Verabredung mit Dichtern (eBook)

Erinnerungen und Begegnungen | Die Memoiren des legendären Hanser-Verlegers
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
447 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-77745-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verabredung mit Dichtern -  Michael Krüger
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2013 endet in München eine Ära. Michael Krüger, der langjährige Leiter des Hanser Verlags, zieht sich aus dem aktiven Verlagsgeschäft zurück. Er hat nicht nur den Verlag geleitet und die Zeitschrift Akzente herausgegeben. Als Dichter und Schriftsteller, als Kritiker, Herausgeber und Übersetzer bleibt er weiterhin aktiv. Im deutschen Kulturleben ist er omnipräsent und unverzichtbar.

Zu seinem 80. Geburtstag legt der leidenschaftlich Lesende, Schreibende, Verlegende nun eine Rückschau auf sein reiches Leben vor. Er berichtet von seiner Kindheit in Sachsen-Anhalt, seiner Jugend in Berlin, der Arbeit in München, den literarischen Reisen und von der Fülle seiner Begegnungen und Erlebnisse mit deutschsprachigen und internationalen Dichtern; mit den meisten war er befreundet. Der Enthusiasmus seiner leichthändig unterhaltenden und geistvoll anregenden Schilderungen nimmt vom ersten bis zum letzten Satz gefangen.

Im Anhang ein Gespräch mit Knud Cordsen



<p>Michael Krüger wurde am 9. Dezember 1943 in Wittgendorf/Kreis Zeitz geboren. Nach dem Abitur an einem Berliner Gymnasium absolvierte er eine Verlagsbuchhändler- und Buchdruckerlehre. Daneben besuchte er Veranstaltungen der Philosophischen Fakultät als Gasthörer an der Freien Universität Berlin. In den Jahren von 1962-1965 lebte Michael Krüger als Buchhändler in London. 1966 begann seine Tätigkeit als Literaturkritiker. Zwei Jahre später, 1968, übernahm er die Aufgabe des Verlagslektors im Carl Hanser Verlag, dessen Leitung er im Jahre 1986 übernommen hat. Seit 1981 war er Herausgeber der Literaturzeitschrift <em>Akzente</em>.<br /> Im Jahr 1972 veröffentlichte Michael Krüger erstmals seine Gedichte, und 1984 debütierte er als Erzähler mit dem Band <i>Was tun?</i> <i>Eine altmodische Geschichte.</i> Es folgten weitere zahlreiche Erzählbände, Romane, Editionen und Übersetzungen. <i>Die Cellospielerin</i> ist sein erster Roman im Suhrkamp Verlag.<br /> Michael Krüger lebt in München.</p>

Vorwort


Als ich 2013 den Hanser Verlag in München verließ, in dem ich mein ganzes Berufsleben verbracht habe, dachten viele meiner Kollegen in anderen Verlagen, ich würde nun meine Erinnerungen schreiben, und machten mir wunderbare Angebote. Ich war natürlich geschmeichelt, aber auch, offen gesagt, verblüfft darüber, was sie sich erwarteten. Skandale? Enthüllungen? Beleidigungen? Ratschläge, wie man mit Autoren tunlichst nicht umgehen sollte? Sogar ein ausländischer Kollege war darunter, der offenbar hoffte, das Buch dann als Lizenz an alle Teilnehmer unseres legendären Verlegeressens auf der Frankfurter Buchmesse zu verkaufen.

Ich habe alle freundlichen Angebote ausgeschlagen. Anders als der von mir bewunderte Siegfried Unseld habe ich nie Tagebuch geführt, und anders als mein lieber Freund Klaus Wagenbach war ich nicht in endlose politische Streitigkeiten verwickelt, die zur deutschen Geschichte gehören: RAF, Rudi Dutschke, Ulrike Meinhof und so weiter. Ich habe nichts anderes getan, als mit meinen klugen, umsichtigen, belesenen Kolleginnen und Kollegen den Verlag zu leiten, dessen Geschichte bis 2003 von Reinhard Wittmann aufgeschrieben vorliegt. Natürlich hätte ich meine Version der Geschichte erzählen können, zum Beispiel wie es dazu kam, dass in meiner Zeit der literarische Verlag sehr schnell wuchs: Wie wir den historisch wichtigen, aber völlig maroden Zsolnay Verlag in Wien kauften, in dessen Archiv im Keller nur noch die Mäuse tätig waren; sie fraßen sich durch eine wie durch ein Wunder erhaltene Korrespondenz und hatten schon große Teile der Verträge von Graham Greene und John Le Carré angenagt; und wie wir später auch den noch älteren Deuticke Verlag kauften, in dem einstmals die Bücher von Sigmund Freud und Karl Popper erschienen; wie wir beide Verlage in den alten Räumen (mit dem alten knarrenden Parkett und den alten zugigen Fenstern) in der Prinz-Eugen-Straße im IV. Bezirk zusammenführten und mit vereinigten Kräften einen robusten Verlag daraus formten (der in manchen Jahren wegen der ungebremsten Schreiblust von Henning Mankell zu platzen drohte); wie eines Tages Renate Nagel anrief, weil sie ihren Verlag Nagel & Kimche in Winterthur aus gesundheitlichen Gründen in andere Hände übergeben wollte und sich unsere Hände ausersehen hatte – die auch zugriffen; wie wir den Hanser Kinderbuch-Verlag gründeten, der durch viel Arbeit und etwas Glück unmittelbar nach der Gründung bereits »erwachsen« war; wie schließlich, nach dem Fall der Mauer, Hanser Berlin entstand. Ich hätte von meiner dreißigjährigen Herausgeberschaft der Zeitschrift »Akzente« erzählen können, meiner schönen und anstrengenden Droge am Wochenende. Und natürlich hätte ich auch bemerkenswerte Interna aus dem dtv, dem Deutschen Taschenbuch Verlag berichten können, der einmal ein Dutzend Gesellschafter hatte, von denen drei übriggeblieben sind. Ja, und in diesen Geschichten wären natürlich auch alle ausländischen Verleger und Lektoren vorgekommen, mit denen wir zusammengearbeitet haben (und von denen viele schon tot sind), eine wunderbare Gesellschaft von Käuzen und Eulen, ein herrliches Bestiarium, in dem (für mich) die Emigranten eine besondere Rolle gespielt haben: der dicke François Erval, ein aus Ungarn stammender Jude, der gleichzeitig in mehreren Sprachen reden, lesen, essen, trinken und rauchen konnte und für den großen Verlag Gallimard in Paris arbeitete; oder Marion Boyars in London, die mit John Calder, einem Freund und Verleger Becketts, in London einen kleinen Verlag besaß; ich könnte von Calder selber erzählen, der einmal im Jahr durch die Campus-Buchhandlungen Amerikas reiste und alle Musterexemplare in einem riesigen Paletot mit breiten Innentaschen bei sich trug, so dass er sich kaum erheben konnte. Von Roberto Calasso und seinem Adelphi Verlag in Milano, der für mich der schönste europäische Verlag ist. Von Anne Freyer und Le Seuil; und den spanischen Freunden, von denen einer mich eine Stunde vor seinem Tod anrief, um sich für die schöne gemeinsame Zeit zu bedanken. Von den skandinavischen und den holländischen Freunden, die allesamt so viel von Literatur verstanden, aber auch gerne nach Deutschland kamen, weil sie ungestört einen trinken wollten. Ich hatte ja das große Glück, noch in einer Zeit arbeiten zu dürfen, in der es einen Unterschied gab zwischen Literatur und Unterhaltung und wo einem Autor von Gedichten noch nicht mitgeteilt wurde, man sei für Lyrik (das heißt: für Literatur) nicht zuständig, er oder sie solle sich an einen kleinen Verlag wenden. Überhaupt hätte ich von einer Zeit erzählen können, in der der Begriff »Konzern« nur in Büchern vorkam, aber das wäre eine Sozialgeschichte des Buchhandels geworden, die ich mir nicht zugetraut habe. Wenn ich jetzt manchmal an meinen Bücherregalen entlanggehe und auf den Rücken »Geschichte der Philosophie« in acht Bänden bei Ullstein Taschenbuch lese oder die zwanzig Bände »Anthropologie« bei dtv sehe, dann kribbelt es mir in den Fingern. Warum ist so etwas heute unmöglich, wo andererseits riesige Summen für drittklassige Romane und halbseidene Sachbücher ausgegeben werden, denen man schon von weitem ansieht, dass sie nach drei Monaten wieder vergessen sind. Aber das ist eine andere Geschichte, die andere, mit weniger Schaum vor dem Mund, schreiben müssen.

Und natürlich hätte ich, wenn ich Erinnerungen geschrieben hätte, von den Autoren sprechen wollen, dem Zentrum unserer Arbeit. Aber habe ich nicht schon einmal über sie alle geschrieben? In Vorworten und Nachrufen, in Sammelbänden und zu Preisverleihungen, zu runden Geburtstagen und anderen fröhlichen und traurigen Anlässen? Erzähl’s noch einmal, bitte. Aber dazu hätte ich in das Archiv des Verlages hinabsteigen und die Leitz-Ordner, die damals die Papierberge in Ordnung hielten, durchwühlen müssen – und dazu hatte ich keine Lust. Anders als in unserem Gewerbe üblich, hatte der Aufsichtsrat mir beim Ausscheiden keinen Katzentisch angeboten, was zu meiner Zeit noch selbstverständlich war: Als ich in den Verlag eintrat und in dem umgebauten Wohnhaus in der Kolberger Straße in Bogenhausen – einen Steinwurf vom Thomas-Mann-Haus in der Poschinger Straße entfernt – ein ehemaliges Badezimmer bezog, kam einmal in der Woche Herbert G. Göpfert vorbei, der damals schon Professor für Editionskunde an der Universität war, um in der ehemaligen Toilette seine Fußnoten für den »kleinen« Mörike zu schreiben. Und der unvergessene Fritz Arnold, mein Vorgänger, der Mann mit der spitzen Nase und der spitzen Zunge, hatte bis weit über achtzig seinen Arbeitsplatz im Verlag (wo er mittags die »Abendzeitung« las und bei seiner Brotzeit nicht gestört werden wollte) und war besonders für die »Witwen« und andere schwierige Fälle zuständig (Esther Calvino, Rita Gombrowicz, Susan Sontag, um nur die Spitze eines Eisbergs zu nennen).

Aber ich hatte nicht einmal Zeit, mich über dieses seltsame Verhalten des Aufsichtsrats zu wundern, weil mich die Mitglieder der Bayerischen Akademie der Schönen Künste zu ihrem Präsidenten wählten. Ich gehörte dieser Institution schon länger an, war also oberflächlich mit ihrem Getriebe vertraut und ging mit Lust und dem im Verlag antrainierten Schwung an die Arbeit. Leider war meine Mutter nicht mehr am Leben, der ich nur zu gerne von dieser Ernennung berichtet hätte. Verlagsdirektor, Schriftsteller, Zeitschriftenherausgeber, das waren alles mehr oder weniger ordentliche, wenn auch etwas undurchsichtige Berufe, die man mit einigem Aufwand den Freundinnen und der Familie im Osten erklären konnte, aber Präsident war natürlich mehr, auch wenn es sich nicht um eine Akademie für Obstanbau handelte, meine eigentliche Bestimmung, wenn es nach ihr gegangen wäre. Viele meiner Vorgänger, von Heinz Friedrich über Wieland Schmied bis zu Dieter Borchmeyer, waren mir gut bekannt, und bekannt war mir auch das Problem der Unterfinanzierung der Akademie, das schon auf vielen Tischen der sich ablösenden Kulturminister gelandet war. Manche Minister waren so kurz im Amt, dass man sich kaum ihre Namen merken konnte; nur eine Ministerin – die buchstäblich nach wenigen Wochen wieder abtreten musste – hat sich einmal in den großartigen Räumen in der Residenz blicken lassen, wo es die schönste Aussicht in München gibt. Es ist mir bis heute ein Rätsel, warum diese hellen Räume nicht genutzt werden. Die Akademie kann sie nicht nutzen, weil sie kein Geld hat, der Staat kann sie nicht nutzen, weil er sie nicht kennt. Einige Male im Jahr dringen ...

Erscheint lt. Verlag 29.10.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte aktuelles Buch • Berlin • bücher neuerscheinungen • Feuilleton • Hanser Verlag • Kulturszene • Literaturszene • Lyrik • München • Neuerscheinungen • neues Buch • Verlagsgeschäft • Verleger
ISBN-10 3-518-77745-9 / 3518777459
ISBN-13 978-3-518-77745-9 / 9783518777459
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