Anderes Leben - Neues Ich (eBook)

Wie ich vom Täter zum Helfer wurde
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
200 Seiten
hansanord Verlag
978-3-947145-74-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Anderes Leben - Neues Ich - Henry Oliver Jakobs
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Dies ist die Geschichte einer liebevollen Kindheit, eines Sohnes, der behütet im Kreise seiner Familie aufwächst. Als Hamburger Jung war Oliver aber bereits mit sieben Jahren auf der Reeperbahn unterwegs und kam so schon sehr früh mit Drogen und Alkohol in Berührung - sein Leben begann sich zu ändern. So entwickelt er schnell einen eigenmächtigen Geschäftssinn und baut sich ein kleines Unternehmen aus kriminellen Geschäften auf. Er wusste, dass das, was er tat, nicht richtig war, aber er tat es trotzdem. Konsequenzen hat er nie in irgendeiner Weise erfahren.
Bis zu jenem Tag, an dem es zu einem üblen Streit mit zwei Geschäftspartnern kam. Für Oliver war in diesem Moment sofort klar: Diese Beleidigungen und Demütigungen müssen bestraft werden. Und so entwickelte er einen Plan, sie zu töten.
Heute kann er diese Gedanken nicht mehr nachvollziehen. Aber damals war er ein völlig anderer Mensch. Beim nächsten Treffen schoss er auf die beiden, tötete einen und verletzte den anderen schwer.
Nach der Verurteilung zu lebenslänglicher Haft begann im Gefängnis sein Wandel. Er konnte und wollte so nicht weitermachen. Nach 19 Jahren Gefängnis wurde er schließlich entlassen.
Heute geht er an Schulen und andere pädagogische Einrichtungen, erzählt aus seinem Leben, thematisiert Mobbing, klärt über Drogen und andere kriminelle Taten auf. Diese Arbeit ist seine Berufung, hier kann er etwas tun und den einen oder anderen auf einen besseren Weg führen, denn Kriminalität lohnt sich nicht, sie führt für die meisten ins Gefängnis oder auf den Friedhof!

Henry Oliver Jakobs, 52 Jahre alt, hat eine 19-jährige Freiheitsstrafe verbüßt. Bereits in Haft hat er sich für Gewaltprävention engagiert und arbeite heute im Verein Gefangene helfen e.V. in verschiedenen pädagogischen Einrichtungen um Jugendliche zu sensibilisieren.

Kapitel 1:  


Kindheit 1970 - 1983



Ich bin eines Oktobermorgens um etwa 5:00 Uhr in einer Dachgeschosswohnung auf St. Pauli zur Welt gekommen.
Ich war grade mal eine Stunde geboren und befand mich schon im Peterwagen. Zurzeit um 1970 haben auch Polizeiwagen Mutter samt Baby ins Krankenhaus gefahren. Ferner war die Polizeiwache eine Straße von uns entfernt. In Hamburg heißt aus diesem Grund ein Polizeiwagen Peterwagen, da dort ein Junge zur Welt kam und den Namen Peter bekam.
Geboren wurde ich in einer Großfamilie mit vielen Onkels und Tanten. Meine Eltern waren sehr jung: Mama war vierzehn und Papa fünfzehn Jahre alt, als ich das Licht von St. Pauli erblickte. Laut meiner Familie hielt die Beziehung auch nur zwei Jahre, ich war zu jung, weshalb ich mich nicht mehr daran erinnere. Ich wuchs mal hier, mal da auf, bei den Großeltern, den Tanten, Onkels, ich fühlte mich geliebt, denn jeder wollte Klein Olly haben. So dachte ich. Ich spielte viel auf der Straße und vor den Läden meiner Familie, die Geschäfte lagen in Sichtweite des alten Elbtunnels, also direkt an der Elbe. Wir hatten An- und Verkauf-Geschäfte und handelten mit alten Büchern, Muscheln, alten Münzen, Buddelschiffen, mit ausgestopften Tieren, Holz- und Elfenbeinschnitzereien. Wir führten verschiedene Waffen wie Messer, Speere und Äxte sowie Masken und sogar echte Schrumpfköpfe. Diese Waren kamen aus der ganzen Welt und waren neu oder teilweise sehr alt. Für mich war diese Art der Arbeit völlig normal und ich war immer verwundert, dass dies für andere Menschen so ungewöhnlich war. Das eine Geschäft hatte den Namen Harry’s Hamburger Hafenbasar und war nicht nur in Norddeutschland sehr bekannt. Denn viele der Warenkäufe bezogen wir von Seeleuten aus aller Welt. Ich bin in diesem Laden aufgewachsen und für mich schien das Leben hier völlig normal. Wir hatten einen Zoo mit ausgestopften Tieren wie eine komplette Löwenfamilie, alle Arten von Vögeln aus aller Herrenländer, eine junge Giraffe, einen Wolf, auf dem wir Kinder geritten sind, und viele weitere Tiere. Dann gab es einen Raum mit alten und neuen Masken, überwiegend aus Afrika und Asien. Eine Etage war voll mit Büchern und Comics von jüngeren bis hin zu älteren Ausgaben. Es gab ein Kellergewölbe mit Muscheln, Korallen und Buddelschiffen, die uns häufig von alten Kapitänen gebracht wurden, sowie vieles Weitere aus der Seefahrt. Heute wäre der Verkauf solcher Dinge wohl kaum noch möglich. Wir vertrieben tote Käfer, Schmetterlinge und Elfenbein, davon auch alte Schnitzereien aus Japan. Die Schrumpfköpfe waren jedoch im Tresor und für eine gewisse Gebühr durfte man sie mal halten und ansehen. 
Das Geschäft ging von der Bernhard-Nocht-Straße bis zur Erichstraße unterirdisch durch die Keller und hatte etwa 2500 qm Fläche. Das war mein Spielplatz. Mir wurde jeder Wunsch erfüllt, ich fühlte mich wie ein kleiner Prinz. Ich erinnere mich daran, dass meine Tanten und Onkels sich stritten, wer mich mitnehmen durfte, bis ich Jahre später erfahren habe, dass es für die Betreuung extra Geld vom Opa gab. Dass ich für meinen Opa was Besonderes war und er mich sehr geliebt hatte, merkte ich leider sehr spät. Denn ich durfte wirklich fast alles. Wir spielten mal Fangen mit anderen Jungs am Hafen auf einem Parkplatz, natürlich war der Parkplatz kein öffentlicher. Es war ein Verladeplatz für die Verschiffung der Autos in andere Länder. Irgendeiner der Jungs kam auf die Idee, das Spiel schwieriger zu gestalten und es auf den Autos umzusetzen. Ich fand diese Art super und machte mit. Ein Hafenarbeiter fand diese Idee nicht so super und wollte uns packen. Alle entkamen, nur ich nicht. Er kannte meine Familie und sprach mit meinem Opa. Wir hatten wohl einen nicht unerheblichen Schaden verursacht. Mein Opa fragte mich, mit wem ich dies gemacht habe. Ich verriet aber niemanden, so hatte ich es gelernt, auch nicht der Familie. Opa fragte nochmals, dieses Mal ziemlich energisch, so kannte ich ihn gar nicht. Aber ich blieb bei meiner Aussage. Er schaute mich sehr zornig an, das konnte er sehr gut, nur nie bei mir, doch ich blieb bei meinem Standpunkt. Ich verpetzte niemanden. Dann plötzlich strahlten seine Augen und er bekam ein so liebevolles lächeln, und er sagte: Genau richtig, Olly, ich bin stolz auf dich. Opa bezahlte den Schaden und nie wieder wurde ein Wort darüber verloren. Meine Tante sagte später zu mir, ihnen hätte er den Arsch versohlt und uns den Schaden vom Lohn abgezogen. Ich war halt sein Liebling, ätsch, war meine Antwort. Eine Erinnerung, die ich noch habe: Ich spielte auf dem Hinterhof, als Opa kam und mir sagte, dass ich dort, wo die Glasscheiben sind, nicht sein sollte. Das war für mich wie eine Aufforderung, aber ich spielte dort natürlich trotzdem. Das Ergebnis war, ich schnitt mir die Hand auf und blutete sehr stark. Ich musste zum Arzt, weil es genäht werden sollte, Mama und Oma weinten. Opa sagte nur, das ist ein echter Junge und der weint nicht!
Ich war auch schon sehr früh in den verschiedensten Lokalen und Kneipen auf St. Pauli unterwegs. Die schönste Zeit verbrachte ich in Kneipen, ich saß auf einem Hocker und bekam meine Cola mit Strohhalm. Die Kino-Tage waren meist nicht so lustig, da ich bei den Filmen meist vor Angst die Augen schließen musste. Einmal war ich in der Safari-Bar. Ich war noch klein und freute mich auf die Tiere, es gab aber keine, es war mehr so eine Art Theater. Ich durfte nicht auf die Bühne sehen, brauchte ich auch nicht, denn da war aber ein Spiegel, der mir alles zeigte, was dort passierte. Ein Mann und eine Frau, kaum bekleidet, machten Turnübungen, wie langweilig. Später begriff ich, dass es Life-Sex war. Es gab wohl kaum ein Geschäft, wo ich nicht reindurfte. Ich hatte auch nicht grade die üblichen Bettzeiten. Ich schlief, wenn ich müde war. Auch gab es ab und zu Partys bei uns zu Hause und irgendwie war ich immer im Mittelpunkt. So kam auch der erste frühe Kontakt mit Alkohol. Ich wachte morgens auf und ging ins Wohnzimmer, Mama und der Rest schliefen noch. Der kleine Olly hatte Durst und trank halt die Gläser mit Cola aus, schmeckte etwas komisch und die Kohlensäure fehlte auch. Nach ein paar Gläsern fühlte ich mich komisch und müde. Also ging ich wieder ins Bett. Dort verbrachte ich den Rest des Tages, was zuerst zu Verwunderung bei Mama sorgte, bis sie bemerkte, was passiert war. Natürlich fing sie an, sich Sorgen und Vorwürfe zu machen. Da sie noch so jung war, wusste sie nicht weiter und die Kette der Information ging durch die Familie. Klein Olly schlief ruhig und fest. Die einzige Person, die ruhig blieb, war meine Oma. Sie sagte ganz trocken, lass den Kleinen seinen Rausch ausschlafen. Gegen Abend wachte ich mit großem Durst und Hunger auf, aber ich wollte keine Cola.
Meine Mutter hatte einen kleinen Kiosk, der ganz gut lief, aber sie war wohl überfordert in ihren jungen Jahren. Wie ich später erfuhr, verwechselte Mama Brutto mit Nettoeinnahmen, so war die Pleite vorprogrammiert. Ich kam in einen katholischen Kindergarten, dies war wirklich keine gute Idee für einen Jungen, der mit so vielen Freiheiten erzogen wurde. Am ersten Tag knallte es bereits beim Mittagessen, ich sollte etwas zu mir nehmen, was ich nicht mochte. Ich weiß dies noch, als wäre es gestern gewesen. Es gab Hühnerfrikassee und ich wollte es nicht essen. Die Nonnen meinten, man solle essen, was auf den Tisch kommt. Das galt aber nicht für jeden, erklärte ich selbstbewusst, ich esse nur das, was ich mag. Es gab ein Machtkampf zwischen uns, der so endete, dass zwei mich festhielten und eine andere mir das Essen in den Mund führte. 
Ein Fehler, denn ich war ein Dickkopf und Erwachsenen gegenüber unerzogen. So kotzte ich alle drei Nonnen von oben bis unten voll. Eine andere komische Regel war, dass Kinder Mittagsschlaf halten sollten. Ich schlafe, wenn ich es möchte. Der nächste Machtkampf begann.
Es war ein großer Schlafraum für zwei Gruppen. Natürlich sorgte ich dafür, dass gar keiner schlief, und sollte dann zur Strafe in der Ecke stehen. Ich spielte laut Ich sehe was, was du nicht siehst mit den anderen Kindern. Meine Mutter musste häufig zu Gesprächen oder mich früher abholen kommen. Aber glücklicherweise wurde ich oft schon eher von der Familie abgeholt, denn nach dem ersten Tag teilte ich allen mit, wie blöd das dort ist. Ich wollte lieber in die Bar mit dem Spiegel und der Cola. Das Witzige war, der Kindergarten in der Großen Freiheit lag in der Nähe der Safari-Bar.
Am besten war es, wenn mein Papa mich abholte, wir gingen immer was einkaufen. Einmal holte er mir ein Indianerzelt plus Ausrüstung. Mama war mal wieder nicht begeistert. Auch weil sie nicht informiert war und ich einfach weg war aus dem Kindergarten. Alle kamen zu dem Entschluss, dass der Kindergarten nichts für Klein Olly sei, und ich wurde abgemeldet. Ich war wieder mehr bei meinem Opa im Geschäft und dem tollen Spielplatz.
Dann kam der Tag der Einschulung, ich freute mich so sehr und bekam ganz viele Schultüten von meiner Familie, jeder hatte etwas für mich. Nach dem ersten Schultag ging ich zu meinem Opa in den Laden, nahm mir ein Getränk aus dem Regal, schaute meinen Opa an und verkündete, dass ich eingeschult wurde. So wartete ich auf das Geschenk meines Großvaters. Er meinte nur, dass er Geld von mir bekommen müsste, und ich verstand ihn nicht. Ich betonte nochmals, ich sei eingeschult worden. Er nickte und wiederholte, dass er 50 Pfennig bekomme für die Dose mit dem Getränk, und erklärte mir auch gleich, warum. Jetzt fing der Ernst des Lebens an und ich könne mir nicht mehr einfach etwas nehmen, sondern müsse dafür arbeiten oder bezahlen. 
Meine schöne Zeit als Prinz war vorbei. Ich musste oder durfte nach der Schule bei meinem...

Erscheint lt. Verlag 26.9.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Anklage • Gefangene • Gefängnis • Haft • Hehlerei • Helfen • Knast • Leben • Lebenslänglich • Mobbing • Mord • St.Pauli • Verbrechen
ISBN-10 3-947145-74-8 / 3947145748
ISBN-13 978-3-947145-74-4 / 9783947145744
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