Das finstere Spiel -  Jonathan Janz

Das finstere Spiel (eBook)

Thriller
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2023 | 1. Auflage
496 Seiten
Festa Verlag
978-3-98676-076-2 (ISBN)
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Zehn Schriftsteller werden für eine Klausur mit dem berühmten Autor Roderick Wells ausgewählt. Der legendäre und geheimnisvolle Gastgeber verspricht seinen Schülern, sie über das Schreiben und ihr ungenutztes Potenzial zu unterrichten. Vor allem aber sollen sie die Finsternis in ihren Herzen erkennen. Die Schriftsteller glauben, dass sich ihnen eine Chance auf Reichtum und literarischen Ruhm bietet. Doch in Wirklichkeit begeben sie sich in die irre Fantasie eines geistesgestörten Genies, in einen tödlichen Wettbewerb, in dem sie um ihren Verstand und ihr Leben kämpfen ... Booklist: »In seinem neuesten Horror-Juwel ließ sich Janz vom frühen Stephen King beeinflussen, um die Geschichte eines abgelegenen Schriftsteller-Refugiums in etwas Einzigartiges und zum Nachdenken Anregendes zu verwandeln.« Booklist Online: »Ein Leckerbissen für Horrorfans, ja, aber der Roman wird auch ein breiteres Publikum ansprechen, da er es schafft, sowohl zu erschrecken als auch die Freude an Literatur zu ergründen.« Brian Keene: »Einer der besten neuen Horror-Autoren.«

In Amerika feiern die Horror-Fans die Romane von Jonathan Janz schon eine ganze Weile. Sie lieben seine brutalen Geschichten, deren beklemmende Atmosphäre manchmal so dicht ist, dass man das Gefühl hat, daran zu ersticken. Jonathan Janz wuchs zwischen einem dunklen Wald und einem Friedhof auf, was alles erklärt. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Mehr über ihn erfährt man unter www.jonathanjanz.com.

1

Lucy fummelte am schweißnassen Stoff ihrer Augenbinde herum. »Was dagegen, wenn ich das abnehme?«

Keine Antwort von ihrem Fahrer. Um sie her ruckelte die Limo wie ein schlecht gewartetes Kirmeskarussell.

Entspann dich, sagte Lucy zu sich selbst. Es wäre blöd von dir gewesen, dir diese Gelegenheit entgehen zu lassen.

Sie faltete die Hände im Schoß, während die Limo immer heftiger ruckelte. Sie stellte sich dort draußen eine karge Landschaft vor, die Bäume verkümmert, der Boden verbrannt. Wie ihre Zukunft, wenn das hier nicht klappte.

Sie ballte die Hände zu Fäusten.

Ihr fiel auf, dass sie den Fahrer gar nicht gebeten hatte, sich auszuweisen. Niemand wusste, dass sie hier war, und sie durfte kein Handy haben. Sie kaute an einem Daumennagel, während ihr einhundert Horrorfilme durch den Kopf schossen. Warum musste es eigentlich immer eine Frau sein, die in Stücke gehackt wurde?

Die Limo rumpelte über eine rauere Oberfläche. Äste peitschten mit erschreckender Gewalt gegen das Dach, sodass die Antenne sirrte. Lucys Magen schlug einen Salto, als die Limo durch ein Schlagloch fuhr und dermaßen schlingerte, dass ihr beinahe übel wurde.

Mit zitterndem Daumen drückte sie auf den Knopf ihres Fensters, aber offenbar hatte der Fahrer die Kindersicherung aktiviert.

»Gönnen Sie mir wenigstens etwas Luft«, sagte sie durch die Zähne.

Eine endlose Pause. Dann fuhr ihr Fenster herab und eine schwüle Brise drang herein. Ihr Herzschlag hatte gerade angefangen, sich zu verlangsamen, da stach ihr irgendetwas in die Schulter – ein Ast wie ein Finger, vermutete sie. Sie sog Luft durch die Zähne, und vor ihrem inneren Auge flackerte eine grässliche Szene auf: Der Wald, der auf sie eindrang, begierig darauf, Blut zu vergießen, und die Bäume grapschten nach ihr wie eine Horde watschelnder Ghoule.

Mit trockenem Mund bat sie den Fahrer, das Fenster wieder zu schließen.

»Kein Problem«, antwortete er. »Und Sie können auch die Augenbinde abnehmen, wenn Sie wollen.«

Sie schob die Finger unter den Stoff und schob ihn nach und nach aufwärts. Ein letztes Mal zerrte sie daran, und dann löste sich die Binde. Lucy warf sie beiseite. Das trübe Mainachmittagslicht blendete sie nach der Dunkelheit hinter der Augenbinde.

Als ihre Augen sich daran gewöhnt hatten, stellte Lucy fest, dass sie durch einen düsteren Wald fuhren: Die gewundenen Stämme und die knorrigen Äste erinnerten sie an die Gebrüder Grimm. Als sie sich näherten, flatterte eine Amsel kreischend von ihrem Zweig auf, nahm Kurs auf die Windschutzscheibe und schoss über das Dach der Limo hinweg. Mit rasendem Herzen blickte Lucy ihr durch das Rückfenster nach, konnte jedoch nichts ausmachen außer Schatten und uralten Bäumen. Sie rechnete schon halb damit, einen Blick auf eine Hexe zu erhaschen, die sie aus dem Unterholz heimtückisch ansah.

Nach einer Weile verbreiterte sich der Korridor aus Bäumen und sie gelangten auf eine grasbewachsene Lichtung. Auf der gegenüberliegenden Seite erspähte sie eine einsame Gestalt, die an einem Baum lehnte. Als sie näher kamen, sah sie das hellrote Muskelshirt, die kakifarbenen Cargoshorts und die verblassten Birkenstocksandalen aus Leder. Der Mann war vielleicht dreißig und sehr gut aussehend mit seiner glatten, gebräunten Haut und dem lockigen braunen Haar, das ihm nicht ganz bis zu den Schultern reichte.

Die Limo hielt an. Lucy stieß ihre Tür auf, sog die zedernduftgeschwängerte Luft tief in die Lunge, stieg aus und streckte sich genüsslich. Der Fahrer öffnete den Kofferraum, hievte ihren Koffer heraus und kehrte zur Fahrertür zurück, ohne Blickkontakt herzustellen. Einen Moment später beschrieb der Wagen eine sanfte Kurve und verschwand dann in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

Lucy blickte sich in dem wundersamen Wald um. Kein Anzeichen eines Hauses, und ein Weg war auch nirgends zu sehen. War die ganze Veranstaltung nur ein Streich? Diese Sorge quälte sie schon, seit sie die Einladung erhalten hatte. Ihr erster Gedanke war gewesen, dass sie sicher einen Fehler gemacht hatte: Sie war zu erfolgreich, um an einem derartigen Wettbewerb teilzunehmen. Dann war ihre alte Furcht zurückgekehrt, ihr früher Erfolg könnte nur ein Glücksfall gewesen sein und die anderen Teilnehmer, zweifellos jünger und talentierter, würden sie lebendig verspeisen.

Aber mit 33 konnte sie doch noch nicht weg vom Fenster sein. Oder doch?

Der Fremde kam auf sie zu. An den Schläfen, wo seine Augenbinde gesessen hatte, hatte er rötliche Abdrücke. Er hob die Arme und streckte sich, offensichtlich um seine schlanken und wohlgeformten Bizepse zur Schau zu stellen. Er seufzte, dann blieb er vor ihr stehen, seine nackten Zehen nur eine Fußlänge von ihren entfernt.

»Tommy Marston«, sagte er und hielt ihr die Hand hin.

Sie schüttelte sie. »Lucy Still.«

Er musterte sie aus verengten Augen. »Sie sehen wie eine Jugendbuch-Autorin aus. Hab ich recht?«

Sie erwog, ihm von ihrem frühen Erfolg zu erzählen, damit die Arroganz in seiner Miene Ehrfurcht wich. Sie hätte mit dem Vorschuss prahlen können, den sie mit 19 Jahren bekommen hatte, den mit Lobeshymnen versehenen Besprechungen in vielen der wichtigsten Literaturzeitungen, ihrem sofortigen literarischen Ruhm.

Doch dann würde er ihr die berüchtigte Frage stellen: Was haben Sie in letzter Zeit geschrieben?

»Sie ist 40 Minuten zu spät«, rief jemand mit einer tiefen Stimme.

Tommy blickte dem Mann finster entgegen, der nun zwischen den Bäumen hervortrat. »Woher wollen Sie das wissen?«

Der Mann machte eine vage Handbewegung.

»Ich dachte, wir dürfen keine technischen Geräte mitbringen«, sagte Tommy.

»So stand das nicht im Vertrag«, antwortete der Mann. »Diese Uhr ist jedenfalls analog.« Er war größer als Tommy, und sein weißes T-Shirt und seine dunkelblauen Jeans strafften sich über prallen Muskeln. Er ließ Lucy an einen College-Footballspieler denken, der es irgendwie geschafft hatte, aus dem Team geschmissen zu werden, nachdem er zu oft verhaftet worden war. Er hatte einen Bürstenhaarschnitt von der Farbe schwachen Kaffees und frostige blaue Augen. Sein Mund schien zu einem permanenten Grinsen erstarrt.

Er nickte Lucy zu. »Bryan Clayton. Und Sie?«

Sie sagte es ihm.

Bryan musterte sie einen Augenblick, dann deutete er auf den Wald. »Das ist majestätisch dadrin. Pappeln, Weiden, Tamarack-Lärchen, Walnuss. Sogar ein Wäldchen mit Fraser-Tannen. Extrem selten in Indiana.«

Tommy runzelte die Stirn. »Woher wissen Sie, wo wir sind?«

»Angeborener Orientierungssinn.«

Tommy sah Lucy an. »Angeborener Bullshit.«

»Wir sind südwestlich von Chicago«, sagte Bryan. »Also müssten wir in Indiana sein, stimmt’s?« Er griff in seine Gesäßtasche und zog ein gefaltetes Blatt Papier hervor. »Mein Fahrer hat mir gesagt, ich soll dieser Wegbeschreibung folgen, sobald Sie angekommen sind.« Er bedachte Lucy mit einem nachsichtigen Blick. »Das heißt, falls die Prinzessin so weit wäre.«

Arschloch, dachte sie.

»Zeit, sich die Hände schmutzig zu machen«, sagte Bryan und schulterte seinen jägergrünen Rucksack. »Ich werde Wells schon zeigen, dass ich zum Siegen hier bin.«

Tommy warf Lucy einen Blick zu. »Das sind wir auch.«

Bryan beäugte ihn. »Sie beide sind in einer Woche weg.«

»Wenigstens mach ich hier nicht einen auf übertrieben männlich.«

Bryans Grinsen verblasste. »Ich schreibe tatsachenbasierte Survivalstorys.«

Tommy zog einen Mundwinkel hoch. »Bei Ihrer Persönlichkeit wissen Sie bestimmt ’ne Menge übers Alleinsein.«

Einen Moment lang berührten sich fast ihre Nasenspitzen, und dann wirbelte Tommy plötzlich durch die Luft und landete im Gras.

Bryan saß rittlings auf ihm, hatte ihm den Arm auf den Rücken gedreht und schob nun langsam das Handgelenk aufwärts. Lucy glaubte, der Arm würde bald sein Gelenk sprengen.

»Okay, okay!«, schrie Tommy.

Bryans dicke Arme spannten sich an, während er Tommys Handgelenk immer höher schob, jetzt schon fast bis zu den Schulterblättern. Er beugte sich hinab und brachte sein kantiges Kinn bis auf wenige Zentimeter an Tommys rotes Gesicht heran, das seitwärts ins Gras gedrückt wurde. »Immer noch ’ne große Klappe?«

Ein hohes Wimmern drang aus Tommys Kehle.

»Gehen Sie runter von ihm«, sagte Lucy.

Tommy stöhnte. Sie erwartete jeden Moment, ein ekelerregendes Knacken zu hören.

»So, wie war das mit übertrieben?«

»Runter, hab ich gesagt«, sagte Lucy und trat auf die beiden zu.

Bryans Kopf zuckte herum, und in seinem Blick lag etwas Wildes. Dann breitete sich langsam ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. Er ließ Tommy los und setzte sich auf die Fersen, einen beinahe euphorischen Ausdruck der Befriedigung auf dem Gesicht.

Tommy ächzte, den Arm schlaff im Gras.

Bryan stand auf. »Wenn Sie das nächste Mal rumstänkern, passen Sie auf, dass Sie keinen Hochschulringer beleidigen.«

»Sack«, murrte Tommy und erhob sich. Sein überdehnter Arm hing ihm schlaff an der Seite herab. Lucy glaubte nicht, dass er gebrochen war, aber er würde tagelang wehtun.

»Können wir jetzt zu Wells’ Haus gehen?«, fragte sie.

»Klar«, sagte Bryan. Er ging auf den Wald zu, blieb dann jedoch...

Erscheint lt. Verlag 13.7.2023
Übersetzer Bernd Sambale
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
ISBN-10 3-98676-076-8 / 3986760768
ISBN-13 978-3-98676-076-2 / 9783986760762
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