Günter Neuwirth ist Autodidakt am Piano und trat in jungen Jahren in Wiener Jazzclubs auf. Eine Schaffensphase führte ihn als Solokabarettist auf zahlreiche Kleinkunstbühnen. Seit 2008 publiziert er Romane, vornehmlich im Bereich Krimi. www.guenterneuwirth.at

Günter Neuwirth wuchs in Wien auf. Nach einer Ausbildung zum Ingenieur und dem Studium der Philosophie und Germanistik zog es ihn für mehrere Jahre nach Graz. Der Autor verdient seine Brötchen als Informationsarchitekt an der TU Graz. Er wohnt in der Weststeiermark und Wien. Günter Neuwirth ist Autodidakt am Piano und trat in jungen Jahren in Wiener Jazzclubs auf. Eine Schaffensphase führte ihn als Solokabarettist auf zahlreiche Kleinkunstbühnen. Seit 2008 publiziert er Romane, vornehmlich im Bereich Krimi. www.guenterneuwirth.at

Montag, 13. April 1908


Bruno öffnete die Augenlider. Das erste Tageslicht brach durch das Fenster. Ein wohliges Brummen entstieg ihm. Sein Magen knurrte, er hatte Appetit auf ein gutes Frühstück. Bruno lag allein im Bett. Mit der Hand strich er über die Stelle des Leintuchs, an der Luise gelegen hatte. Er glaubte, noch ihre Körperwärme zu spüren. Nur ein wenig hob er den Kopf und sah zum Schreibtisch beim Fenster. Die Vorhänge waren geöffnet. Luise saß bei Tisch über ihre Schreibarbeit gebeugt. Bruno schob den Polster zurecht, bettete seinen Kopf und beobachtet Luise, ohne sich weiter zu regen oder ein Geräusch zu verursachen.

Luise hatte den Schlafrock über ihr Nachthemd gezogen, ihr langes blondes Haar bedeckte Schultern und Rücken. Bruno musterte ihr Profil aus der Ferne. Wie schön sie war. Wie sehr er sie liebte. Wie überaus er ihren Anblick genoss. Sie war offenbar völlig in ihre Arbeit vertieft und hatte noch nicht bemerkt, dass er erwacht war.

Zweifelsfrei rettete sie wieder Traumbilder vor dem Vergessen, indem sie sie niederschrieb und dabei ausformulierte. Sämtliche ihrer Gedichte verfasste sie unmittelbar nach dem Aufwachen, wenn die Gefühle und Gedanken der Träume noch nachhallten. Tagsüber bearbeitete sie die Gedichte, feilte diese oder jene Kante ab, verpasste der Sprache eine Politur, aber die ersten Fassungen entstanden ausschließlich im Morgengrauen. Sie schrieb ihre Gedichte stets auf Italienisch. Die Musikalität der Sprache eigne sich für ihre Lyrik vorzüglich, sagte sie stets. Ihre Novellen und ihren ersten Roman hatte sie auf Deutsch geschrieben. Bruno hatte nach dem Stoff für den geplanten zweiten Roman gefragt, und Luise hatte nach einigem Zögern davon erzählt. Wie Bruno war Luise zweisprachig, sie sprachen sowohl das triestinische Italienisch wie das österreichische Deutsch fließend. Untereinander verwendeten sie mal diese, mal jene Sprache.

Luise hob ihren Kopf, schaute sinnierend durch das Fenster, gestikulierte und zeichnete mit der Füllfeder Figuren in die Luft. Sie wandte sich wieder dem Papier zu und schrieb noch ein paar Zeilen. Dann legte sie die Füllfeder ab, hob den Bogen und blies über die Tinte, um sie zu trocknen. Luise erhob sich und wandte sich dem Bett zu.

»Guten Morgen, meine Schöne«, sagte Bruno leise.

»Guten Morgen. Bist du schon länger wach?«

»Nicht lang genug, um mich an dir sattzusehen.«

Luise lächelte, schritt barfuß auf das Bett zu, streifte den Schlafrock ab und kroch unter die Decke. Bruno empfing sie mit offenen Armen, sie schmiegten sich aneinander.

»Es ist angenehm warm bei dir. Die Morgenstunden sind noch recht frisch.«

»Obwohl die Räume beheizt sind. Das ist immerhin das Hotel Sacher.«

»Unter der Decke mit dir ist es immer wohliger als irgendwo sonst.«

»Ein Gedicht?«

»Ja.«

»Du musst es mich später lesen lassen.«

»Nach dem Frühstück überprüfe ich, ob es Unsinn ist oder nicht. Wenn es brauchbar ist, kannst du es gerne lesen.«

»Hast du gut geschlafen?«

»Sehr gut.«

»Ich auch. Und ich habe schon Appetit auf das Frühstück.«

»Spätestens in einer halben Stunde werden Gerwin und Grete wach sein. Also ein klein wenig Geduld musst du noch aufbringen.«

Bruno rieb seine Wange an ihrer. »Mit dir unter einer Decke fällt das überhaupt nicht schwer.«

»Du brauchst wieder eine Rasur.«

»Darauf werde ich nicht vergessen.«

»Seit über einer Woche bist du an meiner Seite, wir leben wie ein Ehepaar. Das macht mich glücklich.«

»Mich auch.«

»Und hier gibt es auch kein Gerede über unsere Liaison. Anders als in Triest.«

»Als ob du jemals etwas auf das Gerede der Leute gegeben hättest.«

»Es ist eher dein Ruf, der mir gelegentlich Sorge bereitet. Als hochrangiger Polizist bist du im letzten Jahr in allerlei amouröse Verwicklungen verstrickt gewesen. Zuerst der Skandal um Fedora und jetzt, noch vor Ablauf des Trauerjahres, bist du der Galan der Baronin Callenhoff, gehst mit ihr auf Reisen, besuchst die Hauptstadt und residierst sogar im Hotel Sacher.«

»Dr. Rathkolb ist ein sehr toleranter Polizeipräsident und den dreiwöchigen Urlaub habe ich mir redlich verdient.«

»Das hast du.«

Es klopfte leise an der Tür zum Nebenzimmer. Die beiden schauten hoch.

»Ja bitte!«, rief Luise.

Gerwin öffnete einen Spalt und steckte seine Nase herein.

Luise setzte sich auf und breitete die Arme aus. »Gerwin, mein Schatz, komm zu mir unter die Decke. Hier ist es fabelhaft warm.«

Bald feierte Luises Sohn Gerwin seinen sechsten Geburtstag, im Herbst würde er in Triest sein erstes Schuljahr antreten. Im Nachthemd lief er los und huschte unter die Decke.

»Schläft Grete noch?«, fragte Luise flüsternd.

»Ja.«

»Dann wollen wir sie nicht wecken. Und wir können auch noch ein bisschen im Bett faulenzen. Bist du damit einverstanden?«

»Ja.«

Gerwin kuschelte sich zwischen Bruno und Luise unter die Decke. Bruno strich über Gerwins blondes Haar. Er sah in dem Knaben so viel von Luise. Von Gerwins leiblichem Vater dagegen nichts beziehungsweise nichts, was Bruno nicht übersehen konnte. Sie waren jetzt eine Familie. Alles andere war nebensächlich.

*

Conrad Speyer schaute nach links und rechts, dann eilte er über die Fahrbahn. In den letzten drei Jahren hatte sich die Anzahl der Automobile auf den Straßen Wiens sicherlich verdoppelt. Nicht nur die hochwohlgeborene Adelswelt oder die Großkapitalisten bequemten sich in luxuriösen Limousinen chauffieren zu lassen, auch immer mehr Geschäftsleute und Spediteure setzten auf die Transportkapazitäten von Kraftfahrzeugen. Hinter ihm rollte ein Lastwagen vorbei, auf dessen Ladefläche sich leere Gemüsekisten stapelten. Der Transport der Frischwaren von der Großhandelshalle zum Naschmarkt wurde nicht mehr mit Fuhrwerken bewerkstelligt, sondern mit einem Lastkraftwagen. Ein einziger Laster ersetzte dank seiner hohen Zuladung und Geschwindigkeit mindestens vier Fuhrwerke. Das war ein beträchtlicher Fortschritt. Solche Entwicklungen fanden in allen Vierteln Wiens statt. Die Bevölkerung, das Liniennetz der Elektrischen und die Schnelligkeit auf den Straßen wuchsen Jahr für Jahr.

Speyer trat durch die offen stehende Tür in sein Stammcafé. Er blickte auf die Wanduhr. Es war knapp nach neun Uhr. Am Zeitungstisch schnappte er sich je eine Ausgabe der Neuen Freien Presse und der Arbeiter-Zeitung und trat an den Tisch beim zweiten Fenster, der um diese Zeit für ihn reserviert war. Speyer legte Mantel und Hut ab und setzte sich.

»Gschamster Diener, Herr Inspector. Wie ist das werte Befinden am Montagmorgen?«, fragte der herantretende Oberkellner.

»Danke der Nachfrage, Johann. Heute wie das Wetter, heiter bis wolkig.«

»Es soll recht mild werden, hat meine Göttergattin prophezeit.«

»Na, wenn sie es sagt, wird’s wohl seine Richtigkeit haben. Ihre Gattin liegt mit ihren Wetterprognosen selten daneben.«

»Was darf ich bringen?«

Speyer überlegte kurz. Er hatte gestern wegen einer blutigen Familientragödie in der Reinprechtsdorfer Straße kaum Zeit gehabt, richtig zu essen. Und gleich nach dem Aufstehen aß er nichts, sondern trank nur eine Tasse Kaffee und schmauchte seine Pfeife.

»Johann, seien Sie doch so gut und bringen Sie eine Eierspeis aus drei Eiern, zwei Butterbrote mit Schnittlauch und einen großen Mokka.«

Johann hob seine Augenbrauen. »Herr Inspector, mit Verlaub, immer wenn Sie eine Eierspeis bestellen, haben Sie am Vortag wieder nichts gegessen. Stimmt’s oder habe ich recht? Dabei ist die regelmäßige Nahrungsaufnahme für die Gesundheit des Menschen von elementarer Bedeutung. Noch dazu an einem Sonntag. Skandalös, dass Sie auch am Tag des Herrn arbeiten müssen.«

Speyer strich sich über den scharf gestutzten Schnauzbart. »Ja, so geht es einem, Dienst ist Dienst, und das Verbrechen kennt keine Feiertage. Aber Sie, lieber Johann, passen schon auf mich auf.«

»Ja freilich, Herr Inspector. Das Frühstück kommt sofort, kommt sogleich«, sagte der Oberkellner lächelnd und marschierte ab.

Inspector I. Klasse Conrad Speyer griff in die Tasche seines Sakkos und legte die Pfeife, die Streichhölzer und den Tabakbeutel auf den Tisch. Nach dem Essen würde er sich die zweite Pfeife des Tages stopfen. Abends nach Dienstschluss, wenn er zu Hause war und seine Frau ihm den Schlafrock brachte, schmauchte er in der Regel noch eine. Früher hatte er Nil-Cigaretten gekauft, war aber davon abgekommen, weil er einfach zu viel geraucht und einen hartnäckigen Hustenreiz bekommen hatte. Dreimal pro Tag eine mit mildem Tabak gestopfte Pfeife war genau das Richtige für ihn.

Er blätterte die Zeitung auf und überflog die Überschriften. Wenig später trat Johann mit dem Kaffee und einem appetitlich duftenden Teller heran.

*

Der Klangkörper in der Bahnhofshalle folgte den musikalischen Gesetzen einer bizarren Symphonie. Es war das Opus magnum eines verrückten Komponisten, der mit Dissonanzen durch die Sätze taumelte und die Kakophonie menschlicher Stimmen zum Leitmotiv erkoren hatte. Nicht Oboen, Violinen und Posaunen erschallten, sondern der Ruf der Blumentrödlerin, das Knarren der Gepäckwagen in den kräftigen Händen der Dienstmänner, das Pfeifen des Bahnhofsvorstehers auf dem Perron, die Hunderten Laute der Passanten und Fahrgäste, das Flattern der Tauben im Trägerwerk der Halle und das Lachen eines Kindes, dessen Vater nach langer Reise wieder in der Hauptstadt...

Erscheint lt. Verlag 13.3.2024
Reihe/Serie Historische Romane im GMEINER-Verlag
Inspector Bruno Zabini
Verlagsort Meßkirch
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Dampflok • Erbschaft • historisch • Hochseehafen • Hotel • Kriminalinspektor • Küstenländer • Lokomotivbau • Mord • Roman • Sacher • Stranguliert • Südbahn • Triest • Wien
ISBN-10 3-8392-7844-9 / 3839278449
ISBN-13 978-3-8392-7844-4 / 9783839278444
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