Das Glück liegt am Strand -  Christin-Marie Below

Das Glück liegt am Strand (eBook)

Roman | Kraftschöpfen auf Deutschlands schönster Insel - dieses Buch ist Balsam für die Seele
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2024 | 1. Auflage
288 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3138-6 (ISBN)
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Wenn das Meer die Seele freipustet Liv liebt ihren Job als Intensivkrankenschwester, auch wenn sie kaum noch Zeit für sich findet. Als eine alte Schulfreundin auf ihrer Station nur knapp überlebt, beschließt Liv, sich endlich wieder mehr um sich selbst zu kümmern. Sie fährt nach Norderney, wo sie früher oft mit ihren Großeltern war und ihre Schwester Johanna mittlerweile ein Café betreibt. Zwischen den unterschiedlichen Schwestern kracht es schon beim ersten Treffen. Doch als Liv erfährt, dass es schlecht um Johannas Café steht, beschließt sie, ihr zu helfen. Und dann klopft plötzlich die Liebe an die Tür. Liv muss sich entscheiden. Welches Leben passt wirklich zu ihr? Liebe und ein Neuanfang auf Norderney - eine berührende Schwesterngeschichte

Christin-Marie Below, Jahrgang 1993, wohnt in Kassel. Hin und wieder findet man sie aber auch auf Norderney, wo sie vor Ort recherchiert. Als Tochter der Autorin Andrea Russo (Anne Barns) wuchs sie umgeben von Geschichten und Büchern auf.

Christin-Marie Below, Jahrgang 1993, wohnt in Kassel. Hin und wieder findet man sie aber auch auf Norderney, wo sie vor Ort recherchiert. Als Tochter der Autorin Andrea Russo (Anne Barns) wuchs sie umgeben von Geschichten und Büchern auf.

Kapitel 1


Mitten in der Nacht reißt mich mein Wecker aus dem Schlaf. Mein Dienst beginnt um sechs, die Straßenbahn fährt um zwanzig nach fünf, mir bleibt eine Stunde Zeit, um mich fertig zu machen. Ich drehe mich auf die andere Seite und nicke wieder ein. Zehn Minuten später ertönt das schrille Piepen der Schlummerfunktion, und ich stehe, ohne weiter zu zögern, auf. Die anstrengenden Dienste der letzten Wochen stecken mir in den Knochen. Zu groß ist die Gefahr, dass ich wieder tief einschlafe, wenn ich jetzt liegen bleibe.

In der Küche stelle ich den Wasserkocher an und gebe Kaffeepulver in den Porzellanfilter. Als ich das heiße Wasser in kreisenden Bewegungen darübergieße, steigt mir der aromatische Duft der frisch aufgebrühten Bohnen in die Nase. Ein Ritual, für das ich mir jeden Morgen Zeit nehme. Es weckt meine Lebensgeister.

Schluck für Schluck trinke ich den Kaffee in meinem Sessel und schaue dabei aus dem Fenster. Noch ist es dunkel, der Himmel ist voller Sterne. Aber es wird nicht mehr lange dauern, bis die Dämmerung hereinbricht. Heute wird die Sonne wahrscheinlich um elf nach fünf aufgehen, auf jeden Fall etwas früher als gestern. Bis in den Juli hinein wird es so andauern. Und dann wird es Tag für Tag etwas später. Ende Dezember und im Januar wird es erst gegen halb neun hell. Dann habe ich die ersten zwei Stunden meiner Arbeitszeit schon hinter mir, wenn ich wie heute Frühschicht habe.

Ich schließe die Augen und genieße einen Moment die Stille. Da ich etwas abgelegen in einer Sackgasse mitten im Grünen wohne, ist nichts zu hören, eine Wohltat für meine Ohren und ein starker Kontrast zu dem, was mich gleich in der Klinik erwartet.

Nachdem ich den Kaffee ausgetrunken habe, gehe ich ins Badezimmer, mein Lieblingsraum in der Wohnung. Neben der großen Wanne hat der Vermieter auch eine Dusche eingebaut. Ich muss nur den Hebel umlegen, und schon rieselt ein sanfter Regen auf mich herab. Wieder eine kleine Auszeit für die Seele, ein Luxus, den ich mir jeden Tag nach dem Kaffee gönne. Noch ein bisschen Zeit für mich, im Sommer unter der Dusche, im Winter in der Badewanne. Dann creme ich mich mit einer erfrischenden Körperlotion ein, die herrlich nach Orange duftet.

Noch etwas müde, aber erfrischt, gehe ich im Bademantel und mit einem Handtuchturban um den Kopf ins Schlafzimmer, um mein Handy zu holen. Da sehe ich, dass ich eine Nachricht bekommen habe. Wahrscheinlich von meiner Freundin Nina. Mit ihr bin ich heute nach der Arbeit verabredet. Fast drei Monate haben wir uns nicht gesehen. Immer kam etwas dazwischen. Viel zu viele Überstunden, eine Sommergrippe, der Vorsorgetermin, den ich schon zweimal verschoben habe, genauso wie die Steuererklärung, die ich schon längst hätte machen müssen. Heute wollen wir endlich den Bann brechen und uns wiedersehen. Es sei denn, Nina sagt diesmal ab.

Aber ich täusche mich. Die Nachricht ist von meiner Mutter, wie ich überrascht feststelle. Und sie ist gestern Abend um kurz nach zehn bei mir angekommen, als ich schon tief und fest geschlafen habe.

Liv-Schatz, lese ich. Bist du noch wach? Dann ruf mich bitte mal an. Hab dich lieb, Mama.

Ein flaues Gefühl in der Magengegend macht sich breit. Doch das kleine rote Herz hinter dem Text und das Wort »Schatz« hinter meinem Namen beruhigen mich sofort wieder. Es ist nichts Schlimmes passiert, sonst hätte meine Mutter geschrieben: Ruf mich bitte an, es ist wichtig, Mama. Als ich die letzte Nachricht dieser Art bekam, erfuhr ich kurz darauf, dass mein Großvater gestorben war, nur zwei Monate nach meiner Großmutter.

Seitdem habe ich nichts mehr von meiner Mutter gehört. Es geht ihr gut auf Teneriffa, wo sie seit zwei Jahren das Leben genießt – und die Liebe, wie sie so gerne sagt.

Es juckt mir in den Fingern, sie anzurufen, jetzt, kurz vor fünf. Ich weiß, dass sie ihr Handy nie lautlos stellt, aus Angst, etwas zu verpassen. Aber ich beschließe, eine gute Tochter zu sein, lasse sie schlafen und rufe sie später an.

Stattdessen gehe ich in die Küche, hole die vorbereiteten Overnight-Oats aus dem Kühlschrank und den Direktsaft, heute Orange, in den ich etwas Ingwer reibe. Mein Frühstück für warme Tage. In den kalten Monaten mache ich mir Porridge. Den obligatorischen Saft gibt es bei jedem Wetter.

Zehn Minuten nach fünf gehe ich leise die Treppe hinunter. Zum Glück ist die Straßenbahnhaltestelle nicht weit, ich brauche nur fünf Minuten zu Fuß. Den kleinen Puffer plane ich ein, denn es kann schon mal vorkommen, dass die Bahn ein, zwei Minuten zu früh abfährt. Außerdem will ich nicht hetzen. Die Hektik des Tages wird mich früh genug einholen.

Gerade als ich die Tür hinter mir geschlossen habe und die ersten Schritte durch den Vorgarten mache, höre ich die kratzige Stimme meiner Nachbarin, die in der Erdgeschosswohnung unten rechts wohnt.

»Schon wieder so früh unterwegs, Sie Fleißige.«

Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihr um. »Und Sie sind schon wieder so früh auf. Guten Morgen, Frau Klischat.«

»Wenn Sie achtzig sind, ist die Nacht um fünf, spätestens um sechs vorbei, obwohl Sie nicht mehr zur Arbeit müssen.« Sie schaut auf die Uhr. »Die Straßenbahn kommt in acht Minuten, beeilen Sie sich.«

»Mach ich, schönen Tag noch, Frau Klischat.« Lächelnd gehe ich weiter. Meine Nachbarin schaut nach mir, und das meine ich durchaus positiv.

Die Sonne geht über Kassel auf. Die Straßenbahn kommt pünktlich. Wie immer sitze ich fast allein darin, erst am Bahnhof werden es ein paar Menschen mehr.

Achtzehn Minuten später bin ich da.

Jedes Mal, bevor ich die Station betrete, halte ich kurz inne und atme tief durch. Sobald ich durch die Tür gehe, beginnen der Stress und der ganz normale Wahnsinn. Es ist, als würde ich einen Schalter umlegen. Auf der Arbeit muss ich funktionieren. Alles andere wird unwichtig, wenn ich den Kittel trage. Ich darf keine Fehler machen.

Um kurz vor sechs sitze ich in meiner kobaltblauen Arbeitskleidung mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Aufenthaltsraum. Dr. Cremer, die Ärztin der Nachtschicht, bringt uns kurz auf den neuesten Stand.

Wir erfahren, dass ein Patient, den ich seit zwei Wochen betreue, wieder eine Lungenentzündung bekommen hat und künstlich beatmet werden muss. Bei anderen Patienten haben sich die Entzündungswerte verschlechtert. Und für eine Patientin ist eine Dialyse geplant, eine andere ist leider in der Nacht verstorben.

Aber es gibt auch eine gute Nachricht. Einem älteren Herrn, den wir gestern aus dem künstlichen Koma geholt haben, geht es besser. »So gut, dass er alle auf der Station herumkommandiert«, sagt Beate, eine meiner Kolleginnen. »Er hat auch schon mit seiner Frau geschimpft, die vor Freude geweint hat.« Sie lächelt. »Er heißt Norbert, sie nennt ihn Nörgler. Wenn alles klappt, darf er ab morgen mit den Kolleginnen auf der Inneren schimpfen.«

Auch ich lächle. Jeder noch so kleine Behandlungserfolg tut gut und ist wichtig.

Eine gute halbe Stunde dauert es, bis wir alles besprochen haben, und ich weiß, wer heute auf meinem Dienstplan steht. Es ist der Mann, der wieder an einer Lungenentzündung erkrankt ist. Er ist Mitte achtzig und sehr krank, ein Langzeitpatient. Da seine Betreuung viel Zeit in Anspruch nimmt, bekomme ich neben ihm noch zwei weniger komplizierte Fälle zugeteilt: eine Krebspatientin, die nach einer Operation noch ein paar Tage zur Überwachung auf der Station bleibt. Und eine ältere Dame, die immer mal wieder bei uns landet, weil ihr Herz sehr schwach ist. Sie soll spätestens morgen auf die Geriatrie verlegt werden.

Der Arzt der Frühschicht, der die ganze Zeit mürrisch Kaffee getrunken hat, strafft die Schultern und nickt uns zu. »Auf in den Kampf.«

Ich beneide ihn nicht. Nach dem Abitur wollte ich auch Medizin studieren, aber mein Notendurchschnitt war nicht gut genug. Nach einem Jahr als Au-pair in Schottland habe ich mich dann für eine Ausbildung zur Krankenschwester entschieden. Nach zwölf Wartesemestern hätte ich mit dem Studium beginnen können. Damals war ich sechsundzwanzig, und das Letzte, was ich wollte, war, noch einmal die Schulbank zu drücken. Ich mochte meinen Beruf als Krankenschwester. Und im Prinzip gefällt er mir immer noch – eigentlich.

Mein Magen zieht sich zusammen, als ich das Zimmer meines Langzeitpatienten betrete. Hier geht es längst nicht mehr um das Leben des Mannes. Seit Tagen versucht er zu sterben und wird immer wieder daran gehindert: Reanimation, Dialyse, das volle Programm. Da er keine Patientenverfügung unterschrieben hat, stehen Wirtschaftlichkeit und Auslastung der Geräte im Vordergrund.

»Guten Morgen, Herr Kramer«, sage ich und halte kurz seine Hand. Niemand weiß, was der alte Mann noch wahrnimmt. Während ich mich um ihn kümmere, erzähle ich ihm wie jeden Tag, um wie viel Uhr heute die Sonne aufgegangen ist, dass ich gestern meine Freundin Nina im Park getroffen habe und dass meine Mutter angerufen hat. Natürlich reagiert er nicht. Nur das gleichmäßige Sauggeräusch des Beatmungsgeräts begleitet meinen Monolog. Und die vielen Pieptöne, die ich fast nicht mehr wahrnehme, es sei denn, sie ändern...

Erscheint lt. Verlag 25.4.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Auszeit am Meer • Berührende Liebesgeschichte • Burn-out • Insel • Inselromantik • Küste • Meer • neues Buch • Norderney • Nordfriesland • Nordsee • Schwestern • Schwesternroman • Sommer • Strand • Strandkorb • Urlaub
ISBN-10 3-8437-3138-1 / 3843731381
ISBN-13 978-3-8437-3138-6 / 9783843731386
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