Ein Ort für immer (eBook)
384 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01755-9 (ISBN)
Graham Norton, Schauspieler, Comedian und Talkmaster, ist eine der bekanntesten Fernsehpersönlichkeiten der englischsprachigen Welt. Geboren wurde er in Clondalkin, einem Vorort von Dublin, aufgewachsen ist der Sohn einer protestantischen Familie aber im County Cork im Süden Irlands. Sein erster Roman «Ein irischer Dorfpolizist» überraschte viele durch seine Wärme und erzählerische Qualität, er avancierte in Irland und Großbritannien zum Bestseller, wurde mit dem Irish Book Award 2016 ausgezeichnet und wird nun auch zu einer Fernsehserie. «Möglicherweise war es Verschwendung, dass der Mann die ganzen Jahre im Fernsehen war», schrieb Bestsellerautor John Boyne in der «Irish Times».
Graham Norton, Schauspieler, Comedian und Talkmaster, ist eine der bekanntesten Fernsehpersönlichkeiten der englischsprachigen Welt. Geboren wurde er in Clondalkin, einem Vorort von Dublin, aufgewachsen ist der Sohn einer protestantischen Familie aber im County Cork im Süden Irlands. Sein erster Roman «Ein irischer Dorfpolizist» überraschte viele durch seine Wärme und erzählerische Qualität, er avancierte in Irland und Großbritannien zum Bestseller, wurde mit dem Irish Book Award 2016 ausgezeichnet und wird nun auch zu einer Fernsehserie. «Möglicherweise war es Verschwendung, dass der Mann die ganzen Jahre im Fernsehen war», schrieb Bestsellerautor John Boyne in der «Irish Times». Silke Jellinghaus, geboren 1975, ist Übersetzerin, Autorin und Lektorin und lebt in Hamburg. Unter anderem hat sie Jojo Moyes und Graham Norton übersetzt.
Declan war an der Schule ein beliebtes Gesprächsthema gewesen. Alleinstehend und auch noch alleinerziehend – sprach man von ihm üblicherweise als dem armen Mr. Barry. Carol kannte ihn vom Sehen. Groß und breitschultrig und mit grauen Haaren, die er etwas länger trug als die meisten anderen Väter, drückte er sich unbehaglich am Rand von Schulveranstaltungen wie Sporttagen oder Elternabenden herum. Er sah aus wie jemand, der so viel Kraft hatte, dass er versehentlich Tasse und Untertasse zerdrücken könnte. Sie wusste, dass ihm die Drogerie mit der gelben Fassade gehörte, die zwischen der Post und dem The Cat and Fiddle Pub eingeklemmt war, aber Carol kaufte woanders ein.
Zum ersten Mal sprachen sie auf der Straße miteinander. Carol stand vor Gallaghers Schuhladen und versuchte herauszufinden, auf welche der Paare sich die heftig beworbene Rabattaktion erstreckte, als ein Schatten über das Schaufenster fiel. Sie wandte sich um und erblickte den armen Mr. Barry. Er hielt eine aufgerollte Zeitung in der Hand. Später erfuhr sie, dass es eine Angewohnheit von ihm war, nach Ladenschluss bei Cassidy die Irish Times zu kaufen.
Er senkte leicht den Kopf und fragte: «Mrs. Lawlor?»
«Miss Crottie», korrigierte Carol ihn.
«Oh.» Declan sah verwirrt aus.
«Ich habe meinen Mädchennamen wieder angenommen. Davor war ich Mrs. Lawlor.» Sie lächelte, damit er nicht dachte, sie fühle sich angegriffen, und fügte dann hinzu: «Eine Weile lang jedenfalls.» Sie stieß ein kleines Lachen aus.
«Ich bin Declan Barry. Sallys Vater.» Er streckte ihr seine Hand hin.
«Carol. Schön, Sie zu treffen.»
An dieser Begegnung war nichts ungewöhnlich. Eltern sprachen sie oft an. Carol unterrichtete sowohl Killian als auch Sally, allerdings fand sie beide nicht spannend.
«Entschuldigen Sie, dass ich Sie anspreche», Declan sah mit kaum verhüllter Geringschätzung auf die Schaufensterauslage, «aber ich wollte Sie etwas fragen.»
«Bitte, schießen Sie los.»
«Es geht um Sally. Sie möchte im letzten Jahr Englisch nicht als Vertiefungsfach belegen. Ich habe mich gefragt, was Sie denken. Ich möchte sie nicht drängen, wenn Sie glauben, dass sie der Sache nicht gewachsen ist.»
Carol war unsicher, was sie sagen sollte. Sally saß ungefähr auf der Mitte des Klassenzimmers am Fenster. Sie hatte dickes, irgendwie struppiges Haar und war davon abgesehen lediglich eine Schülerin von vielen. Carol hatte Mühe, sich irgendetwas ins Gedächtnis zu rufen, das Sally jemals mündlich zum Unterricht beigetragen oder in einem Aufsatz geschrieben hatte. Vielleicht hatte man sie geschont, weil sie mutterlos aufwuchs.
«Ich finde ja immer, dass es keinen Zweck hat, jemanden zu zwingen, aber sie muss sich ja auch nicht jetzt entscheiden. Sie hat noch den ganzen Sommer Zeit. Ich sage Ihnen, was ich machen würde: Kaufen Sie ihr eine Ausgabe von Sturmhöhe von Emily Brontë. Das steht nächstes Jahr auf dem Lehrplan. Wenn sie es über den Sommer liest und mag, würde ich sagen, sie bekommt keine Probleme mit dem höheren Niveau.»
Declan hob die Zeitung in die Luft. «Das ist ein Plan. Gefällt mir. Vielen Dank Mrs., Entschuldigung, Miss …»
«Einfach Carol, bitte», unterbrach sie ihn. Sie schüttelten sich noch einmal die Hände, und er schlenderte in Richtung der Uferstraße davon, der Körper steif und schwankend wie ein Metronom.
Danach bemerkten sie einander öfter. Winkten. Sie sagte: «Wie kommt Sally voran?», wenn sie im Supermarkt aneinander vorübergingen. Carol bewunderte, wie Declan mit seiner Situation umging. Die meisten Männer, wenn es sie in den Supermarkt verschlug, taten, als wäre Einkaufen vollkommen unter ihrer Würde, oder aber sie schritten mit übersteigertem Selbstbewusstsein durch die Gänge, arbeiteten eine akribisch geplante Runde durch den Laden ab und agierten an der Kasse, als wollten sie demonstrieren, dass diese chaotische Welt der Lebensmittel unter der Führung von Männern optimiert werden könnte.
Sally hatte am Ende des Sommers Brontë durch, und obwohl sie niemals zugegeben hätte, dass das Buch ihr gefallen hatte, schien die Tatsache, dass sie es zu Ende gelesen hatte, ihr das Selbstvertrauen zu geben, sich für den anspruchsvolleren Kurs anzumelden. Carol achtete im Unterricht auf sie und freute sich an dem Gedanken, dass ihr Ratschlag vielleicht geholfen hatte. Eines Nachmittags nach dem Läuten blieb Sally steif neben der Tür des Klassenzimmers stehen. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, und die langen Arme, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, hingen an ihren Seiten herab.
«Sally. Kann ich dir helfen?»
«Ähm, Dad lässt fragen, ob Sie mir zu Hause Nachhilfe geben könnten? Donnerstags wäre es am besten.» Sally reihte die Worte scheinbar rein phonetisch aneinander, als könnte sie ihre Bedeutung nicht erfassen.
Carol bot ihren Schülern außerhalb des Unterrichts keine zusätzlichen Stunden an, das hatte sie sich zur Regel gemacht. Sie war schon von vielen Eltern gefragt worden, von denen einige ein verlockendes Honorar angeboten hatten, und sie wusste, dass ein paar Kollegen Nachhilfe gaben, aber sie hatte immer das Gefühl, als wäre das ein Eingeständnis, im Klassenzimmer versagt oder absichtlich Informationen zurückgehalten zu haben, weil sie sich was dazuverdienen wollte. Warum hörte sich Carol dann nun antworten: «Ich würde sagen, so etwas ließe sich vermutlich arrangieren. Gibst du deinem Vater meine Nummer?» Sie kritzelte sie auf einen Zettel und reichte ihn Sally. «Du wirst mich bald nicht mehr sehen können.»
Sally nahm die Nummer entgegen, unsicher, ob Carol einen Witz gemacht hatte oder nicht.
«Danke, Miss.»
Donnerstags um acht saßen Sally und Carol am Küchentisch der Barrys und besprachen die Rolle des Narren in König Lear oder die Beziehung zwischen Schönheit und Wahrheit in Keats’ Ode auf eine griechische Urne. Inwieweit das alles das Mädchen erreichte, dessen Atem noch immer nach Shepherd’s Pie aus der Tiefkühltruhe roch, konnte Carol nicht sagen. Im Laufe der Wochen jedoch war Sally immer weniger das mürrische Mädchen aus dem Klassenzimmer. Wie sie sich öffnete, wenn Carol Interesse an ihrer Meinung zeigte oder sie ermutigte, einen Gedanken auszuführen, war herzzerreißend. Sie sah Carol an wie ein Streuner, dem man ein Leckerli hinhält. Als Carol ihr ein schmales Notizbuch mit einem Bild von Emily Brontë darauf schenkte, war Sally so erbärmlich dankbar und begeistert, dass Carol ihre Geste beinahe bereute.
Um neun packte Sally ihre Bücher zusammen und verschwand nach oben. Zuerst hatte sie noch Anstalten gemacht, bei den Erwachsenen sitzen zu bleiben, wenn Declan in die Küche kam, um diskret einen Umschlag mit Bargeld zu übergeben. Doch Declan hatte Sally mit einer Strenge, die Carol etwas einschüchternd fand, auf ihr Zimmer beordert. Am ersten Abend lehnte sie das ihr angebotene Glas Wein ab. Nach ihrer dritten Stunde bot er ihr erneut Wein an. Dieses Mal nahm Carol an. Es wurde zu ihrer üblichen Routine: der Umschlag, ein Glas Rotwein, dann ging sie. Während der Weihnachtsferien stellte sie fest, dass sie die Abende am Küchentisch mit Declan vermisste, ihre Unterhaltung, die mit unerwarteter Leichtigkeit dahinplätscherte. Ohne sich bewusst dafür entschieden zu haben, vermieden sie es, ihre ehemaligen Ehepartner zu erwähnen, aber sie plauderten bereitwillig über Ereignisse bei der Arbeit oder tauschten sich über Fernsehsendungen aus, die sie zufällig beide gesehen hatten. Zuerst hatte Carol in der Befürchtung, dass Declans Ansichten mit ihren kollidieren könnten, absichtlich nicht über die Nachrichten oder aktuelle Ereignisse gesprochen, aber er erwies sich als überraschend liberal. Nachdem er gestanden hatte, Leonard-Cohen-Fan zu sein, hörten sie seine CDs und tranken Wein. Declan kam ihr offen vor und neugierig auf die Welt, manchmal war er sogar witzig oder zumindest schnodderig, und er wollte stets wissen, was Carol dachte. Ihre Einschätzung des armen Mr. Barry änderte sich allmählich. Unterhaltungen mit ihm hatten etwas Jugendliches, eine Leichtigkeit, die sie möglicherweise sogar als Flirten bezeichnet hätte.
Carol erwähnte die Nachhilfestunden Craig gegenüber, als er über Weihnachten nach Hause kam. Sie war sich nicht sicher, warum. Versuchte sie ihn auf etwas vorzubereiten? Pflanzte sie einen Samen, damit er, falls die Dinge sich entwickelten, nicht zu schockiert wäre? Die Dinge? Hatte sie den Verstand verloren? Declan war deutlich älter als sie. Hatte die Einsamkeit sie bescheiden werden lassen? Craig blickte kaum auf. «Wozu machst du das?», lautete seine desinteressierte Antwort. Da ihr keine Erwiderung einfiel, wechselte sie das Thema.
Die Dinge entwickelten sich tatsächlich. Hatte es jemals einen echten Zweifel daran gegeben, dass es so kommen würde? Eines Abends, als Declan Carol zur Tür brachte, blieb er stehen und gab ihr einen trockenen Kuss auf die Wange. Augenblicklich wich er zurück und entschuldigte sich.
«Es tut mir leid. Das hätte ich nicht tun sollen.»
Das fand Carol einen schlauen Schachzug von ihm. Er hatte nichts getan, was er nicht einfach bleiben lassen konnte, und doch war es nun an Carol zu entscheiden, wie es weitergehen sollte. Wenn sie kratzbürstig wurde und sich wieder in Miss Crottie zurückverwandelte, wäre die Sache erledigt, doch wenn sie sich entschied, etwas Sanfteres zu sagen, etwa «Nein, sei nicht albern, das macht doch nichts», dann war das auf alle Fälle eine Einladung, den nächsten Schritt zu tun. Sie wählte Letzteres und wartete, dass er auf sie zutrat, sie in...
Erscheint lt. Verlag | 16.4.2024 |
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Übersetzer | Silke Jellinghaus |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | bücher literatur • Bücher Neuerscheinungen 2024 • Demenz • detektivroman • dunkles Geheimnis • Eine irische Familiengeschichte • Ein irischer Dorfpolizist • Familie • Familiendrama • Familiengeschichte • Familienroman • Gegenwartsliteratur • irischer Bestsellerautor • irischer Dorfpolizist • Irland • Irlandkrimi • Kleinstadt-Krimi • Krimi • Kriminalgeschichten • Kriminalliteratur • Krimi Neuerscheinungen 2024 • krimis bücher • Krimi Thriller • Liebe • Moderne Literatur • Moderner Roman • Romane Krimis • romane neuerscheinungen 2024 • spannende Bücher • späte Liebe • The Graham Norton Show • Zeitgenössische Literatur |
ISBN-10 | 3-644-01755-7 / 3644017557 |
ISBN-13 | 978-3-644-01755-9 / 9783644017559 |
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