Rückwärts träumen (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
462 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60637-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rückwärts träumen -  Hannah Treave
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Das Leben ist zu kurz für irgendwann Hospiz-Krankenschwester Zoe hält die letzten Gedanken, Wünsche und Botschaften ihrer schwer kranken Patientinnen und Patienten fest, um sie deren Angehörigen zu überbringen. Ihr Chef Ben hält das für problematisch und befürchtet rechtliche Konsequenzen, doch Zoe weiß, wie viel Trost letzte Worte den Menschen bringen. Um Ben dies zu beweisen, soll er einen Brief mit ihr zusammen übergeben. Zoe ahnt nicht, dass die Reise mit Ben sie zwingen wird, sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen, mit dem Ort in ihrem Herzen, an dem nur Kummer und Trauer sind. Dass die Reise die Chance auf Heilung bringt, die Hoffnung auf eine neue Liebe - aber auch die Gefahr neuer Verletzungen. 

Hannah Treave ist freiberufliche Journalistin und arbeitet seit fünfzehn Jahren für Wochen- und Monatszeitschriften für Frauen. Sie ist außerdem Autorin von zahlreichen historischen und zeitgenössischen Romanen.

Hannah Treave ist freiberufliche Journalistin und arbeitet seit fünfzehn Jahren für Wochen- und Monatszeitschriften für Frauen. Sie ist außerdem Autorin von zahlreichen historischen und zeitgenössischen Romanen.

Kapitel eins


Zwei Jahre später


Im Zimmer war nichts als das Geräusch der schweren, mühevollen Atemzüge zu hören, während Zoe Evans noch einmal die paar Zeilen auf dem Notizblock durchlas, der auf ihrem Schoß lag. Sie las den Brief bereits zum vierten Mal und empfand nach wie vor Abscheu über so gut wie jedes einzelne Wort. Abrupt blickte sie auf, wobei eine leicht ergraute blonde Ringellocke aus dem Dutt fiel, zu dem sie das Haar im Nacken zusammengesteckt hatte.

»Arthur, sind Sie wirklich sicher, dass Sie das sagen wollen?«, fragte sie und sah den Mann an, der für die Nachricht verantwortlich war.

Der Atem ging schwer, als der alte Mann im Rollstuhl nickte. Aus seinen wässrigen Augen blickte eiserne Entschlossenheit. »Ja. Ich wollte die Wahrheit viel zu lange nicht wahrhaben – es ist an der Zeit, dass alles herauskommt.«

Zoe unterdrückte den Impuls, verzweifelt aufzustöhnen. Sie war seit über zwanzig Jahren Krankenpflegerin und wusste seit Langem, dass Nörgeln keine besonders effektive Methode war, um Patienten von dem zu überzeugen, was das Beste war.

»Okay.« Sie schenkte Arthur ein beschwichtigendes Lächeln. »Aber finden Sie es nicht ein bisschen grausam, Ihrer Frau nach sechzig Jahren Ehe zu erklären, dass Sie sie nie geliebt haben und der Tod eine süße Erlösung von ihrem endlosen Gemecker, dem Gekeife und …«, Zoe hielt inne, um einen Blick auf den Notizblock zu werfen, »dem ständigen Furzgestank sein wird?«

Arthur nickte. »Sicher. Ich habe nie viel vom Lügen gehalten.«

Zoe senkte den Block und steckte den Kugelschreiber in die Tasche ihrer Uniform. Auch sie mochte keine Lügen, aber ebenso wenig glaubte sie, dass es grundsätzlich immer richtig war, anderen die ungeschönte Wahrheit aufzutischen.

»Gibt es noch etwas? Etwas Schönes?«, fragte sie. »Audrey ist Ihre Frau. Seit sechs Wochen bringt sie Sie hier zur Tagespflege ins Hospiz. Sie haben das ganze Leben zusammen verbracht, gemeinsam eine Welt aufgebaut.«

Arthurs Miene wurde weicher. »Klar liebe ich Audrey, aber dieser verfluchte Krebs hat mir einen Arschtritt verpasst. Ich will dem Herrgott nicht mit dem Gefühl gegenübertreten, dass ich unaufrichtig war. Ich bin Audrey dankbar für alles, was sie getan hat. Wir zwei sind ganz gut klargekommen, aber ich habe meine erste Liebe nie vergessen – Deirdre Hamilton.«

Bei der Erwähnung Deirdres schlich sich ein verträumter Ausdruck auf Arthurs Gesicht. Zoe merkte, dass er ganz woanders war, weit fort von dieser viktorianischen Villa am Stadtrand von Bath, die mittlerweile als Hospiz fungierte. Durchs Fenster fiel die Aprilsonne in den Aufenthaltsraum, und sie tätschelte ihm das Knie und holte ihn in die Gegenwart zurück.

»Ich weiß nicht, ob Audrey das wissen sollte«, setzte Zoe noch einmal an. »Es gibt doch bestimmt noch etwas anderes, was Sie sagen könnten. Um den Schock ein bisschen abzumildern.«

Mit gerümpfter Nase dachte Arthur eine Weile nach, dann sagte er: »In Ordnung, schreiben Sie, dass sie sich Karotten kaufen soll. Sie isst zu wenig Grünzeug, aber Karotten mag sie.«

Zoe verkniff sich ein Lachen, als sie bemerkte, dass es Arthur ernst damit war, und setzte schnell eine neutrale Miene auf. Sie zog den Stift aus der Tasche, notierte seine Worte und blickte ihn dann erwartungsvoll an.

»Haben Sie das?«, fragte er.

»Ja«, versicherte sie ihm. »Sind Sie sicher, dass Audrey das bekommen soll?«

»Das bin ich«, antwortete Arthur mit schwacher, aber entschlossener Stimme.

Zoe drängte ihn nicht weiter. Der Ausflug in den Aufenthaltsraum hatte ihn sichtlich geschwächt. Die Farbe war aus seinen Wangen gewichen und das Atmen noch mühevoller geworden.

Zoe stand auf und schob Arthur zurück zu seinem Zimmer. Ihr fiel auf, dass er anders als sonst nicht aus dem Fenster sah und die beiden Eichen bewunderte, die dem Hospiz den Namen The Oaks einbrachten. Aus Erfahrung wusste sie, es würde nicht mehr lange dauern, dass es mit ihrem Patienten zu Ende ginge.

Tatsächlich war Arthur nicht der erste Patient, der seiner Familie und seinen Freunden als Botschaft hinterlassen wollte, was er wirklich über sie dachte, und Zoe war klar, er wäre auch nicht der Letzte. Seit Zoe vor zwei Jahren als Pflegerin im Hospiz angefangen hatte, dokumentierte sie die letzten Worte der Sterbenden oder nahm Botschaften für die Hinterbliebenen auf. Sie wusste, welche Bedeutung ein letztes Wort haben konnte und wie kathartisch es für diejenigen war, die dem Ende entgegensahen.

»He, Zoe!« Eine laute australische Stimme hinter ihr riss sie aus ihren Gedanken.

Sie blieb stehen und drehte sich zu ihrem Kollegen Miles Anderson um, der noch seinen schweren Mantel trug und dabei war, sich die Reste eines Schinkensandwiches in den Mund zu stopfen. Miles sah eher so aus, als käme er gerade von einer Schicht als Müllsammler statt zum Dienstantritt als Pfleger.

Zoe spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. »Hättest du nicht vor einer halben Stunde da sein sollen?«

Miles zuckte die Achseln und strich sich – unbeeindruckt von Zoes Rüge – ein paar Krümel aus dem dichten dunklen Bart. »Du weißt doch, wie es ist. Ist spät geworden gestern Abend. Ich bin einfach nicht aus dem Bett gekommen.«

Zoe runzelte die Stirn. Sie wusste, wie es war, aber sie billigte es nicht. Miles war, wie sie selbst, gebürtiger Australier, mit seinen neununddreißig allerdings fünf Jahre jünger, und er tat sein Bestes, um jeden Moment auszukosten, als sei es sein letzter – nun da er mit knapp vierzig, wie er selbst es formulierte, kurz vorm Abnippeln stand.

»Vielleicht könntest du es wenigstens versuchen«, sagte Zoe zähneknirschend. »Du wohnst doch gleich um die Ecke. Weder den Patienten noch uns gegenüber ist es fair, wenn du zu spät kommst.«

»Ja, ja.«

Zoe zog eine blonde, buschige Augenbraue hoch, richtete sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter fünfundsechzig auf und schenkte Miles einen, wie sie hoffte, vernichtenden Blick.

Offensichtlich funktionierte es. Hastig legte Miles den Mantel ab und steckte das Sandwichpapier in die Tasche.

»Sorry, Boss.« Er wirkte ehrlich zerknirscht.

Zoe zuckte die Achseln. »Nur noch für die nächsten vierundzwanzig Stunden. Dann fängt der neue Troubleshooter an.«

»Temporärer Troubleshooter«, korrigierte sie Miles und wischte sich die fettigen Handflächen am Kittel ab. »Wie lange soll der bleiben?«

»Bis die Familie Harper als neue Eigentümerin zufrieden damit ist, wie die Geschäfte von The Oaks laufen«, antwortete Zoe.

»Und uns mit St Mary’s fusioniert hat«, fügte Miles mürrisch hinzu, womit er das strahlende neuere Hospiz im Norden von Bristol meinte, das The Oaks in praktisch jedem Gutachten überflügelte.

Zoe musste kichern, als sie seinen finsteren Blick bemerkte. Seit Miles mit einer der Pflegerinnen von St Mary’s geschlafen und sie die Unverfrorenheit besessen hatte, ihm das Herz zu brechen, war Miles besessen von dem rivalisierenden Hospiz.

»Ich verstehe gar nicht, warum wir überhaupt einen Troubleshooter brauchen«, grummelte Miles. »Es läuft doch ganz gut.«

»Nicht gut genug«, antwortete Zoe und fixierte den Pfleger mit ihren babyblauen Augen. »Das einzig Gute daran ist, dass dieser neue Kerl gleichzeitig die neue Pflegeleitung ist und ich die Verantwortung endlich los bin.«

Miles lachte. »Hoffentlich hast du recht. Es heißt ja, der Typ nimmt alles supergenau.«

»Umso besser!«, rief Zoe. »Der bringt es dann auch fertig, dich zusammenzustauchen, wenn du zu spät kommst oder dich am Samstagmorgen krankmeldest.«

»Nicht jeden Samstagmorgen«, warf Miles ein.

»Aber oft genug, dass es mir auffällt«, sagte Zoe seufzend, doch gleich darauf hellte ...

Erscheint lt. Verlag 29.2.2024
Übersetzer Maria Hochsieder
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abschied • Abschiednehmen • bewegende Geschichte • Briefe • Bücher für die beste Freundin • carpe diem • das Ende kann ein Anfang sein • Ende des Lebens • Feier des Lebens • Hoffnung • Hospiz • Neuanfang • Sterbebegleitung • Tod • Trauer • Trauerbewältigung
ISBN-10 3-492-60637-7 / 3492606377
ISBN-13 978-3-492-60637-0 / 9783492606370
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