Das Lied des Schmetterlings (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
Gerth Medien (Verlag)
978-3-96122-602-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Lied des Schmetterlings -  Kristy Cambron
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Wien, 1942: Als talentierte Violinistin und Tochter eines einflussreichen NSDAP-Anhängers führt Adele von Bron ein angenehmes Leben. Doch ihre heile Welt gerät ins Wanken, als sie beschließt, jüdischen Familien zur Flucht aus Wien zu verhelfen - und sie dadurch selbst nach Auschwitz gebracht wird ... New York, Gegenwart: Die Galeristin Sera James begibt sich auf die Spuren eines Gemäldes, das sie seit ihrer Kindheit beschäftigt. Tatsächlich gelingt es ihr, die Geschichte des darauf abgebildeten Mädchens ans Licht zu bringen - eine Geschichte, die aufzeigt, dass selbst an den dunkelsten Orten Hoffnung zu finden ist.

Kristy Cambron liebt Geschichten aus längst vergangenen Zeiten. Die studierte Historikerin wurde bereits mehrfach für ihre Romane ausgezeichnet. Außerdem hat sie Material zum Studium der Bibel verfasst. Mit ihrer Familie lebt sie im US-Bundesstaat Indiana. (c) Foto: Whitney Neal Photography

EINS

GEGENWART
NEW YORK

„Wo ist es? Ich muss es sofort sehen!“

Sera James stürmte durch die Eingangstür der Galerie in Manhattan. Sie hatte es so eilig, dass sie mit ihren hohen Absätzen auf dem glatten Parkettboden fast ausgerutscht wäre. Vor der großen Leinwand, die an der hinteren Wand des Ausstellungsraumes hing, blieb sie atemlos und sichtlich erregt stehen. „Ist sie es wirklich?“

„Bist du den ganzen Weg hierher gerannt, Sera?“

„Ja. Wärst du das etwa nicht?“, gab sie ungeniert zurück. Nachdem sie den Anruf erhalten hatte, hatte sie sich an der nächsten Haltestelle aus der U-Bahn gedrängelt und war die acht Straßenzüge zurück zur Galerie gerannt, die ganze Zeit bemüht, Taxis und Schlaglöchern im Gehweg auszuweichen.

Penny nickte. „Die Jungs hinten haben die Kiste eben erst geöffnet. Unglaublich, dass sie seit einer Woche im Lager steht und wir es nicht bemerkt haben.“

Sera schüttelte ungläubig den Kopf. „Unfassbar!“ Sie zog sich den Chiffonschal vom Hals, ließ den Trenchcoat über ihre Schultern gleiten und trat dann kurz zur Seite, um beides auf den antiken Holztresen zu legen, der sich durch den ganzen hinteren Teil des Raumes erstreckte. Sie schlang ihr langes tiefschwarzes Haar zu einem lockeren Knoten zusammen, den sie mit einem Bleistift, der auf dem Tresen lag, feststeckte.

Erst als sie sich wieder zu ihrer Assistentin umdrehte, die ihr im Laufe der Zeit zu einer guten Freundin geworden war, bemerkte sie, dass sich die junge Frau keinen Zentimeter bewegt hatte. Penny stand da wie eine Statue. Das Einzige, was sich an ihr bewegte, war der Zeigefinger, mit dem sie eine rotblonde Haarsträhne in ihrem Nacken zwirbelte.

Sera lachte. „Du tust es schon wieder!“ Wenn Penny anfing, mit ihren Haaren zu spielen, musste irgendetwas ihre Aufmerksamkeit völlig gefesselt haben. Aber Sera konnte es ihr nicht verdenken. Dies war schließlich ein besonderer Moment. Wenn das Gemälde wirklich das war, wofür sie beide es hielten, war es gerechtfertigt, in Ehrfurcht zu erstarren. Die ganze Stadt hätte vor den Fenstern vorbeifliegen können, und keine von ihnen beiden hätte es bemerkt – oder sich dafür interessiert.

„Es ist nur schade, dass es nicht das Original ist.“ Penny reichte Sera einen Umschlag, ohne den Blick von der Leinwand abzuwenden. „Aber es ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, und das ist alles, was zählt.“

„Hast du die Holzlattung an den Rändern untersucht?“

„Meine Hände haben zwar gezittert“, gab Penny zu und legte den Kopf schief, „aber, ja, ich habe sie mir genau angesehen.“

Das Gemälde vor ihnen war dem gesuchten geradezu unheimlich ähnlich. Die einzige Möglichkeit, das Original von einer Kopie zu unterscheiden, war die Überprüfung des hölzernen Bildträgers, über den der Stoff gespannt war. Und da der nicht übereinstimmte, konnte es nicht das gesuchte Bild sein.

Sera wurde für einen Moment schwer ums Herz, aber dann machte sie sich bewusst, dass es zwar nicht das Porträt war, aber immerhin ein Porträt von ihr. Das Material spielte keine große Rolle angesichts dieser tiefblauen Augen, die den Betrachter des Gemäldes so eindringlich anschauten und verfolgten.

Wie lange hatte Sera auf diesen Moment gewartet! Sie schluckte schwer. „Auch wenn es eine Kopie ist, möchte ich unbedingt wissen, wie du es gefunden hast!“

„Ein Nachlassverkauf“, antwortete Penny, und ihre Stimme klang fast verträumt. „In der Nähe von San Francisco.“

„Wissen wir etwas über den Auftraggeber?“

Penny nickte erneut und zog dabei auf eigenwillige Weise die Augenbrauen hoch. „Das ist ja das Seltsame – es ist irgendein Geschäftsmann in der Immobilienbranche. Er heißt William Hanover. Ich habe in seinem Büro angerufen und nachgefragt, und er hat sofort zurückgerufen. Er sagte, er würde den Nachlass seines verstorbenen Großvaters auflösen. Der Name sagt mir überhaupt nichts, und ich bin genau wie du seit mehr als zwei Jahren hinter diesem Gemälde her! In der Kunstszene ist er vollkommen unbekannt.“

Auch Sera sagte der Name nichts. Wer war dieser William Hanover? Und wie war es ihm gelungen, dieses Gemälde in die Hände zu bekommen, das eine exakte Kopie des Bildes war, nach dem sie suchte?

„Hast du ihm ein Angebot gemacht?“

„Mhm …“ Penny nickte. „Ich dachte, du würdest es haben wollen, also habe ich großzügig geboten.“

Das klang nicht gerade verheißungsvoll. Sera schüttelte den Kopf. „Warum hörst du dich dann so an, als hättest du schlechte Nachrichten für mich?“

„Weil er gesagt hat, dass er es nicht verkaufen wird. Geld ist anscheinend nicht das Thema.“

„Aber du hast doch gesagt, es sei ein Nachlassverkauf …“

„Richtig“, erwiderte Penny. „Aber es war purer Zufall, dass ich das Gemälde auf einer Internet-Auktionsseite gefunden habe. Es war nicht das eigentlich angebotene Objekt, sondern nur im Hintergrund zu sehen. Ich habe Fotos von Nachlassverkäufen vom letzten Herbst durchgesehen, Schmuck und so. Du weißt schon, das Übliche. Ich hatte schon eine ganze Reihe von Objekten durchgesehen, als ich auf ein Foto mit diesem Gemälde stieß – das Bild war kaum zu erkennen, denn es hing an der Wand hinter der Vase, die als Verkaufsobjekt ausgezeichnet war. Aber es gibt keinen Zweifel – sie ist es!“ Während Penny das Gemälde immer noch betrachtete, hob sie das Kinn, als sei sie vom Anblick der erhabenen Schönheit verzaubert. „Es waren ihre Augen, Sera! Ihr Blick drang quasi durch den Monitor und zog mich hinein – falls so etwas möglich ist.“

„Es ist möglich.“ Sera war es genauso ergangen, als sie das Bild zum ersten Mal gesehen hatte. Nur war ihre Erinnerung lückenhaft, weil sie damals noch ein junges Mädchen gewesen war. Jetzt, da sie daran zurückdachte, erschien ihr der Moment noch unrealistischer.

„Ich habe vor Schreck meinen Kaffee verschüttet, als ich es auf dem Bildschirm sah.“ Penny lächelte – es war dieses jugendliche Grübchenlächeln, das so typisch für ihre Assistentin war. „Weißt du noch, dass du mir diesen beigen Pulli ausgeliehen hast? Ich hoffe, du brauchst ihn nicht so schnell zurück …“

„Nein“, antwortete Sera ehrlich und trat gedankenverloren einen Schritt näher an das Bild heran. „Vergiss ihn. Das hier ist viel besser.“

„Ja, nicht wahr?“ Einen Moment lang standen sie schweigend da, wie gebannt von der Schönheit des Porträts. Penny schüttelte den Kopf und flüsterte leise: „Nach all dieser Zeit. Endlich ist sie hier.“

Es hatte viel zu lange gedauert, das stand fest.

Sera war acht Jahre alt gewesen, als sie das Kunstwerk zum ersten Mal gesehen hatte. Seitdem hatte die Schönheit des Bildes sie verfolgt. Eine schlichte Dreiviertelsilhouette einer jungen Frau von vielleicht zwanzig Jahren mit makellos changierender Haut und durchdringenden tiefblauen Augen. Die sanfte Linie des Mundes, die Traurigkeit in den Zügen … und dann der kahl geschorene Kopf, der eisige Kälte verströmte – eine junge Schönheit, der man ihre Krone und Pracht geraubt hatte. Und schließlich die tätowierte Zahl auf dem linken Unterarm, auf dem eine Geige ruhte.

„Also, damit ich das richtig verstehe …“ Sera in ihrem schwarzen Bleistiftrock und der klassischen weißen Bluse straffte die Schultern, verschränkte die Arme vor der Brust und tippte mit dem Fuß auf den Boden, während sie versuchte, die Dinge in ihrem Kopf zu ordnen. „Wir haben durch Zufall ein Gemälde gefunden, aber es ist nicht das Original. Und obwohl es zufällig ein Bild unseres verschollen geglaubten Mädchens ist, steht es nicht zum Verkauf. Der Besitzer will es nicht für Geld hergeben.“

„Das fasst die Situation treffend zusammen. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es nicht so ist.“

Sera trat einen Schritt zurück und fragte sich, wie das Gemälde unter diesen Umständen in ihrer Galerie sein konnte. „Also … wie ist es dann hierhergekommen?“

„Es wurde uns als Leihgabe zur Verfügung gestellt.“

„Warum leihweise?“ Sera beugte sich vor und bewunderte die exquisiten Pinselstriche.

„Das ist es ja gerade –“ Penny brach ab, als ob ihr die Stimme versagen würde.

Hellhörig geworden, drehte sich Sera zu Penny um und sah sie direkt an. Ihre Assistentin kaute an ihrem Daumennagel und kniff die Augen zusammen, als starre sie in die Sonne. Sera richtete sich auf, während ihre Hände den Weg zu ihren Hüften fanden. Fast hätte sie über das seltsame Verhalten gelacht. „Penny – was in aller Welt ist los mit dir? Gibt es etwas, was du mir verheimlichst?“

„Er will persönlich mit dir darüber sprechen.“ Penny sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. „Über seine Bedingungen.“

Jetzt musste Sera wirklich lachen. Der Mann stellte Bedingungen? „Seine Bedingungen wofür?“

„Dass er dich anstellt“, sagte Penny und brachte ein schiefes Lächeln zustande. „Oder besser gesagt, uns. Er ist bereit, eine fast unanständige Summe für die Dienste der Galerie zu zahlen, die genau dasselbe sucht wie er – das Originalgemälde von unserem Mädchen.“

„Hast du ihm erklärt, warum wir das Bild suchen?“

„Ja, natürlich. Ich habe ihm die Wahrheit gesagt: dass wir daran interessiert sind, Kunst aus der Zeit des Holocausts für die Galerie zu erwerben. Aber ich musste es ein wenig abmildern. Schließlich schien mir etwas, was so klingt wie ‚Sera träumt davon, dieses...

Erscheint lt. Verlag 8.3.2024
Übersetzer Renate Hübsch
Verlagsort Asslar
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Geigenspiel • Mädchenorchester • Nationalsozialismus • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-96122-602-4 / 3961226024
ISBN-13 978-3-96122-602-3 / 9783961226023
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