Sommerhimmel über dir und mir (eBook)
448 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60730-8 (ISBN)
Jenny Colgan studierte an der Universität von Edinburgh und arbeitete sechs Jahre lang im Gesundheitswesen, ehe sie sich ganz dem Schreiben widmete. Mit dem Marineingenieur Andrew hat sie drei Kinder, und die Familie lebt nördlich von Edinburgh. Ihre Romane sind internationale Erfolge und stehen jeweils wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.
Jenny Colgan studierte an der Universität von Edinburgh und arbeitete sechs Jahre lang im Gesundheitswesen, ehe sie sich ganz dem Schreiben widmete. Mit dem Marineingenieur Andrew hat sie drei Kinder, und die Familie lebt etwa die Hälfte des Jahres in Frankreich. Ihre Romane um »Die kleine Bäckerei am Strandweg« und »Die kleine Sommerküche am Meer« waren internationale Erfolge und standen wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.
Kapitel 1
Mein Urgroßvater, Captain Ranald Murdo MacIntyre vom Royal Air Force City of Aberdeen Auxiliary Squadron 612, war nicht besonders groß gewesen. Die meisten waren sich darin einig, dass sein Temperament und sein Tatendrang vermutlich auch damit zu tun gehabt hatten.
Ranald war kräftig, hatte einen ordentlichen Dickkopf und trug gern einen herausfordernden Gesichtsausdruck zur Schau, so als sollten die Leute ruhig mal versuchen, sich mit ihm anzulegen, dann aber auch die Konsequenzen tragen. Er gehörte zu den Menschen, für die der Krieg eine tolle Zeit war, ein großes Abenteuer, durch das er endlich mal aus seiner kleinen Stadt an der Nordküste Schottlands rauskommen und seinen Horizont erweitern konnte.
Er verpflichtete sich gleich am Anfang, und das auch noch bei der Royal Air Force, zu einer Zeit, in der die Lebenserwartung der Piloten dort etwa ein halbes Jahr betrug. Von dem Moment an, in dem er zum ersten Mal mit einer Spitfire abgehoben hatte, war er Feuer und Flamme. Er flog furchtlos jedes Ziel an, verteidigte den Firth of Forth und flog über den Erzfeind – nicht die Luftwaffe, sondern vielmehr das Glasgow Auxiliary Squadron 602, die Rivalen von der Westküste – öfter im Tiefflug hinweg als streng genommen nötig.
Bevor seine sechs Monate da oben um waren und er – der ja alles andere als durchschnittlich war – womöglich doch noch dem Gesetz des Durchschnitts zum Opfer fallen würde, holte ihn die RAF vom Himmel und stationierte ihn in Leuchars, wo er die nachrückende Generation ausbildete, und dann die nächste, was er alles mit demselben überschwänglichen Elan in Angriff nahm wie das Fliegen selbst.
Bei Kriegsende ging die Wahrscheinlichkeit, dass er je wieder auf die Äcker der Familie zurückkehren würde, gegen null. Leider war für Ausbilder, die Piloten für Kampfeinsätze in selbstmörderischem Heldenmut schulten, nach Ende des Konfliktes nicht mehr viel Bedarf.
Zu jener Zeit trieb Ranald irgendwo eine kleine Cessna auf, die ihm Gerüchten zufolge sogar die RAF selbst überlassen hatte, um ihn endlich loszuwerden. Damit richtete Ranald umgehend eine Flugroute für die majestätische Gruppe von Inseln vor der Nordküste von Schottland ein, die bis zu diesem Zeitpunkt nur unregelmäßig durch Fähren oder sogar nur durch Segel- und Ruderboote mit der Zivilisation verbunden gewesen waren.
Allerdings waren deren Bewohner der Meinung, dass sie bisher auch gut allein klargekommen waren, vielen Dank auch, und dass sie diesen gottlos lauten, öligen Eindringling gar nicht brauchten, der da den Rhythmus der Jahreszeiten durcheinanderbrachte. Nach und nach fanden sie aber Gefallen daran, gelegentlich einen Blick in eine Zeitung zu werfen, die erst einen Tag alt war, einen Arzt aufzusuchen oder einen Ausflug in eine große Stadt wie Oban oder Inverness mit ihren verführerischen Lichtern zu machen. Die Kirche war von alldem nicht begeistert, aber das war sie ja ohnehin selten.
Jedenfalls florierte Ranalds Unternehmen mit dem winzigen Lufttaxi, das im Prinzip überall landen und jeden mitnehmen konnte. Zum einen, weil der von ihm angebotene Service eben etwas ganz Neues war, zum anderen wegen der praktischen Aspekte und schließlich auch deshalb, weil selbst übelstes Wetter Ranald nicht vom Fliegen abhielt, ihn nicht einmal groß störte. Und wer die Nordküste von Schottland nur ein bisschen kennt, der wird verstehen, was für ein tolles Talent das war.
Eigentlich dachten ja alle, das Ranald MacIntyre mit seinem Flugzeug verheiratet war, daher führte es zu allgemeiner Verblüffung, als er mit fünfzig die hübsche Margaret Wise aus Thurso heiratete, die ihm im Jahr darauf Baby Murdo gebar.
Der junge Murdo saß im Cockpit oft an der Seite seines Vaters und dessen Co-Piloten Jimmy Convery. Ranalds alter Kumpel Jimmy stammte aus einem Elendsviertel in Glasgow und war ein so einfacher, ungeschliffener Kerl, dass man ihn kaum verstand, wenn er den Mund aufmachte. Aber er war der beste und treuste Co-Pilot, den Ranald je gehabt hatte, und Ranald wusste ganz genau, dass es für Jimmy kein Zuhause gab, in das er nach dem Krieg hätte zurückkehren können. Selbst vor dem Krieg hatte es diesen Namen ja kaum verdient. Nach ihrer Entlassung brachte Ranald Jimmy daher mit zurück, und sie mieteten ein zugiges altes Haus im Ort, das nicht einmal der Pfarrer gewollt hatte. Jimmy ging dort nie wieder weg.
Murdo wuchs heran und ging bereits mit sechzehn auf die Flugschule, so wie ich auch. Nur wenig kann einen Piloten aus der Ruhe bringen, der mit Landungen unter schottischen Wetterbedingungen aufgewachsen ist: häufiger Nebel, seitlich einfallender Regen, Schnee, Hagel, und das alles bei ganz kurzen Landebahnen. Auf Inchborn, einer Insel der Gruppe, gab es überhaupt keine Landebahn, sodass Ranald dort bei Ebbe auf dem langen Strand landete.
Mit einundzwanzig lieh sich Murdo genug Geld, um ein neues Flugzeug zu kaufen – Dolly, eine brandneue Twin-Otter-Maschine, die sein ganzer Stolz war. Er versuchte, die Unternehmung professioneller aufzuziehen: mit Flugplänen, regelmäßigen Lieferungen und Rundflügen für die Leute, die inzwischen mehr Geld zur Verfügung hatten. Aber man war sich nie zu fein dafür, als Gefallen für jemanden ein Päckchen mitzunehmen, wenn die Gewichtszulassung es ermöglichte, für kleines Geld Mütter und ihre Babys abzuholen, die auf dem Festland zur Vorsorgeuntersuchung mussten, oder im Notfall das Sanitätsflugzeug zu unterstützen.
Murdo heiratete jung und war erpicht darauf, eine Nachfolgegeneration für MacIntyre Air heranzuziehen. Tatsächlich war sein Sohn, Iain, von klein auf genauso wild aufs Fliegen wie vor ihm sein Vater und Großvater. Einst war Murdo Ranalds Augenstern gewesen, sein ganzer Stolz. Iain erfüllte für Murdo die gleiche Rolle, und es wurde längst begeistert geplant, in Zukunft die Flotte zu erweitern – bis Iain eines Tages zum Markt geschickt wurde, um einen Korb rote Äpfel zu kaufen, und mit grünen zurückkehrte. So kam die schreckliche Wahrheit ans Licht: Er war nicht nur stark farbenblind, sondern hatte generell furchtbar schlechte Augen. Der Optiker hatte so einiges dazu zu sagen, dass sie den Jungen nicht schon viel früher hergebracht hatten.
Für Iain war das ein harter Schlag, ähnlich wie eine Verletzung für einen Profifußballer. Der weinerliche Teenager mit vom National Health Service finanzierter fetter Brille studierte Buchhaltung, paukte ordentlich und ergatterte eine Stelle in der Finanzabteilung einer großen kommerziellen Fluglinie mit Sitz in der Nähe von Aberdeen. Dort durfte er den Tag in der Gesellschaft von Piloten verbringen, sich um die finanziellen Aspekte der Fliegerei kümmern, Bilanzen und Rechnungen bearbeiten, die Kosten von Treibstoff und Ladung und Flugzeugen kalkulieren, aber nie selbst im Cockpit sitzen.
Man konnte schlecht sagen, ob das für den Jungen, der immer vom Fliegen geträumt hatte, nun ein Trost oder eher die reinste Folter war.
Wenigstens würde nach ihm eine neue Generation kommen. Es war zwar nicht so, dass Iain MacIntyre jede Frau, die ihn interessierte, nach ihrer Sehkraft befragte. Aber als er die schöne Katherine Trawley kennenlernte, die nicht nur tolle rote Haare hatte, sondern auch noch über hundertprozentige Sehschärfe verfügte, war die Sache geritzt. Dann kam Jamie zur Welt, und sein Weg schien vorgezeichnet.
Leider heulte und brüllte Jamie jedes Mal, wenn er an einem langen Sommertag in Carso in den Himmel aufstieg. Er konnte einfach nicht verstehen, warum ihn ständig jemand in so einer lauten und gruseligen Blechbüchse festschnallen wollte, wenn es da draußen, an der herrlichen Spitze von Schottland, doch einen Strand mit Sand und Meer und Garnelennetzen gab, mit Krebsen und Vögeln und anderen wilden Tieren, eben der ganzen Schönheit der Natur.
Jamie machte so ein Theater, dass die Familie es schließlich aufgab und sich widerwillig auf die nächste Hoffnungsträgerin konzentrierte, auf Baby Morag.
Und, na ja, das war ich.
Im zugigen alten Haus in Carso, der nördlichsten Stadt in Sutherland, ganz oben in den schottischen Highlands, gab es eine komplette Regalwand voll mit Medaillen meines Urgroßvaters Ranald. In Carso, wo die Nordsee auf die Schottische See traf, blies der Wind ohne Unterlass. Die Häuser hier waren aus grauem Stein, und es gab einen ganz...
Erscheint lt. Verlag | 28.3.2024 |
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Übersetzer | Sonja Hagemann |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Belletristik Bestseller • Belletristik Neuerscheinung • Belletristik Neuerscheinung 2024 • Bücher Geschenke Belletristik • Bücher Taschenbuch Bestseller • Buch Frauen Roman Bestsller • Einsame Insel • Frauenroman • Frauenromane Bestseller • Frauenroman lustig • Frauenroman Taschenbuch • heitere englische Romane • Insel Roman • Jenny Colgan • Liebesgeschichte • liebesroman englisch • Liebesroman Schottland • Novitäten Bestseller 2024 • Novitäten Frauenromane • Roman Highlands • Schottische Highlands • schottische Insel • Schottland Romane • Sommer-Buch • taschenbuch bestseller • Vogelbeobachtung |
ISBN-10 | 3-492-60730-6 / 3492607306 |
ISBN-13 | 978-3-492-60730-8 / 9783492607308 |
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