Der Teufel und der liebe Gott (eBook)

Drei Akte und elf Bilder
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
192 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01896-9 (ISBN)

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Der Teufel und der liebe Gott -  Jean-Paul Sartre
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'Wenn du die Hölle verdienen willst, brauchst du nur im Bett zu bleiben. Die Welt ist Ungerechtigkeit; wenn du sie hinnimmst, bist du ein Mitschuldiger, wenn du sie veränderst, bist du ein Henker.' (Heinrich in 'Der Teufel und der liebe Gott')

Geboren am 21.06.1905, wuchs er nach dem frühen Tod seines Vaters im Jahre 1906 bis zur Wiederheirat seiner Mutter im Jahre 1917 bei seinen Großeltern Schweitzer in Paris auf. 1929, vor seiner Agrégation in Philosophie, lernte er seine Lebensgefährtin Simone de Beauvoir kennen, mit der er eine unkonventionelle Bindung einging, die für viele zu einem emanzipatorischen Vorbild wurde. 1931-1937 war er Gymnasiallehrer in Philosophie in Le Havre und Laon und 1937-1944 in Paris. 1933 Stipendiat des Institut Français in Berlin, wo er sich mit der Philosophie Husserls auseinandersetzte.Am 02.09.1939 wurde er eingezogen und geriet 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft, aus der er 1941 mit gefälschten Entlassungspapieren entkam. Noch 1943 wurde unter deutscher Besatzung sein erstes Theaterstück «Die Fliegen» aufgeführt; im selben Jahr erschien sein philosophisches Hauptwerk «Das Sein und das Nichts». Unmittelbar nach dem Krieg wurde Sartres Philosophie unter dem journalistischen Schlagwort «Existenzialismus»zu einem modischen Bezugspunkt der Revolte gegen bürgerliche Lebensformen. 1964 lehnte er die Annahme des Nobelpreises ab. Zahlreiche Reisen führten ihn in die USA, die UdSSR, nach China, Haiti, Kuba, Brasilien, Nordafrika, Schwarzafrika, Israel, Japan und in fast alle Länder Europas. Er traf sich mit Roosevelt, Chruschtschow, Mao Tse-tung, Castro, Che Guevara, Tito, Kubitschek, Nasser, Eschkol. Sartre starb am 15.4.1980 in Paris.Auszeichnungen: Prix du Roman populiste für «Le mur» (1940); Nobelpreis für Literatur (1964, abgelehnt); Ehrendoktor der Universität Jerusalem (1976).

Uli Aumüller übersetzt u. a. Siri Hustvedt, Jeffrey Eugenides, Jean Paul Sartre, Albert Camus und Milan Kundera. Für ihre Übersetzungen erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Jane-Scatcherd-Preis. Geboren am 21.06.1905, wuchs er nach dem frühen Tod seines Vaters im Jahre 1906 bis zur Wiederheirat seiner Mutter im Jahre 1917 bei seinen Großeltern Schweitzer in Paris auf. 1929, vor seiner Agrégation in Philosophie, lernte er seine Lebensgefährtin Simone de Beauvoir kennen, mit der er eine unkonventionelle Bindung einging, die für viele zu einem emanzipatorischen Vorbild wurde. 1931-1937 war er Gymnasiallehrer in Philosophie in Le Havre und Laon und 1937-1944 in Paris. 1933 Stipendiat des Institut Français in Berlin, wo er sich mit der Philosophie Husserls auseinandersetzte. Am 02.09.1939 wurde er eingezogen und geriet 1940 in deutsche Kriegsgefangenschaft, aus der er 1941 mit gefälschten Entlassungspapieren entkam. Noch 1943 wurde unter deutscher Besatzung sein erstes Theaterstück «Die Fliegen» aufgeführt; im selben Jahr erschien sein philosophisches Hauptwerk «Das Sein und das Nichts». Unmittelbar nach dem Krieg wurde Sartres Philosophie unter dem journalistischen Schlagwort «Existenzialismus»zu einem modischen Bezugspunkt der Revolte gegen bürgerliche Lebensformen. 1964 lehnte er die Annahme des Nobelpreises ab. Zahlreiche Reisen führten ihn in die USA, die UdSSR, nach China, Haiti, Kuba, Brasilien, Nordafrika, Schwarzafrika, Israel, Japan und in fast alle Länder Europas. Er traf sich mit Roosevelt, Chruschtschow, Mao Tse-tung, Castro, Che Guevara, Tito, Kubitschek, Nasser, Eschkol. Sartre starb am 15.4.1980 in Paris. Auszeichnungen: Prix du Roman populiste für «Le mur» (1940); Nobelpreis für Literatur (1964, abgelehnt); Ehrendoktor der Universität Jerusalem (1976).

Erster Akt


Erstes Bild


Links, zwischen Himmel und Erde, ein Saal im Palast des Erzbischofs. Rechts das Haus des Bischofs und die Stadtmauer. Vorläufig ist nur der Saal im Palast beleuchtet. Der Rest der Bühne liegt im Dunkeln.

EINZIGE SZENE

DER ERZBISCHOF am Fenster: Wird er kommen? Herr, der Daumen meiner Untertanen hat mein Bildnis auf meinen Goldstücken abgenutzt: Ich bin nur noch der Schatten eines Erzbischofs. Sollte das Ende dieses Tages mir die Nachricht von meiner Niederlage bringen, dann werde ich so abgenutzt sein, daß man durch mich hindurchsehen kann: Und was, Herr, kannst Du mit einem durchsichtigen Hirten anfangen? Der Diener kommt herein. Oberst Linehart?

DER DIENER: Nein, der Bankier Fugger. Er fragt …

DER ERZBISCHOF: Später. Pause. Was macht Linehart? Er müßte mit den neuesten Nachrichten hier sein. Pause. Spricht man in der Küche von der Schlacht?

DER DIENER: Man spricht von nichts anderem, Hochwürden.

DER ERZBISCHOF: Was sagt man?

DER DIENER: Daß das Gefecht vortrefflich eröffnet wurde, daß Conrad zwischen Fluß und Gebirge in die Enge getrieben ist, daß …

DER ERZBISCHOF: Ich weiß, ich weiß. Aber wenn man kämpft, kann man besiegt werden.

DER DIENER: Hochwürden …

DER ERZBISCHOF: Geh. Der Diener geht. Mein Gott, warum hast Du das zugelassen? Der Feind ist in meine Lande eingefallen und meine liebe Stadt Worms hat sich gegen mich erhoben. Während ich gegen Conrad kämpfte, hat sie mir einen Dolchstoß in den Rücken versetzt. Ich wußte nicht, Herr, daß Du so Großes mit mir vorhast: Werde ich, von einem Kind geführt, blind von Tür zu Tür betteln gehen müssen? Natürlich stehe ich ganz zu Deiner Verfügung, wenn Dir wirklich daran liegt, daß Dein Wille geschehe. Doch berücksichtige bitte, daß ich keine zwanzig mehr bin und nie eine Berufung zum Märtyrertum hatte.

In der Ferne hört man Rufe: «Sieg! Sieg!» Die Rufe kommen näher. Der Erzbischof lauscht und legt die Hand aufs Herz.

DER DIENER kommt herein: Sieg! Sieg! Hochwürden, wir haben gesiegt. Hier kommt Oberst Linehart.

DER OBERST kommt herein: Sieg, Hochwürden. Vollständiger, regelrechter Sieg. Eine Schlacht, wie sie im Buche steht. Ein historischer Tag: Beim Feind sechstausend niedergemachte oder ertrunkene Männer, der Rest ist in die Flucht geschlagen.

DER ERZBISCHOF: Danke. Mein Gott. Und Conrad?

DER OBERST: Er ist unter den Toten.

DER ERZBISCHOF: Danke, mein Gott. Pause. Da er tot ist, verzeihe ich ihm. Zu Linehart: Dich segne ich. Geh und verbreite die Nachricht.

DER OBERST nimmt Haltung an: Kurz nach Sonnenaufgang erblickten wir eine Staubwolke …

DER ERZBISCHOF unterbricht ihn: Nein, nein! Keine Einzelheiten! Ja keine Einzelheiten. Bei einem Sieg, der in Einzelheiten dargestellt wird, weiß man nicht mehr, was ihn von einer Niederlage unterscheidet. Es ist doch ein Sieg?

DER OBERST: Ein großartiger Sieg: Elegant.

DER ERZBISCHOF: Geh. Ich will beten. Der Oberst geht. Der Erzbischof fängt an zu tanzen. Ich habe gewonnen! Ich habe gewonnen! Legt die Hand aufs Herz. Au! Er kniet auf seinem Betstuhl nieder. Beten wir.

Rechts wird ein Teil der Bühne hell: die Stadtmauer, ein Wehrgang. Heinz und Schmidt beugen sich über die Zinnen.

HEINZ: Das ist nicht möglich … das ist nicht möglich; Gott hat es nicht zugelassen.

SCHMIDT: Warte, sie fangen gleich wieder an. Sieh! eins – zwei – drei … Drei … und eins – zwei – drei – vier – fünf …

NASTY erscheint auf dem Wehrgang: Nun! Was habt ihr?

SCHMIDT: Nasty! Sehr schlechte Nachrichten.

NASTY: Für den Erwählten Gottes gibt es keine schlechten Nachrichten.

HEINZ: Seit mehr als einer Stunde beobachten wir die Feuersignale. Jede Minute melden sie dasselbe. Da! Eins – zwei – drei und fünf! Er zeigt auf das Gebirge. Der Erzbischof hat die Schlacht gewonnen.

NASTY: Ich weiß.

SCHMIDT: Die Situation ist hoffnungslos: Wir sind ohne Verbündete und ohne Lebensmittel in Worms eingeschlossen. Du hast uns gesagt, Götz würde es satt haben und die Belagerung aufheben. Conrad würde den Erzbischof vernichtend schlagen. Und nun, siehst du, ist Conrad tot, und das Heer des Erzbischofs wird vor unseren Mauern zu Götzens Heer stoßen, und uns bleibt nur, zu sterben.

GERLACH kommt angelaufen: Conrad ist geschlagen. Der Bürgermeister und die Ratsherrn haben sich im Rathaus versammelt und beraten.

SCHMIDT: Da haben wir es! Sie suchen einen Weg, sich zu unterwerfen.

NASTY: Seid ihr stark im Glauben, meine Brüder?

ALLE: Ja, Nasty, ja!

NASTY: Dann fürchtet nichts. Conrads Niederlage ist ein Zeichen.

SCHMIDT: Ein Zeichen?

NASTY: Ein Zeichen, das Gott mir gibt. Geh, Gerlach, lauf zum Rathaus und versuch zu erfahren, was der Rat beschlossen hat.

Die Stadtmauer verschwindet im Dunkeln.

DER ERZBISCHOF erhebt sich wieder: Heda! Der Diener kommt herein. Führ den Bankier herein. Der Bankier kommt herein. Setz dich, Bankier. Du bist ganz verdreckt. Woher kommst du?

DER BANKIER: Ich war sechsunddreißig Stunden unterwegs, um Euch von einer Dummheit abzuhalten.

DER ERZBISCHOF: Einer Dummheit?

DER BANKIER: Ihr wollt einem Huhn den Hals umdrehen, das Euch alljährlich ein goldenes Ei legt.

DER ERZBISCHOF: Wovon sprichst du?

DER BANKIER: Von Eurer Stadt Worms: Ich habe erfahren, daß Ihr sie belagert. Wenn Eure Truppen sie verwüsten, ruiniert Ihr Euch und mich mit. Muß man in Eurem Alter Soldat spielen?

DER ERZBISCHOF: Nicht ich habe Conrad provoziert.

DER BANKIER: Vielleicht nicht provoziert. Aber wer sagt mir, daß Ihr ihn nicht provoziert habt, Euch zu provozieren?

DER ERZBISCHOF: Er war mein Vasall und schuldete mir Gehorsam. Aber der Teufel hat ihm eingeflüstert, die Ritter aufzuwiegeln und sich an ihre Spitze zu stellen.

DER BANKIER: Warum habt Ihr ihm nicht gegeben, was er wollte, ehe er wütend wurde?

DER ERZBISCHOF: Er wollte alles.

DER BANKIER: Nun gut, lassen wir Conrad. Er ist mit Sicherheit der Angreifer, weil er geschlagen wurde. Aber Eure Stadt Worms …

DER ERZBISCHOF: Worms, mein Juwel, mein geliebtes Worms, das undankbare Worms hat sich am selben Tag gegen mich erhoben, an dem Conrad die Grenze überschritt.

DER BANKIER: Das ist ein großes Unrecht. Aber drei Viertel Eurer Einkünfte kommen daher. Wer wird Eure Steuern bezahlen, wer wird mir meine Vorschüsse zurückgeben, wenn Ihr Eure Bürger ermordet wie ein alter Tiberius?

DER ERZBISCHOF: Sie haben die Priester belästigt und sie gezwungen, sich in den...

Erscheint lt. Verlag 12.12.2023
Übersetzer Uli Aumüller
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Bauernkriege • Belagerung • Deutschland • Gott • Moral • Religion • Revolution • Theaterstück
ISBN-10 3-644-01896-0 / 3644018960
ISBN-13 978-3-644-01896-9 / 9783644018969
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