Kaiserwald (eBook)

Roman. Der neue Roman der Bestsellerautorin: einfühlsam, fesselnd und klug recherchiert

(Autor)

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2024
400 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-31396-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kaiserwald - Anja Jonuleit
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Eine Suche. Eine Liebe. Ein Verbrechen.
»Deine Mutter ist verschwunden.« Eine Abfolge von Gefühlen zog über sein Gesicht: Ungläubigkeit, Entsetzen und schließlich diese Angst, die nun in der Welt war wie ein Geist, den man aus der Flasche gelassen hat.

Riga, Ostern 1998. Rebecca Maywald verschwindet spurlos. Sie hinterlässt eine achtjährige Tochter. Viele Jahre später setzt ein anonymer Brief Ereignisse in Gang, die das Leben zweier Familien für immer verändern sollen.

Berlin, 2023. Mathilda, Ex-Gebirgsjägerin, provoziert einen Autounfall, um mit Falk von Prokhoff, dem Sohn einer angesehenen Diplomatenfamilie, in Kontakt zu kommen. Der Grund bleibt zunächst unklar. Womit sie nicht gerechnet hat: Dass sie sich in ihn verliebt. Ein gefährliches Spiel um falsche Identitäten, unentdeckte Verbrechen und dubiose Machenschaften der Familienstiftung »Drei Linden« beginnt ...

Anja Jonuleit, 1965 in Bonn geboren und am Bodensee aufgewachsen, arbeitete einige Jahre für die Deutsche Botschaft in Rom. Nach einer Abordnung an die Botschaft Damaskus studierte sie am Sprachen- und Dolmetscherinstitut in München Italienisch und Englisch. Zurück am Bodensee machte sie sich als Übersetzerin und Gerichtsdolmetscherin selbstständig, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete.

Ihren Romanen - darunter »Herbstvergessene«, »Der Apfelsammler«, »Rabenfrauen« und »Das letzte Bild« - folgt mit »Kaiserwald« der erste Teil eines breit angelegten Familiendramas. Der zweite Teil »Sonnenwende« erscheint im Herbst 2024.

Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem wir im Kaiserwald ankamen. Es war, als würde man in die Vergangenheit reisen, an einen Ort, den es eigentlich gar nicht mehr gab.

Kaiserwald I

Penelope. Alles begann – oder endete – an jenem Ostersonntag 1998. Du kennst mich mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass ich das genaue Datum abrufbereit habe. Aber es gibt immer noch zu viel in meinem Leben, von dem du keine Ahnung hast. Höchste Zeit, die Geheimnisse endlich aus der Dunkelkammer ans Tageslicht zu holen, Stück für Stück, damit du begreifst, warum ich dich so lange belogen habe.

Es war also am Ostersonntag, dem 12. April, ich war bei meinen Großeltern im Allgäu zu Besuch, als mein Vater anrief und meine Mutter sprechen wollte. Ich lachte, denn ich glaubte, er wollte mich auf den Arm nehmen, so wie er das manchmal tat. Doch da raunzte er mich an, ich solle ihm verdammt noch mal meine Mutter ans Telefon holen, was mich verwirrte, denn meine Mutter war doch bei ihm zu Hause. Ich ließ den Hörer sinken, schob den Dackel weg, der wie ein Verrückter meine Beine umschwänzelte, und ging in die Küche zu meiner Oma, die am Herd stand und Knödel machte.

»Hier, der Papa«, sagte ich und streckte ihr das Telefon entgegen. Ich weiß noch genau, wie sie verwundert die Augenbrauen hob, zur Spüle ging, sich die vom Knödelteig glitschigen Hände wusch und das Telefon ans Ohr hob, mit dem rot-weiß karierten Küchenhandtuch daran.

»Ja, hallo?«, fragte sie ungläubig, vielleicht weil mein Papa sonst nie hier anrief, auch nicht an Feiertagen. Dann sagte sie: »Nein, nein, warum sollte sie denn hier sein?«

Während sie meinem Vater zuhörte, schwieg sie, er hatte ihr allerhand zu erzählen. Nichts Gutes anscheinend, denn während sie dastand, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, und ihr sonst so freundlicher Mund war nur noch ein gerader Strich, ihr Blick nach unten gerichtet, so als müsste sie eine unleserliche Handschrift auf dem Küchenboden entziffern. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit.

Irgendwann fragte sie: »Und der Land Rover ist auch weg?« Dann schwieg sie wieder, während die Stimme meines Vaters aus dem Hörer drang, blechern und weit entfernt, wie vom anderen Ende der Welt.

Plötzlich richtete sie sich kerzengerade auf. »Was?«, rief sie. »Und da meldest du dich erst jetzt?«

Meine Oma stellte meinem Vater eine Menge Fragen: ob er und meine Mutter sich mal wieder gestritten hätten, ob meine Mutter ihm nicht vielleicht eins auswischen wolle – oder nicht einfach für ein paar Tage ans Meer gefahren sein könnte, es seien ja schließlich Ferien.

Am Ende drückte sie die Taste und legte den Hörer mit dem Küchenhandtuch beiseite. Sie sah mich an, als würde sie mich zum ersten Mal sehen, und dann sagte sie mit furchtbar ernster Stimme: »Lauf schnell und hol den Opa.«

Ich weiß noch, wie ich nach draußen gerannt bin und meine Beine sich auf einmal mürbe angefühlt haben, als ob sie etwas wüssten, dass mein Verstand noch nicht begriff. Der Opa, der gerade beim Holzhacken war, ließ sofort die Axt sinken und eilte hinter mir her ins Haus, und als meine Großmutter ihm sagte: »Die Becky ist verschwunden«, nur diesen einen kurzen Satz, zog eine Abfolge von Gefühlen über sein Gesicht, die sich mir für alle Zeit eingebrannt hat: erst Ungläubigkeit, dann Entsetzen und schließlich Angst.

Die Angst. An sie vor allem erinnere ich mich. Die Angst, die nun in der Welt war wie ein Geist, den man aus der Flasche gelassen hat. Da nutzte es nichts, dass sich die beiden bemühten, mich mit Erwachsenenerklärungen zu beruhigen. Denn ich hatte sie auf dem Gesicht des Opas gesehen und in der Stimme der Oma gehört. Das ist es, was wir beide gemeinsam haben, du und ich. Die Angst. Wobei deine scharfkantiger ist, dich in deinen Träumen verletzt und dir die Seele aufreißt.

Kann ich dir begreiflich machen, wie sich das damals für mich angefühlt hat? Kannst du etwas damit anfangen, wenn ich dir sage, wie sehr ich meine Mutter liebte und dass mein Vater mir nie besonders nahestand? Jedenfalls blieb ich nach diesem Anruf bei meinen Großeltern in Röthenberg, weil mein Vater ja wieder arbeiten musste und sich nicht richtig um mich kümmern konnte. Anfangs war mein Aufenthalt bei den Großeltern nur für die Übergangszeit gedacht. Sie dachten wohl, dass es das Beste für mich wäre, dass ich so den geringsten Schaden erleiden würde. Doch selbst jetzt, nach so vielen Jahren, fällt es mir immer noch schwer, über diese erste Zeit zu sprechen. Wie ich mich durch die Tage tastete, wie bei jedem Klingeln des Telefons ein Stromstoß durch meinen Körper fuhr. Und dann gab es diese seltsamen Minuten, oder waren es Stunden?, in denen ich in einem Spiel versank, wie Kinder es eben tun. Dann fühlte es sich so an, als wäre sie gar nicht richtig weg, sondern immer noch in unserer Wohnung in Riga, wo sie jeden Tag zur Arbeit fuhr und wieder zurück, wo sie die Wäsche wusch und den Küchentisch abwischte, bis ich nach Hause zurückkehrte. Doch wenn ich irgendwann mit einem jähen Schrecken in die Wirklichkeit zurückstürzte, war die Angst wieder da und scheuchte mich durch den Garten. Aber nie so weit fort, dass ich das Telefon nicht hätte hören können.

Berlin, im Sommer 2023

Mathilda. Die Sonne am Abend des 31. Juli stand tief, als Mathilda in Prokhoffs Wagen raste. Und obwohl sie es ja mit Absicht tat, verkrampfte sich ihr Magen, während sie Gas gab, verdichtete sich zu einem dicken harten Klumpen wie manchmal im Halbschlaf, wenn sie das Gefühl hatte, in einen Abgrund zu fallen. Dann der Aufprall. Kreischendes Blech, splitterndes Glas, Bilder, die im Zeitraffer vorüberzogen. Selbst in diesem Moment ließ ihr Hirn sie nicht in Ruhe.

Als der Augenblick vorüber war und sie ihn aus seinem Wagen steigen sah, diesem fetten schwarzen Mercedes-S-Klasse-Ding, dessen Kühlergrill gerade mal eine leichte Delle zeigte, während ihre Schrottschleuder jetzt um ein Drittel kürzer war und wirklich Schrott, schloss sie die Augen und ließ ihren dröhnenden Schädel gegen die Kopfstütze sinken. Sie spürte, wie etwas Warmes über ihr Gesicht lief.

Die nächsten Minuten waren ohne Bild. Das Knirschen von Schritten im zersplitterten Glas. Jemand, wahrscheinlich Prokhoff, der ihre Autotür aufriss, sie an der Schulter berührte, erschrocken die Luft einsog, panisch auf sie einsprach. »Hallo? Hallo? Können Sie mich hören?« Es klang, als befände er sich in einem Funkloch. Dann wieder das Knirschen und Prokhoffs Stimme. »Einen Notarzt bitte, schnell!« Sie hörte ihn die Adresse durchgeben, kurz darauf andere Stimmen, ein Mann: »Was ist passiert?« Er: »Sie ist einfach rausgefahren.« Eine Frau: »O Gott, das viele Blut … und sie hängt so komisch da …« Irgendwann kam der Notarzt, der ihr Augenlid anhob, ihr in die Pupillen leuchtete, erst in die eine, dann in die andere. Ein starker Druck am Arm. Jemand, der sagte: »Blutdruck total im Keller.«

»Wo bringen Sie sie hin?«, hörte sie Prokhoff kurz darauf sagen, wie durch Watte. Aber da hatte sie schon eine Sauerstoffmaske auf. Sie blinzelte, öffnete die Augen, und alles, was sie sah, war Weiß, sein Hemd, und darüber sein Gesicht. Er sah besorgt aus. Als er merkte, dass sie wach war, dass sie nicht sterben würde, zumindest nicht in diesem Moment, glaubte sie, so etwas wie Erleichterung in seinem Blick zu erkennen. Als Mathilda das sah, wurde ihr klar, dass sie es geschafft hatte. Nach Monaten der Ereignislosigkeit hatte sie es endlich geschafft – von nun an würde sie für ihn zu existieren beginnen. Das Gefühl, das jetzt in ihr hochstieg, war eine seltsame Mischung aus Panik und Triumph.

»Ins Martin-Luther-Krankenhaus«, sagte der Sanitäter, ein arabisch aussehender Typ mit Bart.

Sie machte Anstalten, sich aufzurichten, wollte sich die Maske vom Gesicht ziehen, sagen, dass es ihr gut ginge, dass sie nirgends hingebracht werden müsste, doch sie besann sich. Für das, was sie vorhatte, war es viel besser, wenn sie weiter die Schwerverletzte gab, auch wenn sie sicher war, dass ihr nichts Schlimmes passiert war. Und so murmelte sie etwas und tat, als könnte sie keinen geraden Satz mehr herausbringen. Ein Mann, der aussah wie Harry Potter, wahrscheinlich der Notarzt, beugte sich über sie und berührte ihre Schulter. Und da tauchte auch Prokhoff wieder in ihrem Gesichtsfeld auf.

»Kann ich jemanden für Sie anrufen? Der zu Ihnen ins Krankenhaus kommt?«, fragte er überdeutlich und starrte sie an, als wollte er sie hypnotisieren.

»Da ist niemand«, flüsterte sie durch die Maske und machte mit dem Kopf eine ungeschickte, abwehrende Bewegung. Aber er ließ nicht locker, und so hob Mathilda leicht die Maske ab, ihre Stimme hatte tatsächlich wenig Kraft, als sie sagte: »Ich habe niemanden hier … komme aus Namibia … bin nur Gaststudentin.« Das Letzte, was sie sah, war sein erstaunter Blick, bevor die Sanitäter sie in den Krankenwagen schoben. Sie schloss die Augen, froh, diesem Blick erst mal zu entkommen. Für den Anfang hatte sie genug gelogen.

Riga, im Frühjahr 1997

Rebecca. Die Geschichte mit Georg begann vier Wochen nach Xenias fünfzehntem Geburtstag, sieben Monate, nachdem ich die Stelle als Lehrerin am Deutschen Gymnasium in Riga angetreten hatte. Xenia war ein waches Mädchen, intelligent und schüchtern, aber auf keinen Fall verwöhnt, wie man angesichts des märchenhaften Reichtums ihrer Familie hätte vermuten können. Wie reich ihre Familie wirklich war, wusste ich da allerdings noch...

Erscheint lt. Verlag 28.2.2024
Reihe/Serie Die Kaiserwald-Reihe
Die Kaiserwald-Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Afrika • Allgäu • Berlin • Bestseller • Bestsellerautorin • Bodensee • bücher für frauen • Das letzte Bild • Das Nachtfräuleinspiel • die fremde tochter • Diplomatenfamilie • dunkles familiengeheimnis • eBooks • Ellen Sandberg • Familiengeheimnis • Familienroman • Familiensaga • Frauenromane • Große Liebe • Herbstvergessene • Historischer Roman • Lettland • Liebesromane • Namibia • Neuerscheinung • Ökodörfer • Öko-Nazis • Reichsbürger • Riga • Schweiz • Spannungsroman • Starke Frau • Suche nach der Mutter • Susanne Abel • Verrat • Verschwinden einer Frau • vertuschter Mord • Völkische Siedler • Windhoek
ISBN-10 3-641-31396-1 / 3641313961
ISBN-13 978-3-641-31396-8 / 9783641313968
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