Die Geister von Triest -  Christian Klinger

Die Geister von Triest (eBook)

Gaetano Lamprecht ermittelt
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
320 Seiten
Picus (Verlag)
978-3-7117-5494-3 (ISBN)
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In Europa hebt der Erste Weltkrieg an. Da wird in Triest eine schrullige alte Frau, die von allen nur »die Hexe« genannt wurde, bestialisch ermordet in ihrem Häuschen aufgefunden. Der leidenschaftliche Rennradfahrer Gaetano Lamprecht, Ispettore der Triestiner Polizei, begibt sich auf die Spur des zunächst noch sehr rätselhaften Mörders. Dabei taucht er tief ein in die Geschichte Triests und in die Verstrickungen des Kunsthandels. Er muss sich mit halbseidenen Ganoven und generationenübergreifenden Flüchen herumschlagen. Dabei an seiner Seite: seine kluge Schwester Adina, seine Sekretärin Clara und die schöne Witwe Alessia - die Gaetanos Leben gehörig auf den Kopf stellt?...

Christian Klinger, geboren 1966 in Wien, Studium der Rechtswissenschaften. Seit 2017 Zweitwohnsitz in Triest. Er veröffentlichte zahlreiche Krimis und Beiträge in Anthologien, erhielt den Luitpolt-Stern-Förderungspreis und war auf der Auswahlliste des Agatha-Christie-Krimipreises (2011). Im Picus Verlag erschienen der Roman »Die Liebenden von der Piazza Oberdan« sowie die historischen Kriminalromane rund um Inspektor Gaetano Lamprecht: »Ein Giro in Triest«, »Die Geister von Triest« und »Eine Corsa in Triest«. www.christian-klinger.at

Christian Klinger, geboren 1966 in Wien, Studium der Rechtswissenschaften. Seit 2017 Zweitwohnsitz in Triest. Er veröffentlichte zahlreiche Krimis und Beiträge in Anthologien, erhielt den Luitpolt-Stern-Förderungspreis und war auf der Auswahlliste des Agatha-Christie-Krimipreises (2011). Im Picus Verlag erschienen der Roman »Die Liebenden von der Piazza Oberdan« sowie die historischen Kriminalromane rund um Inspektor Gaetano Lamprecht: »Ein Giro in Triest«, »Die Geister von Triest« und »Eine Corsa in Triest«. www.christian-klinger.at

1914

triest, august 1914

1. hurra, wir ziehen in den krieg


Gaetano Lamprecht wich in letzter Sekunde zur Seite aus, andernfalls hätte ihn der entgegenkommende Lastwagen gerammt. Nur mit Not konnte er verhindern, im Straßengraben zu landen. Schnell hob er das Fahrrad von der Fahrbahn, als der Mannschaftswagen der Wiener Automobilfabrik an ihm vorbeirauschte. Diesem folgte eine Kolonne von weiteren Gefährten. Lamprecht stützte seinen Oberkörper auf den Lenker seines Bianchi-Rennrads und schaute den Militärfahrzeugen nach. Auf der Ladefläche saßen junge Männer in Uniform und sangen fröhlich. Einer deutete auf ihn und rief auf Italienisch: »Schluss mit den Kindereien. Ab zum Kommiss, denn nur dort kannst du unserem Kaiser gebührend dienen.«

Die anderen lachten und klopften sich auf die Schenkel oder einander auf die Schulter. Lamprecht betrachtete die Burschen mit ihren Milchgesichtern, wie sie in den schicken Uniformen in den Krieg zogen. Die Kriegsbegeisterung hatte nun sogar die italienische Volksgruppe im Küstenland erfasst. Doch Polizisten wie er wurden wie alle anderen Beamten nicht eingezogen, außer sie meldeten sich freiwillig. Aber wer würde den Burschen, der da in kurzen Hosen und Sporttrikot auf seinem Renner saß, für einen Beamten der Sicherheitswache halten? Wie leicht Äußerlichkeiten in die Irre leiten konnten, wusste er nur zu gut.

Auch er war zuletzt einem Irrtum aufgesessen, musste er sich eingestehen. Er hatte geglaubt, dass das Schlimmste ausgestanden wäre, wenn die Särge des ermordeten Thronfolgers mit seiner Gattin sicher auf dem Weg nach Wien wären. Doch nach mehreren Ultimaten an das Königreich Serbien hatte Österreich-Ungarn dem Feind den Krieg erklärt. Dabei hatten die Militärs dem greisen Kaiser offenbar weisgemacht, dass der Feldzug in wenigen Wochen beendet wäre. Nun war es bereits Mitte August, knapp vor dem Kaisergeburtstag, der drei Tage nach Ferragosto begangen wurde, und die habsburgischen Armeeverbände hatten zwar gerade die Hauptstadt Belgrad erreicht, doch Serbien war weder besiegt, noch waren sonstige Erfolge in Aussicht. Im Gegenteil: Vor Galizien waren die Truppen des russischen Zarenreichs mit einer gewaltigen Armee aufmarschiert und die Österreicher schickten gerade jeden Nachschub, den sie bekommen konnten, an die Ostfront. Außerdem hatten Großbritannien und Frankreich Österreich-Ungarn nach dem deutschen Einmarsch in Belgien den Krieg erklärt. Schon Ende Juli war die Generalmobilmachung ausgerufen worden und sämtliche waffentauglichen Männer hatten sich zum Dienst zu melden. Von seinen Kollegen hatte etwa Mollieri sofort freudig Uniform gegen Waffenrock getauscht, ebenso wie einige der ganz jungen Wachen, die hofften, im Feld schneller Karriere zu machen oder ihren Heldenmut unter Beweis stellen zu können. Zu Mollieris normalem Rausch war der Kriegsrausch hinzugekommen.

Der Konvoi war an Lamprecht vorbeigezogen, doch dem Polizisten war die Lust vergangen, seine Tour nach Großrepen fortzusetzen. Er hob sein Vorderrad wieder auf die Straße und setzte zum Heimweg an. Dabei hatte er heute sein Trainingspensum nicht annähernd erreicht. Denn eigentlich musste er sich in Form bringen. Obwohl er sein Qualifikationsrennen Anfang Juli versäumt hatte, war ihm infolge der Hartnäckigkeit, mit der er danach Briefe an die Gazzetta dello Sport als Veranstalterin geschrieben hatte, ein Startplatz für diesen Herbst beim Giro di Lombardia zugesagt worden. Schon aus diesem Grund war er froh, dass Österreich-Ungarn mit dem Königreich Italien verbündet war. So würde es wohl kaum Probleme geben, wenn er zum Start nach Mailand reisen wollte. Der Zugverkehr würde aufrecht bleiben, meinte er, denn schließlich waren auch die Fährverbindungen nach Venedig nicht durch den Krieg beeinträchtigt.

Als er die elterliche Wohnung auf dem Hügel von San Giusto erreichte, traf er seine Eltern beim Tee auf der Terrasse an.

»Buongiorno, Mamma! Grüß Gott, Vater!«

Seine Mutter blitzte ihn aus ihren hellen Augen in dem dunklen schmalen Gesicht an und nickte ihm lächelnd zu, während sich der Vater zuvor erhoben hatte und nun mit dem Rücken zu Gaetano stand, das Geländer mit den Händen umklammernd. Ohne sich umzudrehen, hob er nur eine Hand, um die Begrüßung zu erwidern. Gaetano trat näher heran und ließ für einen Moment die Aussicht auf sich wirken.

Alles wirkte wie immer, das Meer zeigte sich unbeeindruckt von der Kriegslust der Stadt, die auf den ersten Blick unverändert ihren Geschäften nachging. An den Molen drängten sich die Schiffe, um Passagiere von Bord zu lassen oder um diese aufzunehmen, und die Kräne beim neuen Hafen waren eifrig damit beschäftigt, Waren aller Art umzuschlagen. Wäre er nicht überall auf seinem Heimweg den verschiedensprachigen Kundmachungen über die Mobilisierung der Armeen begegnet und wären nicht am nahen Kastell die Kriegsflaggen im Wind geflattert, er hätte den Eindruck haben können, sein letzter Einsatz hätte tatsächlich Schlimmeres verhindert und die Katastrophe abwenden können. Doch vielleicht hatte der Verräter recht gehabt und eine Strafaktion gegen einen vermeintlichen Ring aus Abtrünnigen und Verschwörern hier hätte den Fokus der Kriegstreiber ins Küstenland gelenkt und der Rachedurst wäre mit einer Verhaftungswelle unter den führenden Irredentisten gestillt gewesen.

»Warum so nachdenklich, mein Sohn?«, fragte Elodie Lamprecht und fuhr Gaetano sanft über die Wange. »Ist etwas nicht in Ordnung?« Sie sprach Deutsch, denn in der Situation, in der sich das Kaiserhaus aktuell befand, musste nach Ansicht von Franz Lamprecht Patriotismus in allen Belangen des täglichen Lebens und Zusammenlebens gezeigt werden. Schon das »Buongiorno« zuvor hatte den Vater erkennbar zusammenzucken lassen.

Gaetano klebte das verschwitzte Wolltrikot am athletischen Oberkörper. Er schüttelte den Kopf. »Nein, alles in Ordnung. Ich habe nur über etwas nachgedacht.« Er deutete auf seinen Vater, der immer noch abgewandt dastand und tat, als würde er die Schiffe im Hafen beobachten. »Aber ich bin hier wohl nicht der Einzige, der Gedanken wälzt. Ist etwas vorgefallen?« Die Mutter versuchte ein Lächeln zu unterdrücken, doch ihr rechter Mundwinkel zuckte. Ehe sie etwas antworten konnte, drehte sich der Vater um. Sein Gesicht war rot und Gaetano entging das Zittern seiner Lippen nicht, als er ihm antwortete: »Sie haben mich weggeschickt, einfach wieder nach Hause geschickt.«

»Wer hat Sie nach Hause geschickt?«

»Die Pfeifen von der Armee, als ich mich zum Dienst melden wollte.«

»Aber werter Vater, die Mobilmachung betrifft doch nur Männer bis zweiundvierzig Jahre. Der Krieg ist etwas für die Jungen, ohne Ihnen nahetreten zu wollen.«

»Blödsinn«, wurde Lamprecht senior lauter, »der Krieg braucht vor allem Männer mit Verstand und Erfahrung. Diese Knaben taugen doch nur als Kanonenfutter. Und wenn wir beide …«

»Streitet doch nicht schon wieder«, mischte sich Adina ein, Gaetanos um fast zehn Jahre jüngere Schwester, die nun auch dazugestoßen war. Sie trug ein hellblaues Baumwollkleid und trotz des Hutes auf ihrem Kopf hatte die Sonne einzelne Sommersprossen in ihrem Gesicht hinterlassen. Gaetano betrachtete sie und dachte sich wieder einmal, wie hübsch dieses ehemals kleine Küken geworden war. Ihre heitere Art entspannte die Situation und der Vater verstummte. Mit beschwingten Schritten kam sie auf Gaetano zu, umfasste seinen Oberarm mit beiden Händen und streckte sich, ein Bein vom Boden abgewinkelt, zu ihm hinauf, um ihm ein Küsschen zu geben. Mit breitem Grinsen flüsterte sie ihm zu: »Ich habe endlich Nachricht von Viola!« Lamprecht legte ihr seine flache Hand auf den Mund, um sie zum Schweigen aufzufordern. »Warte bitte.« An den Vater gerichtet: »Es tut mir leid, wenn ich zuvor unhöflich war. Ich wollte Sie nicht beleidigen und möchte Sie höflichst um Verzeihung bitten.«

Adina ließ Gaetano los und er machte einen Diener in Richtung von Vater und Mutter, die versöhnlich meinte: »Schön, wenn ihr eure Streitigkeiten beilegen könnt, macht euch lieber Sorgen um den Sonntagsbraten.« Sie erntete von beiden Männern einen ungläubigen Blick und setzte fort: »Luisa hat diese Woche schon wieder kein brauchbares Fleisch bekommen. Bald werden wir uns von Gras und Gemüse ernähren müssen.«

Der Vater strich sich über den Bart. »Wieso denn das? Es wird doch noch genügend Kühe bei uns geben?«

»Genau!«, pflichtete ihm Gaetano bei. »Auf den Weiden steht ausreichend Vieh.« Tatsächlich war ihm das auf seinen längeren Ausfahrten aufgefallen, wenn er durch den Karst in Triests Hinterland fuhr und dort...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2023
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte 1914 • Bianchi • Erster Weltkrieg • Fluch • Habsburger • Italien • Kunsthandel • Monarchie • Mord • radfahren • Triest
ISBN-10 3-7117-5494-5 / 3711754945
ISBN-13 978-3-7117-5494-3 / 9783711754943
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