Sex & Rage (eBook)

Roman | Der große Roman der aufregendsten Autorin Hollywoods - erstmals auf Deutsch

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
272 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491921-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sex & Rage -  Eve Babitz
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Der große Roman der aufregendsten Autorin Hollywoods: »Eve Babitz' Genialität ist zu offensichtlich, zu strahlend, zu wahr, um ein Geheimnis zu bleiben.« Vanity Fair Eve Babitz zählt zu den aufregendsten Wiederentdeckungen der letzten Zeit. Lange wurden ihre gleichzeitig scharfsinningen und leichthändigen Texte übersehen. Erst kurz vor ihrem Tod wurde eine Generation auf sie aufmerksam, die heute so jung ist, wie Eve Babitz zu Beginn ihrer Karriere. In Sex & Rage erzählt sie von Glamour und tiefen Abgründen - und von einer Muse, die in den 1970er-Jahren die Unverfrorenheit besitzt, selbst Künstlerin zu werden. Atemlos folgen wir der jungen Jacaranda, aufgewachsen am Strand von Los Angeles, wie sie sich durch die Höhen und Tiefen des Lebens trinkt, tanzt und feiert - und dabei mit spitzer Zunge und unbestechlicher Beobachtungsgabe ihren Zielen folgt.  »Intensiv, glamourös, rauschhaft und berauschend« The New York Times »Eve Babitz's Texte lesen sich, als hätte jemand einen Lana-del-Rey-Song in einen Roman verwandelt.« @hotliterati auf Tiktok

Eve Babitz wurde 1943 in Hollywood geboren. Ihre Mutter war Künstlerin, ihr Vater Violinist, ihr Patenonkel Igor Stravinsky. Sie verbrachte ihr ganzes Leben in Los Angeles, war Teil der glamourösen Party-, Musik- und Filmszene. Über diese Welt und ihre Rolle darin schrieb sie - mit scharfem Blick und doppelbödiger Leichtigkeit. So entstanden sieben, zu einem großen Teil autofiktionale Bücher. Obwohl Babitz heute oft in einem Atemzug mit Joan Didion genannt wird, wurden ihre Bücher auch in den USA erst 2019 anlässlich von Neuauflagen entdeckt und zu Bestsellern. Eve Babitz starb kurze Zeit später, im Dezember 2021.

Eve Babitz wurde 1943 in Hollywood geboren. Ihre Mutter war Künstlerin, ihr Vater Violinist, ihr Patenonkel Igor Stravinsky. Sie verbrachte ihr ganzes Leben in Los Angeles, war Teil der glamourösen Party-, Musik- und Filmszene. Über diese Welt und ihre Rolle darin schrieb sie – mit scharfem Blick und doppelbödiger Leichtigkeit. So entstanden sieben, zu einem großen Teil autofiktionale Bücher. Obwohl Babitz heute oft in einem Atemzug mit Joan Didion genannt wird, wurden ihre Bücher auch in den USA erst 2019 anlässlich von Neuauflagen entdeckt und zu Bestsellern. Eve Babitz starb kurze Zeit später, im Dezember 2021. Hanna Hesse, geboren 1984 und aufgewachsen in Oxford und Berlin, studierte Germanistik und Geschichte in Freiburg. Nach Stationen in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik und im Verlagswesen lebt sie als Redakteurin und Übersetzerin aus dem Englischen in München.

Eine Hollywood-Story mit Happy End, so verlockend wie eine gut einziehende, duftende Sonnencreme.

eine großartige Erzählerin.

Das Buch liest sich, als würde man dabei lässig an einem Auto lehnen, während der Boden flimmert und die Gläser der Sonnenbrille das Licht reflektieren.

Es ist ein rauschhaftes Lesevergnügen, dieses Buch.

[...] Babitz hatte ein ungemein gutes Gespür, eine tolle Beobachtungsgabe und viel Witz, um ihrer Protagonistin [...] Leben einzuhauchen.

scharfsinniger Roman

das tiefenscharfe Porträt einer dem Untergang geweihten Handvoll Leute, die scheinbar fröhlich in die Katastrophe treiben [...] ein faszinierendes Zeitpanorama jener wildbewegten L.-A.-Jahre Anfang der frühen 1970-er-Jahre

Ein bestechendes Portrait von Hollywood in den 1970ern und eine Geschichte darüber, was es damals hieß, sich als Frau künstlerisch zu verwirklichen.

Das Meer


Sie lebten am Meer in Santa Monica. Jacarandas Vater war Studiomusiker, und sie wohnten in einem hypothekenbelasteten Bungalow ungefähr zwei Häuserblocks vom Strand entfernt. Als Kind war Jacaranda stets braun gebrannt, hatte sonnengebleichtes blondes Haar und Teer an den Fußsohlen. Ihre Schwester April war drei Jahre jünger, hatte dunklere Haut und dunklere Haare mit rötlichen Strähnen und Teer an den Fußsohlen. Sie sahen sich kein bisschen ähnlich.

Von Anfang an war Jacaranda die Große mit dem riesigen Kopf, die man bis zu ihrem dritten Lebensjahr in Pink hüllen musste, damit die Leute nicht sagten: »Was für einen prächtigen Jungen Sie da haben …« April war ein Mädchen, ein mädchenhaftes Mädchen mit braunen Ringellocken und roten Apfelbäckchen, einer zarten Figur und einem kleinen Kopf. Weder Jacaranda noch April wiesen irgendeine Ähnlichkeit mit ihren Eltern Mort und Mae Leven auf, abgesehen davon, dass Jacaranda und Mort beide Hutgröße 64 hatten – größer ging es kaum, auch nicht für Männer.

Die beiden Mädchen wuchsen am Rande des Meeres auf und wussten, dass dies das Paradies war, sogar besser als Eden, denn das war schließlich nur ein Garten. Bei Jacaranda drehte sich alles ums Surfen. Zunächst war sie ohne Board unterwegs, sie starrte auf den Rand des Wassers und beobachtete die Wellen, um zu sehen, wo sich die Brandungsrückströmung bildete; dann zwang sie sich langsam dem Meer auf, obwohl es Widerstand leistete. Sie lief ins hüfthohe Wasser, bis sie mitten im Geschehen war. Jetzt rollten die Wellen heran, und sie konnte entscheiden, ob sie unter ihnen hindurch- ins flaschengrüne Wasser tauchen und ignorieren sollte, dass sie hinter ihr in Richtung L.A. krachten – oder sich dem Meeresrhythmus anpasste, gerade weit genug hinausschwamm, stehen blieb, wartete und sich dann vorwärtswarf, um die Welle zu erwischen und am Ufer ausgespuckt zu werden. Manchmal verschätzte sie sich, geriet unter den Brechpunkt und wurde in den Sand gedrückt. Mit zwölf bekam Jacaranda ihr erstes Surfboard.

Egal, was die Wellen anstellten, egal, welche Strömungen und Dramen sich unter ihr abspielten, sie blieb auf dem Board. Auch wenn es wegrutschte und sie abschütteln wollte, die ganze Welt plötzlich zur Seite kippte oder das Board, ehe sie es sich versah, unter ihr hinwegsauste – entscheidend war, es sich zurückzuholen und weiterzumachen.

Jacaranda surfte vor und nach der Schule, und wenn sie die Möglichkeit hatte, wenn der Tag einfach zu schön war, auch währenddessen. Mae Leven war eine verständnisvolle Mutter und entschuldigte ihre Tochter in solchen Fällen, sie liege mit einer schweren Erkältung darnieder. Doch wenn Jacaranda den Bogen überspannte, verwandelte sich Mae in eine Schwarze Mamba, wirbelte peitschenschnell umher und zischte wüste Worte aus dem tiefsten Süden.

Mort Leven war Ensemblemitglied im Twentieth-Century-Fox-Orchester. Er verdiente hundertfünfzig Dollar die Woche, was damals, als man ihn 1949 einstellte, gutes Geld war. Es erlaubte ihm, eine Anzahlung auf das Haus in Santa Monica zu tätigen, auf dass sie dort glücklich miteinander bis ans Ende ihrer Tage leben könnten, wann auch immer dieses Ende sein würde. Mort Levens Großtante Sonia war in den Zwanzigern und Dreißigern ein großer Star gewesen und zwei Jahrzehnte später immer noch so eng mit den Studio-Granden verbandelt, dass sie Mort den Job verschafft hatte. (Wenn man schon keinen Vater mit Hollywood-Beziehungen hat, dann wenigstens eine Großtante.) Dass Mort Leven Solist gewesen war, bei den Koryphäen seiner Zeit studiert und Konzerte in ganz Europa gegeben hatte, spielte keine Rolle; dass er wahrscheinlich einer der besten Geiger der Welt war, auch nicht – das alles war Twentieth Century-Fox egal. Entscheidend war Sonia, Jacarandas Urgroßtante und Patin. Sonia war diejenige, die Mort ein Bewerbungsgespräch bei Harry Katz, dem Chefmusiker des Studios, vermittelte, was zu damaligen Zeiten nur durch ein Wunder oder einen Vater mit entsprechenden Verbindungen geschah.

Harry Katz hatte seine ersten Schritte im jiddischen Theater auf der Lower East Side gemacht und einen Bruder, der in der Filmindustrie arbeitete und ihn 1931 per Zug nach Hollywood holte. Denn die Tonfilmära hatte begonnen, und Harry sollte das Orchester dirigieren. Schließlich hatte er so etwas schon von Kindesbeinen an getan, in Toronto, ein jüdischer Flüchtling wie all die anderen auch, ein Freund von Sonia, die er noch »von damals« kannte, noch vor Toronto, aus Kiew. Also hatte er »für Sonias Großneffen alle fünfe gerade sein lassen« und »einen Unbekannten« zum Vorspiel eingeladen.

Man hatte Mort gebeten, »etwas mit einer Klavierstimme« mitzubringen, so dass Harry mitspielen und sehen konnte, wie gut Mort mithalten würde. So ganz konnte Mort Leven seinen musikalischen Wert jedoch nicht unter den Teppich kehren. Also entschied er sich für ein neues Stück von Igor Strawinsky, die Noten hatte er in Paris gekauft, ein Stück, das in Amerika noch gar nicht veröffentlicht worden war, ein Stück, das ständig den Takt wechselte – von einem Zweivierteltakt zu einem Dreiviertel-Walzertakt zu einem Siebenachteltakt zu einem Zweihalbetakt zu einem Fünfachteltakt … Mort Leven händigte Harry beiläufig die Klavierstimme aus und platzierte seine Geigenstimme auf dem Notenständer.

»Wer ist dieser Strawinsky?«, fragte Harry. »Spreche ich ihn richtig aus?« Er warf einen Blick auf die Noten und brach in lautes Lachen aus. »Soll das ein Scherz sein?« Für Harry Katz war das das Lustigste, was ein Bewerber je gemacht hatte – sich auf diese Weise ein ganzes Stück auszudenken! (Als Harry später herausfand, dass es diesen Igor Strawinsky tatsächlich gab und er ein musikalisches Jahrhundertgenie war und eben mit seiner beeindruckenden Frau Vera Jacarandas sechzehnten Geburtstag verlassen hatte, fragte er: »Morty, mal ganz ehrlich, so einer wie der macht doch bestimmt nicht mehr als 25 Riesen im Jahr, oder?«)

 

Jacaranda hatte eine entspannte Kindheit am schönen Meer, mit ihrer sonnengebräunten Schwester, der schönen Mutter und dem schwarz gelockten genialischen Vater, dem Geld von Twentieth Century-Fox, das jede Woche in schöner Regelmäßigkeit eintraf und es Mort erlaubte, genug zu sparen, um ein Haus in Santa Monica zu kaufen. Ein »Renditeobjekt« nannte man so etwas. (Kaum ein Studiomusiker besaß nicht irgendein Mietshaus oder einen Innenhof, so dass die Frage »Irgendwelche Mieter anwesend?« irgendwann zum Running Gag unter ihnen wurde.)

Jacaranda besuchte drei verschiedene städtische Schulen, wobei sie im Unterricht die meiste Zeit Bilder zeichnete, bevorzugt Frederick-of-Hollywood-Dessousmodels mit comichaften Stiefeln und Masken, Strapsen, Messern und Peitschen, mit hüftlangen blonden Mähnen, einer beeindruckenden Oberweite und Schönheitsflecken neben dem linken Auge. Sie war nicht religiös erzogen worden, nahm aber an, jüdisch zu sein. Denn an Pessach versteckten ihre Großeltern in ihrem Haus in West Los Angeles immer Matze hinter den Sofakissen aus Brokatstoff. Sie war der festen Meinung, dass die großen Weltreligionen entstanden waren, bevor irgendwer je am Meer aufgewachsen war. Sie glaubte an das Meer. Jacaranda glaubte daran, dass das Meer ein gigantischer, Wiegenlied singender Gott war, den sie dazu bringen konnte, die Dinge so zu sehen, wie sie es wollte, und der Riesenwellen produzieren konnte. »Riesenwellen, Riesenwellen, Riesenwellen«, rief sie beschwörend bei Flaute. Und an Tagen mit großen Wellen verbeugte sie sich schweigend vor dem Meer und dankte ihm. Sie sprach zum Wasser, rief es dazu auf, wilder zu werden. Und wenn es wild war und die Surfbedingungen stimmten, kulminierte alles in einem einzigen herrlichen Strudel, der perfekten Einheit von Körper, Wellen und Ewigkeit. »Ihr kalifornischen Kinder«, hörte sie immer wieder, »ihr kennt das wahre Leben gar nicht. Eines Tages werdet ihr schon noch mit dem Kopf gegen die Wand laufen.«

»Was für eine Wand?«, fragte sie zurück. »Eine aus Schnee?«

Den ersten Sommer nach ihrem Schulabschluss verbrachte Jacaranda damit, in der Garage ihrer Eltern für fünfundzwanzig Dollar das Stück Surfboards zu bemalen, von dem Geld kaufte sie sich einen neuen gebrauchten 59er Plymouth Kombi.

Nach ihrem High School-Abschluss sah man sie meist am Strand, eine schlanke Figur in zerrissenen blauen Shorts oder einem abgewetzten blauen Bikini. Von weitem sah sie aus wie Treibgut, ein Stück Holz mit blondem Seegras an einem Ende. Sie hatte mit Kalzium gefüllte Knoten an den Knien und Fußrücken, die sich durch den Druck beim Paddeln auf großen, älteren Boards gebildet hatten. (Sie wurden »Surferknoten« genannt, und selbst die Wissenschaftler am Scripps Institute in La Jolla wussten nicht so recht, was es damit auf sich hatte.) Von weitem sah sie wie alle anderen Mädchen in ihrem Alter aus, die am Meer aufwuchsen.

Aus der Nähe wirkte ihr Gesicht – wenn sie nicht lächelte – so, als wäre sie brandneu – fast noch ein Kind. Wenn sie lächelte, leuchtete mit ihren perfekten weißen Zähnen plötzliche Schönheit auf und umgab sie mit einem selbstbewussten Glanz, der fast schon unverschämt war, so unbesiegbar erschien sie. (Meist kam dann die Frage: »Sind das echte Zähne?«) Ihr Pony war zu lang (er hing ihr ins Gesicht) und verdeckte die Augen. (Sie hatte sich immer blaue Augen gewünscht – so blau wie der Himmel nachkolorierter Postkarten.)

Wenn Jacaranda...

Erscheint lt. Verlag 26.6.2024
Übersetzer Hanna Hesse
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 70er Jahre • Alkohol • Anspruchsvolle Literatur • Autofiktion • Booktok • Bücher mit starken Frauenfiguren • Drogen • Ein Buch von S. Fischer • Feminismus • Glamour • Hollywood • It-Girl • Joan Didion • Klassiker • Literarische Romane Bestseller • Los Angeles • Marcel Duchamp • Musik • Musikgeschichte • Party • Rebellion • Rock'n'Roll • Romane über Selbstfindung • Roman über die 70er Jahre • sex and rage • Sex und Rage • Surfen • Taylor Jenkins Reid • The Doors • TikTok • Wiederentdeckung
ISBN-10 3-10-491921-6 / 3104919216
ISBN-13 978-3-10-491921-8 / 9783104919218
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