wrong -  Rainald Goetz

wrong (eBook)

Textaktionen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
367 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-78002-2 (ISBN)
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WRONG ist ein Band mit kleineren interventionistischen Texten, die in den letzten fünfzehn Jahren, der Zeit der Arbeit am Buch SCHLUCHT, entstanden sind.

WRONG: Auftritt, Vortrag, Lehre, Interview, Kritik: alles falsch, alles immer wieder: wrong. Und doch ist es wichtig, daß man sich als Autor auch direkt, mit solchen Textaktionen, am öffentlichen Gespräch beteiligt, lebendig, wirr, flirrend, das Ich ungeschützt präsentiert, nicht nur in die finale Totengestalt des Werks hineinkonzentriert.

So schreiben, wie man reden würde, wenn man dem Gegenüber schnell erklären will, was man zu Joachim Bessing denkt, zu Michel Houellebecq, zu Albert von Schirnding oder zum Rechtsstreit des Suhrkamp Verlags mit dem Investor Barlach. In den Interviews geht es um die eigenen Bücher, den Fotoband elfter september 2010, den Roman Johann Holtrop oder das Theaterstück Reich des Todes. In zwei Reden und zwei Aufsätzen - der Antrittsvorlesung »Leben und Schreiben«, der Rede »Büchnerpreis«, der Produktionspoetik »Spekulativer Realismus« und der Rezeptionspoetik »Absoluter Idealismus« - hat Rainald Goetz seine Autorschaft grundlegend zu bestimmen versucht, aber vom Gestus her auch hier inspiriert von der Direktheit der mitmenschlichen Begegnung und dem Darlegungsfuror in mündlicher Rede. Dadurch ist WRONG ein helles Buch geworden.

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Rainald Goetz, geboren 1954, studierte Medizin und Geschichte, lebt in Berlin. Autor der Bücher <em>Irre</em>, <em>Krieg</em>, <em>Kontrolliert</em>, <em>Festung </em>und<em> Heute Morgen</em>. Zum Abschluss des Buchs <em>Schlucht </em>erscheint im Frühjahr 2024 das Buch <em>Lapidarium </em>mit den drei Theaterstücken <em>Reich des Todes</em>, <em>Baracke </em>und <em>Lapidarium</em>; gleichzeitig kommt in der edition suhrkamp der Band <em>wrong</em> heraus, eine Sammlung von Reden und Aufsätzen aus der Zeit der Arbeit am Buch <em>Schlucht</em>.

Nein. Ja. Freude


zum Erscheinen des Fotobuchs
»elfter september 2010. Bilder eines Jahrzehnts«

Interview: Christoph Amend

Zeit-Magazin, 9. September 2010

Das Gespräch, das wir in einem leeren Nebenzimmer des Einstein Unter den Linden führten, dauerte nicht lange. Ehe ich es gemerkt hatte, hatte ich mehr von mir erzählt als geplant. Aber Christoph Amend, der einen als Interviewer auf freundliche Art zum Sprechen bringt, bleibt auch danach, bei der Bearbeitung des Interviews, ein seinem Gegenüber loyal zugewendeter Autor. Das ist im Journalismus ungewöhnlich. Er will einen zeigen, aber ohne Gewalt, ohne einem etwas entreißen zu wollen. Die Herzlichkeit seines Interesses geht auf angenehme Art über in den das Gesagte zusammenfassenden Text.

Herr Goetz, in dieser Woche erscheint Ihr Buch »elfter september 2010. Bilder eines Jahrzehnts«. Wie kamen Sie darauf, erstmals einen Bildband zu veröffentlichen?

Auf Anregung meines Lektors Hans-Ulrich Müller-Schwefe, der bei Suhrkamp mein Lektor von Anfang an war. Er hatte die Idee zu einem Projekt, und dann haben wir zusammen überlegt, was ich machen könnte. Ein Ausgangspunkt war das »loslabern«-Zeit-Magazin, das wir letztes Jahr hier gemacht haben. Da waren ein paar Fragen offengeblieben.

Darin haben Ihre Fotos bereits eine große Rolle gespielt. Ist es eigentlich für Sie leichter, mit Bildern zu erzählen als mit Worten?

Nein, es ist viel emotionaler, aufwühlender.

In dem Buch ziehen Sie eine Bilanz des gerade zu Ende gehenden Jahrzehnts. Wie war es für Sie?

Das weiß ich nicht. Ich habe das Buch gemacht, um es herauszufinden. Ich hatte die Jahre in der Zeit selbst als extrem düster empfunden, ein Finsternisexzeß. Aber auf den Fotos ist das so direkt gar nicht drauf, das hat mich verwundert. Der springende Punkt bei der Konzeption des Buches war: totale Konzentration auf die Bilder, schwarz-weiß, ein Layout, das durch seine Ruhe starke Effekte ermöglicht, darunter knappe, öffnende Bildunterschriften. Das führte jetzt zu diesem Buch. Man nimmt es in die Hand, blättert ein bißchen darin und hat es sofort intuitiv erfaßt, hat es drin. Andererseits kann man auch richtig einsteigen und sich sehr darin vertiefen. Eine weiterer Punkt war: Suhrkamp, mein Verlag, ist in diesem Frühjahr von Frankfurt nach Berlin gezogen, da wollte ich darauf reagieren.

Wie fanden Sie den Umzug?

Erst war ich entsetzt, ich lebe ja in Berlin. Ich hatte das Gefühl, die Eltern ziehen in die Stadt, in der man wohnt. Als ich das der Verlegerin mal gesagt habe, war sie gleich ganz beleidigt.

Sie ist nur wenige Jahre älter als Sie.

Genau. Aber dann sagten meine Lektoren, sie freuten sich auf den Umzug, und von dem Moment an habe ich mich auch gefreut. Dann gab es diese Einweihungsfeier in Berlin, an diesem strahlenden Wintersonnentag, im neuen Verlagshaus in der Pappelallee, wo ich so glücklich war und dachte: hier kann jetzt wirklich etwas losgehen. Das spiegelt das Buch auch ab, dieses Gefühl. Ich war jetzt praktisch jeden zweiten Tag dort im Verlag, um das Layout zu machen, neue Bilder abzuliefern, am Computer von Frau Knapitsch, meiner Herstellerin, mit der ich schon die »Heute Morgen«-Bücher vor Jahren gemacht habe, ist das Buch konkret entstanden. Das wäre gar nicht gegangen, wenn der Verlag noch in Frankfurt wäre.

Sie fotografieren viel, und das schon seit Jahren. Woher kommt diese Leidenschaft? Von Ihrer Mutter? Sie ist Fotografin.

Ja, ich bin von frühester Kindheit an mit diesem ganzen Dunkelkammer-Gewese aufgewachsen und habe das als etwas Faszinierendes, Schönes erlebt. Ich habe immer viel geknipst und damit seit Ende der neunziger Jahre so extrem Gas gegeben, daß das Material gar nicht mehr zu verwalten war.

Sie müssen ein riesiges Archiv besitzen.

Unfaßbar groß, ja, aber von Archiv kann man nicht reden, es gibt keine Ordnung, es liegt alles irgendwie herum. Für dieses Buch habe ich viele tausend Bilder gesichtet und wieder weitere neue Billy-Regale gekauft, um das endlich mal zugänglich ablegen zu können, ein ziemlicher Irrsinn. Jahrelang habe ich jedes Motiv außerdem in Serie fotografiert, das hat die Volumina des Ganzen zusätzlich absurd aufgebläht.

Ein Schwerpunkt des Bands ist der politische Betrieb in Berlin. Sie zeigen Bundestagssitzungen, Pressekonferenzen, Parteizentralen und Politiker wie Kohl, Schröder, Merkel. Jahrelang gab es das Gerücht, daß Sie an einem Roman über den Politikbetrieb schreiben.

Ich hatte den Plan eines Buches über den politisch-journalistischen Komplex. Am Anfang der nuller Jahre kam ich an einen Punkt, an dem ich gemerkt habe, daß mir meine mediale Beobachtung der Politik keine neuen Erkenntnisse mehr liefert. Ich habe ja vor allem viel ferngesehen, und ich dachte plötzlich, ich muß mal diese Überpräsenz des Fernsehens loswerden. Es ist ja ein irres Privileg, daß ich hier in der Stadt bin, wo das alles real passiert.

Sie haben sich in den Betrieb begeben und recherchiert.

Ja, Bundestag, Kanzleramt, Konrad-Adenauer-Haus. Ich habe es unfaßbar toll gefunden und dachte immer, wenn ich es so toll finde, kommt bestimmt auch etwas Tolles dabei heraus. Es war wie paar Jahre zuvor das Ausgehen im Nachtleben.

Daraus ist Ihr Roman »Rave« entstanden.

Genau. Es war echt unglaublich, an allen diesen Orten in Berlin, die ich nur aus dem Fernsehen kannte, wo die Politik real stattfindet, rumzusitzen und mitzuschreiben, zwischendurch war ich zu Hause und habe die Gedanken dazu aufnotiert. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt, daß es mir nicht gelingt, darüber wirklich gut zu schreiben.

Warum ging es nicht?

Ich bin Solist, das Politische lebt aber von der Kollektivität. Man sitzt immer mit den sogenannten Kollegen zusammen, unterhält sich, gleicht sich ab. Ich wurde dauernd von irgendwem angequatscht, gar nicht unfreundlich, aber ich konnte nicht viel sagen, ich habe ja für keine Zeitung geschrieben. Dann fragt wer: »Warst du vorhin auch bei der SPD?«

Eine nette Frage unter Kollegen, Sie wurden eingemeindet.

Ja, man wird eingemeindet, jeder wird eingemeindet, ich konnte aber nur »Ja« sagen, wußte nicht, wie man jetzt weiterreden würde. Da hängen siebzehn Journalisten bei einem Termin herum, jeder kennt jeden, und dann kommt ein Fremder dazu: Was ist denn der jetzt für einer? Da wird man dann verhört.

Was fanden Sie an Ihren Recherchen spannend?

Die Körper, die Räume, das Physische ist extrem spürbar dauernd, ich war von der Intensität richtig geschockt, diese affoiden Instinkte, die die Bewegungen überall choreographieren. Dann so Äußerlichkeiten wie die geordnete Rhythmik der politischen Woche. Montag Parteivorstand, Dienstag Fraktion, Mittwoch Kabinett, Donnerstag Bundestag, Freitag Bundesrat, so etwa. Das wußte ich alles gar nicht.

Das erklärt aber nicht, warum aus Ihrem Buch nichts wurde.

Es gibt eben den optimalen Text zu diesen Dingen schon, täglich, im politischen Journalismus, von Günter Bannas beispielsweise.

Sie reden vom langjährigen Politikkorrespondenten der »Faz«, Günter Bannas.

Ja, der ist unglaublich. Ich habe ihn auch fotografiert und wollte ihn eigentlich in den Bildband reinnehmen mit der Zeile »simply the best«. Seine beschreibende Analyse des politischen Betriebs auf Tageszeitungsbasis ist unerreichbar. Da kommt man als Literat mit diesem komischen Nervositätssensibilismus überhaupt gar nicht mit.

Ihr Buch ist also, etwas zugespitzt, an Günter Bannas gescheitert?

Ja, sehr zugespitzt gesagt, aber es stimmt.

Im Nachtleben gab es keinen Günter Bannas, deshalb konnten Sie »Rave« schreiben?

Im Nachtleben gab es natürlich auch journalistische Reflexe, aber das war fast immer Unsinn, da habe ich oft aufgeschrieen: das ist Lüge! Das ist anders, das muß man besser machen. Und ich wußte: das kann ich. Jetzt in Berlin saß ich oft zwei Sitze neben oder hinter Günter Bannas, der ist überall, der geht nach wie vor überallhin und schüttelt dann täglich diese unglaublichen Texte aus dem Ärmel. Ähnlich übrigens Volker Zastrow, Eckart Lohse oder Dirk Kurbjuweit. Die können alle erzählen. Die praktizieren das dauernd, Porträt und Analyse, Recherche, Reportage, der politische Alltagsjournalismus ist dadurch insgesamt auf einem faszinierend hohen Level.

Was haben Sie gemacht, als Ihnen nach sechs, sieben Jahren Arbeit klarwurde: Aus dem Buch wird nichts?

Es war schon sehr deprimierend. Nicht schön. Dann wird man dauernd gefragt, wann das Buch kommt.

Sie wußten längst, daß es nie fertig werden würde.

Nein, das nicht. Aber vielleicht dauert es noch fünfzehn Jahre.

Der Schriftsteller Franz Xaver Kroetz hat unserer Interviewerin Herlinde Koelbl kürzlich gesagt: »Ich habe immer wieder versucht zu schreiben, aber da kommt nichts. Es ist vorbei.«

Unglaublich, wie er das am Ende des Gesprächs einfach so sagt. Es provoziert ja logischerweise auch viel Hohn, wenn man als notorische Nervensäge, so wie Kroetz oder auch ich, den Beruf plötzlich nicht mehr ausüben kann. Ich könnte darüber...

Erscheint lt. Verlag 20.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Autorschaft • Debatte • Diskurs • edition suhrkamp 2827 • ES 2827 • ES2827 • Georg-Büchner-Preis • Gespräch • Interview • loslabern • Öffentlichkeit • Poetik • Schreiben • Schriftsteller • Theater
ISBN-10 3-518-78002-6 / 3518780026
ISBN-13 978-3-518-78002-2 / 9783518780022
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