Habsburgs langes Sterben (eBook)
220 Seiten
Haymon (Verlag)
978-3-7099-8427-7 (ISBN)
Hannes Leidinger, geboren 1969 in Gmunden, Universitätsdozent, Lehrtätigkeit an den Instituten für Geschichte und Zeitgeschichte der Universität Wien; 2009 und 2012 Gastprofessor an der Universität Wien. Mitarbeiter sowie Leiter verschiedener Forschungsprojekte vor allem zur österreichischen und russischen Geschichte. Ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen, u.a. dem Böhlau-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Hannes Leidinger ist einer der erfolgreichsten Autoren historischer Sachbücher in Österreich, u.a. 'Streitbare Brüder: Österreich : Deutschland' (2010, Residenz Verlag) und 'Habsburgs schmutziger Krieg' (2014, Residenz Verlag), bei Haymon 'Schwarzbuch der Habsburger' (2012), 'Trügerischer Glanz: Der Wiener Kongress. Eine andere Geschichte' (2015), 'Der Untergang der Habsburgermonarchie' (2017) sowie 'Umstritten, verspielt, gefeiert. Die Republik Österreich 1918/2018' (gemeinsam mit Verena Moritz, 2018). Im April 2023 erscheint gemeinsam mit Lenz Mosbacher 'Habsburgs langes Sterben' im Haymon Verlag. Lenz Mosbacher, geboren 1993 in Wien, arbeitet als Autor und Künstler. Er ist ein Storyteller an der Schnittstelle zwischen Ausstellungsgestaltung, Zeichnung, Comic, Film und Literatur. Seine Arbeit umfasst multimediale Kooperationen etwa im Zuge der Niederösterreichischen Landesausstellung 2019, mit der Universität Fribourg, dem Landesmuseum Burgenland und dem Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich. Im Rahmen der Ausstellung 'k(ritisch) und k(ontrovers)', die für Bad Ischl als Europäische Kulturhauptstadt 2024 konzipiert wurde, erzählt er mit Texten und Zeichnungen den Untergang der Habsburgermonarchie. Für das Buch 'Habsburgs langes Sterben' visualisiert er Auszüge der Szenarien.
Hannes Leidinger, geboren 1969 in Gmunden, Universitätsdozent, Lehrtätigkeit an den Instituten für Geschichte und Zeitgeschichte der Universität Wien; 2009 und 2012 Gastprofessor an der Universität Wien. Mitarbeiter sowie Leiter verschiedener Forschungsprojekte vor allem zur österreichischen und russischen Geschichte. Ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen, u.a. dem Böhlau-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Hannes Leidinger ist einer der erfolgreichsten Autoren historischer Sachbücher in Österreich, u.a. "Streitbare Brüder: Österreich : Deutschland" (2010, Residenz Verlag) und "Habsburgs schmutziger Krieg" (2014, Residenz Verlag), bei Haymon "Schwarzbuch der Habsburger" (2012), "Trügerischer Glanz: Der Wiener Kongress. Eine andere Geschichte" (2015), "Der Untergang der Habsburgermonarchie" (2017) sowie "Umstritten, verspielt, gefeiert. Die Republik Österreich 1918/2018" (gemeinsam mit Verena Moritz, 2018). Im April 2023 erscheint gemeinsam mit Lenz Mosbacher "Habsburgs langes Sterben" im Haymon Verlag. Lenz Mosbacher, geboren 1993 in Wien, arbeitet als Autor und Künstler. Er ist ein Storyteller an der Schnittstelle zwischen Ausstellungsgestaltung, Zeichnung, Comic, Film und Literatur. Seine Arbeit umfasst multimediale Kooperationen etwa im Zuge der Niederösterreichischen Landesausstellung 2019, mit der Universität Fribourg, dem Landesmuseum Burgenland und dem Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich. Im Rahmen der Ausstellung "k(ritisch) und k(ontrovers)", die für Bad Ischl als Europäische Kulturhauptstadt 2024 konzipiert wurde, erzählt er mit Texten und Zeichnungen den Untergang der Habsburgermonarchie. Für das Buch "Habsburgs langes Sterben" visualisiert er Auszüge der Szenarien.
Dämmerstimmung
Hannes Leidinger/Lenz Mosbacher
Theatralischer könnte es nicht sein. In den nebeligen Regentagen des Novembers entschwindet mit der absterbenden Natur die alte politische Ordnung. Zuerst ist es der betagte Monarch, der im spätherbstlichen Schönbrunn für immer die Augen schließt. Dann, gerade einmal zwei Jahre später, verlässt sein Nachfolger die barocke Schlossanlage. Das Dunkel der Nacht umhüllt den letzten Kaiser und die kleine Schar seiner Getreuen. Im Dämmerzustand der Hoffnung auf Wiederkehr treten sie aus der Herrschaftsgeschichte Europas aus.
Der Moment stellt eine tiefgreifende Zäsur dar: durch das Ende des Ersten Weltkrieges und durch das plötzliche Verschwinden bislang scheinbar ewig bestehender Imperien. Der Bruch ist für den alten Kontinent so groß wie für Österreich, das für sich selbst eine neue Definition sucht.
Dabei konnten die Untertanen des verblichenen k.u.k. Doppelstaates nicht völlig überrascht sein von den einschneidenden Veränderungen. Das untergegangene Reich stand immer wieder vor dem Aus, erlebte regelmäßig existenzielle Krisen, empfand sein Weiterbestehen nur zu oft als Provisorium und Prekariat.
Zugleich schien der „Alte Mann an der Donau“ Siechtum und Zähigkeit gleichermaßen zu verkörpern. Das fragile und vielgestaltige Gemeinwesen verfügte trotz aller Widrigkeiten über beachtliche Kräfte des Zusammenhalts. Sie relativierten die scharfe Zeitgrenze von 1918. Der Doppeladler hatte sich Lebensenergien bewahrt, das Reich lebte weiter: in den Köpfen und Herzen, in den Empfindungen und Vorlieben, in den Sitten und Normen seiner ehemaligen Bewohner.
Der Abschied verzögerte sich. Im Grunde dauert er bis heute an. Habsburgs schleichender Tod vollzog sich in Etappen, mit Anbindung an die Gegenwart.
Die folgenden Seiten erzählen davon, in Texten und Illustrationen. Begleitet wird die Zeitreise von Manfried Rauchensteiner, der einleitend den entscheidenden Moment, den Ersten Weltkrieg und die Auflösung Österreich-Ungarns, zwischen Kritik und Verklärung ansiedelt.
Abschließend betrachten Verena Moritz, Elisabeth Schweeger und Nadia Rapp-Wimberger das habsburgische Erbe aus heutiger Sicht. Die kritische Annäherung an historische Langzeitwirkungen und unterschiedliche Formen des Gedenkens endet in der Gegenwart, fragt nach der Relevanz – nicht nur für Österreich, sondern für Europa.
Die Kulturhauptstadt Salzkammergut mit der „Kaiserstadt“ Bad Ischl gerät in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der idyllische Ort ist Zentrum des k.u.k. Mythos, der romantisierenden Verklärung, erinnert aber auch an fatale Entscheidungen. In Bad Ischl entschloss sich Franz Joseph I. im Sommer 1914 für den Waffengang. Er wurde zum „Weltbrand“ und zur „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts.
Die Kulturhauptstadt Europas widmet sich dem schwierigen Vermächtnis. Unter anderem vermitteln Informations-Stelen mit Ton- und Bilddokumenten sowie Erzähltexten und Zeichnungen das vielschichtige Geschehen vor und nach 1918. Das Buch bewahrt diese Intervention im öffentlichen Raum: Ein Portal führt in eine virtuelle Ausstellung1 …
Ein Hauch von Joseph Roth
Das Ende der Habsburgermonarchie zwischen Kritik und Verklärung
Manfried Rauchensteiner
„Ich habe es geliebt, dieses Vaterland, das mir erlaubte, ein Patriot und ein Weltbürger zugleich zu sein, ein Österreicher und ein Deutscher unter allen österreichischen Völkern.
Ein grausamer Wille der Geschichte hat mein altes Vaterland, die österreichisch-ungarische Monarchie, zertrümmert.“ So schilderte der aus Brody in Galizien, einem Teil der heutigen Ukraine, stammende Schriftsteller Joseph Roth in einem Begleittext zu seinem Roman „Radetzkymarsch“ seine Gefühlslage bei der Abfassung seines Textes. Es war ein berührender Nachruf auf die Habsburgermonarchie. Nicht der einzige, den Roth geschrieben hat und dabei bemüht war, Stärken und Schwächen eines entschwundenen Reichs sichtbar werden zu lassen. In einem aber irrte er ganz offensichtlich: Es war kein „grausamer Wille der Geschichte“, der den Zerfall der Donaumonarchie herbeigeführt hat, sondern Mutwille, Fehleinschätzungen, Massenpsychose, Siegeszuversicht, militärisches Unvermögen und schließlich der Triumph der Sieger. Ab dem November 1918 gehörte Österreich-Ungarn der Geschichte an. Für den Weg dahin scheint das alte Begriffspaar Triumph und Tragödie zu passen.
Schon lange vor dem Ersten Weltkrieg war die Habsburgermonarchie ein zerbrechliches Gebilde und stellte eine Existenz auf Abruf dar. Der seit 1848 regierende Kaiser Franz Joseph bezeichnete gegenüber dem Schweizer Diplomaten Carl Jacob Burckhardt sein Reich sehr zutreffend als „Anomalie“. Durch ein Bündnis mit dem Deutschen Reich 1879 und vier Jahre später mit Italien hatte es scheinbar an Stabilität gewonnen. Doch es blieb ein Staatswesen, dessen Zeit abgelaufen war. Der endliche Zerfall hatte aber nicht nur seine äußeren und bündnispolitischen Gründe. Der „Wurm“ fraß das Reich von innen auf.
1867 hatte man noch glauben können, dass der sogenannte „Ausgleich“ mit Ungarn die Spannungen zwischen den beiden größten Volksgruppen der Monarchie, den deutschen Österreichern und den Magyaren, dauerhaft beseitigt hätte. Doch der ungarische Wunsch nach Unabhängigkeit konnte nicht beseitigt werden. Außerdem lebten in der Habsburgermonarchie elf Nationalitäten, die rechtlich zwar gleichgestellt waren, aber keinen gleichen Anteil an den staatlichen Einrichtungen hatten und daher von einer selbstbestimmten Zukunft träumten.
Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert war keine große Reichsreform mehr zu erwarten gewesen. Kaiser Franz Joseph war mit der „Anomalie“ zufrieden. Daher konzentrierten sich Interessen und Hoffnungen mehr und mehr auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand. Der hatte zwar auch nur recht vage Vorstellungen, wie man die Habsburgermonarchie zukunftsfähig machen könnte. Doch so viel war klar: Er war trotz seines martialischen Auftretens kein Kriegstreiber. Vielmehr beabsichtigte er, dem fragilen Reich dadurch Stabilität zu geben, dass er zusammen mit Deutschland und Russland das Dreikaiserbündnis des 19. Jahrhunderts reaktivieren und dann mit der entsprechenden außenpolitischen Absicherung an die Reichsreform gehen, den Dualismus beseitigen und eine Neustrukturierung der Habsburgermonarchie versuchen wollte. Das wäre nicht ohne schwere Konflikte und möglicherweise einen Bürgerkrieg abgegangen. Doch wenn sich Russland gewinnen ließ, konnte der Neubeginn – theoretisch – gelingen. Es sollte anders kommen.
Was dann am 28. Juni 1914 geschah, ist hinlänglich bekannt. Der Doppelmord von Sarajevo änderte alles und wurde in Wien als eine Art Kriegserklärung Serbiens aufgefasst. Nicht zuletzt Kaiser Franz Joseph sah nur mehr die Niederwerfung Serbiens als Lösung der anstehenden innen- wie außenpolitischen Probleme. Am 29. Juli fielen an der Donau die ersten Schüsse. Und wie bei einer Kettenreaktion folgte eine Kriegserklärung der anderen und es traten außer Serbien und Montenegro auch Russland, Großbritannien und Frankreich gegen Österreich-Ungarn und Deutschland in den Krieg ein. Andere Staaten taten es ihnen gleich. Statt wie von den Pazifisten gefordert den Krieg zu bestreiken, sprach man gelegentlich von „Erlösung“ durch den Krieg, denn jetzt musste man nicht mehr verhandeln und um Kompromisse ringen; jetzt ging es um einen Siegfrieden, den Österreich-Ungarn genauso wie seine Verbündeten und Gegner mit Millionenheeren zu erringen suchte.
Anfangs zogen die Soldaten aller kriegführenden Länder mit „grausamer Entschiedenheit“ (Joseph Roth) an die Fronten im Süden, Westen und Osten. Schon wenige Monate später mochte den Staatsführern wohl die Erkenntnis gedämmert haben, dass sich der gedachte mit dem tatsächlichen Krieg nicht vergleichen ließ. Aber niemand wollte den entscheidenden Schritt zurück machen. Am ehesten wäre das vielleicht von Österreich-Ungarn zu erwarten gewesen, denn die k.u.k. Armee war schon nach wenigen Wochen nicht mehr kriegsfähig. Drei Offensiven gegen Serbien waren gescheitert, und den Russen gelang es, die Truppen der Donaumonarchie bis an die Karpaten zurückzudrängen. Die Reaktion darauf bestand aber nicht darin, dass die Suche nach einem Waffenstillstand begonnen hätte, sondern darin, dass in großen Teilen der Habsburgermonarchie das Kriegsrecht ausgeweitet wurde. Vor allem in den nördlichen und östlichen Kronländern zeichnete sich eine Militärdiktatur ab.
An der russischen Front ergaben sich ganze Truppenkörper, doch die Leidensfähigkeit der österreichisch-ungarischen Soldaten, aber auch der Zivilisten im Hinterland überdeckte zunächst noch jegliches Krisensymptom. Der Krieg ging weiter. Die Soldaten schafften es, schwere Rückschläge hinzunehmen. Sie zeigten ebenso Durchhaltevermögen wie die rund 50 Millionen Menschen in der Heimat, die das Ihre dazu beitrugen, die militärische Maschinerie am Laufen zu erhalten. Sie kurbelten die Produktion an Rüstungsgütern so an, dass man mit gutem Grund sagen konnte, Österreich-Ungarn habe seine Gegner zeitweilig niedergerüstet. Mittels Kriegsanleihen wurden die finanziellen Mittel aufgebracht, um die Liquidität zu erhalten. Und wenn es an den Fronten oder im Hinterland kriselte, bat das k.u.k Armeeoberkommando das verbündete Deutschland um Hilfe. Und bekam sie. Im Übrigen hielt die Vision, das Reich könnte nach einem verlorenen Krieg zerfallen, die Völker des Reichs entgegen manchen Erwartungen doch noch zusammen. Es war aber auch der alte Kaiser,...
Erscheint lt. Verlag | 18.4.2024 |
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Verlagsort | Innsbruck |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Adel • Donaumonarchie • Erbe • Erster Weltkrieg • Habsburg • Habsburger • Herrschaft • k.u.k. Doppelmonarchie • Monarch • Monarchie • nachwirken • Österreich • Österreich-Ungarn • Republik |
ISBN-10 | 3-7099-8427-0 / 3709984270 |
ISBN-13 | 978-3-7099-8427-7 / 9783709984277 |
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