Zwischen zwei Meeren -  Leif Lindholm

Zwischen zwei Meeren (eBook)

Roman | Ein inspirierendes Geschenkbuch mit atmosphärischen, farbigen Illustrationen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
176 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77957-5 (ISBN)
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Die bewegende Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft

Theo reist an den Ort, wo Nord- und Ostsee sich treffen: nach Skagen, den äußersten Zipfel Dänemarks. Die Schönheit und Kraft des Meeres haben ihn seit jeher fasziniert, als Meeresbiologe waren das Meer und seine Bewohner, die er bei aufregenden Tauchgängen erforscht hat, sein Leben - bis zu einem tragischen Unfall während einer Forschungsreise, seit dem er sich nicht mehr überwinden kann, ins Wasser zu gehen. Am Strand von Skagen trifft er den zehnjährigen Ben, der dort schwimmen lernen soll, aber ebenfalls große Angst vor dem Wasser hat. Ben zeigt Theo eine Nautilusschale, ein »Perlboot«, das er am Strand gefunden hat, und das Fragen aufwirft: Wie kommt das Perlboot, wo es doch in der Südsee beheimatet ist, an die dänische Küste? Theo und Ben wollen diesem Rätsel gemeinsam auf den Grund gehen - doch dazu müsssen sie ihre Angst vor dem Wasser überwinden ...

Eine inspirierende Erzählung von einer ungewöhnlichen Freundschaft zweier Menschen, die sich an der Küste Dänemarks begegnen und gemeinsam ihre Angst vor dem Meer überwinden.



Leif Lindholm hat Kunstgeschichte in Bochum studiert. Als Reiseführer ist er viel in der Welt unterwegs gewesen, auch dort, wo er seinem Hobby, dem Tauchen, nachgehen konnte. Heute lebt er als Journalist in Berlin. Als er 2020 während der Corona-Pandemie seinem Sohn das Schwimmen beibringen wollte, bemerkte er dessen große Angst vor dem Wasser. Gemeinsam sind sie dieser Angst auf den Grund gegangen und dabei ist die Idee zu dem Buch <em>Zwischen zwei Meeren</em> entstanden. Sein Name ist ein Pseudonym.

3Von fern hörte Ben ein Rufen. Es galt ihm. »Ben! Be-en!« Es war Trude. Ben richtete sich vorsichtig auf, kaum höher als zu einer Hocke. Dann versuchte er, so schnell wie möglich in Richtung der Stimme zu laufen, immer zwischen den Dünen Deckung suchend.

Er sah sie schon von weitem. Sie stand auf dem Nordstrandvej, einem sandigen Pfad, der sich wie ein Hohlweg durch die Dünen zog. Kurz bevor er Trude erreichte, stoppte er abrupt. Er nahm ihre gerunzelte Stirn und den ernsten Zug um die Mundwinkel wahr.

»Ben, was habe ich dir gesagt?«

Verlegen blickte er zu der schlanken Frau mit dem eisgrauen Bubikopf auf. Sie hatte sich einen meerblauen seidenen Schal um den Hals geschlungen.

»Ich soll in der Nähe des Hauses bleiben.«

Trude schien unschlüssig, ob sie erleichtert sein oder ihm erst mal den Kopf waschen sollte.

»Du weißt doch, die Strömung ist hier besonders gefährlich. Selbst Leute, die schwimmen können, dürfen hier nicht …«

»Ich geh ja nicht ins Wasser!«, unterbrach Ben sie.

»Und wenn jetzt Hendrik Bloemsvik einen Strandspaziergang gemacht hätte?«, fragte sie tadelnd. »Er führt hier jeden Tag seine Hunde aus, und wenn er mitkriegt, dass du dich hier ohne mich herumtreibst, dann hätte er wieder allen Grund, uns Ärger zu machen. Ben, verstehst du nicht? Solange du bei mir bist, habe ich die volle Verantwortung für dich. Leider mögen hier nicht alle, dass ich Kinder wie dich im Sommer aufnehme und ihnen schwimmen beibringe. Da sind in der Vergangenheit mal ein paar Sachen vorgefallen, und jetzt schauen sie eben genau hin.«

»Und wenn schon, ich kann doch viel schneller laufen als der.«

Trude kniff die Augen zusammen und fixierte ihn scharf.

»Du hättest dich also einfach umgedreht und wärst weggelaufen?«

»Klar!«, erklärte Ben großspurig.

»Und wer steht dann später vor meiner Haustür? Hendrik Bloemsvik!«

Es hieß, Bloemsvik stamme aus einer Skagener Fischerfamilie und sei früh zum Militär gegangen. Er sei Elitesoldat und später bei der Kongelige Livgarde, der Palastwache in Schloss Amalienborg, gewesen. Seit seiner Rückkehr war er der Leiter des Heimatmuseums, und ihm war das soziale Engagement von Trude ein Dorn im Auge. Vor allem, seit ihr letzter junger Feriengast eine exotische Muschel aus dem Museum hatte mitgehen lassen. »Dafür mache ich dich persönlich verantwortlich, Trude!«, hatte Bloemsvik getönt. Dabei hatte der Junge die Muschel auf Trudes Geheiß hin unversehrt und reumütig zurückgebracht.

Ben ließ den Kopf sinken. Trude ging in die Hocke und strich ihm liebevoll übers Haar.

Schließlich nahm sie ihn an der Hand und meinte: »Keine Trübsal blasen. Ich mach dir jetzt erst mal einen leckeren Kakao.«

Zwanzig Minuten später saß Ben an Trudes Küchentisch. Vor ihm stand eine große dampfende Tasse, in der Ben herumrührte. Trude machte gerade den Abwasch.

»Sieh mal, Ben, du bist hier, um schwimmen zu lernen. Und natürlich, damit du mal rauskommst aus eurer kleinen Wohnung in Hamburg. Deine Mutter kann ja leider nicht mit dir in den Urlaub fahren, sie braucht Ruhe. Das ist unsere Vereinbarung. Schwimmen ist eine wunderbare Sache, weißt du? Es ist wichtig, es zu können … für dein Leben, verstehst du?«

»Gab es schon mal Kinder, die es nicht geschafft haben?«, fragte Ben und zerdrückte mit dem Löffel ein Kakaoklümpchen.

Trude zögerte mit ihrer Antwort, aber Ehrlichkeit war ihr immer wichtig. »Ja, da gab es mal ein oder zwei Kinder, die hatten sehr große Probleme, mit anderen Dingen …«

»Aber ich habe doch auch große Probleme!«

»Wer sagt das?«

»Alle! Alle sagen das! Auch, dass meine Mama Probleme hat.«

Davon wusste Trude. Deswegen hatte sie Ben aufgenommen.

»Nun, Probleme sind da, um gelöst zu werden. Und ich finde, du bist hier, um eines deiner Probleme zu lösen: nämlich, dass du mit zehn Jahren noch nicht schwimmen kannst!«

Ben wurde jetzt trotzig: »Ich will aber nicht! Das Wasser ist auch so kalt!«

Trude seufzte. »Schau mal, viele Schwierigkeiten entstehen dadurch, dass wir etwas nicht können. Oder eben meinen, es nicht zu können. Du kannst es aber, wenn du nur willst! Ich kann dich natürlich nicht zwingen. Aber wenn du dich nicht bereit erklärst, schwimmen zu lernen, muss ich dich früher nach Hause schicken. Du bist jetzt schon seit einer Woche bei mir und weigerst dich immer noch, auch nur die Badehose anzuziehen.«

»Ich muss ja sowieso wieder hier weg, ob gleich oder in vier Wochen ist doch egal!«

Trude wusste, was er meinte, und es traf sie. Sie kannte den Vorwurf, auch von den anderen Kindern, die sie während der Sommerferien bei sich aufgenommen hatte. Aber Trude war erfahren genug, um das Thema zu wechseln. Sie setzte sich zu Ben an den Küchentisch.

»Was hast du denn heute erlebt, du kleiner Ausreißer, erzähl mal!«

Ben schmollte. Trude legte den Kopf zur Seite.

»Da war dieser Mann …«, erwiderte Ben nur zögerlich.

»Was für ein Mann?«

»Na ja, ein Mann eben, ein Deutscher. Er hat mich angesprochen.«

»Was hat er denn gesagt?«

»Irgendetwas von Schiffen und der Nordsee und der Ostsee. Hab ich nicht so ganz verstanden.«

»Und dann?«

»Dann bin ich weggelaufen und hab mich in den Dünen versteckt.«

»Und der Mann?«

»Ist stehen geblieben. Dann hat er sich auf den Boden gesetzt und irgendwas gemacht.«

»Was denn?«

»Geschrieben, gemalt, so etwas halt.«

»Ach!«, rief Trude nun erleichtert aus, »der war das!«

»Wer?«

»Na, der Deutsche, der Großvaters Haus drüben gemietet hat. Theo heißt er. Wahrscheinlich ein Künstler. Einer dieser Maler, die immer wieder hierherkommen.«

»Und warum kommen Maler hierher?«

»Man sagt, es sei das Licht.«

»Aber Licht ist doch überall, wenn es nicht gerade Nacht ist.«

Trude lachte auf. Es war ein glockenhelles, fröhliches Lachen.

»Maler sehen das ein bisschen anders. Tatsächlich ist das Licht nicht überall gleich. Bei euch daheim in Hamburg, also in jeder Großstadt, da ist das Licht anders. Da gibt es mehr Luftverschmutzung. Die verändert das Licht.«

Ben legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach.

»Ja, es ist irgendwie anders … heller. Und wenn es ganz heiß ist, dann wird das Licht flüssig.«

»Flüssig?«, fragte Trude verblüfft und hob die Augenbrauen.

»Ja, wirklich. Von ganz weit weg sieht das aus wie Wasser.«

»Ach so. Jetzt weiß ich, was du meinst. Eine Luftspiegelung. In der Wüste kommt das oft vor. Manchmal, aber sehr selten, auch hier am Strand. Dafür muss es aber wirklich heiß sein.«

Ben schaute sie an und meinte dann mit tiefem Ernst: »Du weißt so viel. Du bist die klügste Frau, die ich kenne.«

Wieder lachte Trude ihr glockenhelles Lachen.

»Vielen Dank, du kleiner Charmeur, aber es gibt sicher noch ein paar klügere als mich. Ich war nur eine bescheidene Lehrerin.«

»Warum bist du keine Lehrerin mehr?«

Trude schaute Ben freundlich an.

»Ich bin zu alt.«

Ben war empört.

»Du bist doch nicht zu alt. Wer sagt das?«

»Mein Pass«, meinte sie trocken. »Ich bin zweiundsiebzig und deshalb schon, wie man so schön sagt, im wohlverdienten Ruhestand.«

»Zweiundsiebzig, so alt?«, fragte Ben ungläubig.

»Ich hab dir gesagt, du darfst mich alles fragen. Aber sei vorsichtig. Es gilt als unhöflich, eine Dame nach ihrem Alter zu fragen.«

»Oh, Entschuldigung …«, sagte Ben schnell.

»Papperlapapp. Woher sollst du es auch wissen? Deswegen sag ich es dir ja. Es ist wichtig, dass der Mensch jeden Tag lernt, nicht nur lesen, schreiben und das kleine Einmaleins.«

»Wärst du gerne weiter Lehrerin geblieben?«

»Oh, ja, aber wenn die Zeit gekommen ist …«

Sie kniff ein Auge zusammen.

»Und weißt du, die Sache hat ja auch etwas Gutes. Ich bin jetzt deine Schwimmlehrerin. Ist doch nicht schlecht, oder?« Und nach einer kurzen Pause: »Möchtest du noch einen Kakao?«

Ben nickte.

...

Erscheint lt. Verlag 15.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Ammonit • Angst • Dänemark • Freundschaft • Geschenkbuch • Kattegat • Marieke Nelissen • Maritim • Meeresbiologie • Nautilusschale • Perlboot • Schwimmen • Skagen • Skagerrak • Tauchen • Überwindung • Wasser • Wasser-Angst
ISBN-10 3-458-77957-4 / 3458779574
ISBN-13 978-3-458-77957-5 / 9783458779575
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