Betthupferl (eBook)
200 Seiten
Elysion Books (Verlag)
978-3-96000-265-9 (ISBN)
1. Der junge Poet
Lara Kalenborn
Während die Literatur, die ich schreibe, nicht verruchter sein könnte, lebe ich in der spießigsten Straße von ganz Kalifornien. Und genau jetzt sitze ich zwischen den Frauen meiner Laufgruppe, stoße mit ihnen auf unsere Qualifikation für einen Mini-Marathon in L.A. an und bin sehr froh, dass sie nichts von meinen erotischen Texten ahnen. Gut, sie wissen, dass ich Autorin bin, aber sie denken, ich würde Rezeptbücher für Fleischgerichte schreiben. Natürlich sind sie alle vegan und haben mir damit die perfekte Tarnung geliefert.
»Noch Wein, Julia?«, fragt mich in diesem Augenblick die Gastgeberin Erica.
»Ja, gern«, antworte ich und halte ihr mein Glas hin.
Als sie mir die rote Flüssigkeit, die mein Gehirn ein bisschen wattig gemacht hat, einschenkt, ertönt ein Piepen von der Eingangstür. Keine fünf Sekunden später kommt ein junger Mann in das Wohnzimmer, in dem sich die gesamte Laufgruppe zusammengefunden hat.
»Jesse!«, ruft Erica nun aus und läuft zu dem Fremden hin, der wuschelige Haare hat und großgewachsen ist.
Meine ich das nur oder fixiert er mich mit einem interessierten Blick und bedeutungsvollen Grinsen auf den Lippen?
»Das ist mein Sohn Jesse!«, sagt Erica und schiebt ihn mit Stolz geschwollener Brust in unsere Runde hinein. »Er studiert Kreatives Schreiben in New York und hat es endlich mal nach Hause geschafft.«
Seit einem Jahr wohne ich in der Cleek Street und in dieser Zeit habe ich Jesse definitiv nicht gesehen. Er scheint seine Mom nicht oft zu beehren ... Immer noch hängt seine Aufmerksamkeit an mir fest, was mich etwas verunsichert. Wieso schaut er ausgerechnet mich so durchdringend an?
Erica platziert ihn neben mir auf der Couch, was ihm offenbar gefällt, denn er wendet sich mir mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck zu. Mir fällt auf, wie hübsch er ist. »Ich bin Jesse und du musst Julia sein.«
Überrascht merke ich auf. »Du kennst meinen Namen?« »Meine Mom hat erzählt, dass eine Autorin in die Straße gezogen ist. Natürlich weiß ich, wie du heißt.«
Hoffentlich nur den, denke ich. Aber da lehnt er sich schon zu mir und sagt: »Und ich habe jedes einzelne deiner Fleischgerichte gelesen.«
Aus großen Augen schaue ich ihn an. Die Betonung auf Fleischgerichte, lässt keinen Zweifel zu, dass er meine sexy Romane meint ... Mist! Auf unseren Laufrunden wird immer wieder klar, wie konservativ die Ladys der Cleek Street sind. Dass hier überhaupt Kinder rumlaufen, ist quasi ein Wunder!
»Jesse, ich würde es bevorzugen, wenn wir uns in Ruhe über meine Rezeptbücher unterhalten könnten«, wispere ich ihm zu.
»Gern, ich komme Morgen einfach zu dir, Julia, dann kannst du mir all deine Schreibtipps geben.« Er hat sehr laut gesprochen und wollte damit wohl bezwecken, dass ich nicht mehr nein sagen kann.
Denn schon schaltet Erica sich ein: »So lieb von dir, dass du meinem Sohn hilfst. Vielleicht schreibt ihr ja mal zusammen etwas, dann kommst du endlich mal von diesen Kochbüchern weg.«
Kurz funkle ich den frechen Jüngling an und wende mich an Erica: »Leider schreibe ich nur nachts, da wird dein Sohn sicher schlafen wollen. Aber ich kann ihm in einer Mail ja alle Tipps zusammenfassen.«
Erica winkt ab. »Jesse ist genauso ein Nachtgeschöpf wie du. Er hat mich schon als Kind in den Wahnsinn getrieben, weil er vor null Uhr niemals schlief.«
»Richtig«, bestätigt er. »Ich bin ebenfalls ein Wesen der Dunkelheit, Julia, keine Sorge, das nächtliche kreativ Sein liegt mir.«
Wieder diese Betonung. Was hat er vor? Mindestens zehn Jahre jünger als ich, wird er mich doch nicht anflirten, oder? Heimlich scanne ich ihn ab. Schlank, hübsch und definitiv frech – er könnte mir schon gefallen und ... Nein! Julia, nein! Er ist tabu! So was von tabu! Erica würde mit Sicherheit mein Haus abfackeln, wenn das herauskäme!
Einen riesengroßen Bogen werde ich um diesen Jungen machen!
*
»Hallo, Julia«, begrüßt Jesse mich am nächsten Abend, drängt sich in meinen Flur und küsst mir erst links, dann rechts auf die Wange. Ich bin ziemlich überrumpelt und sehe ihm verdutzt nach, als er nun in mein Haus hineinmarschiert.
»Hätte nicht gedacht, dass du es durchziehst!«, rufe ich ihm hinterher und werfe einen gestressten Blick hinaus. Doch auf der Straße entdecke ich niemanden, der Jesses stürmische Ankunft bei mir beobachtet haben könnte.
Ich stoße die Luft aus und lasse meine Lippen dabei so schlackern, wie es bei einem Pferd passiert, wenn es schnauft. Das tut gut und löst die Unruhe in mir etwas. Jesse ist ziemlich aufwühlend. Den ganzen Tag habe ich über ihn nachgedacht. Was will er von mir? Und wie bringe ich ihn dazu, mein Geheimnis zu wahren? Mir ist klar, dass ich aus der Laufgruppe verbannt werde, sobald herauskäme, dass ich die Julia Kitty bin. Meine Bücher sind kinky, kennen keine Tabus und würden die Cleek Street Gemeinde so was von überfordern!
»Natürlich ziehe ich es durch«, sagt Jesse, als ich zu ihm ins Wohnzimmer komme, welches gleichzeitig mein Büro ist. Er steht an der großen Fensterfront und beobachtet den Garten, wie er allmählich ins Licht der Nacht getaucht wird. »Warum auch nicht?«
Ich lege den Kopf schräg. »Weiß nicht ... Was willst du überhaupt mit deinem Besuch erreichen? Rezepte erhoffst du dir ja nicht.«
Langsamen Schrittes schleicht er nun auf mich zu. In seinen dunklen Augen glitzert es plötzlich. Instinktiv weiche ich ihm aus, pralle gegen mein Stehpult und schnappe nach Luft, weil unsere Nasen sich fast berühren. Er ist deutlich größer als ich und obwohl sein Gesicht das eines Jünglings ist, fällt mir nun auf, wie breit sein Kreuz ist und wie gut er riecht.
»Ich musste die Frau, die solche Texte schreibt und in meine Straße gezogen ist, einfach kennenlernen. Und was soll ich sagen?« Er streicht an meinem Kiefer entlang. »Du bist unglaublich Julia Kitty.«
Okay. Er kennt mein Pseudonym. Damit fällt die letzte Hoffnung in sich zusammen, dass er tatsächlich nur einen Rat haben will, wie er Verlage für seine Manuskripte findet. Offensichtlich verspricht er sich mehr von dieser Zusammenkunft. Endlich meine Maske fallen lassen zu können, bringt eine unglaubliche Ruhe über mich. Während er mich intensiv betrachtet, atme ich tief durch und straffe meine Schultern. Dann erwidere ich seinen Blick zum ersten Mal kraftvoll. Selbstbewusstsein, das ich normalerweise nur beim Schreiben empfinde, durchströmt mich. »Du solltest vorsichtiger mit deinen Annäherungen sein, Jesse, sie könnten erhört werden.« Mit einigen schnellen Schritten dränge ich ihn rückwärts, bis er gegen die Fensterfront stößt.
Sein schöner Duft umschwärmt mich dabei und das Lächeln auf seinen Lippen verfestigt sich. Gefällt ihm meine Wandlung?
»Na, das hoffe ich doch, Julia. Seitdem ich dein neustes Buch gelesen habe, kann ich nicht aufhören, an Simon und Gina zu denken. Die beiden haben mich fasziniert. Diese Episode in ihrer Küche, wo sie zusammen kochen … Sie schnippelt einfach das Gemüse weiter, während er sie von hinten leckt … Du hast mit ihrer Beziehung einen Nerv getroffen. Deswegen wird dieser Titel so gehyped. Zu recht. Der Humor der beiden, gepaart mit diesem intensiven Sex, der keine Grenzen kennt … Genial.«
Ich presse ihn an die Glasscheibe. »Ist dir denn bewusst, dass meine Texte nur die Spitze des Eisberges sind? Unter der Oberfläche ist so viel mehr. In mir gibt es Abgründe, die du niemals vermuten würdest.«
Seine Augen weiten sich, doch sein Mund verliert das Lachen nicht. »Ich schreibe selbst, Julia. Hast du das vergessen? Meine Texte sind wie deine. Rau, glühendheiß und so dunkel wie die größte Finsternis da draußen. Ich habe keine Angst vor deiner Tiefe – ich komme aus ihr.«
Mein Puls schnellt in die Höhe. Seine Worte wühlen mich auf. Plötzlich und so unerwartet fühle ich mich verstanden. Die Beziehungen in meinem Leben waren immer geprägt davon, dass ich das Meiste von mir zurückgehalten habe. Keiner meiner Exfreunde hat jemals alles von mir zu Gesicht bekommen. Aber dieser junge Kerl hier, könnte aus dem gleichen Holz geschnitzt sein wie ich.
»Beweis es!«, flüstere ich ihm zu und packe in seinen Nacken, als würde ich ihn zu einem Kuss zu mir herunterziehen.
Doch dann trenne ich mich von ihm und höre sein leises Lachen, während ich wieder zu Atem komme. Jesse wühlt mich auf. Das kann ich offen zugeben.
»Gut. Dann lese ich dir aus meinem aktuellen Projekt vor. Es ist eine erotische Kurzgeschichte. Die Protagonisten sind getrennt, schlafen aber noch jeden Tag miteinander.«
Er zückt sein Smartphone und lässt sich auf meiner antiken Ledercouch nieder. Dort lehnt er sich lässig zurück, sieht mich fest an und sagt: »Die Szene spielt mitten in der Nacht. Sie streiten sich um die große Bettdecke, okay?«
Ich nicke und während er nun die Augen senkt, um vom Handy seinen Text abzulesen, wandere ich mit meinem Blick über ihn. Ich höre etwas von einem Kampf und mir fällt sein weites Hemd auf, das ihn wie einen Künstler aus alten Tagen erscheinen lässt. Jesse spricht von einer Stimmung, die wilder wird – aggressiver und lustvoller zugleich. Und ich entdecke ein Tattoo auf seinem Unterarm. Eine französische Lilie. Was sie wohl für ihn bedeutet? Seine Geschichte ist aufregend. Das Paar verstrickt sich in einem Gerangel um die Decke. Während es erst so aussieht, als würde der Mann die Frau dominieren und gleich in sie eindringen, windet sie sich aus seinem Griff heraus, fesselt ihn mit dem Laken und setzt...
Erscheint lt. Verlag | 7.9.2023 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
ISBN-10 | 3-96000-265-3 / 3960002653 |
ISBN-13 | 978-3-96000-265-9 / 9783960002659 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 316 KB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich