Bertha Benz und die Straße der Träume -  Alexander Schwarz

Bertha Benz und die Straße der Träume (eBook)

Roman | Der erste Autofahrer war eine Frau
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
400 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44738-3 (ISBN)
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Eine große Liebe, eine bahnbrechende Erfindung und eine Frau, die die Welt verändert Alexander Schwarz' historischer Roman »Bertha Benz und die Straße der Träume« ist die erste Roman-Biografie über die Frau, die dem Automobil zum Durchbruch verholfen hat. Mannheim, 1888: Bertha Benz hat genug! Sie liebt ihren Mann Carl, bewundert den brillanten Ingenieur und glaubt fest an seine Vision einer pferdelosen Kutsche. Schließlich verbringt sie selbst genug Zeit in der Werkstatt und lässt sich alle Motoren und Maschinen erklären, die Carl sich ausdenkt. Und sie hat sich ihre Mitgift und einen Teil ihres Erbes noch vor der Ehe auszahlen lassen, um die Werkstatt zu finanzieren - gegen den entschiedenen Willen ihrer Eltern. Doch nach einem Konkurs hatten Bertha und Carl lange Zeit ständig die Schuldner im Nacken und mussten mit ihren Kindern in bitterer Armut leben. Jetzt ist es an der Zeit, dass sich endlich etwas ändert! Aber Carl mit seinem Perfektionismus zögert und zögert. Also beschließt Bertha, das Steuer selbst in die Hand zu nehmen - im wahrsten Sinne des Wortes ... Atmosphärisch, gefühlvoll und hochspannend erzählt Alexander Schwarz in seinem biografischen Roman von einer starken Frau, die Geschichte geschrieben hat: mit einer Liebe, die sich gegen alle Widerstände behauptet, und dem Mut, zur richtigen Zeit etwas Großes zu wagen.

Alexander Schwarz (*1964), geboren in Stuttgart, arbeitete als Wörterbuchredakteur und Übersetzer, bevor er eine Literaturagentur gründete. Nach vielen Sachbüchern schreibt er nun mit immer größerer Begeisterung vor allem biografische Romane. Er wohnt in Island und den Niederlanden.

Alexander Schwarz (*1964), geboren in Stuttgart, arbeitete als Wörterbuchredakteur und Übersetzer, bevor er eine Literaturagentur gründete. Nach vielen Sachbüchern schreibt er nun mit immer größerer Begeisterung vor allem biografische Romane. Er wohnt in Island und den Niederlanden.

Teil I


Pforzheim

1863


Mai

1


Das darf ja wohl nicht wahr sein?! Steht das da wirklich? Bertha schaute noch einmal auf den handgeschriebenen Eintrag mit dem Datum 3. Mai 1849. Ihre gute Laune verzog sich schlagartig und machte einer vulkanartigen Wut Platz. Sie schaute noch einmal auf die Seite am Anfang der in hellbraunes Leder gebundenen, großformatigen Familienbibel. Eigentlich war sie nur auf der Suche nach einer dieser modernen und praktischen Hutnadeln, um ihren Florentinerhut am Kopf feststecken zu können. Ihre Mutter legte die Nadeln für gewöhnlich in die oberste Schublade der Kommode in der guten Stube, wo sie sie immer zur Hand hatte, wenn sie aus dem Haus gehen wollte. Zufällig sah Bertha das alte Buch dort liegen, und wie aus einer Anwandlung heraus griff sie danach, legte es auf die Kommode und blätterte darin. Sie mochte die reich verzierten Illustrationen darin schon von klein auf. Ihr Blick fiel auf eine der ersten Seiten, die das Buch mit seinem Vorspann und den Einträgen der Familienmitglieder erst zur Familienbibel machte. Sie las erneut diesen Satz, um sich auch wirklich sicher zu sein, dass dort auch wirklich stand, was gerade in ihrem Kopf zu explodieren schien. Er stand da tatsächlich, unter »Cäcilie Bertha«, in der Handschrift ihrer Mutter, in der sie die Geburten der Familie Ringer eintrug: »Leider wieder ein Mädchen.« Damit war sie gemeint. Das war der erste Satz, der je über sie geschrieben wurde, kurz nach ihrer Geburt vor vierzehn Jahren. Was für eine Begrüßung zu ihrem Eintritt in diese Welt. Wie konnte ihre Mutter nur so etwas schreiben?!

 

Bertha zog ihre Stirn weiter zusammen. »So weit kommt es noch. Bin ich etwa weniger wert, weil ich ein Mädchen und kein Junge geworden bin?«, sagte sie, und ihre Stimme wurde mit jedem Wort erboster und lauter. Sie schrie ihren Ärger richtiggehend heraus. Ihr Unterkiefer schob sich nach vorne, sie holte tief Luft und stieß dann einen Laut aus, der sich tief in ihrem Kehlkopf formte und irgendwo zwischen einem wütenden Schnauben und einem Grummeln angesiedelt war.

»Was ist denn, Bertha?«, rief ihre fünf Jahre jüngere Schwester besorgt und stürmte ins Wohnzimmer.

Bertha schluckte ihren Ärger hinunter, richtete sich auf und drückte ihren Rücken durch. Sie stand noch immer vor der Kommode, drehte sich um und legte ihrer kleinen Schwester fürsorglich einen Arm auf deren Schulter.

Ihr wurde klar, dass sie sich für einen Moment hatte gehen lassen, und das schickte sich nicht, dessen war sie sich wohl bewusst. Nur mit Mühe konnte sie ihren Ärger unterdrücken.

»Es ist gut, Marie Louise«, sprach sie beruhigend auf sie ein, »bitte entschuldige, mach dir keine Sorgen.«

»Sollen wir etwas spielen?« Die Kleine hatte den kurzen Schrecken zu Berthas Erleichterung schon wieder vergessen.

»Das würde ich ja gerne.« Sie kitzelte sie ein wenig, und Marie Louise lachte vergnügt. »Aber ich muss leider auf den Markt, die Einkäufe erledigen. Warum spielst du nicht mit Thekla?«

»Na gut«, sagte die Kleine mit einem Schmollmund, »nie hast du Zeit.« Sie zog ab und rief noch vom Wohnzimmer aus, »Thekla, kommst du mit zum Spielen nach draußen?«

2


Mit zwei großen Einkaufskörben in den Händen stapfte Bertha wenig später durch die Ispringer Straße in der Brötzinger Vorstadt hinunter Richtung Marktplatz in der Pforzheimer Innenstadt.

Dieser Mittwoch Ende Mai fühlte sich eigentlich wie ein wunderschöner Frühsommertag an, mit blauem Himmel, einer angenehmen Wärme und einem lauen Lüftchen. Noch war es nicht zu heiß, aber schon warm genug, um sich in Sommerkleidung auf die Straße zu wagen. Deshalb hatte sie sich ihren Florentinerhut zusammen mit einem einfachen Krinolinenkleid aus dunklem Stoff und darunter einer weißen Chemisette mit einem kleinen Spitzenkragen für ihren heutigen Marktgang ausgesucht. Bertha hatte sich, wie jede Woche, darauf gefreut. Aber jetzt wurde sie mit jedem Schritt wütender.

Sie bemühte sich, ihre Emotionen zu zügeln, wie es einer Frau geziemte, die sie ja bald wäre, so fand sie, aber es fiel ihr schwer. Sie kniff die Augenbrauen zusammen, hielt ihren Kopf gesenkt und schaute aus trotzigen Augen nach vorn. Zusammen mit dem Stapfen ihrer Füße entfuhr ihr ab und an ein Schnauben.

Was um alles in der Welt hatte ihre Mutter nur bewogen, diesen Satz nach ihrer Geburt zu schreiben? Bertha fühlte sich tief in ihrem Inneren verletzt. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, es widersprach allem, was sie über sich, über ihre Eltern und auch ihre Geschwister wusste. Nie hatte sie sich zurückgestellt gefühlt. Ohne Frage gab es Unterschiede zwischen den Jungen und ihr und ihren Schwestern. Von den Töchtern wurde erwartet, dass sie sich um das Haus und die Familie kümmerten, sauber machten, Essen kochten, Kleider nähten, Strümpfe stopften, die Wäsche wuschen – und das waren bei dem großen Haushalt wahrlich Berge, die mühsam eingeseift, auf dem Waschbrett gerieben und danach gestärkt werden wollten –, und alles, was sonst noch dazugehörte. So wie eben auch das Einkaufen auf dem Markt. Alles, während die Jungen draußen rumtoben durften.

Aber immerhin durfte sie bis ins Jahr ihrer Konfirmation auf die Höhere Töchterschule gehen und das vierte Jahr dort turnusgemäß mit den Osterferien abschließen. Das bedeutete doch, dass die Eltern ihr eine gute Bildung zukommen lassen wollten, dass sie sie wertschätzten, oder nicht?

Bertha fühlte, wie ihre Gedanken umherwirbelten wie in einem großen Karussell, das sich immer schneller drehte und die an langen Ketten befestigten Sitze immer weiter nach außen trieb, bis sie gegen ihre Schädeldecke schlugen. Ihr wurde schwindelig. Bertha konzentrierte ihren Blick auf die Häuserfassaden, an denen sie vorbeikam, und so schaffte sie es, wenn auch langsam, weiterzulaufen.

Sie dachte daran, wie zu Beginn eines jeden Schuljahres nach den Osterferien immer wieder weniger Klassenkameradinnen in die Schulbänke zurückkehrten. Deren Väter fanden wohl, dass sie jetzt besser anfingen, Geld zu verdienen. Bis zu einem gewissen Grad sahen diese Familienoberhäupter Bildung noch als nützlich an, aber irgendwann überwog der Gedanke an eine gute Partie für ihre Töchter. Die zu finden schien wesentlich wichtiger, als Geld für irgendwelche »Wissensfratzen«, wie sie einen der Väter einmal sagen hörte, zum Fenster hinauszuschmeißen.

Nicht selten aber bemerkte Bertha, wenn sie bei Klassenkameradinnen zu Besuch war, dass dort einfach nicht genügend Geld da war. Dessen war sie sich sehr wohl bewusst. So manche Eltern hatten schon alle ihre Möglichkeiten ausgeschöpft, um ihre Tochter zur Schule gehen zu lassen.

Das sah bei ihr zu Hause anders aus. Sie lebten zwar nicht im Reichtum, aber Geld war nie ein Problem. Bertha war froh, dass ihren Eltern Bildung, auch für sie und ihre Schwestern, wichtig war. Es wäre ein Leichtes für sie gewesen, das Schuldgeld für andere Zwecke auszugeben.

Aber so waren meine Eltern doch nie. Bertha verstand die Welt nicht mehr. Ihre Wut wich nur langsam aus ihrem Körper. Mit jedem Schritt spürte sie sich selbst wieder ein bisschen mehr, anstatt dieses überwältigende Gefühl der Ohnmacht. Aber die Verwirrung in ihrem Kopf blieb, kreiste weiter darin herum und kam einfach nicht zum Stillstand.

Der Weg zum Markt in Pforzheim war zum Großteil derselbe wie zu ihrer früheren Schule. Komisch, warum mir das jetzt gerade auffällt, dachte Bertha. Als sie anfing, zur Schule zu gehen, standen in der Straße nur vier Häuser. Mittlerweile waren es zehn, und es machte den Anschein, dass bald neue hinzukommen würden.

Auf der gegenüberliegenden Seite gab es noch keine Bebauung. Der Park des Bohnenberger Schlösschens war recht weitläufig und reichte bis zur Straße. So reich konnte man als Papier- und Schmuckfabrikant werden, staunte Bertha jedes Mal, wenn sie an dem prächtig gestalteten Bau und dem dazugehörigen Park vorbeiging. Am Ende der Ispringer Straße angekommen, lief sie entlang einer Neusilber- und einer Bijouteriefabrik. In Pforzheim schienen die Schmuckfabriken wie Unkraut aus dem Boden zu schießen. Die Stadt am Rand des Nordschwarzwalds entwickelte sich zu einem wahren Zentrum der Schmuckindustrie und galt als erste Fabrikstadt Badens. Sie wirkte wie ein Magnet, der mehr und mehr Leute in die Stadt lockte. Vor allem Bauern und Frauen aus dem näheren, aber auch aus dem weiteren Umland kamen, um sich in den Manufakturen als Arbeiter zu verdingen. Wenn sie daran dachte, war sie doppelt froh, dass ihre Eltern so lange Schulgeld für sie bezahlt hatten und dass sie nun zu Hause mit anpacken konnte. Das war ihr allemal lieber, als in einer dieser lauten, stinkenden, dunklen Fabrikhallen zu arbeiten. Immerhin wurde der Ort von Schwerindustrien verschont und daher nicht von stinkenden Schloten verpestet, wie es in anderen Städten der Fall war. Trotzdem, schon alleine bei dem Gedanken an den Lärm und die Gerüche innerhalb der Fabriken für die Schmuck- und Goldfertigung musste sich Bertha schütteln. Sie wusste, dass einigen ihrer Klassenkameradinnen dieses Los beschert war. Die Mädchen mussten für den Unterhalt der Familie mitverdienen. Bertha taten ihre früheren Klassenkameradinnen leid, aber es lag nicht in ihrer Macht, daran etwas ändern zu können.

»Leider wieder ein Mädchen.«...

Erscheint lt. Verlag 2.5.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Auto • Automobil • Bertha Benz • biografien starker frauen • Biografischer Roman • Carl Benz • Erfindung • Erfindung Auto • erste Autofahrt • Frauenleben • historischer Frauenroman • Historischer Roman 19. Jahrhundert • Historisches Ereignis • Mercedes Benz • Starke Frauen • Stuttgart
ISBN-10 3-426-44738-X / 342644738X
ISBN-13 978-3-426-44738-3 / 9783426447383
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