Project Mind Control (eBook)

Sidney Gottlieb, die CIA und das LSD - wie der amerikanische Geheimdienst versuchte, das Bewusstsein zu kontrollieren
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
368 Seiten
Riva Verlag
978-3-7453-2364-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Project Mind Control -  Stephen Kinzer
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»MK-ULTRA gab ihm die Macht, über Leben und Tod anderer Menschen zu entscheiden.« Grausame Menschenversuche in Geheimgefängnissen, neue Foltermethoden, bewusstseinsverändernde Drogen in Fake-Bordellen und nicht nachweisbare Gift-Attentate - alles im Auftrag der CIA und amerikanischer Präsidenten. Das ist nicht der Plot eines Hollywoodstreifens, sondern Teil der Biografie des Chemikers Dr. Sidney Gottlieb, einer der tödlichsten Geheimwaffen der CIA bis in die 1970er-Jahre. Als Leiter des streng geheimen MK-ULTRA-Projekts forschte er an Wegen, das Bewusstsein von Menschen zu kontrollieren. In Geheimoperationen war Gottlieb außerdem federführend bei Attentatsversuchen der CIA auf missliebige Regierungschefs wie Fidel Castro, Tschu En Lai oder Patrice Lumumba. Der Journalist und Bestsellerautor Stephen Kinzer bringt Licht in dieses dunkle und nicht enden wollende Kapitel der amerikanischen Geschichte. Anhand neuer dokumentarischer Recherchen und Originalinterviews zeigt Kinzer, wie skrupellos die US-Regierung - auch in Zusammenarbeit mit anderen Nationen - Experimente an »entbehrlichen« Menschen durchführte, um dem vermeintlich höheren Zweck der inneren Sicherheit zu dienen.

Stephen Kinzer war als preisgekrönter Auslandskorrespondent und Büroleiter der »New York Times« in Deutschland, Nicaragua und der Türkei tätig. Er ist Senior Fellow am Watson Institute for International Studies an der Brown University und schreibt eine Kolumne zum Thema Weltgeschehen für den »Boston Globe«. Er lebt in Boston.

Stephen Kinzer war als preisgekrönter Auslandskorrespondent und Büroleiter der »New York Times« in Deutschland, Nicaragua und der Türkei tätig. Er ist Senior Fellow am Watson Institute for International Studies an der Brown University und schreibt eine Kolumne zum Thema Weltgeschehen für den »Boston Globe«. Er lebt in Boston.

6
ES IST UNTERSAGT, SICH IN IRGENDEINER HINSICHT IN DAS PROJEKT MK-ULTRA EINZUMISCHEN


Ein Vogelkäfig verschwindet samt dem darin sitzenden Vogel.234 Welke Blumen fangen plötzlich an zu blühen. Eine Papierserviette wird in Stücke gerissen, die Fetzen werden verstreut, und während sie zu Boden sinken, vereinigen sie sich wieder. Oliven verwandeln sich in Zuckerwürfel. Noch seltenere Kunststücke folgen: der kantonesische Kartentrick, der Trick mit dem neugierigen Taschentuch, der Trick mit dem Fingerhut, der sich vervielfältigt.

John Mulholland verblüffte Zuschauer in Dutzenden von Ländern. Nach dem Tod von Harry Houdini, seines Mentors, wurde Mulholland zu Amerikas meistgefeiertem Zauberkünstler. Menschenmassen strömten in große Säle wie die Radio City Music Hall, um zu sehen, wie er das Unmögliche vollbrachte. Die Spitzen der Gesellschaft luden ihn auf private Partys ein, damit er ihre Gäste in Staunen versetzte. Zu seinem Freundeskreis gehörten Orson Welles, Jean Harlow, Dorothy Parker, Harold Lloyd, Jimmy Durante und Eddie Cantor.235 Mehr als zwanzig Jahre lang gab er Sphinx heraus, eine Zeitschrift für Zauberkünstler, Illusionisten und Taschenspieler. Seine Bibliothek zu diesen und ähnlichen Themen enthielt mehr als sechstausend Bücher.236 Nach seinem Tod kaufte sie der Zauberkünstler David Copperfield.237

Mulholland schrieb fast ein Dutzend Bücher mit Titeln wie The Art of Illusion [Die Kunst der Illusion] und Quicker Than the Eye [Schneller als das Auge]. Er trat vor dem König von Rumänien, dem Sultan von Zulu und vor Eleanor Roosevelt auf. Wenn er nicht schrieb oder auftrat, widmete er sich der Aufgabe, betrügerische Spiritualisten zu entlarven und Menschen, die mediale Fähigkeiten vorgaben – oft, indem er auf drastische Weise ihre Tricks aufdeckte.238 Seine meisterhaften Methoden und Bewegungen waren in der Welt der Magie unerreicht.

Die Tausenden von Menschen, die Mulholland bezahlten, um von ihm verblüfft und entzückt zu werden, waren nicht seine einzigen Bewunderer. Am 13. April 1953 – an dem Tag, an dem MK-ULTRA formell seine Arbeit aufnahm – war Sidney Gottlieb in New York, um ihn zu treffen.239 Die Folge war eine enge Zusammenarbeit zwischen den beiden. Gottliebs Team wusste, wie man Gifte mischte und in Tabletten, Kapseln, Sprays, Pulvern und Tropfen konzentrierte. Kühne CIA-Beamte oder ihre Agenten konnten eines dieser Gifte in die Nähe einer Zielperson bringen. Dann gab es nur noch ein Problem: Beamte so auszubilden, dass sie das Gift einsetzen konnten.

Mulholland war ein Meister der »Psychologie der Täuschung«, wie er es nannte.240 Zudem litt er darunter, dass er wegen eines rheumatischen Fiebers untauglich für den Militärdienst im Ersten Weltkrieg gewesen war. Unter seinen Schriften befinden sich Kurzbiografien von Magiern, die ihre Fähigkeiten nutzten, um ihrem Land zu dienen, darunter Jean-Eugène Robert-Houdin, der half, einen Aufstand in Algerien zu unterdrücken, indem er Stammeskrieger davon überzeugte, dass die französische Magie stärker war als ihre, und Jasper Maskelyne, der sich Illusionen in großem Maßstab ausdachte, um während des Zweiten Weltkriegs britische Truppenstellungen in Nordafrika zu verbergen. Mulholland sehnte sich danach, Patriot zu sein. Gottlieb gab ihm die Chance dazu.

»John war Amerikaner und er liebte sein Land,241 und es machte ihn sehr stolz, dass er für einen Geheimdienst unserer Regierung arbeiten durfte«, erinnerte sich ein Freund Jahre später. »Er sagte ja, weil seine Regierung ihn darum gebeten hatte.«242

Bei seinem Treffen mit Gottlieb erklärte Mulholland sich bereit, CIA-Beamte so auszubilden, dass sie die Aufmerksamkeit ihrer Opfer ablenken und ihnen Drogen verabreichen konnten, ohne dass es jemand merkte. »Wir interessieren uns für Taschenspielereien, für die Kunst, etwas heimlich zu verabreichen oder zu entfernen«, sagte Gottlieb später.243 »Die Geschulten wurden ziemlich gut darin. In mancher Hinsicht war diese Ausbildung eine willkommene Erholung von ernsteren Angelegenheiten.«

Gottlieb bat Mulholland außerdem, ein Handbuch über Taschenspielereien für Beamte zu schreiben, die nicht an der Ausbildung in New York oder Washington teilnehmen konnten. Einige Tage später schrieb ihm Mulholland, er habe gründlich darüber nachgedacht und werde sich an die Arbeit machen.

In diesem und anderen Berichten an Gottlieb verwendete Mulholland eine Reihe von Euphemismen. CIA-Beamte waren »Ausführende« oder »Anwender«, die Gifte waren »Material«, die Opfer »Zuschauer«, das Vergiften eine »Prozedur« oder ein »Trick«. Sein Handbuch passte den Bühnenauftritt eines Zauberkünstlers, der das Publikum hinters Licht führte – dafür hatte es ja bezahlt –, an die Welt der Geheimdienste an, in der Täuschungen dunkleren Zwecken dienten.

Nachdem Gottlieb diesen Brief erhalten hatte, schrieb er ein Memo für seine Akte, in der er seinen Deal beschrieb. Mulholland würde »in Form eines kurzgefassten Handbuchs so viele sachdienliche Informationen über verdeckte Aktivitäten liefern, wie es in der Welt der Magie möglich ist ... Mr. Mulholland ist dafür offenkundig gut geeignet. Er war ein Meister der Taschenspielkunst und hat die Psychologie der Täuschung eingehend studiert«.244

Ein Punkt in Mulhollands Lebenslauf hätte den Verdacht auf »Unzucht« auslösen und seine Einstellung verhindern können.245 Im Jahr 1932 heiratete er eine Frau, der er acht Jahre lang den Hof gemacht hatte, unter der Bedingung, dass sie seine lange Beziehung zu einer anderen Frau billigte. Sie stimmte zu und erklärte später, Mulholland sei »so sehr Mann, dass die Liebe einer einzigen Frau ihn nicht befriedigen kann«. Nur wenige bei der CIA teilten diese Offenherzigkeit.246 Paul Gaynor, der Chef der Abteilung Sicherheitsforschung, schrieb ein Memo, in dem er vor Mulhollands »sexuellen Neigungen« warnte. Wäre er für seine Aufgabe nicht so einzigartig qualifiziert gewesen, hätten die Sicherheitsbeamten seine Einstellung vielleicht verhindert. Unter den gegebenen Umständen beschlossen Gottlieb und Allen Dulles jedoch, ein Auge zuzudrücken – immerhin war Gottlieb selbst der Inbegriff eines Außenseiters mit ungewöhnlichen Angewohnheiten und Dulles war ein unermüdlicher Ehebrecher.

Am 5. Mai erhielt Mulholland einen sauber getippten Brief, in dem stand, sein Buchvorschlag werde angenommen. Der Briefkopf lautete »Chemrophyl Associates«, nannte ein Postfach als Anschrift und war von einem gewissen Sherman Grifford unterzeichnet.247 Das war eine bescheidene Tarnung, die Mulholland mit Sicherheit durchschauen konnte. Der Name der fiktiven Firma war leicht zu entschlüsseln: Chemrophyl Associates. Das Gleiche galt für Gottliebs Pseudonym, für das er seine Initialen benutzte.

»Das Projekt, das Sie in Ihrem Brief vom 20. April skizziert haben, wird von uns akzeptiert und Sie werden hiermit ermächtigt, in den nächsten sechs Monaten bis zu 3000 Dollar dafür aufzuwenden«, schrieb Gottlieb. »Bitte unterzeichnen sie die beiliegende Empfangsbestätigung und schicken Sie sie mir.«

Nach diesen Formalitäten wurde Mulholland gebeten, eine Erklärung zu unterschreiben, in der er bestätigte, dass er eine »vertrauliche Beziehung« eingehe und die oben genannten oder andere Informationen »niemals preisgeben, veröffentlichen oder enthüllen« werde, »weder schriftlich noch mündlich noch durch Ihr Verhalten oder auf andere Weise, es sei denn, Sie werden dazu ausdrücklich ermächtigt«.248 Er stimmte zu. Diese Zusicherung wurde von Gottliebs Stellvertreter, einem Chemiker namens Robert Lashbrook, gegengezeichnet.

Mulholland begann Termine abzusagen und Buchprojekte zu verschieben. Er gab sogar seinen langfristigen Job als Herausgeber der Sphinx auf. So konnte er sich ganz darauf konzentrieren, aus seiner meisterhaften Magie ein Werkzeug für Spione zu machen.

Als der Abgabetermin näher rückte, schickte Mulholland einen Entwurf seines Handbuchs mit einem Brief an »Sherman Grifford« und teilte ihm mit, er wolle an dem Buch noch feilen.

»Lieber Sherman«, schrieb er,249 »ich würde das Handbuch über die Taschenspielereien gerne erweitern. Bisher hat es folgende fünf Kapitel: 1. Grundlagen für die erfolgreiche Anwendung von Tricks und deren psychologische Hintergründe; 2. Tricks mit Pillen; 3. Tricks mit losen festen Körpern; 4. Tricks mit Flüssigkeiten; 5. Tricks, mit denen man sich kleine Gegenstände heimlich aneignen kann ... Das Handbuch sollte zwei weitere Kapitel haben ... Ich denke, es würde 12 Arbeitswochen dauern, die erforderlichen Methoden und Instrumente hinreichend auszuarbeiten und zu beschreiben.«

Gottlieb antwortete, diese Ideen »hören sich unserer Meinung nach hervorragend an«. Dann schrieb er ein Memo für seinen nominellen Vorgesetzten Willis »Gibb« Gibbons, den Chef des technischen Stabes, und berichtete: »Im Rahmen eines früheren Subprojekts (Subprojekt 4) hat Mr. Mulholland ein Handbuch vorbereitet, in dem es um die Anwendung der Zauberkunst auf verdeckte Aktivitäten geht, zum Beispiel um die Verabreichung verschiedener Stoffe an unwillige Personen ... Subprojekt 19 schließt zwei weitere Kapitel des Handbuchs ein: 1. Modifizierte oder neue Methoden und Techniken, die angewandt werden können, wenn die Anwenderin eine Frau ist, und 2. Methoden und Techniken, die angewandt werden können, wenn zwei oder mehr Personen zusammenarbeiten.«

Im Laufe des nächsten Jahres produzierte Mulholland mehrere Entwürfe seines Handbuchs, das er Einige praktische Anwendungen der Kunst der Täuschung nannte. »Dieses Buch soll den Leser in die Lage versetzen,...

Erscheint lt. Verlag 19.11.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
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