SCHAUSPIELER, MALER, REBELLEN -  Dr. Sabine Neumann-Röder

SCHAUSPIELER, MALER, REBELLEN (eBook)

Auf der Suche nach meiner verlorenen Familie
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2023 | 1. Auflage
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99152-645-2 (ISBN)
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DR. SABINE NEUMANN-RÖDER, als Tochter einer multikulturellen Familie im Nachkriegs -Wien geboren und aufgewachsen, studierte Psychologie und Kunstgeschichte, begibt sich auf Spurensuche ihrer vergessenen mütterlichen Vorfahren. Überraschenderweise konnte sie bei ihren Recherchen doch zahlreiche, spannende Spuren finden und lernte ihre unkonventionelle, unangepasste und originelle Familie kennen, die sie bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen konnte. Mit dieser biografischen Arbeit der Autorin, Psychologin und Psychotherapeutin ist es gelungen, die Erinnerungen an eine, zu ihrer Zeit durchaus bekannte Familie, dem Vergessen zu entreißen.

Dr. Sabine Neumann-Röder, geboren in Wien im Nachkriegsjahr 1946, Studium der Psychologie und Kunstgeschichte in Wien und Salzburg.

August Heinrich Fabricius

„August Heinrich Fabrizius, geboren zu Berlin 1764, debütiert 1779, früher abwechselnd Mitglied verschiedener Gesellschaften, weiterhin aber Mitdirector des Nationaltheaters zu Magdeburg, gab sich am 4ten Januar 1821 den Tod durch einen Pistolenschuß, und zwar in seinem Berufe auf der Bühne. Er führte nämlich die Inspection bei der Darstellung des Trauerspiels Don Carlos hinter dem Theater, und schoß sich auf das Schlagwort, worauf der Schuß folgt, welcher den Marquis Posa treffen soll, das, mit zwei Kugeln geladene Pistol durch die Brust. Man fand ihn kurz nach der That, in seinen gewöhnlichen Pelzrock gekleidet, ruhig im Stuhle sitzen, und ohne eine Spur des Lebens. Längere Zeit vorher, und selbst noch am Morgen dieses Tages hatte er mehren Freunden vertraut, daß er sich das Leben nehmen werde, aber man glaubte ihm nicht, weil er von Natur kleinmüthig war, und schon öfter ähnliche leere Voraussagungen ausgesprochen hatte.“

(Allgemeiner deutscher Theater-Almanach für das Jahr 1822, Seite 316)

Dieser Herr war mein Ur-Ur-Ur-Urgroßvater.

Ein derart theatralisches Ende eines Vorfahren macht neugierig. Wer war dieser Mann? Wie war er als Mensch? Wie war er als Schauspieler und dann als Theaterdirektor? Warum hat er sich umgebracht? Wie wirkte er auf seine Zeitgenossen? Was waren seine besonderen Begabungen und was hinterließ er der Nachwelt?

DER MENSCH FABRICIUS

August Heinrich Fabricius war als gesellige, lebensfrohe und liberale Persönlichkeit bekannt. Er verfügte über eine große Anziehungskraft und wird als schöner, stattlicher Mann beschrieben „mit großen dunklen Augen“.(1)

„Er war von Character gut und ohne Falsch, und deshalb auch bei jedermann geliebt und geschätzt.” (2)

Er war vielleicht das, was man heute als „Rampensau“ zu bezeichnen pflegt. Fabricius war Vollblutschauspieler und aus den Beschreibungen seines Lebens blitzt der Größenwahn hervor. Mit Durchschnittlichem gab er sich nicht zufrieden, wie seine Aktionen als Theaterdirektor zeigen. Da war ihm das Beste gerade gut genug. Ich stelle ihn mir laut und polternd vor, sehr eitel, mit einem Hang zum Großartigen – ein Meister der theatralischen Selbstdarstellung und sehr amüsant. Er konnte sicher großartig Gesellschaften unterhalten, wobei er frei nach Oscar Wilde lieber einen guten Freund verlor, als auf eine Pointe zu verzichten. Seine weltoffene, liberale Geisteshaltung hinderte ihn nicht daran, auch überaus eitel zu sein – und seine Eitelkeit ging auf Kosten seiner Ehrlichkeit, wie man an seinem Vorgehen bei der Übernahme der Direktion des Magdeburger Theaters sehen kann.

DER SCHAUSPIELER FABRICIUS

Fabricius wurde in ärmlichen Verhältnissen 1764 geboren, debütierte mit 15 Jahren und spielte in verschiedenen Wandertruppen, bis er Mitglied der angesehenen Theatergesellschaft(3) von Johann Carl Tilly(4) wurde. Dann heuerte er in der Schauspielergesellschaft von Friedrich Ludwig Schmidt(5) an. Durch Schmidt kam er in Kontakt mit Iffland(6) und Kotzebue(7).

„Fabricius (war) ein schöner stattlicher Mann mit großen dunklen Augen, hoher Gestalt, war einer der glücklichsten Naturalisten unserer Kunst und nach den verschiedensten Richtungen ein sehr tüchtiger Darsteller in ernsten wie in komischen Charakterrollen, in beiden Fächern gleich ausgezeichnet. Hochpoetische ideale Charaktere lag seinem Bildungsgange fern, doch war er unleugbar der inneren Wahrheit und Einfachheit viel näher und treuer, als viele der hochgestelltesten Darsteller der Jetztzeit. Iffland schätzte ihn sehr und hatte sich bei seinen Gastrollen auf der Magdeburger zusammenzunehmen, um sich neben Fabricius zu behaupten. Nie habe ich Uebertreibungen oder unwürdige Mittel, sich Beifall zu erringen bei ihm wahrgenommen. Seine Darstellungen waren stets aus einem Gusse und reich an Zügen ächter Natur und Wahrheit.”(8)

Er hatte Talent für komische Rollen. Das wurde ihm einhellig bescheinigt. In Heldenrollen kam er weniger gut an. Im Allgemeinen deutschen Bühnen-Almanach wurde er zumeist wohlwollend erwähnt, wobei er auch hier in seinen Heldenrollen kritisch gesehen wurde.

„Als Schauspieler zeichnete sich Fabrizius früher in sogenannten polternden Alten und anderen komischen Rollen aus, auch spielte er gern Tyrannen und verstieg sich sogar hin und wieder zu Helden, denen er aber durchaus nicht gewachsen war.”(9)

In dem Journal des Luxus und der Moden gestand man ihm wohl Talent für komische Rollen zu, fand aber in jedem Kommentar Negatives zu beanstanden. Es wirkt so, als konnte ihn der Schreiber nicht gut leiden.

„Herrn Fabricius ist man zu häufig in komischen Rollen zu sehen gewohnt, und er verliert daher in Heldenrollen zu sehr, da, wie er sich selbst gestehen wird, zu den letzteren ein besonderes Talent gehört, welches ihm nicht zu Theil geworden ist.“

oder

„Herr Fabricius hat in seiner Kunst die rühmlichsten Fortschritte gemacht, und mit herzlichem Vergnügen erinnert sich der Verfasser seines wahren und theilnehmenden Spiels in mehreren Rollen. Beyder Eigenschaften wegen verdient er die Erkenntlichkeit und Achtung des Publikums; nur dürfte die Theilnahme nicht zu oft in Übertreibung ausarten und seine Stimme weniger eintönig seyn. Uebrigens zeichnet er sich auch noch durch teure Costume aus.“

DER THEATERDIREKTOR FABRICIUS

Im Theater-Almanach für das Jahr 1822 auf Seite 318 stellte der Verfasser fest, dass Fabricius in seiner Funktion als Theaterdirektor an schauspielerischer Ausstrahlung verlor.

Aber wie kam es dazu, dass Fabricius die Direktion des Magdeburger Theaters übernahm? Die politische und wirtschaftliche Situation war nicht rosig. Magdeburg wurde von den Franzosen besetzt, Subventionen blieben aus, es gab Hungersnöte und eine Theaterzensur wurde eingeführt. Bis 1805 leitete Friedrich Ludwig Schmidt das Magdeburger Theater. Er inszenierte nicht nur Stücke von Schiller und Shakespeare, er brachte auch Lessings Nathan der Weise auf die Bühne. An seiner Seite war Alois Hostovsky(10). Mit ihm hatte Schmidt wahrscheinlich wenig Freude. Hostovsky war für seinen mangelnden Fleiß bekannt und war als Schauspieler nur bedingt einsetzbar. Er „böhmakelte“ nämlich, was in klassischen Rollen sicher für Heiterkeit sorgte. Man stelle sich nur einen böhmakelnden Hamlet vor. 1805 übernahmen Fabricius und Hostovsky das Theater, was nicht konfliktfrei ablief. Schmidt trat nicht freiwillig als Direktor zurück.

„Es war ausgemacht worden, daß – wenn die Direction eines Tages sich entschließen sollte, das Theater in andere Hände zu geben, man mir davon zuerst Mittheilung mache und mir bei einem eventuellen Verkauf oder Verpachtung die erste Hand lasse.”(11)

Das Theater wurde hinter seinem Rücken an Hostovsky und Fabricius verpachtet, was ihn sicher auch verletzt hatte, war er doch ein wichtiger Mentor von Fabricius.

Einer der Gründe, weshalb sich Fabricius auf das Abenteuer einließ, das Theater zu übernehmen und seinen Mentor zu hintergehen, könnte wie schon erwähnt seine Eitelkeit gewesen sein. Er war Schauspieler und hatte keine Ahnung von Personalführung und wirtschaftlichen Dingen. Er hatte aber hochfliegende Pläne überdimensionierte Pläne, wie seiner Meinung nach ein Theater zu sein hatte, was den Bau – innen und außen – sowie die Personalausstattung betraf. Derartige Vorstellungen waren vielleicht mit ein Antrieb, Schmidt in den Rücken zu fallen und an ihm Verrat zu üben, indem er seinen Vertrag vorzeitig kündigte. Schmidt verzieh ihm das nie und kommentierte seinen Nachfolger mit Bitterkeit.

„Fabricius eröffnete „die neue Aera, die der Kunst Thaliens auf dieser Bühne heut begann“, mit einer schrecklich prosaischen Rede in Prosa, er haßte nämlich jeden Vers auf’s Tieffste; Schiller galt ihm als ‚elender Jambenschmierer‘. Zudem mochte ihm wohl der Umstand, daß er notorisch oftmals Sprachschnitzer machte und dem verhängnisvollen Geheimniß der Dative und Accusative nie völlig auf die Spur zu kommen vermocht hatte, auch vor Versen eine heilige Scheu einflößen. ‚Das Publikum versteht solches Zeug doch nicht‘, pflegte er zu sagen. Seine Begrüßungsrede an die spärlich erschienene Versammlung war ebenso einfach, wie unsinnig, indem sie das Thema variierte: ‚Um Gottes willen, verlaßt uns nicht, denn wenn Ihr Eure Hand von uns abzieht, so sind wir verloren!‘ Die größte Heldenthat der neuen Direction war jedenfalls ein neuer Vorhang, oder vielmehr: eine Uebermalung des alten. Der abgängig gewordene Grund wurde aufgefrischt, und ein ‚fliegender Genius, die Lyra in der Hand‘ darauf gemalt, aber so mittelmäßig, daß alsbald ganz Magdeburg sich darüber lustig machte. Man sagte nämlich: die Direction könne den Vorhang...

Erscheint lt. Verlag 27.9.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
ISBN-10 3-99152-645-X / 399152645X
ISBN-13 978-3-99152-645-2 / 9783991526452
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