Die Farben der Wüste (eBook)

Georgia O'Keeffe malte, um die Welt neu zu begreifen | Der ergreifende Roman über eine der wichtigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts und ihren Kampf um Selbstbestimmung
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2024 | 1. Auflage
420 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3151-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Farben der Wüste -  Amelia Martin
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Ihre Blumenbilder machten sie weltberühmt - dabei schuf sie Schönheit aus großem Schmerz Die erwachsene Georgia O'Keeffe blickt zurück auf ihr Leben: Auf die schillernden Jahre in New York, wo sie umgeben von Künstlern und Fotografen wilde Jahre verbringt; ihr politisches Engagement bei der National Woman's Party, nicht zuletzt auf ihre große Liebe zu Alfred Stieglitz, dessen Aktfotografien von Georgia ihr Gesicht weit über die Grenzen der USA bekannt macht. Als sie - bereits in ihren Fünfzigern - in der Ruhe ihrer Ranch in New Mexico endlich die Erdung findet, die sie ihr ganzes Leben gesucht hat, wird klar, dass sie ihrem Ehemann und Förderer Stieglitz längst entwachsen ist: Unbeirrt geht sie ihren steinigen Weg zu einer Kunst, die dem Leben in all seiner morbiden Vollkommenheit huldigt, und wird damit unsterblich. Die Farben der Wüste ist ein zutiefst sinnlicher Roman über eine ungezähmte Frau, der die Fans von Frida Kahlo und Hilma af Klimt begeistern wird. 

Amelia Martin ist das Pseudonym einer Bestsellerautorin. Sie hat jahrelang als Sachverständige für ein weltweit handelndes Auktionshaus gearbeitet, die Provenienz von Möbeln und Kunstgegenständen geprüft und Ausstellungen organisiert. Nach Jahren in England und im europäischen Ausland unternimmt die Autorin heute ausgedehnte Recherchereisen an die Schauplätze ihrer Romane.

Amelia Martin ist das Pseudonym einer Bestsellerautorin. Die promovierte Kunsthistorikerin brennt für außergewöhnliche Frauen, deren Leben völlig neue Wege ebneten und deren Geschichten allzu oft unerzählt bleiben. Wenn Amelia Martin sich einem Stoff widmet, recherchiert sie aufwendig und unternimmt ausgedehnte Reisen an die Orte des Geschehens. Sie lebt und schreibt an der deutschen Nordseeküste.

2


New York, 1916

Die Galerie war gut besucht und die Warteschlange vor dem Eingang entsprechend lang. Arthur zahlte die fünfundzwanzig Cent Eintritt und lächelte sie ermunternd an.

»Dann wollen wir mal sehen, was Montross uns zu bieten hat.«

Seit Georgia im März nach New York gekommen war, hatte sie Ausstellungen moderner Künstler besucht, wann immer es ihre Arbeit am Teachers College der Columbia University erlaubte. Heute war die Montross-Galerie mit Werken von Vertretern des Dadaismus und Kubismus an der Reihe.

Sie hakte sich bei Arthur ein und betrat neugierig die hohen Räume. »Was hältst du von diesem Werk?«, fragte sie und neigte den Kopf, um die geometrischen Formen, die Jean Metzinger in seiner Komposition vereint hatte, genau zu studieren.

Ihr Begleiter runzelte kurz die Stirn. Arthur MacMahon war ein stattlicher Mann, groß, dunkelhaarig, mit einem klassischen Profil. Er wirkte genauso distinguiert, wie es seinem gesellschaftlichen Status als Politikwissenschaftler und Dozent entsprach. Georgia bemerkte die bewundernden Blicke anderer Frauen sehr wohl, wenn sie mit Arthur ausging, denn er war ein attraktiver Mann und brachte ihr ernsthafte Gefühle entgegen. Aber genau das war das Problem. Die Liebe ist unerhört kompliziert, dachte Georgia und wandte sich wieder der Kunst zu.

»Es gefällt mir zumindest besser als der Duchamp dort. Die Farben sind gefälliger und …« Er unterbrach sich und trat dichter an das Ölgemälde heran, um die Beschriftung zu lesen. »Und jetzt, wo ich es weiß, sehe ich auch den Krug und das Obst.«

Er schenkte ihr ein warmes, verzeihendes Lächeln. In diesem Moment öffnete sich ihr Herz, und sie hätte ihn vor allen Leuten küssen können. Doch das würde er nie tun. Etikette und Anstand waren ihm wichtiger als Spontaneität und überschäumende Leidenschaft. Dabei mochte er genau diese Eigenschaften an ihr.

Sie drückte seinen Arm und sagte: »Es ist nicht wichtig, ob wir die Gegenstände erkennen, Arthur. Der Künstler sieht das Innerste der Dinge und malt ihr Wesen. Mir gefällt die Linienführung, und das Türkis dort ist durchscheinend wie Glas.«

Fasziniert betrachtete sie das Sammelsurium an Ausschnitten und scheinbar wahllos zusammengewürfelten Formen, die eine Harmonie erzeugten und mit den Farben das Auge lenkten. Und dennoch, dachte sie, ich möchte weiter gehen. In der völligen Abstraktion liegt der Kern des Ausdrucks. Das war ihre Überzeugung.

»Georgia? Hörst du mir zu?«

Sie tauchte aus ihren Gedanken auf und sah ihn an. »Die Farben, Arthur, es sind die Farben, die Gefühle ausdrücken.«

»Ja, sehr schön. Hast du schon über meine Einladung nachgedacht? Meine Mutter möchte dich kennenlernen. Das ist ein großer Schritt. Verstehst du?« Seine dunklen Augen hefteten sich bedeutungsvoll auf sie.

Plötzlich war die Leichtigkeit, die Schönheit des Augenblicks verflogen. Eine ungewisse Angst nagte an ihr, verursachte einen stechenden Schmerz in ihrem Magen. »Hm, ja, tut mir leid, es ist so aufregend, was gerade in der Malerei passiert. Findest du nicht?«

Gestern erst hatte sie neue Werke von Marsden Hartley in 291, der Galerie von Alfred Stieglitz, gesehen. Der Mann war ein Phänomen, eine Naturgewalt, wenn es um die Kunst ging. Wenn er sprach oder vielmehr dozierte, hingen alle an seinen Lippen. Stieglitz hatte ihr eins von Hartleys Bildern mitgegeben, damit sie es in aller Ruhe studieren konnte. Das bedeutete ihr viel. Als sie das Unverständnis und eine leichte Verärgerung in Arthurs Miene erkannte, schenkte sie ihm ein warmes Lächeln.

Ihr Begleiter entspannte sich und ging mit ihr zum nächsten Gemälde. »Meine Liebe, ich versuche ja, deine Begeisterung für die Malerei zu teilen. Hab ein wenig Geduld mit mir. Oh, sieh nur, da ist Professor Beard.« Arthur machte eine Handbewegung und beugte sich zu Georgia, um ihr leise zuzuflüstern: »Er ist der jüngste Professor für Geschichte und hat sich bereit erklärt, meine Doktorarbeit zu betreuen. Du musst ihn kennenlernen.«

»Ach weißt du, Arthur, geh du nur zu deinem Professor, ich möchte mir noch die Werke von Jean Crotti und Duchamp ansehen.« Sie tätschelte ermunternd seinen Arm und ging davon.

Sie mochte Arthur. Sehr sogar. Manchmal quoll sie über vor Liebe für ihn. Er teilte ihre Leidenschaft für lange Spaziergänge durch die Natur. Gemeinsam hatten sie Wanderungen durch die Wildnis von Virginia unternommen. Georgia hatte in den vergangenen Sommermonaten als Assistentin für ihren Mentor Alon Bement an der Universität von Virginia gearbeitet und Zeichenkurse gegeben. Bement hatte sie mit den Gestaltungsprinzipien von Arthur Wesley Dow bekannt gemacht und ihr Kandinskys Schrift über das Geistige in der Kunst empfohlen. Und während sie sich mit den neuen Kunsttheorien auseinandersetzte, um für sich den richtigen Weg zu finden, hatte sie Arthur kennengelernt.

Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie er sich mit seinem Professor unterhielt. Arthur sprach oft mit ihr über seine liberalen Ideen, seine Untersuchungen von staatlichen Behörden und deren Effektivität. Er war ein reizender Mann, bis zu einem gewissen Grad auch verständnisvoll, und er konnte sehr zärtlich sein. Seufzend wandte sie sich den Gemälden zu und dachte an das dunkle Bild von Marsden Hartley, das jetzt in ihrem Zuhause stand. Ihre Freundin, Anita Pollitzer, hatte ihr ein Zimmer im Haus ihres Onkels, Dr. Sigmund Pollitzer, vermittelt. Dafür war sie Anita dankbar. Überhaupt war Anita die beste Freundin, die man sich wünschen konnte.

Georgia hörte, wie eine Frau neben ihr sagte: »Crotti, so ein Unfug. Das ist keine Kunst, das ist Müll. Lass uns gehen, William.«

Der Begleiter, wohl der Ehemann, strich sich über den Schnauzer, warf einen Blick auf die bunte Gouache mit dem Titel »Chaos« und nickte.

Was würden diese Leute zu ihren Werken sagen? Georgia hatte im vergangenen Winter eine Serie von Kohlezeichnungen an Anita in New York geschickt. Eigenmächtig, ohne ihre Erlaubnis einzuholen, hatte Anita die Zeichnungen Stieglitz in seiner Galerie gezeigt. Oh, sie war wütend gewesen, dass Anita ihr Vertrauen missbraucht hatte. Doch die Reaktion von Alfred Stieglitz hatte sie versöhnt. Er, der große Kunstkenner, der Fürsprecher der Moderne, hatte sich wohlwollend über ihre Kohlezeichnungen geäußert!

Deshalb war sie nach New York gekommen. Auch weil sie den Kurs bei Dow brauchte, um die Lehrtätigkeit in Canyon, Texas, im Herbst antreten zu können. Und wegen Arthur. Natürlich.

Am nächsten Tag stand sie im Zimmer von Dr. Pollitzers Apartment in der 60th Street und starrte auf das brauntonige Bild von Hartley. Heute kam es ihr noch düsterer vor. Entschlossen packte sie es in Papier und klemmte es sich unter den Arm.

Auf dem Flur traf sie auf Aline Pollitzer, die Tochter von Anitas Onkel. Das junge Mädchen trug die Haare halblang und einen modischen Rock. Sie war sehr lebendig und zeigte ihre Weiblichkeit.

»Hallo, Georgia. Ich habe gleich einen Kurs bei MacMahon. Gehst du auch zur Universität?« Aline studierte Geschichte und Politik, ein Zugeständnis ihres Vaters.

»Nein, ich habe erst später einen Kurs. Ich will das Bild zurückbringen. Es macht mich nervös.«

Mit ihren hellen Augen sah Aline sie neugierig an. »Warum? Zeig mal!«

Georgia öffnete das Papier, und Aline sah sich Hartleys abstrakte brauntonige Komposition an.

»War der Maler traurig?«

»Gut möglich.« Georgia packte das Bild wieder ein. »Es war sowieso nur geliehen.«

Aline sah sie prüfend an. »Triffst du dich heute mit Arthur?«

Georgia schüttelte den Kopf. »Übermorgen bin ich bei ihm zum Lunch eingeladen. Seine Mutter will mich kennenlernen.«

»Uhuuu!«, machte Aline vielsagend und fügte hinzu: »Dann zieh doch mal was anderes an als diese furchtbaren schwarzen Kleider. Mag er die denn?«

Georgia verzog das Gesicht. »Sonst hätte er mich wohl kaum zum Essen mit seiner Mutter eingeladen.«

Seit einigen Jahren nähte sie ihre Kleidung selbst. Sie verabscheute die engen, unbequemen Kleider mit all dem Firlefanz. Darin konnte man sich nicht ordentlich bewegen, und sie ging jeden Tag stundenlang! Hier in der Stadt war es schwieriger, denn die Weite, die frische Luft und der endlose Himmel fehlten. Aber morgens marschierte sie früh durch die Straßen und den Central Park, um Eindrücke zu sammeln. Ihre gerade geschnittenen Kleider waren praktisch. Dazu trug sie weiße Blusen und flache Schuhe, und es scherte sie nicht, was andere über sie dachten.

Mit Anita sprach sie oft über die untergeordnete Stellung der Frau in der Gesellschaft. Anita war Suffragette und Fotografin und hatte Georgia dazu bewogen, der National Woman’s Party beizutreten. Durch ihre Freundin war Georgia auf Werke von Charlotte Gilman, Olive Schreiner und das radikale Magazin The Masses aufmerksam geworden. In diesen Publikationen ging es um die »Neue Frau«, befreit von viktorianischen Einschränkungen und einer fadenscheinigen Moral, eine Frau, die ihre Karriere verfolgen durfte und...

Erscheint lt. Verlag 1.8.2024
Reihe/Serie Ikonen ihrer Zeit
Ikonen ihrer Zeit
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2 Zeitebenen • 5 Bände • 5 kontinente • 7 Schwestern • Atlas • Cornwall • dramatisch • Erbe • exotisch • Familiengeheimnis • Familiengeschichte • Familienroman • Frauenunterhaltung • Geheimnis • Großmutter Enkelin • Lucinda Riley • Mexiko • pa salt • Saga • Soraya Lane • Töchter • Vergangenheit • Verlorene Tochter
ISBN-10 3-8437-3151-9 / 3843731519
ISBN-13 978-3-8437-3151-5 / 9783843731515
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