Sherlock Holmes - Neue Fälle 45: Die toten Augen des Königshauses (eBook)

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2024 | 1. Auflage
154 Seiten
BLITZ-Verlag
978-3-7579-5357-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Sherlock Holmes - Neue Fälle 45: Die toten Augen des Königshauses -  Ian Carrington
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König Edward VII. beauftragt Sherlock Holmes und Dr. Watson mit der Lösung eines äußerst delikaten und persönlichen Falles. Nichts davon darf nach außen dringen. Die Enthüllung des Geheimnisses der toten Augen würde die Monarchie in ihren Grundfesten erschüttern. Die Widersacher der beiden Freunde gehen äußerst brutal vor, scheuen weder Entführung noch Mord. Und Edgar Wallace wird ebenfalls in den Teufelskreis aus Gier und Gewalt hineingezogen.

Ian Carrington wurde 1949 als Kind politisch und kulturell gebildeter Eltern auf einer kleinen Nordseeinsel geboren. Seiner Großmutter verdankte er einen reichen Schatz an Epen, Sagen und Legenden der nordischen Geschichte. Als werdender Künstler war er jedoch nie Taxifahrer oder hat beim Aufbau von Bühnen geholfen.

1. Kapitel


London, 28. April 1905

Einen zufälligen Betrachter hätte die Szenerie, die sich direkt vor seinen Augen abspielte, nicht nur mit Bekümmertheit, sondern geradezu mit tiefstem Entsetzten erfüllt. Da es aber in diesen Räumen keine solchen Zuseher gab, blieb das unwürdige Schauspiel nur jenen vorbehalten, die es ohnehin längst schon kannten und sich darüber wenig oder gar keine Gedanken mehr machten.

Mit Ausnahme der überaus hübschen jungen Frau vielleicht, die sich wie jeden Morgen als eine Art Herrin gab. Denn in ihren zierlichen Händen hielt sie eine Leine, ähnlich der eines Hundes, an der sie einen zehnjährigen Knaben mit allzu abstehenden Ohren hinter sich herzog. Der Bursche selbst, ungewöhnlich dünn und klein für sein Alter, mit rostrotem, unordentlichem Haar und gleichfarbigen Sommersprossen im bleichen Gesicht, trug einen marineblauen Matrosenanzug. Das Hemd hatte keine Knöpfe, die weite Schlaghose war ohne Latz und der Kittel mit breitem eckigem Rückenkragen versehen. Nur die typische Tellermütze fehlte, denn diese hatte er irgendwo auf dem kahlen Boden verloren, den er wie ein Tier auf allen vieren beging.

Beth Aden, das Kindermädchen mit dem blonden Haarschopf und dem zarten Gesicht mit den himmelblauen Augen, der geraden Nase, dem volllippigen, erdbeerroten Mund und den niedlichen Grübchen, die entstanden, sobald sie lächelte, war mit einem schwarzen, langen Kleid, das die Beine und sogar die Knöchel bedeckte, und einer bauschigen Schürze gewandet. Als Nanny oblag ihr die Kinderbetreuung, die Kinderpflege, die Erziehung sowie die Begleitung des Knaben in schulischen Angelegenheiten.

Das Letztere tat die Kinderfrau momentan sprichwörtlich, zog sie den Jungen doch gegen dessen Willen zu einer offenstehenden Tür hinüber. Dahinter eröffnete sich ein rechteckiger Raum mit einer Handvoll Stühlen und einem Pult. Bis auf einen kahlköpfigen, hageren Mann in der Mitte seines Lebens, mit strengem Gesichtsausdruck und schmalen, dafür aber wieselflinken Augen, war dieser verwaist.

»Heute sträubt sich der kleine Johnnie ungewöhnlich heftig bezüglich einer akademischen Begegnung mit Ihnen, Mister Stratham.« Beth lächelte, was ihre bezaubernden Grübchen offenbarte, doch der Angesprochene entgegnete nichts darauf, betrachtete stattdessen den Knaben an der Leine mit noch gestrengerem Blick, als seine Miene ohnehin ausdrückte.

Robert Stratham war der Hauslehrer Johnnies, der sich seit geraumer Zeit bemühte, dem Burschen zumindest die Grundbegriffe des schulischen und altersgerechten Einmaleins zu unterrichten. Dass dies jedoch zumeist vergebliche Mühe war, war ebenfalls hinreichend bekannt. Dennoch bedurfte es weiterer Anstrengung, so lautete nun mal die Anweisung, der er sich in keiner Weise widersetzen durfte und gleich gar nicht konnte.

Johnnie hatte sich nun wieder beruhigt, sodass Beth die unwürdige Leine von seinem Hals lösen konnte.

Stratham winkte ihn zu sich, denn er hatte verschiedene Karten auf sein Pult gelegt. Mit etwas Mühe erklomm der Zehnjährige einen kleinen Hocker, um auf diese hinabblicken zu können. Die Karten, die wild gemischt durcheinander lagen, zeigten eine Serie von bunten Tierzeichnungen. Genauer einen Elefanten, eine Spinne, eine Ameise, einen Grashüpfer, einen Wal und einen Löwen.

»Nun, John, kannst du die Tiere nach ihrer Größe ordnen?«

Der Junge überlegte nicht lange, sondern fing keck zu lachen an.

»Nimm einfach das größte oder das kleinste Tier als Erstes. Es ist einerlei«, versuchte es Mr Stratham mit schärferer Stimme.

Wieder nur ein kindliches Gefeixe.

Der Hauslehrer räusperte sich. »John, konzentriere dich! Welches ist das größte Tier?«

Der Junge verstummte, sah stattdessen von den Karten zunächst zu Beth, die neben dem Pult stand, und dann zu Mr Stratham. »Mir gefallen alle diese Bilder.«

»Du sollst endlich das größte Tier auswählen!«, echauffierte sich der Lehrer, seiner Geduld bereits zu dieser frühen Stunde beraubt.

Anstatt eine Antwort zu geben, wischte Johnnie mit einem Handstreich sämtliche Karten vom Stehpult, sprang vom Hocker und rannte wie ein aufgescheuchtes Federvieh durch den Raum.

»Es ist müßig«, blaffte Robert Stratham die Nanny an, als wäre sie schuld an dessen ungebührlichem Verhalten. »Johns Gehirn ist einfach nicht seinem normalen Wachstum gefolgt. Alle akademischen Übungen und Anstrengungen zeigen eindeutig, dass er an einem diesbezüglichen Schaden leidet.«

Sagen Sie mir etwas Neues, Mister Stratham, dachte Beth. Jeder wusste, dass der Junge nach den ärztlichen Diagnosen an Fallsucht litt, die die Mediziner Epilepsie nannten.

Kaum hatte sie diese Gedanken zu Ende gebracht, als sie und natürlich auch der Hauslehrer wieder einmal Zeugen eines Anfalls wurden.

Jählings schrie Johnnie laut auf, stürzte gleich darauf wie ein gefällter Baum zu Boden. Sein ganzer Körper versteifte sich, verkrampfte und zuckte. Das bleiche Gesichtchen verzerrte sich genauso monströs wie der Mund, vor dem jetzt Schaum wie bei einem tollwütigen Hund stand. Die Augen verdrehten sich, sodass nur noch das Weiß der Pupillen zu erkennen war. Der Atem ging flach, die Lippen färbten sich blau.

Ein schrecklicher Anblick – gleich gar bei einem Kind!

Die beiden Erwachsenen knieten sich neben den Jungen. Um seine Atemwege frei zu halten, brachten sie ihn in eine seitliche Lage, und Beth lockerte den Kragen seines Hemdes.

Mr. Stratham zog seine Jacke aus und legte sie dem Knaben als Polster unter den Kopf, was sich angesichts der wilden Zuckungen als nicht ganz einfach erwies. Danach drückten er und Beth Johnnie vorsichtig, aber mit Kraft auf den Boden, damit er sich bei dem Krampfanfall nicht gar selbst oder andere verletzte.

Nicht einmal eine Minute später ließ die Muskelanspannung in dem schwächlichen, kindlichen Körper nach. Von Minute zu Minute lösten sich die Verkrampfungen und Versteifungen.

Johnnie war wieder gänzlich er selbst. Für ihn waren diese Anfälle nichts Besonderes, lebte er doch damit. Das Kindermädchen und der Hauslehrer hatten sich längst angeeignet, mit solchen Situationen umzugehen.

Der Junge erhob sich und fegte erneut durch den Raum, als wäre nichts geschehen.

Wenn auch etwas bedächtiger als noch zuvor.

*

Der Spätnachmittag zeigte sich von seiner typischen Londoner Aprilseite. Dunkle Wolken hingen über der Metropole und sorgten für Kühle. Die Milde des Frühlings schien noch weit entfernt. Trotz des unregelmäßigen und zumeist unwirtlichen Wetters konnte sich Beth Aden keinen anderen Ort vorstellen, an dem sie leben wollte. Mit über vier Millionen Einwohnern war London die größte Stadt der Welt sowie das kulturelle und industrielle Herz des Britischen Empires. Auch wenn sie zweigeteilt war. Denn im Westen genoss die feine Gesellschaft ihr Dasein, während im Osten das Proletariat zumeist in Armut darbte, bedroht von ausufernder Kriminalität.

Der Witterung und ihrer Stellung geschuldet, trug die Nanny einen Hut und dunkelblauen Mantel sowie ein gleichfarbiges, langes Kleid darunter. Gleich nach dem Anfall von Johnnie hatte sie sich aufgemacht, einige Besorgungen zu machen. In unmittelbarer Nähe der Markthallen von Covent Garden würde sie die zur Neige gehende Arznei für den Jungen erwerben.

Eine Droschke brachte sie über The Mall zum Trafalgar Square und von dort in die St Martin’s Lane, schließlich rechter Hand in die New Row, die im späteren Verlauf zur King Street wurde. Dann erreichte sie die Markthallen von Covent Garden. Jene waren fünfundsiebzig Jahre alt, wurden sie doch erst 1830 in Analogie an die römischen Bäder erbaut. Somit sollte ein beständiger Marktbetrieb unabhängig von der Witterung ermöglicht werden. Während der Regierungszeit von König Jack Lackland, die von 1199 bis 1256 andauerte, erhielt dieses Stadtviertel den noch heute gebräuchlichen Namen Covent Garden. Er umfasste vierzig Acre in der Grafschaft Middlesex. Hier unterhielt einst der Konvent von Sankt Peter in Westminster einen Obst-, Gemüse-und Kräutergarten, um den täglichen Lebensmittelbedarf zu decken. Bewirtschaftet wurde dieser von Verwaltern im Auftrag des Abts von Westminster. Das wiederum löste Besitzstreitigkeiten zwischen der Geistlichkeit und der Krone aus, in deren Folge der damalige König Heinrich VIII. im Jahr 1540 während der Reformation den Klöstern ihre Besitztümer enteignete. Nichtsdestotrotz avancierte der Covent Garden zu einem der wichtigsten Orte der Markthändler in London, mitunter sogar des ganzen Landes.

Das Zentrum bildete unzweifelhaft ein öffentlicher Platz, der bereits im 17. Jahrhundert durch Francis Russel, den 4. Earl of Bedford von den großen Piazzen von Rom, Livorno und anderen italienischen Städten inspiriert worden war. Insbesondere der Bezirk am östlichen Rand des West End war für seinen Obst- und Gemüsemarkt geschätzt. Dort tummelten sich aber auch Fleisch-, Fisch- und Geflügelhändler, Getreide- und Blumenverkäufer, Kunsthandwerkstände, Straßenmusiker, Bettler und Diebe.

Wie zuvor verabredet, hielt die Droschke vor dem Zugangsbereich an. Beth stieg aus, entlohnte den Fahrer und bat ihn, zu warten. Zielbewusst schritt sie auf den festen Wegen an den Kolonnaden und Treibhäusern, die in drei parallelen Reihen aufgestellt waren, vorbei. Jedes Mal aufs Neue war sie von den Gusseisen- und Glaskonstruktionen der Hallen tief beeindruckt, wenn nicht gar fasziniert.

Allerdings ging die Nanny keineswegs in eine davon hinein, sondern umrundete diese auf einem schmalen Weg, der an ihnen vorbeilief, um gleich darauf in einer verwinkelten Gasse zu landen. Das Gebäude, das sich dort erhob, war mit einer Stuckfront und...

Erscheint lt. Verlag 30.4.2024
Reihe/Serie Sherlock Holmes - Neue Fälle
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Detektiv • Enthüllung • Ermittler • Geheimniss • Großbritannien • Krimi • London • Monarchie
ISBN-10 3-7579-5357-6 / 3757953576
ISBN-13 978-3-7579-5357-7 / 9783757953577
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