Die Glücksfrauen - Die Kraft der Bücher (eBook)

Roman

(Autor)

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2024 | 1. Aufl. 2024
367 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7517-5568-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Glücksfrauen - Die Kraft der Bücher - Anna Claire
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Band 2 der großen Reihe um drei Exilantinnen während des Zweiten Weltkriegs

Deutschland 1939: Die Zustände in Deutschland werden unerträglich, und die Jüdin Maria und ihre Familie wollen in letzter Sekunde flüchten. Doch inzwischen ist es fast unmöglich, das Land auf sicherem Weg zu verlassen. So wählen Maria und ihre Familie eine waghalsige und gefährliche Fluchtroute.

Brasilien 2023: Sandra führt eine Buchhandlung, die ihre Großmutter Maria gegründet hat. Als eine June aus New York sie kontaktiert und ihr von einem gemeinsamen Erbe erzählt, wird Sandra neugierig auf das Schicksal ihrer Großmutter. Sie schlägt June vor, mit ihr Marias Fluchtroute nachzureisen. Gemeinsam folgen die Frauen Marias Spuren und finden dabei mehr über die Geschichte heraus, die sie beide vereint.



<p><strong>Anna Claire</strong> ist das Pseudonym einer erfolgreichen deutschen Autorin. Sie arbeitet als Drehbuchautorin und Dramaturgin für das Fernsehen. Seit 2013 schreibt sie Romane und hat sich damit in die Herzen von vielen Leserinnen und Bloggerinnen geschrieben und eine große Social-Media-Fanbase aufgebaut. Die Autorin lebt seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Berlin.</p>

KAPITEL 1


Berlin, September 1936

Wie kann ich meine Liebsten schützen, in diesen Zeiten? Marias Gedanken rasten. Der Duft der Bücher vermischte sich mit dem Geruch von Gemüsebrühe. Sie hatte ihrem Mann Jakob Matzeknödel-Suppe in die Buchhandlung gebracht. Nun stand sie wartend an der Tür, in der einen Hand den Suppentopf, in der anderen die weiche, kleine Hand ihrer dreijährigen Tochter Tabea. Jakob stand am Tresen, bediente eine Stammkundin, Frau Papies. Sie trug einen mondänen Hut, kaufte netterweise immer noch bei ihnen Bücher, sogar jüdische Literatur, die liebe sie einfach, wie sie sagte, sehr.

Was, wenn ich Jakob zu einem riesigen Fehler dränge? Maria dachte immer darüber nach, wenn sie einen Moment zur Ruhe kam. Erst gestern hatten sie wieder lange diskutiert. Und natürlich hatte auch er recht, dass es ein großes Risiko für ihre Familie darstellte, die Heimat zu verlassen.

Die Kleine wurde zappelig und zupfte an Marias Hand. »Mama, ich will auch Schiff fahren, wie Tante Luise«, flüsterte sie plötzlich, durchaus hörbar.

»Pscht. Du musst leise sein bei Vati in der Buchhandlung, das weißt du doch.« Niemand durfte etwas von ihrem Plan ahnen, erst recht nicht Frau Papies, deren Mann neuerdings in der Partei war. Darüber hatte sie sich bei einem Besuch im Laden lautstark echauffiert. Auf keinen Fall durfte sie wissen, dass sie auswandern wollten, zumindest Maria wollte das, um der Kinder willen. Jakob hatte Tabeas Frage gehört, das sah sie ihm an, und sofort redete er nervöser, schneller und lauter, empfahl ein Buch in den höchsten Tönen.

»Was ist Amerika, Mama?«, fragte Tabea weiter und sah sie mit ihren großen dunklen Augen an. Dieser niedliche Mund. Ihre langen schwarzen Haare hatte Maria ihr heute Morgen zu zwei Zöpfen geflochten wie so oft.

»Tabea, bitte, sei leise, das erkläre ich dir später«, rügte Maria sie streng, bedachte sie dann aber mit einem liebevollen Blick. Frau Papies hatte es gehört, lächelte ihnen zu. Maria zog ihre Tochter rasch ein paar Schritte in Richtung Hinterzimmer, nur mussten sie dazu Frau Papies umrunden. Und das mit dem Suppentopf, der beinahe überschwappte.

»Entschuldigung«, flüsterte Maria, trat ins Hinterzimmer und stellte den Topf auf den Tisch, an dem Jakob immer zu Mittag aß. Tabea löste sich dabei von ihrer Hand, stand in der Tür, sah fragend zu Frau Papies im Laden.

»Amerika, was ist Amerika?«, überlegte diese laut. »Es ist ein Kontinent, Kleines. Ach je, unter Kontinent kannst du dir sicher nichts vorstellen. Wie sage ich das kindgerecht? Ein großer Erdteil ist das. Entschuldigung, ich habe keine Kinder, es hat nicht sollen sein.« Sie blinzelte eine Träne weg. »Wie kommst du denn auf Amerika, Liebes?«

Ehe die Eltern es verhindern konnten, erwiderte Tabea unbedarft: »Da will die Mutti hin, mit uns allen, zu Tante Luise.«

Jakob und Maria sahen sich alarmiert an. Sofort lachte Maria auf und erklärte schnell: »Unsere Tochter hat eine blühende Fantasie – was man ihr vorliest, vermischt sie ganz durcheinander. Sie ist ein kluges und sehr neugieriges Kind, wissen Sie, und ich lese ihr viel vor.«

»Ganz entzückend ist sie. Und es ist gut, wenn wir Frauen neugierig und klug sind, nicht wahr?« Frau Papies zwinkerte Maria und Tabea zu. »Weiter so.«

Jakob lenkte die Dame ab, indem er sich erkundigte, ob sie das Buch denn gern erwerben wolle.

Frau Papies bestätigte, holte ihre Geldbörse heraus. Hoffentlich erzählt sie ihrem Mann nichts davon, dachte Maria nervös. Sie strich sich mit der Hand über ihr hochgestecktes Haar, obwohl es ordentlich saß. Dann über ihr grünes Kleid, das sie unter dem leichten Mantel trug. Sie sah zu ihrem Mann. Die Brille war ihm etwas die Nase heruntergerutscht, er schob sie wieder hoch. Ein neuer Tick, der zeigte, wie nervös auch er war. Maria nahm erneut Tabeas Hand, zog sie an der Kundin vorbei zu einem der Bücherregale.

So oft hatte Jakob es den Kindern erklärt, auch Noah, ihrem Sechsjährigen. »Wir können nicht einfach alles stehen und liegen lassen wie Luise«, hatte er gestern wieder gesagt. »Sie hat keinerlei Verpflichtungen, ist frei wie ein Vogel. Aber wir, wir haben unsere Buchhandlung, das ist unsere Existenz. Ich bin verantwortlich für meine Familie, ich muss euch ernähren.« Und natürlich hatte er recht damit. Durch die Reichsfluchtsteuer würde man ihnen noch mehr nehmen als ohnehin schon. Es war ein Dilemma.

Dennoch. Was würde der größere Fehler sein? Zu bleiben oder zu gehen?

Schon im Mai des vorigen Jahres war ein Fragebogen an alle Buchhändler geschickt worden, um deren jüdische Abstammung zu klären. Im Folgenden wurden einige jüdische Buchhändler aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. Nichtarier sollten wissen, dass sie im Buchhandel nichts mehr zu suchen hatten, wurde gesagt. Dieser Satz ging Maria nicht mehr aus dem Kopf. Sie spürte einen Knoten im Magen, sah auf Tabeas Schopf. Seit Luises Weggang konnte Maria erst recht kaum noch schlafen. »Kommt ganz bald nach, bevor es zu spät ist«, hatte Luise mehrfach eindringlich gesagt.

Tabea löste erneut ihre kleine Hand aus ihrer und griff sich ein Buch aus dem Regal, spielte Lesen, hielt es aber verkehrt herum.

Wie sehr Maria ihre Tochter liebte. Beide Kinder. Wie sehr wünschte sie sich eine unbeschwerte Kindheit für sie. Aber Luise hatte ja recht, dass es immer gefährlicher wurde in Deutschland. Für alle, die sich widersetzten, so, wie es Luise und ihr Richard getan hatten. Aber erst recht für Juden wie sie. Jüdische Buchhändlerkollegen bangten um ihre Existenz. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels war durch den Bund Reichsdeutscher Buchhändler ersetzt worden, unter nationalsozialistischer Führung. Wann würden Jakob und sie ihre Buchhandlung schließen müssen?

»Was, wenn wir unsere Buchhandlung aufgeben müssen?«, hatte sie ihn gestern gefragt.

»Das dürfen wir nicht zulassen«, widersprach er kämpferisch. Wie sehr sie ihn liebte. Sieben Jahre war es jetzt her, dass Maria als Sechzehnjährige in diese Buchhandlung in der Grunewaldstraße gekommen war, um ein Buch für sich zu kaufen. Jakob hatte sie mit seinem Wissen und seiner Meinung sofort beeindruckt. Es handelte sich um das Geschäft seines Großvaters und Vaters, in dem er damals schon gearbeitet hatte. Dieser feinsinnige, belesene Mann, der eine Lehre zum Buchhändler absolvierte.

Nach ihrer Heirat hatte sie ihn im Laden unterstützt, aber seit der Geburt der Kinder half sie nur noch ab und zu aus. Die Arbeit fehlte ihr. Oft las sie den Kindern vor, träumte sich in letzter Zeit selbst mit einem Buch in der Hand in ein anderes Leben. Zumindest seit das Leben hier immer gefährlicher für sie wurde.

Maria sah erneut zu ihrem Mann. Das weiße Hemd und die beigefarbene Weste standen ihm gut. Geduldig wartete sie darauf, dass er sich zu ihr gesellte. Sie wollte die kleine Tabea ein Stündchen bei ihm in der Buchhandlung lassen, um ihre Freundin Anni zu sehen, wie jeden Donnerstag.

Früher hatten sich die Freundinnen immer zu dritt bei ihrem Lieblingsbäcker im Bayerischen Viertel verabredet, mit Luise. Aber seit die zu ihrem Richard nach Amerika ausgereist war, trafen sich nur noch Maria und Anni. Von New York aus wollten Richard und sie etwas bewirken, hatte Luise versprochen. Maria hoffte sehr darauf, dass sie es schaffen würden. Hier hatten die beiden mit einer Gruppe Flugblätter verteilt, aber was wollten sie von dort aus tun?

Hoffentlich würde Luise in New York schon bald das kleine Restaurant eröffnen können, für das Anni und sie ihr ein Startkapital mitgegeben hatten. Als Sicherheit für sich selbst, falls die Lage hier noch schlechter würde. Das hatte Jakob für klug befunden und eingewilligt.

Endlich kassierte er ab und überreichte seiner Kundin das in Papier eingeschlagene Buch. »Sie werden die Geschichte lieben, Frau Papies. Sie gibt Hoffnung. Ganz sicher werden Sie sie lieben.«

Die Dame wirkte angespannt. »Wenn Sie das sagen, Herr Kirschbaum.«

Ein Mann mit Hut betrat die Buchhandlung, grüßte mit »Heil Hitler«. Maria zuckte unwillkürlich etwas zusammen. Frau Papies wandte sich rasch zum Gehen, nickte Maria und Tabea noch einmal freundlich zu.

Der Mann sah sich nur kurz um, verließ die Buchhandlung dann wieder ohne ein weiteres Wort.

Jakob sah blass aus. Maria wollte ihn ablenken. »Sieh nur, Tabea liest«, sagte sie.

Er atmete durch, trat zu Maria, legte den Arm um ihre Hüfte, sah seine Tochter lächelnd an. »Wie die Mama, manchmal etwas verdreht, und beim Lesen vergisst sie alles.«

Maria knuffte ihn, küsste ihn auf die Wange. »Ist ja manchmal auch das Beste, zu vergessen.«

Er nickte, wurde ernst und nachdenklich.

»Hast du ein Auge auf sie, ja? Anni holt mich gleich ab.«

»Natürlich. Ich geb ihr noch ein Kinderbuch, dann ist sie beschäftigt.« Er nahm ein Buch aus dem Regal, ging zu seiner Tochter, kniete sich hin, reichte ihr das Kinderbuch. »Sieh mal, Tabea, kennst du das schon? Mit den Hasen, die keine Angst haben?«

Tabea betrachtete es kurz, schüttelte den Kopf und tauschte es gegen das Erwachsenenbuch aus, das sie Jakob in die Hand drückte. Er nahm es entgegen, ging wieder zu Maria.

»Noah will nicht mehr in die Schule, hat er heute Morgen gesagt«, erzählte sie ihm leise.

Jakob seufzte. »Unser kleiner Rebell. Hat er gesagt, weshalb?«

Sie schüttelte den Kopf. »Dabei ist er doch erst in der ersten Klasse. Wie soll das weitergehen?«

»Wir dürfen uns nicht...

Erscheint lt. Verlag 31.5.2024
Reihe/Serie Die Glücksfrauen-Saga
Die Glücksfrauen-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Brasilien • Buchhandel • Buchhändlerin • Deutschland • Exil • Exilantinnen • Familie • Familiengeheimnis • Flucht • Judenverfolgung • Nazi-Zeit • Rio de Janeiro • Saga • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-7517-5568-3 / 3751755683
ISBN-13 978-3-7517-5568-9 / 9783751755689
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