Hier muss es sein (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
496 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60745-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hier muss es sein -  Maggie O'Farrell
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Vom Ende einer großen Liebe Claudette Wells ist eine Frau, die zur Schrotflinte greift, sobald sich ein Fremder dem Haus ihrer Familie nähert. Warum beschützt sie ihr Refugium im Nordwesten Irlands so rigoros? Und warum gab sie ihre Karriere als Filmstar auf, obwohl ihr die Welt zu Füßen lag? Ihr Ehemann Daniel, Linguistikprofessor aus Brooklyn, verliert die ihm eigene Bodenhaftung, als er vom Tod seiner Ex-Geliebten Nicola Janks erfährt. Eine über Jahrzehnte verdrängte Schuld bricht über ihn herein - und reißt ihn aus dem Leben, das er und Claudette sich aufgebaut haben. Keine Autorin wurde in Großbritannien zuletzt so gefeiert wie Maggie O'Farrell. In »Hier muss es sein« brilliert sie mit dem nuancierten Porträt einer Ehe, so verschlungen wie die Liebe selbst. »?Hier muss es sein? ist ein stilistisches, erzählerisches und emotionales Meisterwerk, eine komplexe und nuancierte Geschichte, die sich mühelos zwischen verschiedenen Figuren, Kontinenten und Zeitebenen hin- und herbewegt.« Observer »Maggie O'Farrell lenkt ihre Figuren mit der Kunstfertigkeit einer Magierin. Sie ist eine geschickte, blendende Chronistin menschlicher Beziehungen.« The Guardian

Maggie O'Farrell, 1972 in Nordirland geboren, zählt zu den wichtigsten irisch-britischen Autorinnen ihrer Generation. Sie wurde mit dem Somerset Maugham Award und dem Costa Book Award ausgezeichnet. Ihr Roman »Judith und Hamnet« gewann den Women's Prize for Fiction 2020, den National Book Critics Circle Award 2020 sowie den British Book Award 2021 für den besten Roman. Auch »Porträt einer Ehe« stand 2023 auf der Shortlist für den Women's Prize for Fiction und war ein Sunday-Times-Bestseller.

Maggie O'Farrell, 1972 in Nordirland geboren, zählt zu den wichtigsten irisch-britischen Autorinnen ihrer Generation. Sie wurde mit dem Somerset Maugham Award und dem Costa Book Award ausgezeichnet, ihr Memoir »Ich bin, ich bin, ich bin« führte die Sunday-Times-Bestsellerliste an. Ihr Roman »Judith und Hamnet« stand über Monate auf der Sunday-Times-Bestsellerliste, gewann u.a. den Women's Prize for Fiction 2020 und den British Book Award 2021 für den besten Roman. Zuletzt erschien »Porträt einer Ehe«.

Ich bin keine Schauspielerin


Claudette, London, 1989

Es waren fast die Neunziger, das letzte Jahrzehnt des Jahrtausends stand kurz bevor, und wir waren gerade nach London gekommen. Frisch von der Universität. Nur wenige Monate zuvor hatten wir noch die gesamte Kritische Theorie im Kopf gehabt; wir hatten die ganze Nacht gebüffelt, um uns die Daten der europäischen Kriege einzuprägen, die Sinnverschiebungen beim imperfektiven Aspekt im Russischen. Wir hatten Prüfungssäle betreten, die Blätter umgedreht, die auf den Tischen lagen, den Stift gezückt und gewusst, dass dies die letzten Prüfungen waren, die wir jemals absolvieren würden.

Was wir alles wussten! Die Chronologie von Shakespeares Dramen, die definierenden Merkmale eines Villanelles, sämtliche Muskeln der menschlichen Hand, die zahllosen Ähnlichkeiten und Unterschiede in den diversen Übersetzungen der Ilias. Wir waren auf unsere Weise Fachleute: Auf einem einzigen, sehr beschränkten Gebiet wussten wir alles, was man nur wissen konnte.

Und jetzt? Jetzt kampierten wir bei irgendjemandem, der uns ließ, auf dem Boden und suchten Arbeit.

Jetzt studierten wir die Stellenangebote in der Zeitung. Jetzt fragten wir uns, was wir einmal machen würden, wie wir sein, wie wir leben wollten. Jetzt wurde uns klar, dass alles, was wir gelernt hatten, nutzlos war. Dass niemand uns je fragen würde, was für einen Abschluss wir hatten. Oder woran man eine Metonymie erkannte, was Chaucers Lebensdaten und Robespierres letzte Worte, die verschiedenen Stadien der italienischen Einigung oder die exakten Details von Disraelis Außenpolitik waren. Wir begriffen, dass das niemanden interessierte. Alle wollten bloß wissen: Können Sie Maschine schreiben? Kennen Sie sich mit Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Telefonanlagen aus? Können Sie ein Kopiergerät reparieren? Können Sie das Farbband in einem Faxgerät auswechseln? Können Sie Anrufe annehmen, während Sie Kaffee kochen und zugleich die Post aufmachen und den Eingangskorb durchsehen?

Wir fragten uns manchmal, ob unsere Uni-Abschlüsse den Aufwand wert gewesen waren.

Es waren fast die Neunziger. Wir kamen in kurzen Röcken, dicken Strumpfhosen und winzigen T-Shirts, die unseren flachen, straffen Bauch sehen ließen, trugen Turnschuhe in leuchtenden Neonfarben, bunte Regenjacken, die wir auf dem Flohmarkt gekauft hatten. Wir waren voller Hoffnung. Wir wollten, dass es klappte. Wir schauten uns die Kleider der Leute in den Büros an, in denen wir jobbten. Wie machten die das nur? Wir rätselten, wir beobachteten. Die Hosenanzüge und Pfennigabsätze, die Hemden mit gestärkter Brust und hohem Kragen, die Handtaschen mit Messingverschluss, die geknöpften Tweedmäntel. Und die Haare: Glatt und flach wie Papier, so geschnitten, dass sie sauber um die Wangen schwangen. Wie sollten wir das alles hinkriegen, wenn wir kein Bügeleisen, keine feste Bleibe, kein regelmäßiges Einkommen und im Koffer nichts als zerknitterte Kleider hatten?

Ständig lasen wir in Zeitungen und Zeitschriften, dass London das Maß aller Dinge sei, das Epizentrum des Cool, dass dort jeden Abend die besten Bands im Pub gleich um die Ecke spielten. Wir verstanden das nicht so recht. Wenn wir in London in den Pub gingen, war es dort düster und stickig, reihenweise Leute saßen mit dem Rücken zu uns da, und die Musik drang nur aus verborgenen Lautsprechern durch den Rauch. Für uns war London eine Strapaze: der angestrengte Versuch, zumindest den Anschein von Souveränität aufrechtzuerhalten, die Mühsal langer U-Bahn-Fahrten, die Frage, wie und wo wir unseren Lebenslauf schreiben, bearbeiten und ausdrucken konnten, da wir alle noch keinen Computer hatten. London bedeutete Vorstellungsgespräche, das verzweifelte Bemühen, in diesem riesigen, bedrohlichen Ökosystem eine Nische zu finden, nur eine kleine, eine Ausgangsbasis, um die magische Kombination Arbeitsstelle & Wohnung zu erlangen, denn das eine schien ohne das andere nicht möglich zu sein. Also jobbten wir und nächtigten auf den Sofas langmütiger Freunde, Verwandter oder Geliebter, in der Hoffnung, irgendwann den goldenen Schlüssel zu finden und Einlass zu erhalten, von der Stadt aufgenommen zu werden, über Los gehen zu können, den Punkt zu erreichen, wo wir sagen konnten: Ja, das ist meine Adresse, und ja, bitte eine Monatskarte – ich habe mich lang genug mit den Tageskarten herumgeplagt.

Wir gingen aus, weil die Stadt nun mal da war und wir erwachsen und frei waren und weil wir den Leuten, auf deren Sofas wir schliefen, nicht jeden Abend den ganzen Abend lang zur Last fallen konnten. Wir besuchten Programmkinos in Kellergeschossen, um all die Filme zu sehen, von denen wir immer gehört, die anzuschauen wir bisher aber nie Gelegenheit gehabt hatten. Wir gingen auf Partys in Lagerhäusern im Osten der Stadt, wo Drum ’n’ Bass aus den Lautsprechern wummerte und Typen mit Strickmützen uns Kokain anboten und wo angeblich jeden Moment ein berühmter Künstler eintreffen würde. Wir verabredeten uns telefonisch, beim Jobben, in hastigen, von der Arbeitszeit abgezwackten Gesprächen, einigten uns auf ein Café oder eine Bar, die eine von uns vom Hörensagen kannte. Wir kamen zu früh, Stadtplan und Tageskarte umklammernd. Unser Orientierungssinn begann, die verschiedenen Orte zu verknüpfen. Eines Tages begriffen wir, dass wir nicht umsteigen mussten, um vom Leicester Square zum Covent Garden zu gelangen – die Stationen lagen nur fünf Minuten Fußweg voneinander entfernt.

Eine von uns fand eine Stelle bei einer Zeitung, eine feste Stelle. Wir staunten. Einige von uns riefen andere an, um darüber zu sprechen. Einige von uns waren neidisch. Dann wurde eine andere als Assistentin in einer Galerie angestellt. Weitere Telefonate.

Die größte Angst war nicht, dass einen die Stadt besiegen könnte, dass man die Wohnung nie finden, die Stelle nie bekommen, das U-Bahn-Netz nie durchschauen würde, die Farben der verschiedenen Linien und wo sie einander kreuzten. Die größte Angst, die uns allen nachts den Schlaf raubte, war die, nach Hause zurückkehren und sagen zu müssen: Hier bin ich wieder. Ich habe es nicht geschafft. Ich hab es nicht auf die Reihe gekriegt.

Immer mehr von uns fanden eine Stelle. Eine unterschrieb einen Mietvertrag für eine Wohnung direkt am Fluss, eine Party wurde gefeiert, und man stand auf dem Balkon, sog den Rauch ein, den Lärm, das zersplitterte Licht der Stadt, und wusste, viel Zeit hatte man nicht mehr, man musste etwas unternehmen.

Man ging ein weiteres Mal zur Jobvermittlung, obwohl klar war, dass einen die Frau dort nicht mochte. Man verstand nicht so recht, warum. Man hatte die Prüfung im Maschinenschreiben bestanden, hatte nett gelächelt, hatte eine saubere Bluse getragen (unerlaubterweise von dem Mädchen ausgeliehen, auf dessen Boden man in dieser Woche kampierte, und noch am selben Abend gewaschen und wieder in den Schrank gelegt).

Die Frau in der Jobvermittlung blickte kurz auf, als man hereinkam, und schaute wieder nach unten. »Diese Woche gibt’s nichts«, sagte sie, und man wollte schon wieder gehen, da schob sie nach: »Außer …«

Man blieb auf der obersten Treppenstufe stehen.

»Interessieren Sie sich für Film?«, fragte sie, während sie ein paar Blätter auf ihrem Schreibtisch umschichtete, erst nach links, dann nach rechts.

»Ja«, sagte man, »sehr sogar.« Zufälligerweise stimmte das tatsächlich, aber man hätte auch Ja gesagt, wenn sie gefragt hätte, ob man sich für Hühnerzucht interessiere.

»Da ist gerade was gekommen, von … vom Filmklub«, sagte sie, und man fühlte sich plötzlich, als wäre man einen Berg hinaufgerannt – der Puls raste, die Lungen schienen leer. Da war er: der Zugang, der Passierschein, der goldene Schlüssel, der Weg, auf dem sich die Metamorphose zum Erwachsenendasein vollziehen ließ. Man musste sich gewaltig beherrschen, um ihr nicht das Blatt aus der Hand zu reißen.

»Es ist nur für ein paar Tage, und die suchen jemanden mit Erfahrung, aber Sie können ja mal hingehen. Den Versuch ist es wohl wert. Machen Sie einen Termin für morgen aus.«

»Ich gehe jetzt gleich hin«, sagte man und wühlte bereits nach dem Stadtplan.

Der Filmklub befand sich in einem Gebäude direkt an der Themse, unter einer Brücke. Als man vor dem Eingang stand und sich vor dem Hineingehen noch kurz zu sammeln versuchte, hatte man den Fluss im Rücken und über sich die Busse, die in...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2024
Übersetzer Kathrin Razum
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Ann Patchett • Belletristik Neuerscheinung 2024 • Bestseller aus Großbritannien • Bestseller Großbritannien • Bestseller UK • britische Autorin • britische Bestsellerautorin • britische Literatur • Buch • Bücher • Claire Lombardo • Donegal • Ehe • Eheroman • Eltern-Kind-Beziehung • Englische Literatur • Familie • Familienroman • Große Eheromane • Große Familienromane • Hamnet • Heimat • Irische Landschaft • irische Provinz • Irland • Jonathan Franzen • Liebe • Nathan Hill • Patchwork • Patchwork-Familie • Patchworkroman • Porträt einer Ehe • Roman • Schuld • Schuldgefühle • Sunday-Times-Bestseller • This Must Be the Place • Vergangenheit Geheimnis
ISBN-10 3-492-60745-4 / 3492607454
ISBN-13 978-3-492-60745-2 / 9783492607452
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