Die Eulen des östlichen Eises (eBook)

Die Suche nach der größten Eule der Welt und ihre Rettung
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
328 Seiten
Matthes & Seitz Berlin Verlag
978-3-7518-4007-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Eulen des östlichen Eises -  Jonathan C. Slaght
Systemvoraussetzungen
31,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Zottelige Federpracht, gelbe Augen, zwei Meter Flügelspannweite, vier Kilo Gewicht: Sie ist die größte Eule der Welt - und eine der seltensten, denn ihr Habitat - die Primorjer Auenwälder im fernen Osten Russlands - ist so unzugänglich und abgelegen, dass 100 Jahre vergehen mussten, bis ein Forscher den Riesenfischuhu wieder zu Gesicht bekam. Jonathan Slaghts so obsessive wie abenteuerliche Suche nach dem majestätischen Vogel führt ihn über Tausende von Kilometern unwegsamen Geländes, durch verschneite Wälder, über zugefrorene Seen und tauende Permafrostböden. Irgendwo in dieser winterlichen Welt, die Tiger und Bären, Wilderer und Mystiker bevölkern, lauert die wundersame Eule, nachtaktiver Jäger, Sänger unheimlicher Duette und beharrlicher Überlebenskünstler in einem schrumpfenden Lebensraum.  Die Eulen des östlichen Eises bietet einen so seltenen wie fesselnden Einblick in den Alltag eines Wissenschaftlers, zu dem Wodka-getränkte Begegnungen, waghalsige Schneemobilfahrten und vor Eiseskälte durchwachte Nächte ebenso gehören wie seltsame Eulenspuren im Schnee. Es ist das leidenschaftliche Zeugnis des heldenhaften Versuchs, einen der großartigsten Vögel der Welt zu retten, Beispiel für die Kreativität und Entschlossenheit, die Feldforschung erfordert - und eine leidenschaftliche Erinnerung an die Schönheit und Verletzlichkeit der natürlichen Welt.

Jonathan C. Slaght ist Koordinator für Russland und Nordostasien bei der Wildlife Conservation Society, wo er Forschungsprojekte zu gefährdeten Arten leitet. Über seine Arbeit berichtete er unter anderem in der New York Times, The Guardian, BBC und Scientific American. Eulen des östlichen Eises wurde mit dem PEN/E.O. Wilson Literary Science Writing Award sowie dem Minnesota Book Award for General Nonfiction ausgezeichnet und stand auf der Longlist für den National Book Award. Slaght lebt in Minneapolis.

Jonathan C. Slaght ist Koordinator für Russland und Nordostasien bei der Wildlife Conservation Society, wo er Forschungsprojekte zu gefährdeten Arten leitet. Über seine Arbeit berichtete er unter anderem in der New York Times, The Guardian, BBC und Scientific American. Eulen des östlichen Eises wurde mit dem PEN/E.O. Wilson Literary Science Writing Award sowie dem Minnesota Book Award for General Nonfiction ausgezeichnet und stand auf der Longlist für den National Book Award. Slaght lebt in Minneapolis. Sigrid Ruschmeier arbeitet seit den 90ern nach einer Tätigkeit im Verlag als literarische Übersetzerin in Berlin. Sie hat Germanistik und Politikwissenschaft studiert und unter anderem Werke von Elizabeth Bowen, Sybille Bedford, Grace Paley, Salman Rushdie und Marianne Faithfull ins Deutsche übertragen. Judith Schalansky, 1980 in Greifswald geboren, studierte Kunstgeschichte und Kommunikationsdesign und lebt als freie Schriftstellerin und Buchgestalterin in Berlin. Sowohl ihr Atlas der abgelegenen Inseln als auch ihr Bildungsroman Der Hals der Giraffe wurden von der Stiftung Buchkunst zum »Schönsten deutschen Buch« gekürt. Für ihr Verzeichnis einiger Verluste erhielt sie 2018 den Wilhelm-Raabe-Preis. Seit dem Frühjahr 2013 gibt sie die Reihe Naturkunden heraus.

Einleitung


Nach erfolgreichem Abschluss meiner Masterarbeit an der University of Minnesota 2005, einer Studie über die Folgen der Abholzung für die Singvögel in Primorje, machte ich mir Gedanken zu einem Dissertationsthema ebenfalls in der Region. Ich wollte mich mit etwas beschäftigen, das wirklich breite Relevanz für den Naturschutz dort hatte, und schränkte meine Auswahl möglicher Kandidaten daher schnell auf den Mönchskranich und den Riesenfischuhu ein: die beiden am wenigsten erforschten, aber eindrucksvollsten Vögel der Region. Es zog mich mehr zu den Uhus, doch angesichts der geringen Informationen über sie befürchtete ich, dass es zu wenige von ihnen gab, um sie zu studieren. Während ich noch hin und her überlegte, machte ich eine mehrtägige Wanderung durch ein Lärchensumpfgebiet, eine offene feuchte Landschaft mit licht stehenden spillerigen Bäumen über einem dichten Teppich duftendem Grönländischem Porst. Zuerst fand ich es wunderschön, nachdem ich allerdings bald schon nirgendwo mehr Schutz vor der Sonne fand, ich von dem erdrückenden Duft des Grönländischen Porsts Kopfschmerzen bekam und sich immer wieder Wolken pieksender Insekten auf mich stürzten, hatte ich genug. Schlagartig begriff ich: Das hier war das Biotop des Mönchskranichs! Mochte der Riesenfischuhu auch selten, mochte die Verwendung von Zeit und Energie auf ihn ein Lotteriespiel sein – wenigstens musste ich mich nicht die nächsten fünf Jahre durch Lärchensümpfe quälen. Uhus also!

Mit seiner Reputation als wackerer Bewohner einer unwirtlichen Umwelt ist der Riesenfischuhu fast genauso sehr ein Symbol für das wilde Primorje wie der Amurtiger (auch Sibirischer Tiger oder Ussuritiger genannt). Beide leben zwar in denselben Wäldern und sind bedroht, aber über das Leben der gefiederten Lachsfresser sind die Informationen viel spärlicher. Erst 1971 wurde in Russland überhaupt das Nest eines Riesenfischuhus entdeckt, und in den 1980ern glaubte man, im ganzen Land gebe es nicht mehr als 300 bis 400 Paare. Man sorgte sich ernsthaft um ihre Zukunft, wusste aber nicht mehr über sie, als dass sie offenbar große Bäume zum Nisten und viele Fische in Flüssen zum Fressen brauchten.

Anfang der 1980er-Jahre war die Zahl der Tiere in Japan, nur ein paar hundert Kilometer übers Meer weiter östlich, auf weniger als 100 Exemplare geschmolzen. Ende des 19. Jahrhunderts waren es noch annähernd 500 Paare gewesen, also 1000 Vögel. Die arg dezimierte Population verlor ihre Nistplätze durch die Abholzung und ihre Nahrung durch den Bau von Dämmen am Unterlauf von Flüssen, was die Lachswanderung verhinderte. Vor einem ähnlichen Schicksal wurden die Riesenfischuhus in Primorje durch sowjetische Trägheit, schlechte Infrastruktur und niedrige Bevölkerungsdichte bewahrt. Doch die sich in den 1990ern entwickelnde freie Marktwirtschaft brachte Wohlstand, Korruption und begehrliche Blicke mit sich, die sich auf die unberührten Naturschätze im nördlichen Primorje richteten – das man, weltweit gesehen, für die Hochburg der Riesenfischuhus hielt.

Sie waren in Gefahr. Für eine von Natur aus sich langsam reproduzierende Spezies, die viel Raum braucht, kann jede umfassende, anhaltende Störung und Zerstörung ihrer Lebensumwelt wie in Japan jäh zu einem freien Fall der Bestände führen. Russland würde einen seiner geheimnisvollsten, symbolträchtigsten Vögel verlieren. Er und einige andere gefährdete Arten waren zwar unter Naturschutz gestellt worden – es war verboten, sie zu töten oder ihr Habitat zu vernichten –, doch ohne genaue Kenntnis ihrer Bedürfnisse konnte man keinen praktikablen Plan zu ihrem Schutz entwickeln. Nicht nur bemühte man sich gar nicht darum, sondern Ende der 1990er-Jahre wurden auch bisher unzugängliche Wälder in Primorje zunehmend zur Gewinnung von Rohstoffen erschlossen. Es war also Eile geboten, ernsthaft eine Strategie zum Schutz der Riesenfischuhus zu entwickeln.

Artenschutz kann man auf zweierlei Weise betreiben. Hätte ich die Riesenfischuhus lediglich erhalten wollen, hätte es keiner Forschung bedurft. Als Lobbyist hätte ich bei der Regierung versucht, ein totales Abholzungs- und Angelverbot zu erwirken. Mit solchen pauschalen Maßnahmen, ähnlich dem weitgehenden Verbot menschlicher Aktivitäten in Nationalparks, hätte man die Riesenfischuhus durch Ausschalten aller Bedrohungen geschützt. Aber abgesehen davon, dass ein derartiges Vorgehen unrealistisch war, würde man die Interessen der zwei Millionen in der Provinz lebenden Menschen missachten. Nicht wenige verdienen ihren Lebensunterhalt in Holz- und Fischereiwirtschaft, sodass ihre und die Bedürfnisse der Riesenfischuhus nicht voneinander zu trennen sind. Seit Jahrhunderten leben beide von den gleichen Ressourcen. Bevor die Russen dort ihre Netze in den Flüssen ausgelegt und Bäume zum Bauen und Verkaufen gefällt haben, haben das mandschurische und andere indigene Völker getan. Die Udehe und Hezhen fertigten zum Beispiel wunderschöne Kleidung aus bestickter Lachshaut an und bauten Boote aus riesigen ausgehöhlten Baumstämmen. Während die Abhängigkeit der Menschen von den Naturgütern allerdings im Laufe der Zeit eklatant gewachsen ist, ist die der Riesenfischuhus auf bescheidenem Niveau geblieben. Wenn ich dafür sorgen wollte, dass sich wieder einigermaßen ein Gleichgewicht herstellte und die notwendigen natürlichen Lebensbedingungen geschützt wurden, konnte ich nur durch wissenschaftliche Forschung an die dazu erforderlichen Informationen kommen.

Ende 2005 traf ich mich mit Sergej Surmatsch in seinem Arbeitszimmer in Wladiwostok. Freundliche Augen, klein, sportlich, jugendlich widerspenstiger Haarschopf – ich mochte ihn sofort. Und weil er dafür bekannt war, dass man gut mit ihm zusammenarbeiten konnte, hoffte ich, ihn für eine Partnerschaft zu gewinnen. Ich schilderte ihm, dass ich für eine Doktorarbeit an der University of Minnesota zu Riesenfischuhus forschen wollte, und er erzählte mir, was er über diese Vögel wusste. Bei einem lebhaften Austausch von Ideen befeuerten wir uns gegenseitig immer mehr und fassten rasch den Entschluss, so viel wie möglich über das geheime Leben der Riesenfischuhus zu lernen und mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse einen realistischen Plan zu ihrem Schutz zu entwerfen. Unser Ansatz war trügerisch einfach. Wie muss eine Landschaft beschaffen sein, damit Riesenfischuhus darin (über)leben können? Eine grobe Vorstellung hatten wir natürlich – hohe Bäume und jede Menge Fische etwa –, aber die Details zu erfassen, würde gewiss Jahre dauern. Wir hatten lediglich vereinzelte Berichte anderer Naturforscher und mussten im Wesentlichen bei null anfangen.

Surmatsch war ein gestandener Feldbiologe. Er hatte die für ausgedehnte Expeditionen ins entlegenste Primorje nötige Ausrüstung, einen riesigen GAZ-66-Geländewagen mit einem spezialangefertigten Wohnbereich (beheizbar mit Holzofen), mehrere Schneemobile und ein kleines Team Feldforschungsassistenten, die geübte Fischuhusucher waren. Für unser gemeinsames Projekt vereinbarten wir als Erstes, dass er und sein Team die Hauptarbeit bezüglich Logistik und Personal im Inland übernahmen und ich mich um aktuelle Forschungsmethoden kümmerte sowie Forschungsgelder auftrieb, das heißt, für den Großteil der Finanzierung sorgte. Wir gliederten die gesamte Studie in drei Phasen. Für die erste, das praktische Training, veranschlagten wir zwei, drei Wochen, für die zweite, eine Studienpopulation von Riesenfischuhus auszuwählen, etwa zwei Monate, und für die dritte, die Vögel einzufangen, mit Sendern auszustatten und Daten zu sammeln, vier Jahre.

Ich war Feuer und Flamme. Das war kein nachträglicher Krisennaturschutz, bei dem Forscher mit zu wenig Mitteln und zu viel Arbeit in Landschaften gegen die Ausrottung von Arten kämpfen, in denen der ökologische Schaden längst entstanden ist. Primorje war noch immer weitgehend unberührt. Wirtschaftliche Interessen hatten noch nicht die Oberhand gewonnen. Wenn wir uns auf eine gefährdete Spezies wie die Riesenfischuhus konzentrierten, konnten unsere Empfehlungen zum besseren Umgehen mit der Landschaft vielleicht sogar dazu beitragen, das ganze Ökosystem zu schützen.

Der Winter war die beste Zeit, die Uhus zu finden, denn im Februar machten sie sich akustisch am meisten bemerkbar und hinterließen Spuren im Schnee entlang von Flüssen. In dieser Zeit hatte Surmatsch allerdings auch am meisten zu tun. Seine Nichtregierungsorganisation hatte einen über mehrere Jahre laufenden Vertrag zur Erforschung von Vogelpopulationen auf der Insel Sachalin bekommen, und er musste sich in den Wintermonaten dort um die Logistik für diese Arbeit kümmern. Was zur Folge hatte, dass ich mich zwar regelmäßig mit ihm beriet, aber nie im Feld mit ihm arbeiten konnte. Als Vertretung schickte er immer Sergej Awdejuk, einen alten Freund, der sich im Wald hervorragend auskannte. Seit Mitte der 1990er-Jahre hatten die beiden zu Riesenfischuhus eng zusammengearbeitet.

In der ersten Phase wollten wir in den...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2023
Übersetzer Sigrid Ruschmeier
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Artenschutz • Bedrohte Arten • Eulen • Nature writing • Naturschutz • Russland • Taiga • Uhu
ISBN-10 3-7518-4007-9 / 3751840079
ISBN-13 978-3-7518-4007-1 / 9783751840071
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,9 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten

von Florian Illies

eBook Download (2023)
S. Fischer Verlag GmbH
22,99
Unternehmensgeschichte

von Gregor Schöllgen

eBook Download (2023)
Deutsche Verlags-Anstalt
34,99
Eine Familiengeschichte der Menschheit

von Simon Sebag Montefiore

eBook Download (2023)
Klett-Cotta (Verlag)
38,99